NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

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NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Paral­lel­welten
How to deal with
Zum Umgang mit „System­aus­stieg“
in der Beratungsarbeit

Steigen Menschen aus gemein­samen Räumen aus und ziehen sich in Paral­lel­struk­turen zurück, stellt das vor allem die Angehö­rigen vor Heraus­for­de­rungen. Inwieweit können hinter der Verwei­gerung der Schul­pflicht oder des Zahlens von Steuern verschwö­rungs­ideo­lo­gische oder rechts­extreme Positionen stecken? Welche Hilfs­an­gebote gibt es für Angehörige? Die Mobile Beratung gegen Rechts­extre­mismus und die Beratungs­stelle entschwört. Beratung zu Verschwö­rungs­mythen im persön­lichen Umfeld beschäf­tigen sich im Arbeits­alltag mit diesen Fragen.

Willst Du mit Deiner Zeit und Energie nicht mehr destruktive und einschrän­kende Systeme stützen – sondern lieber friedlich neue Gemeinwohlstruk­turen aufbauen, welche die freie Entfaltung der Menschen fördern? Dann mach mit!“ So wirbt die Reichs­bürger-Gruppierung > „König­reich Deutschland“ (s. auch Artikel „Ein König­reich für Ungleicheit“) auf ihrer Inter­net­seite offen um neue Anhänger_​innen. Lange war der „System­ausstieg“ eher bei neona­zis­ti­schen oder völki­schen Protagonist_​innen zu beobachten. Diese organi­sierten sich unter Ausschluss der Öffent­lichkeit und bemühten sich abseits urbaner Zentren darum, eine „völkische Lebenswelt“ zu schaffen, deren Anhänger_​innen ideolo­gisch geschult und gefestigt sind.

Anschluss­fä­higkeit an rechts­extreme Positionen

Die Idee, eigen­ständige Struk­turen und damit eine Alter­native zum bestehenden gesell­schaft­lichen System aufzu­bauen, ist also nicht neu, wird aber seit der Corona-Pandemie in verschwö­rungs­ideo­lo­gi­schen und antide­mo­kra­ti­schen Kreisen deutlich sicht­barer. Besonders die Kritik an den staat­lichen Pande­mie­maß­nahmen bildete ein Binde­glied unter­schied­licher Milieus. An legitime Debatten über politische Entschei­dungen dockt das Feindbild vom „übergrif­figen Staat“ an, gegen den sich zur Wehr gesetzt werden müsse. Entgegen dem rebel­li­schen Gestus und Selbst­ver­ständnis wird hier jedoch auch der Wunsch deutlich, sich demokra­ti­schen Aushand­lungs­pro­zessen zu entziehen und ein generelles Misstrauen gegenüber politi­schen Insti­tu­tionen propa­giert. Eine in diesem Denken häufig veran­kerte pauschale Eliten­kritik macht den „System­aus­stieg“ als Akt des Wider­stands auch anschluss­fähig für rechts­extreme Positionen. 

Was kann Beratung leisten? 

Wie sind Angehörige von „Systemaussteiger_​innen“ betroffen? Sie sorgen sich etwa, wenn jene all ihre Erspar­nisse in den Aufbau von Paral­lel­struk­turen inves­tieren, ihre Jobs kündigen oder sich weigern, Straf­zettel, Rundfunk­bei­träge oder Miete zu zahlen. Viele schildern auch Angst um das Wohlergehen der eigenen Familie, etwa wenn gedroht wird, gemeinsame Kinder zu entführen, um diese dem „staat­lichen Einfluss“ zu entziehen oder wenn die Melde­adresse geändert wird, um die Schul­pflicht zu umgehen. Besonders heraus­for­dernd wird es, wenn Angehörige die Einzigen im Umfeld solcher „Systemaussteiger_​innen“ sind, die Verschwö­rungs­er­zäh­lungen proble­ma­ti­sieren. 

Eine Beratung stärkt Ratsu­chende in ihrer Problem­wahr­nehmung und klärt über Gefahren auf, die von Ideologien ausgehen, die dem „System­aus­stieg“ zugrunde liegen. Eine Heraus­for­derung kann sein, dass Beratungs­neh­mende einen Werte-Konflikt mit „Systemaussteiger_​innen“ sehen, zugleich aber von der Idee des „System­aus­stiegs“ – von Landleben, Selbst­versorgung, Gemein­schaft – faszi­niert sind, sodass sie reak­tionäre Tendenzen und Dynamiken der dahin­ter­ste­henden Gruppie­rungen unter­schätzen. Wir klären daher auch über rechts­extreme Instru­men­ta­li­sie­rungs­ver­suche und eine damit einher­ge­hende ideolo­gisch-völkische „Landnahme“ auf, die besonders in struk­tur­schwachen Regionen wie der Wolf im Schafspelz auftritt. Gemeinsam besprechen wir Fragen zu ökono­mi­scher Absicherung und möglicher Unter­stützung. 

Sofern Ratsu­chende in einer Paarbe­ziehung sind oder Verant­wortung für gemeinsame Kinder tragen, stehen Fragen zum Aufwachsen mit reaktio­nären Ideen und Erzie­hungs­vor­stel­lungen wie Schul­abstinenz im Fokus. Oft sind bei Kindern neben klassi­schen Loyali­täts­kon­flikten durch die Trennung der Eltern regressive Verhal­tens­weisen wie „Einnässen“ zu beobachten – die durch das Einreden von Ängsten (etwa die Vorbe­reitung auf den „System­um­sturz“) entstehen und nachhaltig das Wohl des Kindes gefährden können. 

Neben der Dokumen­tation von Vorfällen und Symptomen empfiehlt sich zur weiteren Unter­stützung der Angehö­rigen die Einbe­ziehung des Umfelds oder der Famili­en­hilfe. Durch Unterstützungs­möglichkeiten jenseits antidemo­kratischer Paral­lel­struk­turen kann wieder für ein siche­reres Umfeld insbe­sondere für Kinder gesorgt werden.

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entschwört. Beratung zu Verschwö­rungs­mythen im persön­lichen Umfeld, in Träger­schaft der pad gGmbh, berät das persön­liche Umfeld von Verschwö­rungs­gläu­bigen und bietet moderierte Betrof­fe­nen­aus­tausch-Gruppen sowie Beratung und politische Bildung für Fachkräfte in Berlin an.

Die Mobile Beratung gegen Rechts­extre­mismus Berlin (MBR) berät alle, die bei rechts­extremen, rassis­ti­schen, antise­mi­ti­schen oder verschwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Vorfällen sprech- und handlungs­si­cherer werden wollen. Die MBR bietet auch Workshops und Vorträge für Multiplikator_​innen an.

GLOSSAR

König­reich Deutschland
ist eine 2012 von dem Souve­rä­nisten Peter Fitzek gegründete Organi­sation mit umfas­senden Pseudo-Struk­turen vom Bildungs­system über eine eigene Währung bis zum Glaubens­system. Zum „König­reich“ gehören diverse Siedlungs­pro­jekte u.a. in der Uckermark oder in Sachsen. Ideolo­gisch grund­legend ist die Delegi­ti­mierung der Bundes­re­publik als eine von den Alliierten gesteuerte GmbH sowie die Ablehnung der Demokratie. Fitzek wird vom Verfas­sungs­schutz Sachsen-Anhalt beobachtet.
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