NARRATIV-CHECK

Was hinter radi­ka­li­sie­renden Botschaften steckt.

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NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Apoka­lypse now what
Drei Fragen an
Islam­wis­sen­schaft­lerin Sabrina Behrens

Sabrina Radhia Behrens ist Islam­wis­sen­schaft­lerin, Trau­ma­päd­agogin, syste­mi­sche Coachin. Sie arbeitet als Refe­rentin und Mode­ra­torin u. a. zu den Themen Online-Street­work, Isla­mismus, anti­mus­li­mi­scher Rassismus und Radi­ka­li­sie­rungs­prä­ven­tion. Als Learning Desi­gnerin erstellt sie für die NGO Kiron Kurse zur Inte­gra­tion und Inklusion für Geflüch­tete. Bis 2022 leitete sie das Online-Präven­ti­ons­pro­jekt streetwork@online (AVP e. V.) in Berlin. Zuvor forschte sie an der Friedrich-Alexander-Univer­sität Erlangen zu refor­mis­ti­schen und früh­sa­la­fis­ti­schen Ansätzen.

Frau Behrens, Sie befassen sich mit Entwick­lungen, Narra­tiven und Akteuren im Isla­mismus. Spielt das Thema Apoka­lypse dort eine Rolle?

Sabrina Radhia Behrens: Isla­mis­ti­sche Akteur:innen, wie z. B. der populäre (Online-)Prediger Abul Baraa oder die reich­wei­ten­starken Kanäle von Lorans Yusuf und Botschaft des Islam (BDI) bedienen sich in ihren Anspra­chen bei isla­mi­schen Vorstel­lungen von Apoka­lypse, Jüngstem Gericht und Jenseits. Gerade in sozialen Netz­werken und auf Platt­formen wie Instagram, YouTube oder TikTok werden diese sehr detail­liert und bildreich beschrieben und abschre­ckende Darstel­lungen von Feuer, Horror­ge­stalten, Natur­ka­ta­stro­phen und Kriegs­schau­plätzen genutzt. Einschnei­dende Ereig­nisse wie die Corona-Pandemie, Krisen und Konflikte wie der Nahost­kon­flikt, aber auch alltäg­liche Über­griffe auf musli­misch gelesene Menschen werden heran­ge­zogen und als Strafe Gottes für mensch­li­ches Fehl­ver­halten und als Vorzei­chen einer finalen Endschlacht zwischen Gut und Böse, zwischen den Muslim:innen und den „Ungläu­bigen“ (arab. Kuffar) gedeutet. Dabei wird eine lebendige, emotio­na­li­sie­rende Sprache genutzt. Mit popkul­tu­rellen Refe­renzen z. B. aus Video­spielen werden gezielt Jugend­liche angesprochen.
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Ab wann werden Endzeit­vor­stel­lungen problematisch?

Endzeit- und Jenseits­vor­stel­lungen sind Bestand­teil zahl­rei­cher Reli­gionen. Sie beinhalten trost- und sinn­stif­tende Elemente. Proble­matisch werden diese Narrative dann, wenn sie genutzt werden, um die alleinige Deutungs­ho­heit zu unter­mauern, und dabei dichotome Welt­bilder von Gut und Böse, Falsch und Richtig propa­giert werden. Wenn also beispiels­weise Homo­se­xua­lität oder die Popu­la­rität von Social Media für den angeb­li­chen Verfall der Gesell­schaft verant­wortlich gemacht werden und den Welt­un­ter­gang ankün­digen sollen. Proble­ma­tisch wird es auch, wenn Angst­sze­na­rien und Feindbild­konstruktionen einge­setzt werden, um junge Menschen zu beein­flussen, sie zu Hand­lungen zu drängen und sogar Gewalt zu legitimieren.
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Sie waren in der Präven­ti­ons­ar­beit tätig. Wie kann mit solchen Erzäh­lungen umge­gangen werden?

Ich halte es für wichtig, mit jungen Menschen in einen offenen Austausch zu gehen und gemeinsam solche Narrative zu reflek­tieren und zu kontex­tua­li­sieren. Woher stammen die Erzäh­lungen? Welche verschie­denen Ausle­gungen gibt es? Welche Bedeutung haben sie für die Rezipient:innen? Hinter der Faszi­na­tion für Endzeit­sze­na­rien liegen oft Bedürf­nisse nach Orien­tie­rung, Zuge­hö­rig­keit, Spiri­tua­lität und Teilhabe. Es ist wichtig, die Bedürf­nisse als wertvolle Ressourcen anzu­er­kennen und gemeinsam mit den Betrof­fenen zu überlegen, wie diese konstruktiv jenseits extre­mis­ti­scher Narrative befrie­digt werden können.