Anti­li­be­rale Inter­na­tio­nale – Alexander Dugins Pakt mit den Funda­men­ta­listen im Iran

Mahdieh Gaforian [CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en)] via Wikimedia

Iran und Russland verfolgen gemein­same geopo­li­ti­sche Inter­essen. Der blutige Krieg in Syrien zeigt das Tag für Tag. Doch die beiden Länder verbindet mehr als das. Der iranische Jour­na­list Reza Haghig­hat­Nejad hat recher­chiert, wie der Philosoph Alexander Dugin seit Jahren anti­west­liche Netzwerke mit irani­schen Geist­li­chen knüpft. Sein Ziel ist der ideo­lo­gi­sche Brücken­schlag zwischen russi­schem Tradi­tio­na­lismus und schii­ti­schem Funda­men­ta­lismus. Und es scheint, als stünden Dugin alle Türen offen.

Alexander Gelje­witsch Dugin ist in Iran ziemlich bekannt. Dugin selbst sagt, er sei in den letzten 20 Jahren immer wieder in Iran gewesen. Rechts­kon­ser­va­tive Medien im Land stellen ihn eifrig als einfluss­reiche intel­lek­tu­elle Kraft dar.

Wovon Dugin am liebsten spricht, ist der Aufbau einer Koalition aus Russland, der Türkei, China, Indien, Iran und den osteu­ro­päi­schen Ländern, damit diese sich den USA und der Euro­päi­schen Union entge­gen­stellen können – die Verwirk­li­chung Eurasiens. Durch ein solches Bündnis soll Russland noch mächtiger werden, als es die Sowjet­union je war. 

Der 55-jährige Dugin ist ortho­doxer Christ, sein Vater war General im sowje­ti­schen Mili­tär­ge­heim­dienst GRU. In west­li­chen Medien gilt er als gefähr­li­cher Aufrührer, Kriegs­treiber und Verfechter von Faschismus und Nazismus. 2014 verlor Dugin seinen Posten als Leiter des Instituts für Sozio­logie der Moskauer Staat­li­chen Univer­sität. Voraus­ge­gangen waren Vorwürfe, er habe einen Völker­mord in der Ukraine ansta­cheln wollen, indem er prorus­si­sche Sepa­ra­tisten aufrief, zu „töten, töten, töten“. Das Finanz­mi­nis­te­rium der USA setzte ihn auf eine Sank­ti­ons­liste. Dennoch blieb er ein einfluss­rei­cher ideo­lo­gi­scher Kopf in Russland und einem inter­na­tio­nalen Netzwerk anti­west­li­cher Bewe­gungen und Parteien.

In Iran wird er als „Putins Hirn“ und als großer russi­scher Philosoph gefeiert. Er ist Anführer der neoeu­ra­si­schen Bewegung, die eine Ideologie aus dem frühem 20. Jahr­hun­dert aufgreift: Eurasier lehnen die moderne westliche Weltsicht und die Demo­kratie ab und propa­gieren eine auto­ri­täre und russ­land­zen­trierte Zivi­li­sa­tion. Darüber hinaus sind Eurasier der Ansicht, dass Russlands Kultur­erbe stärker mit der asia­ti­schen als der euro­päi­schen Kultur verwandt sei. In seinem 2009 erschienen Buch „Die vierte poli­ti­sche Theorie“ argu­men­tiert Dugin, dass Libe­ra­lismus, Faschismus und Sozia­lismus ihre Legi­ti­mität verloren hätten, und entwirft eine neue poli­ti­sche Ideologie: den Eurasianismus.

Für Dugins Popu­la­rität in Iran ist aber entschei­dend, dass ange­nommen wird, er übe Einfluss auf den russi­schen Präsi­denten aus. So veröf­fent­lichte das Inter­net­portal Mashregh News einen Artikel, in dem es hieß: „[…] jeder Versuch, Putin verstehen zu wollen, muss damit beginnen, Dugin zu verstehen […]“. 

Portrait von Reza HaghighatNejad

Reza Haghig­hat­Nejad ist Jour­na­list und stell­ver­tre­tender Chef­re­dak­teur bei iranwire.com

Mohammad Kazem Anbar­louei, Chef­re­dak­teur und Leit­ar­tikler der Achme­di­ned­schad-freund­li­chen Zeitung Resalat, bezeichnet Dugin als die Frucht jener „reinen Saat“, die Ajatollah Ruhollah Chomeini in Russland im Jahr 1989 ausge­tragen habe. Chomeini schrieb dem sowje­ti­schen Staats­chef Gorbat­schow in einem Brief: „[…] es ist jederman klar, dass der Kommu­nismus weltweit nun ins Museum für poli­ti­sche Geschichte gehört.“ Der Mate­ria­lismus bewahre die Mensch­heit nicht vor dem Verlust des Glaubens, der das grund­le­gende Gebrechen der Gesell­schaften in Ost und West sei. Gorbat­schow sei empfohlen, den Islam zu studieren und von ihm zu lernen.

Die zweite Ankunft

Dugin wird gern von irani­schen Hard­li­nern zitiert. Im vergan­genen Jahr schrieb ein Ultra­kon­ser­va­tiver, dass Dugin zufolge das schii­ti­sche Fest Al-Arbaʿun, mit dem das Ende der vier­zig­tä­gigen Trauer für den Imam Hussaïn begangen wird, der im 7. Jahr­hun­dert von den Truppen des Kalifen Jazid I. ermordet worden war, ein Zeichen für das „Ende aller Zeiten“ sei und von der „Zweiten Ankunft“ des Messia künde. Auch der Jour­na­list und Filme­ma­cher Nader Talebzadeh, Regisseur des irani­schen Films Der Messias, berief sich auf Dugin, als er forderte, Chomeini solle wieder an die russische Führung schreiben, womit er nahelegte, die russische Führung brauche abermals eine spiri­tu­elle Nachhilfe aus dem Iran.

In den letzten Jahren ist Dugin regel­mäßig in den Iran einge­laden worden, gewöhn­lich von Hard­li­nern und Orga­ni­sa­tionen, die in Verbin­dung zu den Revo­lu­ti­ons­garden stehen, etwa von der Zeitung Javan, dem staat­li­chen Fern­seh­sender Ofogh („Horizont“) oder vom Inter­net­portal Raja News. Im Frühjahr 2015 wurde Dugin vom Regisseur Talebzadeh als Sonder­gast zur Dritten „Neue Horizonte“-Konferenz über „Die Bruta­lität der US-Politik gegenüber Afro­ame­ri­ka­nern“ eingeladen.

Auch der Jour­na­list und Theologe Mehdi Nasiri ist Dugin-Fan. Nasiri, der ähnliche Ansichten vertritt wie Talebzadeh, bezeichnet sich als „Anti­phi­lo­so­phen“, der sich gegen die Annahmen abend­län­di­scher Philo­so­phie wendet. Seine Kernthese ist, dass die westliche Philo­so­phie mit der Scharia unver­einbar sei, weil sie das Indi­vi­duum hervor­hebe und Gott in Frage stelle. Bei seiner Reise nach Teheran führte Dugin 2015 lange Gespräche mit Nasiri. Und er schritt neben Nasiri und Talebzadeh in einer Prozes­sion anläss­lich von Al-Arbaʿun durch die Straßen Teherans.

Das „Haus des Satans“

Während seines Besuches traf sich Dugin auch mit Ajatollah Mohammad Mahdi Mir-Bagheri, dem Leiter der Isla­mi­schen Theo­lo­gi­schen Hoch­schule in Ghom. Die Hoch­schule ist eine religiöse Einrich­tung, die seit ihrer Gründung 1980 darüber forscht, wie eine Gesell­schaft nach den Regeln der Schia orga­ni­siert werden kann. Ajatollah Sayyid Mohammad Mahdi Mir-Bagheri ist Mitglied des Exper­ten­rats, der den Revo­lu­ti­ons­führer wählt.  Mir-Bagheri gilt als Hardliner.

Während der Begegnung bezeich­nete Dugin die Moderne als „Satan“, den Westen als „ange­stammtes Haus des Satans“ und Iran als die „Haupt­basis im Krieg gegen die Moderne“. Er sagte, Russland müsse wie der Iran dem Modell „Rückkehr zur Tradition“ folgen. Dugin rief dazu auf, eine „Brücke“ zwischen den irani­schen Geist­li­chen und russi­schen Tradi­tio­na­listen zu bauen.

Bei dem Treffen pries Dugin auch eine Reihe west­li­cher Philo­so­phen. Er hob hervor, dass ein Studium der west­li­chen Philo­so­phie mit den Werken Carl Schmitts beginnen müsse. Ebenso erwähnte er René Guénon und Martin Heidegger als anti­mo­derne Denker. Dugin berich­tete, er habe Guénon und Heidegger ins Russische übersetzt, um seinen Lands­leuten zu zeigen, dass es auch im Westen Autoren gibt, die gegen die Moderne anschreiben.  Er regte an, ein Werk über Mahmud Ahme­di­ned­schad auf Russisch zu verfassen – als ersten Baustein jener Brücke zwischen Geist­li­chen und Traditionalisten.

Wovon Dugin aber am liebsten spricht, ist der Aufbau einer Koalition aus Russland, der Türkei, China, Indien, Iran und den osteu­ro­päi­schen Ländern, damit diese sich den USA und der Euro­päi­schen Union entge­gen­stellen können – die Verwirk­li­chung Eurasiens. Durch ein solches Bündnis soll Russland noch mächtiger werden, als es die Sowjet­union je war. „Bedenkt man, dass Länder wie die Türkei und Saudi-Arabien Werkzeuge der USA in der Region sind“, sagte Dugin der Zeitung Javan am 17. März 2010, „dann kann Iran ein Verbün­deter Russlands werden“.

Dugin betrach­tete Wladimir Putin zunächst als Führer, der die Vision Eurasien verwirk­liche. Dann wuchsen Zweifel: „Die eine Hälfte von Putin ist mit uns, die andere nicht“, sagte er 2015 in Teheran. „Im Innern Putins vollzieht sich ein Kreuzzug zwischen Gut und Böse, und wir Außen­ste­henden unter­stützen seine Seite der Gerech­tig­keit und des Lichts“. Den vakanten Posten nehmen nun Mahmud Ahme­di­ned­schad und Ajatollah Chamene‘i ein. Dugin meint, die gegen Iran verhängten Sank­tionen belegten, dass sich Ahme­di­ned­schad auf dem richtigen Weg befunden habe. „Ich schätze Ahme­di­ne­schad wegen seines Konser­va­ti­vismus, und weil er gegen den Westen ist.“ „Ich glaube, dass das meiste, was er auf der inter­na­tio­nalen Bühne getan hat, richtig und ange­messen war. Als er Präsident war, schlug ich dem irani­schen Botschafter in Moskau vor, dass über Ahme­di­ned­schad ein Buch geschrieben werden sollte, mit einem ausführ­li­chen Interview und mit einigen geopo­li­ti­schen und poli­ti­schen Schluss­fol­ge­rungen am Ende […].“

„Gottes Wille am Werk“

Ajatollah Chamene’i aber sei die „beste Lösung“, um sich dem Westen entge­gen­zu­setzen. „Wenn er hilft, den Westen zu besiegen, dann bin ich sicher, dass wir diese Arena stolz und als Sieger verlassen werden“, sagte Dugin, weil „im Zentrum der Statt­hal­ter­schaft des [isla­mi­schen] Rechts­ge­lehrten [des reli­giösen Ober­haupts von Iran] Gottes Wille am Werk ist“.

Dugin nimmt gegenüber dem irani­schen Oberhaupt eine schmeich­le­ri­sche Haltung ein, indem er dessen Idee vom „verbor­genen Imam“ [dem schii­ti­schen Messias] und der isla­mi­schen Republik in Schriften und Reden erörtert. Während er zuvor von einem eura­si­schen Bündnis zwischen Russland und Iran sprach, sagt er heute, dass die isla­mi­sche Revo­lu­tion eine globale Revo­lu­tion sei, ein „Wunder“, das „den Weg der Mensch­heit ändern wird, fort von dem abartigen Weg“, und das sie „ein inspi­rie­rendes Modell ist, dem man folgen müsse“.

Dugin möchte zwar Chamene’is Hilfe, wenn es darum geht, den Westen nieder­zu­ringen, räumt aber ein, dass er [Dugin] hinsicht­lich der Annä­he­rung von Iran und Russland noch nicht erfolg­reich war. „Ich habe bei den Iranern keine positive Haltung gegenüber den Russen ange­troffen“, sagte er 2015 in einem Interview [für Mashregh News; erschienen auf Persisch]. „Junge Iraner sind nicht sonder­lich inter­es­siert, Russland kennen­zu­lernen. Viel­leicht sollten wir nach einem Schlüssel suchen, um die Tür zwischen den beiden Ländern zu öffnen. Ich habe mich die vergan­genen 20 Jahre für dieses Ziel einge­setzt, muss aber einge­stehen, dass ich nicht sehr erfolg­reich war“.

Natürlich ist Dugin überzeugt, dass hieran Liberale Schuld tragen: „Liberale Kräfte, die den Westen unter­stützen […] sagen: ‚Traut Russland nicht‘. Das sind die Worte der Feinde Irans und Russlands. [Deren] fünfte Kolonne hat das Ziel, diese Koalition bis zum Ende aller Tage zu zerstören“.

Der Text erschien zuerst auf IranWire und wurde vom Autor für LibMod aktualisiert

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