Wer soll die Palästinenser regieren?
Was soll nach dem Krieg in Gaza geschehen? Die USA träumen von einer Rückkehr der Palästinensischen Autonomiebehörde – was sowohl Netanyahu als auch die Bevölkerung in Gaza ablehnen, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Frage nach der Zukunft Gazas führt zu einer viel wichtigeren Frage: Wo ist der palästinensische Nelson Mandela?
Während der Krieg in Gaza noch tobt, stellt sich immer drängender die Frage, was am Tag nach dem Krieg geschehen soll. Wer übernimmt in Gaza die Verantwortung? In allen Planspielen der Amerikaner und der Israelis kommt die Hamas nicht mehr vor. Sie soll, sie darf in Gaza nie mehr das Sagen haben. Ob das so kommt, ist noch nicht ausgemacht. Erbittert wehren sich die Islamisten gegen die israelische Armee, der langsam die Zeit ausgeht. Die USA wollen, dass die IDF spätestens Mitte Januar eine neue Phase des Krieges einleiten. Dann soll sich der Großteil des Militärs in Pufferzonen innerhalb Gazas zurückziehen, der Krieg würde dann nur noch mit kleineren Einheiten, die punktuell gegen die Hamas vorgehen sollen, fortgesetzt. Mit anderen Worten: Dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei und ob es gelingt, die Hamas wirklich zu entmachten, steht noch in den Sternen.
Die USA träumen mal wieder den Traum von der Zwei-Staaten-Lösung und möchten die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) des greisen Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zurück nach Gaza holen, von wo sie die Hamas 2007 in einem Putsch vertrieben hat. Die Amerikaner wollen jedoch, dass sich die PA sozusagen „grunderneuert“. Sie muss jünger werden, sie muss die Korruption in den eigenen Reihen bekämpfen, sie muss fähigere Leute einsetzen. Und dann ist da noch der Palästinenserpräsident, der im 18. Jahr einer vierjährigen Amtszeit an der Macht ist, da er immerzu freie Wahlen verschiebt.
Netanyahu will keine Rückkehr der Palästinensischen Autonomiebehörde nach Gaza
Wie das mit der Palästinensische Autonomiebehörde in Gaza funktionieren soll, wissen wahrscheinlich die Amerikaner allein. Auf alle Fälle interessiert das die Israelis überhaupt nicht. Premier Netanyahu hat bereits angekündigt, dass er eine Rückkehr der PA nach Gaza nicht dulden werde. Denn auch sie sei eine Organisation, die den Kindern den Hass auf Israel beibringe und obendrein auch noch Gelder an Familien von Terrorattentätern auszahle.
Netanyahus Argument ist nicht falsch. Dass die israelische Armee und die palästinensischen Sicherheitsbehörden im Westjordanland eng zusammenarbeiten und so gemeinsam Terroranschläge verhindern, ist aber andererseits auch kein Geheimnis. Im Gegenteil, die Armee lobt die palästinensische Seite für ihre Kooperation und Professionalität. Nichtsdestotrotz lehnt Netanyahu auch die PA als Verwalter in Gaza ab, allein Israel soll die Kontrolle über den Küstenstreifen behalten, auf nichts anderes könne man sich nach dem Massaker vom 7. Oktober einlassen, so der Premier.
Rasant steigende Zustimmungswerte für die Hamas seit dem 7. Oktober
Und was wollen die Palästinenser selbst? Umfragen zeigen, dass die Zustimmungswerte für die Hamas seit dem 7. Oktober rasant gestiegen sind. Rund 80% aller Palästinenser in Gaza und im Westjordanland unterstützen die Hamas. Naturgemäß ist die Zustimmung im Westjordanland höher, die Menschen dort müssen nicht unter den Folgen des Massakers leiden, sprich: Sie sind nicht dem Bombenhagel der Israelis ausgesetzt, den die Hamas mit ihrem Überfall provoziert hat.
Die Hamas wusste genau, wie Israel reagieren würde und nahm den tausendfachen Tod der eigenen Bevölkerung bewusst in Kauf. Man erklärte sie einfach zu „Märtyrern“ und schon war die Hamas die Verantwortung für die vielen Toten in der eigenen Bevölkerung los. Und doch lieben die Palästinenser die Islamisten. Sie sind die einzigen, die den Israelis erfolgreich die Stirn bieten und ihnen einen noch nie dagewesenen Schlag ins Gesicht versetzt haben.
Die PA und Präsident Abbas werden dagegen nicht nur abgelehnt, sondern verachtet. Das ist schon lange so, die aktuellen Zahlen bewegen sich im untersten zweistelligen Bereich. Das aber bedeutet, dass die Bevölkerung Gazas eine Rückkehr der Autonomiebehörde möglicherweise erdulden – wenn sie denn käme – aber auf keinen Fall akzeptieren würde. Der Boden für neue Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände wäre damit bereits gelegt. Ist das der Plan der USA?
Die Erziehung zum Frieden müsste in den Schulen beginnen
Doch was soll geschehen? Und vor allem: wie will man der palästinensischen Gesellschaft die Vorzüge einer liberalen, offenen Zivilgesellschaft nahebringen? Die Antwort ist simpel: Gar nicht. Die Palästinenser sind noch lange nicht an dem Punkt, an dem sie mehrheitlich Demokraten werden. Die Arbeit müsste ganz woanders beginnen: bei der Erziehung. Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch in den Schulen der UNRWA Israel als Feindbild gesehen wird, dass palästinensische Schulbücher nicht nur das palästinensische Narrativ des Konflikts lehren, was ja verständlich ist, sondern auch den Hass auf Juden und den Anspruch auf ganz Palästina.
Wie soll Frieden möglich sein, wenn die palästinensische Führung – egal ob Hamas oder Fatah oder irgendeine andere Fraktion – nicht den Frieden mit seinen Nachbarn lehrt? Ist das zu viel verlangt? Weil die Palästinenser von den Israelis unterdrückt werden? Das klingt nachvollziehbar, ist aber zu kurz gedacht. Denn die Wut auf die Besatzung ist das eine, die Verherrlichung von Vernichtungsphantasien das andere.
Und genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Israelis werden keinen Frieden machen, schon gar nicht nach dem Trauma des 7. Oktober, weil sie Angst haben, dass sie dann eines Tages im großen Stil abgeschlachtet werden. Die Palästinenser hassen dagegen die Israelis, weil sie immer mehr Land für sich in Anspruch nehmen.
Wie soll das nun weitergehen? Keine Frage, auch die israelische Seite muss viel tun, um die Gesellschaft auf Frieden vorzubereiten. Aber die Palästinenser können sich nicht damit herausreden, dass Terror nichts anderes als ihr „Freiheitskampf“ ist, wenn nun auch Babys, Frauen und Alte massakriert werden – einfach nur, weil sie Juden sind. Bis zur Stunde hat Palästinenserpräsident Abbas es nicht geschafft, das Massaker vom 7. Oktober zu verurteilen. Sollen so, können so Brücken gebaut werden?
„Die eigentliche Arbeit für ihre Gesellschaft müssen die Palästinenser selbst machen“
Die Tragik der Palästinenser ist, dass sie keinen Nelson Mandela hervorbringen. Dass sie nicht einmal einen Salam Fayyad zulassen, der einst als palästinensischer Premier die Korruption bekämpfte, Straßen, Krankenhäuser, Schulen und Ministerien baute – aber von allen gehasst wurde, weil er das wirtschaftlich Nötige tat und daher vielen Clans auf die Füße trat, die sich an europäischen und amerikanischen Hilfsgeldern bereicherten. Man entsorgte ihn denn auch so schnell wie möglich, Fayyad musste abtreten.
Die USA können viele guten Pläne haben, die Israeli möglicherweise auch. Aber die eigentliche Arbeit für ihre Gesellschaft müssen die Palästinenser selbst machen. Sie müssen sich Politiker wählen, die zu Kompromissen bereit sind und die Realitäten anerkennen. Eine davon ist: Israel wird nirgendwohin gehen, der jüdische Staat wird nicht verschwinden. Ganz Palästina ist nicht mehr zu haben – eine Lehre, die auch so manche in Israel noch verinnerlichen müssen.
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