Marieluise Beck im WELT-Interview: „Es gibt eine andere Erwartung der Ukraine an Deutschland“
Die Welt schreibt: Marieluise Beck war kürzlich in Odessa, dem eine Großoffensive der russischen Invasoren droht. Sie berichtet von Fassungslosigkeit und Enttäuschung über Deutschland – auf dessen Waffenlieferungen baue man vor Ort gar nicht mehr. Dafür aber stark auf eine andere Hilfe.
Ein Interview von Claus Christian Malzahn
WELT: Frau Beck, Sie waren in der vergangenen Woche in der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Auch diese Millionenstadt wird mit Raketen beschossen und ist von den Russen bedroht. Rechnen die Bewohnerinnen und Bewohner dort mit einem Angriff?
Marieluise Beck: Sie bereiten sich jedenfalls seit Langem darauf vor. Ich war oft in Odessa, kenne die Stadt als quirlige Metropole. Nun wirkt sie gedämpft, die Stille wird oft von Sirenen zerrissen. Viele Geschäfte sind mit Holzplatten vernagelt. In Odessa wie in der gesamten Ukraine wird kein Alkohol mehr ausgeschenkt. Die Menschen sollen und wollen nüchtern bleiben. Es gibt eine Sperrstunde.
Die gesamte Promenade zum Meer, der Hafen, der Bezirk um die Oper sind abgeriegelt. Auch die Strände, niemand darf baden, weil Gefahr von schwimmenden Minen droht. Vor allem Frauen und Kinder sind geflohen, die Männer sind zur Verteidigung zurückgeblieben. Aber viele ältere Menschen weigern sich zu gehen. Manche sagen: Lieber sterbe ich hier, ...