Ralf Fücks im „Stern“: Weshalb ich kein Pazifist bin

Ralf Fücks im Stern-Interview über Lehren aus der deutschen Geschichte, Natio­nal­pa­zi­fismus und die Notwen­dig­keit, Freiheit entschlossen zu verteidigen

Stern: Herr Fücks, was macht Putins Überfall auf die Ukraine mit den Deutschen – einem Volk, von dem immer behauptet wurde, es sei im Grunde latent pazifistisch?

Ralf Fücks: Was wir jetzt erleben, ist ein kollek­tiver Schock. Eine Mischung aus Erschre­cken und Aufwachen in einer neuen Realität. Weite Teile von Politik und Bevöl­ke­rung hatten sich einge­richtet in einer Wunschwelt, die noch aus den 1990er Jahren stammt: Es gibt keine Gegner mehr, wir sind umzingelt von Freunden, die Zeit von mili­tä­ri­scher Bedrohung ist vorbei, wir ernten jetzt die Frie­dens­di­vi­dende. Wir haben über Jahre verdrängt, dass diese Welt sich verändert hat, dass wir in einem neuen System­kon­flikt stehen, mit gewalt­be­reiten auto­ri­tären Mächten, und dass in Russland eine revan­chis­ti­sche Macht heran­ge­wachsen ist.