NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden Botschaften steckt.
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NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.
Apokalypse now what
Editorial
Willkommen in der Apokalypse
Kennen Sie das auch, das Scrollen durch den nicht enden wollenden Feed katastrophischer Ereignisse: Krieg, Pandemie, Klimakrise, Terror, niederschmetternde Zukunftsprognosen, Weltuntergang? Und je mehr man klickt, umso mehr landet man im Loop des Doomscrollings.
Willkommen in der Apokalypse!
Die Apokalypse gehört seit jeher zum menschlichen Miteinander. Für die einen ist sie spirituelle Welterklärung, für andere Unterhaltung und Nervenkitzel. Literatur oder Film ohne apokalyptische Zeichen? Kaum vorstellbar. Auch Medien nutzen die Apokalypse, um Krisen zu beschreiben oder Reichweite zu erzielen: je düsterer, zugespitzter, ja endzeitlicher, umso besser. Insbesondere „Alternativmedien“ haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Denn es sind Wut, Angst und katastrophische Zuspitzung, die vom Algorithmus belohnt werden, nicht die sachliche Annäherung.
Fakt ist: Die durch apokalyptische Erzählungen ausgelöste Angst vor dem Untergang lässt sich politisch nutzen. Das klimaaktivistische Bündnis > Letzte Generation führt den (drohenden) Untergang bereits im Namen. Mit der Apokalyptik unterstützen sie die Dringlichkeit ihrer Anliegen. Die der Apokalyptik eigene unversöhnliche Gegenüberstellung von Gut und Böse bis zum Aufbau konkreter Feindbilder, die radikale Vereinfachung sowie aufwiegelnde Übertreibung sind aber auch wichtige Bestandteile rechtsextremistischer Ideologeme und radikaler Verschwörungstheorien: vom > Deep State bei > QAnon, über postapokalyptische Untergangsfantasien politisierter Prepper und Rechtsterroristen wie den Reichsbürgern bis hin zu neurechten Videospielen und islamistischen Endzeit-Predigern. Die Indienstnahme der Apokalypse ist vielfältig.
Die Handreichung
Diese Handreichung möchte verschiedene Facetten von apokalyptischen Erzählungen aufzeigen und diskutieren, wo diese als Kampfbegriff ihr demokratiegefährdendes Potenzial entfalten. Sie soll eine Hilfestellung geben, sich in polarisierten Diskursen zurechtzufinden und apokalyptische Redeformen zu erkennen, sowie Debattenräume jenseits der Endzeit-Sackgasse zu eröffnen.
Apokalypse now what ist die erste Broschüre von „Narrativ-Check: Was hinter radikalisierenden Botschaften steckt“ des Zentrums Liberale Moderne. Es folgen weitere.
Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht
die Narrativ-Check-Redaktion
GLOSSAR
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Letzte Generation
Politische Projekte nutzen apokalyptische Erzählungen, um die Dringlichkeit ihrer Anliegen zu unterstreichen. Als „Letzte Generation“ vor einem unumkehrbaren Klimakollaps bezeichnet sich etwa ein klimaaktivistisches Bündnis. Auch die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ nutzt die Apokalyptik, um die Drohkulisse vom imaginierten Untergang des „Abendlandes“ (> Großer Austausch) zu verstärken.
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Deep State (tiefer Staat, Staat im Staate)
Eine Vorstellung, nach der eine einflussreiche Verschwörergruppe im Inneren des Staates auf tiefgreifende Umwälzungen hinarbeitet. Die QAnon-Bewegung in den USA bezeichnet mit „Deep State“ ein vorgebliches Komplott gegen Donald Trump. In Deutschland ist die Verschwörungserzählung mit den Corona-Protesten populär geworden.
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QAnon
ist eine Verschwörungstheorie mit rechtsextremem Hintergrund, die in den USA entstanden ist. Der anonyme Nutzer „Q clearance Patriot“ veröffentlichte 2017 angeblich exklusive Informationen, wonach Donald Trump den > Deep State einer geheimen Elite bekämpfen würde. Der Nutzername spielt auf einen angeblichen Zugang zu Geheiminformationen der US-Regierung an. Mit der Behauptung vom Blutkult eines weltumspannenden Geheimbundes knüpft QAnon an Kernelemente rechtsextremer und antisemitischer Ideologeme an.
Auch im deutschsprachigen Raum ist die Verschwörungserzählung verbreitet. Blogs oder Messenger-Kanäle unterschiedlicher Reichweite nehmen auf sie Bezug.