NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

.

NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Apoka­lypse now what
Das Beispiel
Prepper – Die Stunde der Apokalyptiker

Prepper sind Experten für den Untergang und galten lange als Sonder­linge. Spätestens seit der Corona-Krise aber ist aus dem einstigen Nischen­thema ein Mainstream-Phänomen geworden: vom syste­ma­ti­schen Anlegen von Notvor­räten bis zu nihilis­ti­schen Fantasien vom Untergang. Die Verun­si­cherung durch komplexe Krisen­sze­narien beflügelt die Szene. Davon profi­tieren auch Rechtsextremisten.

von Gabriela Keller

Es reicht nicht, zu wissen, dass die Hölle losbrechen wird. Nur wer sich gut vorbe­reitet, hat eine Chance zu überleben. „Du kannst davon ausgehen, wenn es zu Nahrungs­ver­sor­gungs-Engpässen kommt, dass ganz viele nicht mehr leben nach fünf, sechs Tagen“, schreibt ein Mann in einer Prepper-Gruppe auf Telegram. Prepper sind Menschen, die sich vorbe­reiten auf den Tag, an dem nichts mehr so ist wie zuvor, im Prepper-Slang: TEOTWAWKI – The End Of The World As We Know It. Aus Sicht der Prepper ist die Welt ein unsicherer Ort; der Untergang steht praktisch immer kurz bevor. Wie man sich dafür bereit macht? Darauf gibt es viele Antworten: Horte Konserven, halte Hühner, bevorrate Samen, gründe eine Bürgerwehr, kaufe Goldmünzen, lerne, von Kräutern und Pilzen zu leben.

Die Bewegung der Prepper entstand in den USA. In Deutschland wuchs sie seit Anfang des Jahrtau­sends in Schüben: Einen ersten Anstoß gab die Finanz­krise 2008, die Verun­si­cherung infolge des Zusam­men­bruchs der Finanz­märkte brachte zunächst eine kleine Minderheit dazu, sich Vorräte anzulegen und Fähig­keiten zu erlernen, die ihnen im Ernstfall das Überleben sichern sollen – Jagen, Wasser­auf­be­reiten, Kräuter­sammeln. Für viele gehört finan­zielle Vorsorge dazu, etwa der Kauf von Goldre­serven. Auch in den USA ist die Prepper-Szene bis heute von der Angst vor dem finan­zi­ellen Kollaps geprägt. Vor allem die Corona-Pandemie hat ab 2020 aus dem Nischen­thema ein Mainstream-Phänomen gemacht: Unter­gangs­sze­narien haben Konjunktur, wie ein Blick in die Medien und Buchsor­ti­mente beweist, zu den Warnrufen vor politi­schen Krisen­wellen gesellen sich düstere Visionen ökono­mi­scher > Crash-Propheten und eine wachsende Zahl von Prepper-Ratgebern, oft rückwärts­ge­wandt und mit rechter Drehung, wie etwa bei Udo Ulfkottes „Was Opa und Oma noch wussten“.

Heute gehört das Notfall-Lager aus Konserven im Keller auch bei Durch­schnitts­bürgern zur Daseins­vor­sorge, auf Instagram sammeln Survival-Influencer Hundert­tau­sende Follower, und bei Prepper-Workshops im Wald trifft man nicht nur hart gesottene Apoka­lyp­tiker, sondern auch Pärchen, junge Frauen und Ausflügler, die vor allem ein Wochenend-Abenteuer oder ein Natur­er­lebnis suchen.

Der Prepper-Boom

Der Krieg in der Ukraine und die Folgen – Energie­krise, Inflation – sorgten zuletzt für einen regel­rechten Boom: Lokal­zei­tungen fragen beim örtlichen Prepper nach prakti­schen Tipps, Notfall-Ausrüster berichten über steigende Absatz­zahlen, die Mitglie­der­zahlen in den Prepper-Gruppen auf Facebook und Telegram haben sich verviel­facht. Die Themen Untergang und Krise sind bis in die Popkultur hinein überall und ständig präsent. Davon profi­tiert auch die extre­mis­tische Rechte: Laut einer Studie der Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft „Gegen Hass im Netz“ (s. bag-gegen-hass.net) von Herbst 2022 war die Energie­krise ab Februar des Jahres das beherr­schende Thema in Online-Diskursen praktisch aller rechts­extre­mis­ti­schen Strömungen. Die Verun­si­cherung der Menschen wurde ideolo­gisch kanali­siert und für Mobili­sie­rungen genutzt.

Wer zu Preppern recher­chiert, stößt auf ein vielfäl­tiges Milieu. Am einen Ende des Spektrums stehen Menschen, die Vorräte für zehn Tage im Keller lagern. Am anderen obsessive Apoka­lyp­tiker und hartge­sottene >Tag X-Strategen, die Waffen bunkern und Fässer voll Lebens­mittel im Wald vergraben. Und am äußersten Rand vernetzen sich Rechts­extreme, die nicht nur vom Zusam­men­bruch fanta­sieren, sondern diesen auch gleich herbei­führen und beschleu­nigen wollen. > Akzele­ration ist der Fachbe­griff dafür.

In Teilen der Szene kippt der Prepper-Gedanke ins Sozial­dar­wi­nis­tische. Es gibt Prepper, die davon ausgehen, als Einzige die Katastrophe zu überstehen – für Mitleid und Solida­rität mit Unvor­be­rei­teten und poten­zi­ellen Bittstellern ist aus ihrer Sicht in der Endzeit kein Platz: Wer nicht preppt, wird in einem blutigen Chaos unter­gehen. Noch öfter schwingt eine mal mehr, mal weniger kaschierte Katastro­phenlust mit; und die imagi­nierten Krisen erscheinen verklärt: Im Einklang mit der Natur leben, sich selbst versorgen, fernab von Digita­li­sierung und Globa­li­sierung. Das kann man Ausstei­ger­ro­mantik nennen. Oder antimodern (> Antimo­der­nismus). Dies zeigt sich auch in Geschlech­ter­bildern und Rollen­mo­dellen. Dem posthe­roi­schen Mann stellt sich hier ein archai­sches Kriegerbild entgegen; Toxic Mascu­linity und Debatten über Privi­legien sind in der Endzeit kein Thema.

Tag X als Topos der Rechtsextremen

Klar ist, dass viele Prepper nichts mit Rechts­extre­mismus zu tun haben und sich zu Recht gegen den Pauschal­ver­dacht wehren. Aller­dings gilt auch: Wo gepreppt wird, sind rechts­extreme Akteure nie weit weg. Mehrfach sind in den vergan­genen Jahren extre­mis­tische Prepper-Netzwerke aufge­flogen, die Todes­listen anlegten und Anschläge planten; die Gruppe „Nordkreuz“ ist das bekann­teste Beispiel. Die Erwartung eines gesell­schaft­lichen Kollapses oder die Herbei­füh­rungen eines Tags X zählt zu den wichtigsten Topoi des rechts­extremen Weltbildes. Wie der Berliner Verfas­sungs­schutz in einer Analyse im Frühjahr 2020 schrieb, stellen Krisen „für Verfas­sungs­feinde Zeichen für die Fehler­haf­tigkeit des demokra­ti­schen Systems“ dar. Die „vermeint­liche Schwäche des Staates“ könne „die Initi­al­zündung für einen Aufstand, einen Tag X oder sonstige Gewalt­taten darstellen“.

Prepper, das ist im Grunde ein Dachbe­griff für Menschen, die erst mal wenig gemeinsam haben. Die Szene ist sehr vielfältig. Bei den einen geht die Krisen­vor­be­reitung mit zivil­ge­sell­schaft­licher Verant­wortung einher, bei den anderen mit Gewalt­fan­tasien und brachialem Nihilismus. Aber praktisch alle teilen die Annahme, dass in der Katastrophe der Staat versagen wird und früher oder später jeder für sich allein sorgen muss. Wenn die öffent­liche Ordnung zerfällt, ist jeder auf sich selbst angewiesen; statt dem Rechts­staat gilt das Recht des Stärkeren. Ein Kernsatz im Prepper­milieu lautet mit Blick auf Krisen­sze­narien: YoYo. You’re on Your own.
.

Gabriela Keller ist Senior Repor­terin bei der Recher­che­plattform Correctiv. Zu ihren Schwer­punkt­themen zählt Rechts­extre­mismus, über die Prepper-Bewegung hat sie ein Buch geschrieben.

GLOSSAR

Akzele­ra­tio­nismus, rechtsextremer

geht davon aus, dass eine westliche, weiße Bevöl­kerung durch aktuelle Entwick­lungen (> Großer Austausch) dem Untergang geweiht sei. Deshalb soll mithilfe von Terror­akten die Gesell­schaft desta­bi­li­siert und ein „Rassen­krieg“ beschleunigt (lat. accelerare) werden. Ziel ist der Kollaps der Demokratie und deren Ersetzung durch einen „Führer-Staat“.

.

Antimo­der­nismus

ist prägend für ein antili­be­rales Denken insbe­sondere der „> konser­va­tiven Revolu­tionäre“ in der Weimarer Zeit. Er richtet sich gegen die Erschei­nungs­formen der Moderne, gegen Aufklärung, rationale Vernunft, Säkula­ri­sierung, Indivi­dua­li­sierung, Natur­zer­störung, Parla­men­ta­rismus, Fortschritts- und Technik­glaube. Anhand dieser Begriffe wird eine „Entfremdung“ von einem als natürlich vorge­stellten Urzustand konsta­tiert. Antimo­der­nismus ist durch Denken in Gegen­sätzen geprägt: Mythos gegen Vernunft, Kultur gegen Zivili­sation, Gemein­schaft gegen Gesell­schaft, Volk gegen atomi­sierte, seelenlose Massen­ge­sell­schaft. Antimo­dernes Denken unter­nimmt den Versuch, Moderne und Entfremdung zu überwinden – nicht selten in einem avant­gar­dis­ti­schen, heroi­schen Gestus.

.

Crash-Propheten

sind Anlage­be­rater und (vermeint­liche) Wirtschafts­experten, deren Geschäfts­modell der öffent­lich­keits­wirksam vorher­ge­sagte Finanz­crash ist. In Fachkreisen sind sie umstritten. Ihre Analysen gehen von einem insta­bilen, künstlich am Leben gehal­tenen Finanz­system aus und prognos­ti­zieren den baldigen Zusam­men­bruch. Sie misstrauen staat­lichen Maßnahmen und ermuntern dazu, das eigene Vermögen durch Inves­ti­tionen in ihre Fonds oder etwa Gold zu retten. Die Rhetorik der Crash-Propheten ist eindringlich und anschluss­fähig an Verschwö­rungs­er­zäh­lungen. Zu den Crash-Propheten werden Markus Krall (Unter­neh­mens­be­rater und ehema­liges Mitglied der Geschäfts­führung der Degussa Goldhandel GmbH), Max Otte (Ökonom und ehema­liger AfD-Kandidat für das Amt des Bundes­prä­si­denten) oder Marc Friedrich (Ökonom und Bestseller-Autor) gezählt..

Tag X

beschreibt einen in der Zukunft liegenden, entschei­denden Wende­punkt hin zu einer funda­men­talen Verän­derung oder sogar Überwindung bestehender Zustände. In rechts­extremen Gruppie­rungen wie den „Selbst­ver­waltern“ und „Reichs­bürgern“ wird mit dem Tag X der erlösende Moment eines lange geplanten und gewalt­samen Umsturzes und der darauf­fol­genden Abrechnung mit den derzeit politisch Verant­wort­lichen bezeichnet.

Auch andere politische Bewegungen greifen auf den Tag X als Wende­punkt zurück: Die Anti-Atomkraft-Bewegung etwa mobili­sierte zu einem Tag X gegen Castor-Trans­porte, 2023 rief die linke Szene in Leipzig zu „Tag-X-Demons­tra­tionen“ auf.

.