NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

.

NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Was Esoterik Macht
Die Zahl

.bei QAnon

Zahlen spielen im esote­ri­schen Denken eine besondere Rolle. Sie können als Chiffren für verdeckte Machen­schaften herhalten – beispiels­weise als Fragmente einer geheimen Weltformel –, an deren Aufde­ckung sich Anhänger*innen der Esoterik beteiligen.

Spezi­fische Zahlen­kom­bi­na­tionen genießen Popula­rität als Codes und Erken­nungs­zeichen für das eigene „geheime“ Wissen, das Wissende von Unwis­senden unter­scheidet. In radika­leren Kreisen, wo Esoterik in Verschwö­rungs­ideo­logien übergeht, können die für Außen­ste­hende kryptische Nummern-Codes auch vor Deplat­forming und Straf­ver­folgung schützen. Wie Szene-Codes der neona­zis­ti­schen Szene.

Im Kontext des aus den USA impor­tierten Verschwö­rungs­kults > QAnon fällt die Zahl 17 auf. Die Verschwö­rungs­ideo­logie von QAnon wird vor allem über digitale Platt­formen vermittelt und kommu­ni­ziert viel über Codes und Chiffren. QAnon hat sich zum Ziel gesetzt, die Welt von einer pädophilen Elite zu befreien, welche von einem „tiefen Staat“ geschützt werde.

Nachdem die großen digitalen Platt­formen QAnon 2021 bannten, fand man relevante QAnon-Akteur*innen und Inhalte fast nur noch in Foren wie 4Chan, dem Geburtsort von QAnon, oder dem Messenger-Dienst Telegram. Dort teilte ein anonymer User „Q“ seine ersten, teilweise unver­ständ­lichen Posts, die „Drops“ genannt werden. Um weiteren Repres­salien zu entgehen, verwen­deten die Anhänger*innen des Online-Kults statt des Buchstabens Q die Zahl 17 – Q ist der 17. Buchstabe des Alphabets –, die nun Einge­weihten als Erken­nungs­zeichen diente.

Die Begeis­terung für die Zahl 17 wird gestärkt durch eine spezi­fische Inter­pre­tation von zufäl­ligen Ereig­nissen, die retro­spektiv in einen Bedeu­tungs­zu­sam­menhang gestellt werden. So trat der rätsel­hafte Q, der angeb­liche Geheim­nisse aus Regie­rungs­kreisen streut, 2017 erstmals in Erscheinung. Zudem votierten genau 17 Republi­kaner im US-Reprä­sen­tan­tenhaus gegen die Verur­teilung von QAnon als eine Verschwö­rungs­theorie. Gefunden werden kann die Zahl aber auch in den Veröf­fent­li­chungs­zeit­punkten von Artikeln (zum Beispiel 9:44 Uhr = 9+4+4) oder in der Länge eines Bob-Dylan-Songs über John F. Kennedy, um dessen Tod sich zahlreiche Verschwö­rungs­er­zäh­lungen ranken.

Auch im deutsch­spra­chigen Raum beobachten wir Ähnliches. Das Monitoring demokra­tie­feind­licher Online-Trends der Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft „Gegen Hass im Netz“ zeigte, dass 15 der 170 von uns beobach­teten Telegram-Kanäle die Zahl 17 schon im Namen trugen. Insgesamt 38.890 Nachrichten aus diesen Kanälen enthielten in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 die 17. Die meisten von ihnen bezogen sich auf User*innen, deren Name die 17 enthält. Knapp 20 Prozent dieser Nachrichten beinhalten verschwö­rungs­ideo­lo­gische Anspie­lungen auf die Zahl 17. Darüber hinaus konnten wir ein Muster im Posting-Verhalten erkennen. So posten verein­zelte, aber durchaus relevante Accounts sehr häufig zur 17. Minute einer Stunde. Ein Indiz dafür, dass die Zahl für einige Überzeugte eine überna­tür­liche Bedeutung besitzt, die auch andere Einge­weihte erkennen sollen – ein Phänomen, das wir aus verschie­denen Bereichen der Esoterik kennen.

Text und Recherche kommen von der Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft „Gegen Hass im Netz“. Sie organi­siert Austausch und Wissens­transfer zwischen Zivil­ge­sell­schaft und Wissen­schaft rund um Hate Speech im Internet. Die Forschungs­stelle wertet Online-Trends zu demokra­tie­feind­lichen Diskursen aus; zuletzt erschien der Trend­report „Another Crack in the Wall“ zur Debatte um rechts­extreme Raumgewinne.

GLOSSAR

.

QAnon

ist eine Verschwö­rungs­theorie mit rechts­extremem Hinter­grund, die in den USA entstanden ist. Der anonyme Nutzer „Q“ veröf­fent­lichte 2017 angeblich exklusive Infor­ma­tionen, wonach Donald Trump den „tiefen Staat“ einer geheimen Elite bekämpfen würde. Mit der Behauptung vom Blutkult eines weltum­span­nenden Geheim­bundes nutzt QAnon rechts­extreme und antise­mi­tische Versatz­stücke. Auch im deutsch­spra­chigen Raum ist die Verschwö­rungs­er­zählung verbreitet. Blogs oder Messenger-Kanäle unter­schied­licher Reich­weite nehmen auf sie Bezug. Insbe­sondere über Elemente der > Konspi­ri­tua­lität wird syste­ma­tisch an rechte Esoterik angeknüpft. So bezogen sich der antise­mi­tische Verschwö­rungs­ideologe Jan Udo Holey (alias Jan van Helsing) oder auch der rechte Esote­riker Jo Conrad auf Q‑Erzählungen.

.