NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

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NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Was Esoterik Macht
Drei Fragen an
FARN

Die Fachstelle Radika­li­sie­rungs­prä­vention und Engagement im Natur­schutz (FARN) unter­sucht die histo­ri­schen und aktuellen Verknüp­fungen des Natur‑, Umwelt- und Klima­schutzes mit rechts­extremen und menschen­ver­ach­tenden Ideologien. Auch Esoterik ist hier immer wieder Thema. Zu den Arbeits­schwer­punkten gehören Präven­ti­ons­kon­zepte für Jugend­liche und junge Erwachsene sowie die Erarbeitung demokra­tie­för­dernder Gegen­ent­würfe im Bereich Umwelt­schutz. FARN ist eine gemeinsame Fachstelle der Natur­freunde und der Natur­freun­de­jugend Deutschlands.

Wie relevant ist das Thema „Esoterik“ für Ihre Arbeit?

FARN: Esoterik spielt für uns in Bezug auf Klima‑, Umwelt- und Natur­schutz eine Rolle. Konkret beschäf­tigen wir uns damit im Bereich der Tiefen­öko­logie (ein spiri­tu­eller Ansatz des Umwelt­schutzes, dessen Begründer rassis­tische Auffas­sungen vertrat), in Bezug auf die rechts-esote­rische Anastasia-Bewegung und die Anthro­po­sophie. Auch in der Umwelt­päd­agogik finden wir esote­rische Konzepte und Praktiken, die nach rechts anschluss­fähig sind oder rassis­tische bzw. Geschlechter stereotype trans­por­tieren. Zum Beispiel gelten in esote­ri­schen Ansichten Frauen oft als zyklisch, sorgend und emotional, Männer hingegen als linear, solda­tisch und rational. Geschlechter außerhalb des binären Raums werden unsichtbar gemacht oder als wider­na­türlich bezeichnet.

 

Wie sieht die pädago­gische Arbeit bei FARN aus?

In Workshops laden wir die Teilneh­menden dazu ein, sich durch kritische Reflexion am Lernprozess zu betei­ligen und mögliche Verknüp­fungen zwischen Ökologie und Rechts­extre­mismus zu erkennen. Die Teilneh­menden sollen ihre Denkmuster kritisch und sorgfältig reflek­tieren und verstehen, wie sie demokra­tie­feind­liche Ideologien reproduzieren.

Bei der Methode „Zitate­spiel“ zum Beispiel analy­sieren die Teilneh­menden zunächst anonyme Zitate aus dem Ökolo­gie­be­reich. Nach Diskussion entscheiden die Gruppen, ob das Zitat einen demokra­ti­schen oder demokra­tie­feind­lichen Ursprung hat. Die Schwie­rigkeit, die Inhalte einzu­ordnen, zeigt, dass 1.) der Unter­schied zwischen einem demokra­ti­schen und einem demokra­tie­feind­lichen Natur- und Umwelt­schutz subtil ist, so dass 2.) rechts­extreme Ideen im Umwelt­schutz nicht immer sofort erkennbar sind und 3.) rechts­extreme Gruppen Ideen vertreten können, die den Vorstel­lungen demokra­ti­scher Akteur*innen sehr ähnlich sind.

Im Bereich Esoterik unter­suchen wir zum Beispiel Ausschnitte aus der Buchreihe > „Anastasia“ von Wladimir Megre, Zitate von dem Begründer der > Anthro­po­sophie, Rudolf Steiner, sowie von Arne Naess, dem Begründer der Tiefen­öko­logie. Diese Zitate enthalten neben Gedanken zum Verhältnis von Mensch und Natur rassis­tische Aussagen, Gedan­ken­spiele über eine Bevöl­ke­rungs­re­duktion im Globalen Süden und Vorstel­lungen einer völkisch-natur­ver­bun­denen Zukunft.

Ziel unserer Bildungs­arbeit ist das Ausbilden von metho­di­schen Handlungs- und Argumen­ta­ti­ons­stra­tegien, die Menschen zur demokra­ti­schen Gestaltung der Gesell­schaft und des Natur­schutzes befähigen. „Am Lager­feuer“ ist eine dieser Methoden: An einem imagi­nären Lager­feuer sollen die Teilneh­menden auf heraus­for­dernde Szenarien reagieren. Ein Beispiel­sze­nario: „Ihr möchtet seit langem in einem Ökodorf leben. Probe­weise helft ihr auf einem Hof aus. Dort erzählt eine Bewoh­nerin, dass die vielen Ausländer*innen und der Einfluss des jüdischen Finanz­ka­pitals das Stadt­leben unerträglich machten. Sie sagt, die Anastasia-Bücher hätten sie inspi­riert, ein Leben zu suchen, das ihren Wurzeln näher­steht.“ Die Teilneh­menden disku­tieren das Beispiel, denken über Handlungs­mög­lich­keiten nach und besprechen diese im Plenum.

 

Welche beson­deren Heraus­for­de­rungen gibt es im Themenfeld Natur- und Umweltschutz?

Natur- und Umwelt­schutz werden leider oft als etwas Unpoli­ti­sches oder per se Demokra­ti­sches wahrge­nommen. Diese Annahme spielt Rechten in die Hände, die ihre menschen­ver­ach­tende Agenda unter dem Vorwand, sich für ökolo­gische Ziele einzu­setzen, verbreiten. Auch im Bereich Esoterik können sich hinter harmlosen Angeboten rund um Gesundheit, Spiri­tua­lität und Natur menschen­feind­liche Hetze und rechts­extreme Ansichten verbergen. Die Heraus­for­derung ist, Umwelt­schutz durch unsere Worte und Taten demokra­tisch und solida­risch zu gestalten. Mit Sensi­bi­li­sierung und Prävention wollen wir dazu beitragen.

GLOSSAR

.Anastasia – die Buchreihe

Die zehnbändige fiktive Roman­reihe „Anastasia – Die klingenden Zedern Russlands“ des russi­schen Autors Wladimir Nikola­je­witsch Megre ist zwischen 1996 und 2010 erschienen. Sie handelt von der jungen Frau Anastasia, die abseits der Zivili­sation in der russi­schen Taiga allein im Wald lebt, in ideal­ty­pi­scher geistiger Verbindung mit Natur, Tieren und Kosmos. Das urbane Leben wird mit diesem Ideal des natur­nahen, spiri­tu­ellen Daseins kontras­tiert. Ebenso finden sich regressive Anlei­tungen zum Geschlech­ter­ver­hältnis, Gesundheit oder Kinder­er­ziehung. „Anastasia“ verbreitet nicht nur einen reaktio­nären Lebens- und Gesell­schafts­entwurf, sondern auch antise­mi­tische, rassis­tische und frauen­feind­liche Ansätze, die an rechts­extreme Ideologien anschließen.

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Anthro­po­sophie

bezeichnet eine von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete esote­rische Weltan­schauung mit wissen­schaft­lichem Selbst­ver­ständnis. Basierend auf Schriften und Vorträgen Steiners, wird eine ganzheit­liche und übersinn­liche Deutung des Kosmos, der Menschheit und der Mensch­heits­ent­wicklung beschrieben. Obwohl Steiner anfangs eng mit der > Theoso­phi­schen Gesell­schaft verbunden war, kam es 1913 zur Abspaltung und Gründung der Anthropo­sophischen Gesell­schaft. Bis heute finden anthro­po­so­phische Prinzipien in Praxis­feldern wie Pädagogik (> Waldorf­schulen), Landwirt­schaft, Medizin und Archi­tektur Anwendung. Ab den 2000er Jahren gab es immer wieder Debatten um Rassismus und Antise­mi­tismus in Steiners Werk.

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