NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

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NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Popkultur von rechts
Drei Fragen an
Karolin Schwarz

Karolin Schwarz arbeitet als Referentin bei democ, einem Verein, der sich mit antide­mo­kra­ti­schen Bewegungen ausein­an­der­setzt. Sie ist Expertin für Rechts­ter­ro­rismus sowie Rechts­extre­mismus im Netz und unter­sucht dessen Strategien und Methoden.

Frau Schwarz, Sie forschen zur extremen Rechten und wie sie in der Öffent­lichkeit wirkt. Wie kommu­ni­zieren Rechte?

Mit der Popula­ri­sierung des Internets und den sozialen Medien ist das Angebot extrem rechter Inhalte sehr viel größer geworden. Neben lang etablierten Kommu­ni­ka­ti­ons­an­ge­boten wie Musik, Online-Shops mit Propa­gandau­ten­silien und Medien­ak­ti­vismus kommu­ni­zieren Akteur*innen auch über > Memes, Comics, Podcasts (s. auch Artikel „Lektüre- und Vermark­tungs­stra­tegien der Neuen Rechten“) und eine Vielzahl von Video­an­ge­boten für alle möglichen Zielgruppen. Inhaltlich haben diese Angebote viel gemeinsam: Oft geht es um emotio­na­li­sierte Themen wie Migration und Flucht oder andere angeb­liche Bedro­hungen für Land und Gesell­schaft, auch die Leugnung des menschen­ge­machten Klima­wandels ist populär. Die Themen­vielfalt aller­dings ist eher gering, die Feind­bilder klar definiert und priori­siert werden Inhalte, die negativ emotio­na­li­sieren – also Wut oder Angst auslösen und deshalb durch Algorithmen verstärkt werden.

Online wie offline lässt sich immer wieder beobachten, dass extrem rechte Akteur*innen sich im Wechsel als Held*innen auser­koren sehen, um eine > völkisch begriffene Nation zu „retten“. Und im nächsten Moment insze­nieren sie sich dann als Opfer von vermeint­licher Zensur oder syste­ma­ti­scher Manipu­lation. In all diesen Fällen greifen sie zu Verein­fa­chung, Verdre­hungen und Provo­ka­tionen, mit dem Ziel, ihre Ideologie in den Köpfen bestehender und poten­zi­eller Anhänger*innen zu verankern. Wahl­ergebnisse und Studien zeigen, dass diese Strategien zumindest bei einer großen Minderheit der Bevöl­kerung fruchten.

Was sind spezi­fisch rechte Kommu­ni­ka­ti­ons­tech­niken und wie funktio­nieren sie?

Dazu gehört das ständige Austesten der Grenzen des Sagbaren, mit dem Ziel, diese permanent zu verschieben. Oder Desin­for­mation, also die bewusste Täuschung von Menschen. Häufig geht es dabei um die positive Selbst­dar­stellung oder, anders­herum, um die Verun­glimpfung politi­scher Gegner*innen oder die von Insti­tu­tionen zum Beispiel mithilfe von Falsch­be­haup­tungen. 

Auch Bedrohung und Einschüch­terung sind Teil der Strategie. Das betrifft neben Politiker*innen und Aktivist*innen auch Vertreter*innen aus Wissen­schaft, Medizin und Wirtschaft. Die Folgen sind der Rückzug von Kommunalpolitiker*innen oder die Tendenz zur Selbst­zensur vieler Menschen in ihrer öffent­lichen Kommu­ni­kation oder zum Rückzug, wie es Umfragen belegen. 

Eine weitere Methode ist die „Ironie­ver­giftung“: Ständige vermeintlich ironische Bemer­kungen sollen dafür sorgen, dass Außen­ste­hende nicht klar benennen können, ob eine entmensch­li­chende oder gewalt­ver­herr­li­chende Äußerung wirklich ernst gemeint ist. Zugleich soll die eigene Anhänger*innenschaft durch extreme Inhalte konti­nu­ierlich abgestumpft werden.

Und was können wir rechter Kommu­ni­kation entgegensetzen?

Es gibt viele Möglich­keiten etwas entge­gen­zu­setzen. Aber an erster Stelle sollte die Erkenntnis stehen, dass antide­mo­kra­tische Akteur*innen nach eigenen Spiel­regeln spielen, die sich demokra­tische Akteur*innen nicht aneignen sollten. Das betrifft zum Beispiel den Umgang mit Fakten. Wichtig ist, Strategien der Rechten klar zu benennen, Angriffe und Aktionen zu antizi­pieren und schon auf sie vorbe­reitet zu sein. Wichtig ist auch, dass Angegriffene Solida­rität und Unter­stützung erfahren. Und zuletzt: Wir müssen uns klar machen, dass es nicht mehr darum gehen darf, die extreme Rechte zu „entzaubern“ oder zu „demas­kieren“. Ihre Ziele formu­lieren sie klar und öffentlich – und damit müssen Politik, Insti­tu­tionen, Zivil­ge­sell­schaft und Journa­lismus einen entspre­chenden Umgang finden.

GLOSSAR

Memes (Internet-Memes)

sind digitale Medien­in­halte wie Bild-Text-Kombi­na­tionen, Kurzvideos oder GIFs, die von Nutze­rinnen und Nutzern repro­du­ziert, abgewandelt und verbreitet werden und durch massen­hafte Bezug­nahme viral gehen. Memes sind oft humorvoll oder satirisch, sie können auch politische oder menschen­feind­liche Ideologien transportieren.
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Völki­sches Denken

bezeichnet eine radikal-natio­na­lis­tische Weltan­schauung, welche eine homogene „Volks­ge­mein­schaft“ total setzt und indivi­duelle Rechte und Inter­essen unter­ordnet. Grundlage ist ein rassis­ti­scher, antise­mi­ti­scher und antide­mo­kra­ti­scher Volks­be­griff aus dem 19. bis 20. Jahrhundert. Völkische Strömungen sind prägend für einen Teil des heutigen Rechtsextremismus.