NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden Botschaften steckt.
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NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.
Popkultur von rechts
Antifeminismus
Treadwives – zwischen traditioneller
Hausfrau und Antifeminismus
von Charlotte Höcker
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Kulturelle Einflussnahme ist eine Strategie der > Neuen Rechten, um Inhalte zu verbreiten und Interessierte anzusprechen. Sie geschieht mitunter subtil und stößt auf Sehnsüchte junger Menschen, die sich von „traditionellen“ Identitätsangeboten angesprochen fühlen. Ein Blick auf das Social-Media-Phänomen der Tradwives („traditionelle Ehefrauen“) zeigt, wie Influencerinnen – absichtlich oder unabsichtlich – Stimmung gegen Emanzipationsbewegungen machen.
„Tradwife“ (deutsch: traditionelle Ehefrau) ist die Selbstbezeichnung von Frauen auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Youtube, die sich in als „traditionell“ geltenden Frauenrollen, etwa als Mutter und Hausfrau, inszenieren.
Tradwives sind ein Social-Media-Phänomen, das in den USA rund um die rechtsextreme Alt-Right seinen Anfang nahm. Eine typische Tradwife orientiert sich am traditionellen Familienbild und darüber hinaus am Ideal einer „weißen christlichen Identität“. Seit den 2020er-Jahren sind Tradwives auch im deutschsprachigen Raum populär. Vor allem junge Influencerinnen inszenieren sich auf Instagram, Youtube und Tiktok in kurzen Videos in einer betont „traditionellen“ Frauenrolle: Während ihre Männer zum Arbeiten das Haus verlassen, erledigen sie die (unbezahlte) Care-Arbeit – und ihr Publikum schaut dabei zu. Reichweitenstarke Tradwives wirken bei der Inszenierung dieses Alleinverdiener/Hausfrau-Modells jederzeit sanft, liebevoll und zufrieden. Ihre Rolle wird als erfüllend dargestellt. Besonders populäre Tradwife-Influencerinnen erzielen große Reichweiten und sechsstellige Follower*innenzahlen.
Die Videos ähneln einander, zeigen die Influencerinnen beim Kochen, Backen, wie sie sich liebevoll um Kinder und Ehemann kümmern. Wiederholte Stilmittel sind Makellosigkeit und Mühelosigkeit. Die Formel dahinter ist simpel: Entscheidest du dich für eine „traditionelle“ Frauenrolle und erfüllst diese nach den Wünschen deines Ehemannes perfekt, verdienst du ein perfektes Leben. Ein Leben im häuslichen Glück erscheint durch die intime Ansprache der kurzen Videos für alle erreichbar und jederzeit konsumierbar. Dabei werden neben Kochrezepten auch Weiblichkeitsbilder vermittelt, die eine Alternative zu modernen Lebensentwürfen eigenständiger Frauen versprechen. Aber viele Referenzen der Darstellung reichen weit darüber hinaus.
Die Tradwife-Inszenierung der unbeschwerten als „traditionell“ dargestellten Ordnung transportiert Elemente verschiedener Ungleichwertigkeitsvorstellungen von > Sexismus als hierarchische Geschlechterordnung über > Antifeminismus als strategische Abwehr von Emanzipationsbestrebungen bis zum Ideal männlicher sozialer Dominanz. Diese geschlechterbezogenen Ungleichwertigkeitsvorstellungen machen das Tradwife-Phänomen attraktiv für die extreme Rechte und verbinden es mit weiteren autoritären und demokratiefeindlichen Ideologien.
Influencerinnen der Tradwife-Ideologie
Mit zunehmender Popularisierung haben sich Tradwives über die rechtsextreme Szene hinaus verbreitet. Ihre ideologischen Bezüge und ästhetischen Referenzen haben sich entsprechend vervielfältigt: Neben Accounts, die ein Ideal der „traditionellen“ Hausfrau der 1950er-Jahre zeigen, finden sich Inszenierungen eines bäuerlichen Landfrauenlebens, modeaffine Tradwives wie Nara Smith oder das deutsche Stay-At-Home-Girlfriend Carolina Tolstik. Trotz dieser unterschiedlichen Facetten bleibt das gemeinsame Motiv der Tradwives die Unterordnung unter die Bedürfnisse ihrer Ehemänner.
Auch die evangelikale Influencerin Jana Hochhalter alias „Jana Highholder“ mit rund 70.000 Follower*innen vermittelt eine „traditionelle“ Frauenrolle — orientiert an der wörtlichen Auslegung der Bibel. So bewirbt Hochhalter etwa eine Folge des mit Jasmin Neubauer produzierten Podcasts „JANA & JASMIN“ mit folgenden Worten: „Such dir einen Mann aus, der deiner Unterordnung würdig ist.“ Die Textkachel ist unterlegt mit dem Audio eines Gesprächsausschnitts, in dem beide die Bibel auslegen und auf die Hierarchie zwischen Ehefrauen und ‑männern schließen. Das Gespräch beginnt mit dem Satz: „Du hast einen wichtigen Job als Frau. Und das ist, dir den Mann auszusuchen, der deiner Unterordnung würdig ist, der deinen Respekt verdient“. Die Unterordnung unter einen Ehemann wird hier als Beziehungsziel der Frauen selbst inszeniert.
In dem immer wieder in Szene gesetzten Verhältnis von einer untergeordneten Frau und einem hegemonialen Mann, wird die reaktionäre Idealisierung einer vormodernen Geschlechterhierarchie deutlich. Exemplarisch für eine solche Unterordnung ist das viktorianische Zeitalter, als Ehefrauen noch als Eigentum ihres Mannes galten. In den modernen Emanzipationsbewegungen erkämpften sich Frauen mühsam Rechte und Freiheiten – in der BRD zum Beispiel 1958 das Recht, ein eigenes Konto zu eröffnen und 1977 das Recht, auch als Ehefrau selbst entscheiden zu können erwerbstätig zu sein. Wie kommt es also, dass junge Influencerinnen eine soziale Ordnung idealisieren, die hinter diese Errungenschaften zurückfällt?
Uneingelöste Versprechen
Die Emanzipation ist nicht vollkommen. Sexuelle Gewalt und Diskriminierung bleiben ein gesellschaftliches Problem. Gleichzeitig produzieren die neu gewonnenen sexuellen und emotionalen Freiheiten auch neue Herausforderungen, die nicht immer zu bewältigen sind. Die Infragestellung von Normen wie auch der Verlust von religiösen und sozialen Grenzen ließ Raum für einen unendlichen Wettbewerb der Lebensentwürfe und Schönheitspraktiken, der einen großen Druck auf Frauen erzeugt – denn können Frauen nicht alles sein und werden? Die soziale Integration von Frauen geschieht nicht mehr allein über Hausarbeit, sondern auch über Berufstätigkeit. Das bedeutet jedoch nicht nur Befreiung, sondern durch anfallende Care-Arbeit meist eine Mehrfachbelastung.
Tradwives setzen genau hier an. Sie propagieren vermeintlich widerspruchsfreie Lebensentwürfe, Entschleunigung und Rückzug in eine schöne neue „traditionelle“ Welt. Die Bewältigung der vielen Anforderungen der modernen Welt wird von Tradwives als reine Willenssache dargestellt und blendet so gesellschaftliche und soziale Umstände und Folgen aus. Das Tradwife-Ideal ermuntert Frauen dazu, sich aus dem Berufsleben in die ökonomische Abhängigkeit vom Ehemann zurückzuziehen. Die damit einhergehende Aufwertung von Care-Arbeit ist attraktiv, geht jedoch meist mit einer antifeministischen Abwehr von nachhaltigen Emanzipationsbemühungen einher.
Antifeminismus als Sammelbecken für Feindbilder
In dieser (in)direkten Entwertung feministischer Emanzipationsbestrebungen schmiegt sich das Tradwife-Ideal an rechte Ideologien an. Beiden gilt die heterosexuelle Ehe mit entsprechender Rollenverteilung als einzig wünschenswerte Lebensform. Wie andere rechte Parteien bekennt sich zum Beispiel auch die AfD in ihrem Wahlprogramm zur „traditionellen Familie als Leitbild“ und kritisiert als Kehrseite einen Feminismus, der „einseitig Frauen im Erwerbsleben, nicht aber Frauen, die ‚nur‘ Mutter und Hausfrau sind“ schätzen würde. Auch rechte Kampagnen wie der „Stolzmonat“, der sich gegen den Pride Month zur Sichtbarkeit von LGBTIQ richtet, sollen die „traditionelle“ Geschlechterordnung neu etablieren oder verteidigen – gegen das Feindbild feministischer und queerer Aktivist*innen aber auch gegen Gender- und Gleich-
stellungspolitik. Überschneidungen mit Homo- und Queerfeindlichkeit, > Misogynie und Sexismus steigern das Mobilisierungspotenzial. Dies zeigt die rege Beteiligung an Kampagnen wie #stolzmonat sowie massive Proteste junger Rechtsextremer gegen Pride-Paraden.
Tradwives: eine Bedrohung für die Demokratie?
Trotz ideologischer Schnittstellen zu (extrem) rechten Familien- und Frauenbildern bleibt die von Tradwives idealisierte Idee der „traditionellen“ Weiblichkeit auch jenseits der Szene attraktiv. Grund dafür ist das emotionale Angebot. „Clarity in a world of confusion“ heißt das bei Jana Highholder. Zur Bewältigung der belastenden Krisen und Anforderungen der modernen Welt, bietet sie Klarheit: klare Rollen und eine autoritäre Konfliktruhe. Der Antifeminismus der Tradwives ist demnach auch eine krisensensible Reaktion auf individuelle wie auch gesellschaftliche Herausforderungen, wie sie etwa von demokratischen Akteur*innen und feministischen Emanzipationsbewegungen aufgezeigt werden. Statt einer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bieten Tradwives Feinde und Schuldige und propagieren einen Rückzug ins Private. Die negativen Folgen, die das für Frauen haben kann, werden aber in Kauf genommen. Denn beim Tradlife handelt es sich vor allem um eins: einen Rückzug in eine hierarchische Geschlechterordnung um den Preis der ökonomischen und sozialen Eigenständigkeit von Frauen.
Charlotte Höcker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Else-Frenkel-Brunswik-Institut an der Universität Leipzig. Ihre Forschung in der psychoanalytischen Sozialpsychologie umfasst geschlechterreflektierte Perspektiven auf autoritäre Dynamiken und gesellschaftliche Konflikte.
GLOSSAR
Antifeminismus
ist eine Gegenbewegung zu feministischen Anliegen wie Gleichberechtigungsbestrebungen, der Selbstbestimmung von Frauen und queeren Personen, der Bekämpfung von > Sexismus oder der Abschaffung patriarchaler Strukturen. Antifeminismus kann sowohl gegen Feminismus als kollektive Bewegung gerichtet sein als auch konkret gegen Frauen- und Gleichstellungsarbeit. Verbindend ist häufig ein antiliberales oder am Ideal der Dominanz von Männern über Frauen ausgerichtetes Weltbild, wie es auch Rechtskonservative oder rechtsextreme Szenen auszeichnet.
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Kulturelle Hegemonie
ist ein Begriff aus dem Werk des italienischen Marxisten Antonio Gramsci. Er bezeichnet damit in der Gesellschaft zustimmungsfähige Ideen. Die > Neue Rechte eignet sich Gramscis damit verbundene Strategie an und sieht, solange sie keine Massenbewegung hinter sich hat, die Erlangung der „Diskurshoheit“ als taktisches Ziel. Konkret geht es um die Verankerung eigener Positionen in öffentlichen Debatten – zum Beispiel durch publizistische Aktivitäten.
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Misogynie
bedeutet Frauenhass und beschreibt die Annahme einer grundsätzlichen Minderwertigkeit von Frauen. Neben der konkreten Abwertung bezeichnet der Begriff zunehmend die strukturelle Entwertung oder Benachteiligung von Weiblichkeit. Misogynie weist Frauen und weiblich gelesenen Personen eine untergeordnete Position zu.
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Neue Rechte
bezeichnet eine Strömung zur Erneuerung des Rechtsextremismus in Abgrenzung zur am Nationalsozialismus orientierten „alten“ Rechten. Ausgangspunkt ist die Nouvelle Droite um den Philosophen Alain de Benoist. Ideologische Elemente sind die Ablehnung von Individualismus, Liberalismus, Parlamentarismus und gesellschaftlicher Vielfalt sowie Vorstellungen eines homogenen, hierarchischen und autoritären Staats. Die Neue Rechte bezieht sich u. a. auf autoritäre Denker der „Konservativen Revolution“ wie des Faschismus, um eigene Positionen im öffentlichen Diskurs zu verankern (> „Kulturelle Hegemonie“).
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Sexismus
ist ein Oberbegriff für Einzelphänomene von Diskriminierung auf der Grundlage des Geschlechts. Sie alle umfassen die Fixierung auf eine Geschlechtsordnung, in der Frauen eine den Männern unterlegene soziale Rolle zugewiesen wird und schlagen sich in Rollenvorstellungen, Geschlechterstereotypen und Verhaltensweisen nieder.