Plädoyer für einen neuen grünen Realismus

Foto: Anne Hufnagl

Die Schön­wet­ter­pe­riode ist vorbei – Durch­re­gieren ist abgesagt. Grüne müssen aus der Minderheit um Mehrheiten für ihre Politik kämpfen. Ein Zwischenruf von Ralf Fücks zu 40 Jahren Grüne im Bundestag.

Die 40-Jahr-Feier zum Einzug der Grünen in den Bundestag hätte fröhlicher ausfallen können. Sie war getrübt durch sinkende Umfra­ge­werte, das nervige Gezerre um das Gebäu­de­en­er­gie­gesetz und den internen Konflikt um den europäi­schen Asylkom­promiss. Aber das sind nur Oberflächenphänomene.

Der Zeitgeist bläht nicht mehr das grüne Segel

Die aktuelle grüne Holper­strecke hat viel damit zu tun, dass die Stimmung im Land und in Europa am Kippen ist. Grüne Hegemonie in bestimmten Milieus ist weit von politi­scher Mehrheits­fä­higkeit entfernt; der Zeitgeist bläht nicht mehr das grüne Segel.

Das gilt nicht nur für die Klima­po­litik, bei der die Wider­stände wachsen, wenn es ans Einge­machte geht. Forcierte Zeitpläne und ordnungs­po­li­tische Unklarheit – wie viel ökolo­gische Markt­wirt­schaft, wie viel engma­schige Top-Down Regulierung – verschärfen das Problem. Auch in kultu­rellen Streit­fragen baut sich massiver Wider­stand auf.

Das Wutbür­gertum richtet sich jetzt gegen die Grünen

Das Wutbür­gertum – bei Stuttgart 21 scheinbar noch Verbün­deter der Grünen – richtet sich jetzt voll gegen sie. Für die AfD verkörpern die Grünen sowieso alles, was sie hasst. Dass Teile der Union töricht genug sind, auf den antigrünen Populismus aufzu­springen, heizt die Polari­sierung an.

Grüne Anliegen und Diskurse sind nicht mehr wie selbst­ver­ständlich in der Offensive. Vielfach geht es – wie in der Asyl- und Flücht­lings­po­litik – eher um Vertei­digung elemen­tarer Standards. Darauf muss sich grüne Politik neu einstellen. Sonst gibt es ein unsanftes Erwachen.

Das Ende der Schön­wet­ter­po­litik gilt nicht nur für die Grünen. Alle Parteien müssen Antworten auf die Akkumu­lation von Krisen­fak­toren jenseits des Klima­wandels finden: Krieg, Teuerung, Steuer- und Abgabenlast, Regulie­rungs­di­ckicht, Fachkräf­te­lücke, Wohnungsnot und vieles mehr.

Mut zum Wandel: Mit Augenmaß, Fairness und einer neuen Fortschrittsidee

Das „Modell Deutschland” trudelt in eine Krise, die nicht nur den Wohlstand, sondern auch die bisherige demokra­tische Stabi­lität gefährdet. Vertrauen (und Wahlen) gewinnt, wer den Mut zum Wandel mit Augenmaß, Fairness und einer neuen Idee von Fortschritt verbindet.

Grüne bleiben der unver­zichtbare Motor für die ökolo­gische Transformation

Wer die Republik verändern will, muss bereit sein, sich selbst zu verändern. Die Grünen brauchen einen klaren Werte­kompass und identi­täts­stif­tende Ziele wie die ökolo­gische Erneuerung der Indus­trie­ge­sell­schaft. Welche Politik daraus folgt, muss immer neu verhandelt werden.

Es gibt Grund für selbst­kri­tische Reflexion, aber nicht für grüne Zerknir­schung. Grüne bleiben der unver­zichtbare Motor für die ökolo­gische Trans­for­mation. Und sie halten die Ampel auf Kurs in der Unter­stützung der Ukraine. Das ist schon viel.

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