Südafrikas „Genozid“-Klage gegen Israel: PR-Sieg für die Hamas

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Südafrikas Versuch, Israel vor den Inter­na­tio­nalen Gerichtshof zu bringen, unter­schlägt nicht nur den versuchten Völkermord der Hamas – die Politi­sierung höhlt den Begriff „Genozid“ auch auf gefähr­liche Weise aus. Eine Analyse von Richard C. Schneider.

Der Vorgang ist grotesk und trägt in sich eine obszöne Kompo­nente: Der Weg Südafrikas nach Den Haag, um dort vor dem Inter­na­tional Court of Justice, dem Inter­na­tio­nalen Gerichtshof, Israel des „Genozids“ zu bezichtigen.

Hundert­tau­sende Menschen wurden von Syriens Präsident Bashar al-Assad abgeschlachtet, mehr als 14 Million Menschen mussten fliehen. China hat mehr als eine Million Uiguren in Lager gesteckt, um sie „umzuer­ziehen“ und so ihre religiöse und kultu­relle Identität zu vernichten, in Nord-Korea kamen mehr als drei Millionen Menschen durch eine Hungersnot ums Leben. Das sind nur drei Beispiele von vielen. Niemand hat diese Staaten des Genozids bezichtigt, geschweige denn angeklagt, wie die New York Times kürzlich sehr richtig im Zusam­menhang mit der südafri­ka­ni­schen Klage anmerkte.

„Es geht um eine Politi­sierung des Begriffs „Genozid“

Doch es geht nicht nur darum, dass man Israel anklagt, andere Staaten aber nicht. Es geht um mehr. Es geht um eine Politi­sierung des Begriffs „Genozid“. Denn damit wird dieser belanglos, leer, hat keine Kraft und Wirkung mehr und vor allem – er wird in seiner Definition so schwammig, dass er sich zukünftig leicht aushebeln lässt.

In der „Konvention zur Verhin­derung und Bestrafung des Genozid­ver­bre­chens“ vom 9. Dezember 1948, heißt es sehr deutlich, was Genozid ist: „acts committed with intent to destroy, in whole or in part, a national, ethnical, racial or religious group as such “ – „Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

Fragwürdige „Beweise“

Dabei sind einige Aspekte angesichts der Anklage Südafrikas zu berück­sich­tigen: Die Konvention spricht von „Handlungen“. Die Südafri­kaner bringen Äußerungen (!) von Politikern, in denen rechts­extreme israe­lische Minister gefordert hatten, die Hamas vollständig zu vernichten, als Beweis für den Genozid vor. Die Hamas, wohlge­merkt, nicht die Paläs­ti­nenser. Und ganz egal, wie schrecklich beispiels­weise die Äußerung eines rechts­extremen israe­li­schen Ministers ist, man solle doch eine Atombombe auf Gaza werfen: eine Äußerung ist keine „Handlung“ – mal ganz abgesehen davon, dass dieser Mann keinerlei Entschei­dungs­be­fug­nisse über den Verlauf des Krieges hat.

Wie dumm die Anklage Südafrikas ist, zeigt sich auch an dem Vorwurf, Premier Netanyahu habe an „Amalek“ erinnert: ein Volk in der Bibel, das sich gegen die Israe­liten erhoben hatte und das es vollständig auszu­lö­schen galt – aller­dings um der eigenen Auslö­schung zu ergehen, eigentlich ein Akt der Selbst­ver­tei­digung. Amalek ist in der jüdischen Tradition zum Inbegriff jeglicher Juden­feind­schaft geworden: dass es in jeder Generation ein Volk gibt, das sich gegen die Juden erhebt, um sie auszu­lö­schen. Eine solche Äußerung Netan­yahus ist ein Beweis für einen angeblich statt­fin­denden Völkermord an den Palästinensern?

Israel will die Hamas zerstören – nicht das paläs­ti­nen­sische Volk

Aber mehr noch. In der Konvention wird davon gesprochen, dass ein Genozid dann statt­finde, wenn eine Gruppe „als solche“ ganz oder teilweise zerstört wird. Ist das in Gaza der Fall? Die israe­lische Armee kämpft gegen die Hamas und will diese Organi­sation zerstören – und sagt dies auch immer wieder. Dass dabei Zehntau­sende Zivilisten sterben, ist eine Tragödie. Und ja, es muss die Frage gestellt werden, ob die Armee nicht vorsich­tiger vorgehen könnte, ob es bei manchen Kampf­hand­lungen mögli­cher­weise nicht auch zu Kriegs­ver­brechen gekommen ist. Das kann, das darf unter­sucht werden.

Hilfs­güter und Warnung der Zivilbevölkerung

Dass Israel paläs­ti­nen­sische Zivilisten immer und immer auffor­derte, bestimmte Kampf­ge­biete zu verlassen, dass Hilfs­güter nach Gaza gelangen, dass inzwi­schen Truppen Gaza zu verlassen beginnen, das alles ist wahrlich kein Verhalten, das ein Staat an den Tag legen würde, wenn er tatsächlich die Absicht hätte, einen Völkermord zu begehen. Und – um es zynisch zu formu­lieren: wenn ein Völkermord die Absicht der israe­li­schen Regierung wäre, würde die Armee ihre Soldaten nicht einem solch extrem hohen Risiko wie dem Häuser­kampf aussetzen. Sie hätte andere Mittel zur Hand, wenn es tatsächlich um einen Genozid ginge.

Anklage unter­schlägt den eigent­lichen versuchten Völkermord

Das Perfide an dem Vorgehen Südafrikas ist, dass es den eigent­lichen (versuchten) Völkermord in diesem Konflikt unter­schlägt. Wer die Charta der Hamas kennt, weiß, dass sie die komplette „Auslö­schung“ Israels anstrebt, dass sie Muslime auffordert, jeden (!) Juden zu töten, der sich „hinter Steinen und Bäumen“ versteckt. Was die Hamas am 7. Oktober getan hat, kommt dem Prinzip der Genozid-Definition wesentlich näher. Sie mordete Menschen, Zivilisten, einfach nur, weil sie Juden sind. Ihre Absicht war es, wie man inzwi­schen weiß, eine Schneise der Zerstörung zu schaffen. Die Hamas-Terro­risten wollten – wenn sie nicht aufge­halten worden wären – von Ort zu Ort eilen, von Stadt zu Stadt, um überall israe­lische Menschen abzuschlachten, bis sie es geschafft hätten, ins Westjor­danland zu gelangen. Aber nicht nur das, einer der Hamas-Führer, Ghazi Hamad, erklärte kurz nach dem Massaker vom 7. Oktober im arabi­schen Fernsehen, man werde dasselbe ein „zweites, drittes, viertes Mal“ machen.

Etwaige Kriegs­ver­brechen müssen unter­sucht werden

Dies alles entspricht der inter­na­tio­nalen Definition eines Genozids sehr viel mehr als das, was Israel als Reaktion auf den Überfall tut, ganz egal, wie viele Tote es auf paläs­ti­nen­si­scher Seite gibt. Und damit keine Missver­ständ­nisse aufkommen: Die Zahl der zivilen paläs­ti­nen­si­schen Opfer ist schrecklich. Und ja, Israel muss sich die Kritik an seinem Vorgehen gefallen lassen. Auch die Ameri­kaner fordern Premier Netanyahu immer wieder dazu auf, die Führung des Krieges so zu verändern, dass Zivilisten sehr viel besser geschützt werden als bislang. Und wie gesagt: ob es Kriegs­ver­brechen gibt in Gaza, das kann unter­sucht werden. Aber Völkermord?

Südafrika hat der Hamas schon jetzt zu einem PR-Sieg verholfen

Südafrikas Anklage unter­schlägt, dass die Hamas ihre eigene Bevöl­kerung als mensch­liche Schutz­schilde missbraucht und aus zivilem Gebiet gegen israe­lische Zivilisten vorgeht (allein dieser Satz beinhaltet drei Vorge­hens­weisen, die als Kriegs­ver­brechen gelten). Doch selbst wenn die Anklage gegen Israel abgewiesen werden sollte, haben die Südafri­kaner der Terror­or­ga­ni­sation Hamas schon jetzt einen unglaub­lichen PR-Sieg geschenkt. Nicht die Hamas steht vor einem inter­na­tio­nalen Gericht als Angeklagte, sondern Israel, das auf einen genozi­dalen Angriff reagiert.

Eine schwammige Definition von Genozid würde diesen zukünftig gleichsam ermöglichen

Die Obszö­nität der Anklage, die Politi­sierung des Genozid-Begriffs wird auch vor dem Hinter­grund des Zweiten Weltkriegs offen­sichtlich. Die USA, Großbri­tannien und die anderen Alliierten haben im Krieg Zehntau­sende, ja Hundert­tau­sende Deutsche und Zivilisten der mit Deutschland verbün­deten Staaten getötet. War das jeweils ein Genozid? Mitnichten. Gab es Kriegs­ver­brechen? Ja. Aber diese beiden Kategorien muss man sehr genau unter­scheiden, wenn man in Zukunft Genozide nicht durch eine schwammige Juris­diktion gleichsam ermög­lichen will, weil der Begriff keinen Wert mehr hat. Allein deswegen muss man hoffen, dass der Inter­na­tionale Gerichtshof die Vorwürfe gegen Israel zurückweist.

Was hinter Südafrikas Vorgehen steckt, ist offen­sichtlich. Es ist nicht nur eine – legitime – Solida­rität mit den Paläs­ti­nensern. Es ist letztlich nichts als ein Angriff auf den jüdischen Staat, um ihn zu delegi­ti­mieren. Auch dafür gibt es einen Begriff: Antisemitismus.

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