Trumps Triumph – freie Hand für Bibi?

Israels Premier Netanyahu und seine Koali­ti­ons­partner freuen sich über den Wahlsieg von Donald Trump. Doch mögli­cher­weise wird der zukünftige US-Präsident der Regierung in Jerusalem noch Kopfschmerzen bereiten, meint unser Kolumnist Richard C. Schneider.

Sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Israels Premier Benjamin Netanyahu hatte gehofft, dass sein alter Buddy Donald Trump neuer US-Präsident wird. Mit ihm, so glaubt er, wird nun alles leichter für ihn. Der Krieg in Gaza, der Krieg im Libanon, der Krieg mit dem Iran und dann auch noch den allmäh­lichen Umbau der liberalen Demokratie in Israel in eine sogenannte „illiberale Demokratie“, wie der ungarische Premier Viktor Orbán sein autori­täres System in Ungarn nennt.

Gibt Trump Netanyahu freie Hand?

In seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump eine Menge für seinen Freund Netanyahu getan. Er verlegte die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, er erkannte die Annexion der Golan-Höhen an, er kündigte auf Betreiben Netan­yahus hin den Nuklear-Deal mit dem Iran auf.

Nun, so hofft „Bibi“, wie Netanyahu in Israel genannt wird, wird er freie Hand bekommen und sich nicht mehr mit dem Druck und der Kritik der Biden-Adminis­tration herum­schlagen müssen. Sicher ist, dass Trump weniger Interesse an Dingen wie Menschen­rechten und inter­na­tio­nalem Völker­recht hat als Joe Biden. Doch dass er Netanyahu freie Hand lassen wird, um im Libanon und vor allem in Gaza zu machen, was er will, ist noch lange nicht ausgemacht.

Ebenso unklar ist, ob Trump Israel ähnlich großzügig mit Waffen­lie­fe­rungen beglücken wird wie Noch-Präsident Joe Biden, ganz abgesehen von den gemein­samen Abwehr­maß­nahmen gegen die direkten Raketen­an­griffe des Iran, bei denen US-Soldaten und US-Piloten mit invol­viert waren.

Null Bock auf Krieg

Trump hat, um es salopp zu sagen, keinen Bock auf Kriege. Das sagt er auch. Er will, dass im Libanon und in Gaza Ruhe einkehrt. So schnell wie möglich und am besten noch bevor er Ende Januar in‘s Weiße Haus einziehen wird. Was den Libanon angeht, so könnte das sogar gelingen. Im Augen­blick gibt es hinter den Kulissen viel Bewegung. Netan­yahus rechte Hand Ron Dermer war vor ein paar Tagen in Moskau und ist auf dem Weg nach Washington – mögli­cher­weise bereitet man einen Waffen­still­stand mit der Hisbollah vor.

Was Gaza angeht, ist die Lage schwie­riger. Der israe­lische Premier betont seit nunmehr über einem Jahr, dass die Armee aus Sicher­heits­gründen nicht von dort abziehen wird. Ja mehr noch, sie ist offen­sichtlich derzeit dabei, den Nordteil Gazas „leer“ zu räumen und alle Zivilisten in den Süden des Küsten­streifens abzudrängen. Das wird als Sicher­heits­maß­nahme verkauft, doch viele Beobachter fürchten, es könnte die Vorbe­reitung auf eine dauer­hafte Besatzung sein und – so wollen es die Rechts­extre­misten in Netan­yahus Koalition – die Wieder­be­siedlung Gazas. Würde Trump dies zulassen?

The Great Deal Maker

Sicher ist, dass Trump sich als großen Deal Maker sieht, als einen genialen Geschäftsmann, der auch im Polit-Business Deals aushandeln will und kann. So könnte er Netanyahu einen Waffen­still­stand in Gaza aufzwingen, vor allem, wenn er, Trump, es dann noch schaffen würde, die wenigen noch lebenden israe­li­schen Geiseln freizu­be­kommen. Dann wäre er ein Held. In den USA, aber erst recht in Israel, wo jetzt schon die Mehrheit der Menschen froh ist, dass Trump die Wahlen in den USA gewonnen hat. Auch die meisten Israelis mögen Trump, weil sie von ihm in seiner ersten Amtszeit profi­tiert haben. Man vergesse dabei auch nicht die Abraham-Accords, das Abkommen mit den Emiraten und Bahrain, und daneben auch noch mit Marokko und dem Sudan, das eine neue Ära im Nahen Osten einzu­leiten schien. Da dachte Trump tatsächlich „out of the box“ und überredete die arabi­schen Staaten mit Israel endlich ein Abkommen zu schließen. Dafür bekamen sie auch eine ganze Menge von den USA: Trump versprach VAE-Kampf­flug­zeuge und Marokkos Besetzung der West-Sahara wurde vom Deal Maker im Gegenzug für einen Norma­li­sie­rungs­vertrag mit Israel akzeptiert.

Trump wollte damals auch noch die Saudis mit an Bord holen, das versuchte auch Joe Biden und man war ja fast schon so weit, als dann alles durch das Massaker der Hamas am 7. Oktober und dem daraus folgenden Krieg blockiert wurde. Doch Trump dürfte auch hier weiter machen wollen und sollte es ihm jetzt gelingen, ein Abkommen zwischen Israel und den Saudis zustande zu bringen, wäre es tatsächlich er, der Mann, den man politisch für eine Wirrkopf hält, der dem Nahen Osten eine neue regionale Ordnung bringen würde.

Wie umgehen mit Teheran?

Und dann ist da noch der Iran. Schon jetzt haben Stimmen aus Trumps Entourage verkündet, dass er erneut eine Politik des „maximalen Drucks“ auf Teheran ausüben will. Das hat Netanyahu sicher mit Freude erfüllt.  Sollte er sich nun entscheiden, den Iran noch einmal direkt anzugreifen, um die Ölfelder oder gar die Nukle­ar­an­lagen zu zerstören – soweit Israel dazu in der Lage wäre – so könnte es zwar sein, dass Trump Bibi gewähren lässt. Aber ob die US-Army mit an der Seite der Israelis in solche eine Schlacht ziehen würde, ist unter seiner Präsi­dent­schaft noch fraglicher als unter Joe Biden.

Denn Trump sieht nicht mehr ein, dass die USA überall Krieg führen und die eigene Armee, die eigenen Leute und die eigenen Ressourcen einsetzen sollen. Israel will Krieg führen? Bitte­schön, soll es tun, was es will, aber ohne uns – so in etwa denkt Trump, wenn man seine bishe­rigen Äußerungen analysiert.

Womit ein weiterer Aspekt wichtig wird, der Netanyahu und Israel vielleicht noch richtig weh tun könnte: 2026 läuft der 10-Jahres­vertrag aus, den Israel zur Zeit von US-Präsident Barack Obama geschlossen hat. Demzu­folge erhält Israel jährlich rund 3,8 Milli­arden US-Dollar Militär­un­ter­stützung. Im vergan­genen Jahr kamen viele weitere Milli­arden Militär­hilfe dazu, die USA haben den Israelis (fast) alles geliefert, was Jerusalem für den aktuellen Krieg benötigte.

Was wird aus der Militärhilfe?

Wie wird Trump mit Militär­hilfe umgehen? Schon jetzt kriti­siert er die enormen Ausgaben, die Washington zugunsten Jerusalems machte. Ganz allgemein spricht er davon, dass zukünftig für Gefäl­lig­keiten der USA jene Staaten, die diese brauchen oder wollen, dementspre­chend etwas zurück­zahlen müssten. Wird das auch für Israel gelten? Wird er die Militär­hilfe an Bedin­gungen knüpfen, die mögli­cher­weise den Aktions­radius der israe­li­schen Politik und des Militärs einschränken könnten? Der Gedanke ist nicht abwegig. Mögli­cher­weise wird Trump jedoch bei Israel tatsächlich eine Ausnahme machen. Die Tatsache, dass Trump Elise Stefanik zur neuen UN-Botschaf­terin machen will, könnte in diese Richtung weisen. Stefanik ist auf sehr klarem pro-israe­li­schen Kurs und wurde inter­na­tional bekannt durch ihr scharfes Tribunal gegen die Rektoren der Ivy-League-Univer­si­täten, die in ihrer Anhörung auf die Frage von Stefanik, ob sie den Aufruf zur Vernichtung der Juden an ihren Univer­si­täten dulden würden, tatsächlich mit dem Satz beant­wor­teten, dass es „auf den Kontext ankäme“. Ein Satz, der mittler­weile als hämisches Bonmot benutzt wird, um die Absur­dität dieser Argumen­tation vorzuführen.

Es bleibt erratisch

Auf Israel könnten aller­dings noch weitere Probleme in der Ära Trump zukommen. Wenn Trump seine Drohung wahr macht, dass er den Chinesen Straf­zölle von 60% und allen anderen von bis zu 20% aufbrummen will, dann hätte das für die israe­lische Wirtschaft, die durch den Krieg und die Herun­ter­stufung der Rating-Agenturen sowieso schon in der Krise ist, noch mal schlimmere Folgen. Denn Israel expor­tiert für eine hohe zweistellige Milli­ar­den­summe Waren und Güter in die USA.

Nichts­des­to­trotz sind Netanyahu und seine Koali­tionäre sicher, dass sie unter Trump ihre langge­hegten Träume umsetzen können. Soeben benannte Netanyahu einen neuen Mann für die Position des israe­li­schen Botschafters in Washington, der den liberalen Michael Herzog ablösen wird. Sein Name: Yechiel Leiter, ein ideolo­gisch motivierter Siedler, der – wie die Minister Ben Gvir, Smotrich und andere – davon träumt, endgültig das Westjor­danland zu annek­tieren und damit einen paläs­ti­nen­si­schen Staat für immer unmöglich zu machen. Mit Trump ist dieser Schritt zumindest denkbar. Doch wer weiß, wie der neue US-Präsident wirklich agieren wird. Es ist ja bekannt, wie erratisch und sprunghaft er ist. Vielleicht also wird alles doch noch ganz anders als wie sich Bibi und seine Gefolgs­leute die neue „goldene“ Ära vorstellen.

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