Landesmedienanstalten als Zensoren?
Die Landesmedienanstalten – hauptsächlich verantwortlich für Dinge wie die Überwachung des Schleichwerbeverbots und die Vergabe von Rundfunklizenzen – haben die elektronischen Medien als Betätigungsfeld entdeckt. Doch neben tatsächlich gefährlichen Propagandaschleudern geraten auch seriöse Anbieter in ihr Visier. Es droht staatliche Zensur, findet Stefan Laurin.
Der Paragraf 19 des neuen Medienstaatsvertrages kommt harmlos daher: „Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten“, heißt es da, „in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.“ Und etwas weiter: „Nachrichten sind vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.“ Die Telemedien, gemeint sind zum Beispiel Online-Magazin, Blogs und Youtube-Channels, werden wie die TV- und Radiosender von den Landesmedienanstalten (LMA) beaufsichtigt.
Die wenigsten Betreiber solcher Seiten werden davon überhaupt wissen, denn in der Regel haben sich die LMAs nicht einmal besonders engagiert um ihre traditionellen Aufgaben wie das Vorgehen gegen Schleichwerbung gekümmert.
Das hat sich nun geändert. Die 14 Landesmedienanstalten, die wie ARD, ZDF und DLF über die Haushaltsabgabe finanziert werden, haben durch Paragraf 19 ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt, dem sie sich mit großer Begeisterung und viel Engagement angenommen haben: Die Kontrolle von digitalen Medien. PR-trächtig inszeniert widmete man sich erst den bekannten Schmuddelangeboten wie KenFM, einer verschwörungstheoretischen Dreckschleuder, die von dem ehemaligen RBB-Mitarbeiter Kayvan Soufi Siavash, Nom de guerre „Ken Jebsen“, betrieben wird und eine der erfolgreichsten Journalismussimulationen der Republik ist. Bei Siavash geht es oft um bösartige jüdische Unternehmer, Schauergeschichten über Bill Gates und die Corona-Diktatur. Wer kann schon etwas dagegen haben, wenn solchen Gestalten jemand auf die Finger klopft?
Wer glaubte, dass es bei Kontrollen von Angeboten wie KenFM bleibt, musste schnell einsehen, dass er naiv war.
Nur wenige Tage später wurde das seriöse lokale Kölner Onlineangebot Report‑K gleich dreifach abgemahnt: Wegen einer angeblich falschen Bildunterschrift und dem Impressum. Alle Vorwürfe stellten sich als ebenso banal wie unbegründet heraus. Das Impressum war korrekt und die angeblich falsche Bildunterschrift war ebenfalls passend. Das abgebildete Foto einer Pressekonferenz der nordrhein-westfälischen Landesregierung war aktuell und kein Symbolfoto, musste also auch nicht als solches gekennzeichnet werden.
Der Fall Report‑K zeigt, was passiert, wenn bislang eher unscheinbare Behörden sich zu Kontrollorganen aufschwingen: Viel Druck auf Betreiber kleiner Angebote, die im Zweifelsfall nicht wissen, wie sie sich gegen eine Behörde, die damit droht, ganze Seiten zu löschen, wehren können.
Die LMAs wollen nicht nur Formalien wie das Impressum begutachten, sie maßen sich auch an, die Arbeit von Journalisten zu beurteilen und gegebenenfalls zu sanktionieren: So wollen die Anstalten künftig die „gründliche Quellenprüfung“ kontrollieren.
Aber was ist das, eine „gründliche Quellenprüfung“?
Darüber streiten bis heute die Gerichte. Ist zum Beispiel eine privilegierte Quelle wie ein Ministerium akzeptabel oder müssen auch dessen Aussagen darüber, ob zum Beispiel eine Organisation rechtsradikal oder islamistisch ist, mehrfach hinterfragt werden? Juristen sind sich in dieser Frage nicht immer einig. Bei der Frage, ob das Geschlecht nur ein soziales Konstrukt ist, wird man von Biologen andere Antworten als von Genderexperten bekommen – reicht die Expertise zweier Biologinnen oder muss man die Ansichten einer Queertheoretikerin gleich gewichten?
Und wie gründlich können Quellen geprüft werden, wenn man unter hohem Druck steht und aktuell berichtet? Was bedeutet gründlich, wenn man am Rand einer Nazidemo stehend live für einen Ticker berichtet? Bislang haben Redaktionen und im Zweifelsfall Gerichte darüber entschieden, was an Gründlichkeit angemessen war. Nun tun es Landesmedienanstalten, die von Parteien und Verbänden kontrolliert werden. Und sie tun es nicht transparent:
Man weiß nicht, wer kontrolliert, was die Maßstäbe dieser Menschen sind und kennt auch ihre Qualifikation nicht.
Der Presserat, das Gremium, dem sich zahlreichen Medienunternehmen freiwillig angeschlossen haben, wird nur auf Antrag aktiv, ermahnt bei Verfehlungen und bezieht öffentlich Position. Die Landesmedienanstalten ermitteln, wann sie es für nötig halten, sprechen der Einfachheit halber auch gleich das Urteil und können verlangen, Beiträge zu löschen. Dass sie all dies, wie in einer Pressemitteilung geschrieben, tun, um die „Meinungsvielfalt zu schützen“, hat Unterhaltungswert. Rechte werden in einer Demokratie von Gerichten geschützt, nicht von irgendwelchen Anstalten.
Wenn der Staat oder ihm nahe Institutionen, und nichts anderes sind die Landesmedienanstalten, sich anschicken, Medien zu kontrollieren, muss man aufmerksam werden. Seit Bestehen der Bundesrepublik hat es sich bewährt, dass es keine staatliche Kontrolle der Presse gibt. Und die pro-forma-Staatsferne der Landesmedienanstalten, bei denen die Besetzung der Spitze regelmäßig ein Politikum ist und Länder wie NRW schon Gesetze geändert haben, um die Wiederwahl eines politisch nicht genehmen Anstaltsdirektors zu verhindern, reicht nicht aus, um diese Sorge unbegründet erscheinen zu lassen.
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