USA: Sorge um die Zukunft der Demokratie in Israel

Foto: Imago

Der geplante Umbau der Justiz und die aktuelle politische Krise in Israel belasten die Bezie­hungen zu den USA. Auch die intensive Zusam­men­arbeit von Militär und Geheim­diensten könnte auf dem Spiel stehen. Richard C. Schneider über die Auswir­kungen der Krise und die Handlungs­op­tionen Joe Bidens.

Wer wissen will, wie derzeit die Stimmung im Weißen Haus ist, muss sich nur das Interview anhören, das US-Präsident Joe Biden kürzlich gab: Nein, Israels Premier Benjamin Netanyahu werde in naher Zukunft nicht nach Washington einge­laden. Deutlicher geht es kaum. Und während die Biden-Adminis­tration sich bislang sprachlich höflich, aber dennoch klar zu den Entwick­lungen in Jerusalem positio­nierte, fand der Präsident auch hier deutliche Worte. Es könne nicht sein, dass „dieser Weg“ fortge­setzt werde. Gemeint war die sogenannte Justiz­reform in Israel, die das Ende der Gewal­ten­teilung besiegeln würde.

USA: Sorge um die Zukunft der Demokratie in Israel

Mit anderen Worten: Die USA machen sich Sorgen um die Zukunft der Demokratie in Israel. Mit den beiden Extre­misten in der Koalition, dem Natio­nalen Sicher­heits­mi­nister Itamar Ben Gvir und dem Finanz­mi­nister und „Minister im Vertei­di­gungs­mi­nis­terium“ Bezalel Smotrich, will man sowieso nichts zu tun haben. Beide sind personae non gratae in Washington. Als Smotrich kürzlich in den USA war, wurde er von niemandem in der US-Regierung empfangen.

Die Geheim­dienst­part­ner­schaft könnte auf dem Spiel stehen

Die USA sind nervös und genervt von der Politik Netan­yahus. Gewiß, die militä­rische Zusam­men­arbeit geht vorerst ganz normal weiter, aber der Austausch von Geheim­in­for­ma­tionen steht mittel- und langfristig auf dem Spiel, wenn die Regierung Netanyahu ihre Pläne tatsächlich umsetzen sollte.

James Clapper, der frühere Direktor der „National Intel­li­gence“ der USA, machte kürzlich gegenüber der Washington Post eine sehr deutliche Bemerkung: „Die Geheim­dienst­part­ner­schaft zwischen Israel und den USA ist eng, intensiv und langjährig“, sagte der pensio­nierte General­leutnant der US-Air Force, „sie war in der Vergan­genheit ein Pfeiler der Stabi­lität und Konti­nuität, wenn das binationale Verhältnis sonst durch stürmische Zeiten ging. Selbst diese Säule könnte gefährdet werden, wenn die derzeitige Meinungs­ver­schie­denheit über das Wesen der israe­li­schen Demokratie anhält. Wir teilen am liebsten Infor­ma­tionen mit Demokratien; ich hoffe, Israel bleibt in diesem Lager“, so Clapper.

Ein Sicher­heits­be­amter ergänzte gegenüber derselben Zeitung: „Es gibt allen Grund für tiefe Besorgnis über die langfris­tigen Bezie­hungen zwischen den Verei­nigten Staaten und Israel, da Netanyahu eindeutig zur Justiz­reform zurück­kehren wird, sobald Pessach vorbei ist.“

Die umstrittene Justiz­reform ist nur aufgeschoben

Tatsächlich hat die Regierung Netanyahu ihre Pläne, das Justiz­system komplett umzubauen, nach massiven Protesten lediglich aufge­schoben, nicht aufge­hoben. Anfang Mai kommt die Knesset wieder zusammen, dann sollen die Gesetze durch­ge­peitscht werden, die der Regierung letzt­endlich freie Hand gewähren würden. Denn dem Obersten Gericht würde dann die Kontrolle über die Politik entzogen werden. Ob es dazu kommt, wird vor allem vom Wider­stand der Israelis abhängen.

USA und Israel: Gemeinsame Iran-Strategie in Gefahr

Schon jetzt hat dies also das Verhältnis zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbün­deten beschädigt. Für Joe Biden ist das ein großes Problem. Denn er wollte eigentlich mit Israel eine gemeinsame Strategie gegen den Iran entwi­ckeln, der inzwi­schen wohl genug angerei­chertes Uran besitzt, um binnen 14 Tage eine Atombombe herstellen zu können.

Ein weiterer Punkt, den Biden auf seiner Agenda hatte: die Bezie­hungen zwischen Saudi-Arabien und Israel so weit auszu­bauen, dass beide endlich diplo­ma­tische Bezie­hungen aufnehmen. Doch die Saudis haben soeben ihren Streit mit dem Iran beendet und tauschen – nach Vermittlung Chinas – Botschafter mit Teheran aus. Statt diplo­ma­ti­scher Bezie­hungen mit Israel rügt Riad Jerusalem für das „Pogrom“ von Huwara, wie ein israe­li­scher Militär­kom­mandant dies nannte, bei dem radikale Siedler in die paläs­ti­nen­sische Stadt im Westjor­danland einge­drungen waren und dort völliges Chaos angerichtet hatten.

Arabische Führer gehen auf Distanz zu Israel

Und die Bemerkung von Minister Smotrich, Huwara gehöre „ausge­löscht“, hat nicht nur in Riad für Empörung gesorgt, sondern auch in den Emiraten, in Bahrain und anderen Staaten, die mit Israel im sogenannten „Abraham Abkommen“ seit über zwei Jahren beste Bezie­hungen haben. Netanyahu wollte eigentlich dringend in die Emirate fliegen – endlich –, er wollte gute PR für sich haben. Doch die Einladung lässt auch dort auf sich warten. Arabische Führer wollen sich im Augen­blick mit dem israe­li­schen Premier nicht abbilden lassen. Auch dies ist für die USA  ein Problem.

Denn Joe Biden will sich im Grunde nicht mit dem Nahen Osten beschäf­tigen. Sein Haupt­au­genmerk richtet sich auf China, mit dem sich die USA einen Kampf um die Vorherr­schaft in der Welt liefern. Und natürlich auf die Ukraine, wo der von Wladimir Putin begonnene Krieg weiter tobt. Der Nahe Osten? Den wollte man im Grunde eher nebenbei abhandeln und sich auf die Gefahr konzen­trieren, die der Iran für die Region und die Welt bedeutet. Dazu gehörte aber die absolute Einigkeit mit Israel.

Wie kann Biden auf Netanyahu Einfluss nehmen?

Und nun das. Dem Israel­freund Biden könnten nicht viel andere Optionen bleiben, als mit immer schär­feren Maßnahmen Netanyahu zur Ordnung zu rufen. Oder es zumindest versuchen. Bei den Demokraten ist die Stimmung jedoch schon länger anti-israe­lisch, nicht nur die Progres­siven schlagen sich zunehmend auf die Seite der Paläs­ti­nenser. Umfragen zeigen, dass sich in den USA insgesamt das positive Bild Israels allmählich wandelt.

Sollte die Regierung in Jerusalem also ihren Weg weiter­ver­folgen und durch­setzen, wird das Verhältnis zu den USA mit Sicherheit beschädigt werden. Biden könnte sich gezwungen sehen, erst einmal mit diplo­ma­ti­schen Schritten zu reagieren, etwa in dem er Israel in inter­na­tio­nalen Gremien wie der UN nicht mehr automa­tisch per ameri­ka­ni­schem Veto schützt. Und natürlich könnte die Frage, wie sehr man Israel mit finan­zi­ellen Mitteln unter­stützen soll, wenn es denn keine Demokratie mehr wäre, sehr schnell virulent werden.

Netanyahu riskiert viel

Was James Clapper in seinem Interview andeutete, könnte mit der Zeit in kleinen Schritten Realität werden. Und dies würde einen echten Dammbruch in den Bezie­hungen beider Staaten bedeuten. Denn selbst in der Zeit von US-Präsident Barack Obama, den Premier Netanyahu – um es salopp zu sagen – nicht ausstehen konnte, war trotz der unerträg­lichen Spannungen zwischen den beiden Regie­rungs­chefs die militä­rische und geheim­dienst­liche Zusam­men­arbeit eng und vor allem: profes­sionell. Die Militärs und Geheim­dienstler hielten die Politik außen vor und konzen­trierten sich auf die wesent­lichen Dinge, die sie vereinten und die ihnen am Herzen lagen: Die Sicherheit Israels und des Westens zu garantieren.

Doch im Augen­blick sieht es so aus, als ob Netanyahu all das riskieren möchte. Seine politi­schen Gegner sind überzeugt, dass ihn nur eines umtreibt: Die Angst vor einer Gefäng­nis­strafe im Falle einer Verur­teilung in seinem Prozess wegen mutmaß­licher Korruption in drei Fällen. Er wolle die Justiz­reform durch­setzen, um seinen eigenen Prozess ad acta legen zu können, heißt es. Diesem Ziel würde er alles unter­werfen, auch das Wohl seines Landes.

Netanyahu: Hoffnung auf einen republi­ka­ni­schen US-Präsidenten?

Aber es könnte noch eine weitere Überlegung hinzu­kommen. Netanyahu ist ein überzeugter Freund der Republi­kaner in den USA. Er war ein enger „Buddy“ von US-Präsident Donald Trump. Nächstes Jahr wird in den USA gewählt. Und es könnte sehr gut sein, dass eventuell Trump oder zumindest ein republi­ka­ni­scher Kandidat bald ins Weiße Haus einziehen könnte. Dann würde Netanyahu in Washington wieder auf Geistes- und Seelen­ver­wandte treffen. Und alle Drohungen Bidens wären Geschichte. So wie auch Barack Obama längst Geschichte ist – wohin­gegen Benjamin Netanyahu immer noch da ist.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.