Wir müssen jetzt handeln, sonst ist es das Ende unserer demokratischen Ordnung
„Welcher Frieden? Die Ukraine und wir“ – zwei Fragen, die grundlegender nicht sein könnten, standen im Fokus unserer internationalen Konferenz, der dritten seit der russischen Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022: Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für den Westen, und welche Ziele muss eine künftige Friedensordnung erfüllen?
Während der Westen seiner Unterstützung der Ukraine zunehmend müde wird und die Stimmen der selbsternannten ‚Pazifisten‘ auf deutschen Straßen und in Landtagen immer lautstarker „Frieden“ rufen – damit aber die faktische Unterwerfung der Ukraine meinen – steuern die Menschen in der Ukraine auf einen harten Winter zu. Putin setzt Kälte als Waffe ein und baut auf Zermürbung und Angst.
Frieden ist nur aus militärischer Stärke heraus möglich
Wolodymyr Selenskyj hat gerade seinen lang geheim gehaltenen „Siegesplan“ in Washington und beim EU-Gipfel vorgestellt und dafür viel Kritik geerntet. Zentrale Punkte sind unter anderem: Die Ukraine muss in europäische und transatlantische Bündnisse eingebunden sein, und sie kann nur aus einer Position der militärischen Stärke heraus mit Russland verhandeln. Das bedeutet notwendigerweise, dass sie – übrigens in Einklang mit dem Völkerrecht – Flugplätze innerhalb Russlands angreifen kann, um ihren Luftraum effektiv zu schützen.
“What we are trying to avoid is the so-called World War II Russian narrative of nuclear deterrence. It has seeped into our psyche and nourishes the Russian narrative. We have been asleep the last two years. What is driving this strategic fog is fear. The conclusions we draw from history are the wrong ones. Sometimes you have to escalate in order to deescalate. Ukraine can win. We can turn everything around in Ukraine the next year.“ Alina Polyakova
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Mehr InformationenEin effektiver Schutz wäre auch die angestrebte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Das ist nicht nur im Interesse der Ukraine, es ist nicht nur im Interesse der Balkanstaaten sowie der baltischen Länder, sondern es ist auch im Interesse ganz Europas und des freiheitlichen Westens. Es ist im ureigensten Interesse Deutschlands.
Die Sicherheit der Ukraine ist unsere Sicherheit
Für Putin ist die Ukraine nur der Anfang, das macht er sehr klar und hörbar deutlich. Doch wir ignorieren die Realität und weigern uns noch immer, entschieden zu handeln. Dabei ist Entschiedenheit jetzt die einzige Möglichkeit, einen weitaus größeren Krieg zu verhindern und unsere demokratisch-freiheitlichen Werte, die globale Weltordnung sowie auch unsere eigene Bevölkerung zu schützen. Um unsere Zukunft zu sichern. Die gute Nachricht ist: Wenn wir jetzt entschlossen und nicht zu zögerlich sind, lässt sich das erreichen. Dann, aber nur dann, kann die Ukraine gewinnen. Es liegt an uns. Tun wir das nicht, geht der Krieg weiter. Und er wird weitaus kostspieliger und gefährlicher, als er jetzt schon ist.
Die Ukraine braucht also nicht nur uns. Auch wir brauchen die Ukraine.
„Es gibt Kräfte in der deutschen Bevölkerung, die uns weismachen wollen, dass uns Ukraine nichts angeht. Die Ukraine verteidigt auch unsere europäische Sicherheit und die internationale regelbasierte Ordnung. Der Ausgang dieses Krieges wird Antwort darauf geben, ob es im 21. Jahrhundert möglich sein wird, Grenzen gewaltsam zu verschieben. Putins Kriegsziel beschränkt sich nicht auf die Ukraine, es geht Putin um ein Scheitern der NATO und Scheitern der internationalen Ordnung. Er möchte diese Systeme durch die eigenen Einflusssphären ersetzen und seinen Einfluss mit Gewalt und mit militärischer Stärke durchsetzen. Ein Frieden auf einer solche Grundlage ist nicht nachhaltig, solange Moskau nicht zu territorialer Integrität und Souveränität bereit ist.“ Tobias Lindner
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Mehr InformationenAuch wenn es uns nicht gefällt: Wir sind längst im Krieg mit Russland
Es ist schon jetzt nicht nur ein Krieg in der Ukraine: Desinformationskampagnen, Morde, Sabotageakte, Cyberattacken und Spionage... All das ist Teil des hybriden Krieges, den Russland bereits seit Jahren gegen den Westen führt: Gegen die NATO und vor allem gegen Deutschland. Und das auch, weil wir – anders als die Balkanstaaten, anders auch als Polen – dem Putinschen Narrativ aufsitzen und seiner Angst und Unsicherheit nährenden Rhetorik in die Fänge laufen.
“The leadership in the US is either unable or unwilling to understand the changes. Our security, our transatlantic security and our peace is being threatened by two powers: China and Russia. If we don’t stop them in Ukraine, we have to face them somewhere else. The administration in the US and Germany have enforced their weakness. They have managed to do this by playing up the Russian nuclear threat.” John E. Herbst
Während deutsche Politiker nicht müde werden zu betonen, was sie alles nicht tun werden, um Putin nicht zu erzürnen und das von ihm geschickt heraufbeschworene Gespenst eines nuklearen Krieges nicht Realität werden zu lassen („Keine Angriffe auf russisches Staatsgebiet“, „Wir befinden uns nicht im Krieg mit Russland“), wiederholt Russland sehr klar, gegen wen es Krieg führt: Es ist nicht allein die Ukraine, es ist der Westen, es sind wir.
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Mehr InformationenAllianz mit westlichen Demokraten
Während der Ausgang der Wahlen in den USA bevorsteht und kaum absehbar ist, was das für Europa, für die NATO und die Bündnisse der westlichen Demokratien bedeutet, laufen die Aufnahmeprozesse der Ukraine in die Europäische Union zwar auf Hochtouren, sind aber kompliziert und langwierig. Dabei wäre auch eine rasche Aufnahme der Ukraine in die EU von zentraler Bedeutung. Man könnte meinen, die Widrigkeiten und der grausamen Realitäten des Krieges hätten die Ukraine in ihrer Bemühung um eine Aufnahme in die EU geschwächt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Demokratisierungsprozesse erfahren weiterhin große Unterstützung der Zivilgesellschaft.
Globale Allianzen der Autokraten
Derweil hat Russland längst seine Allianzen mit anderen Autokraten geschlossen und verfolgt eine klare Strategie, etwas, das uns fehlt. Russland greift mit iranischen Drohnen die Ukraine an, wird unterstützt von China, und der südkoreanische Geheimdienst geht davon aus, dass Soldaten aus Nordkorea in Russland für den Krieg in der Ukraine trainiert werden. Nicht zu vergessen die engen Allianzen mit Belarus, das eine Grenze mit Lettland, Litauen und Polen teilt, an der Putin Migranten als Waffen einsetzt.
„Wo gibt es einen Aufschrei darüber, dass Nordkorea in den Krieg eingegriffen hat? Wo gibt es einen Aufschrei über die Allianz mit Iran? Wir haben eine Moskauconnection in Deutschland. Das müssen wir auch aufarbeiten. Die Forderung von uns an Russland muss eine Anerkennung des Existenzrecht seiner Nachbarstaaten sein. Wir müssen einen Abzug der Nuklearwaffen in Kaliningrad fordern. Wir müssen fordern, Georgien wieder zu stabilisieren. Frieden kann nur in Freiheit und Sicherheit sein.“ Roderich Kiesewetter
Um was es dabei geht, ist nicht trivial: Es geht um unsere Sicherheit, um unsere Freiheit, um unsere demokratischen Werte. So zynisch es klingt: Die Ukraine jetzt entschieden zu unterstützten, ist die preiswerteste Art, uns selbst zu schützen.
“The cheapest way to help Ukraine is to give all weapons at once. You will pay less if you pay it all at once. The worst scenario is to make a deal on the basis of giving up. Then as a consequence, in eight years from now, we will have another war. We have a whole generation of people to lose. It is important to think strategically but not on the basis of fear. Because that is what Putin expects.” Inna Sovsun
Das bedeutet: Waffen nicht nach dem Prinzip „too little, too late“ zu schicken, zielführender wäre es, der Ukraine alle Waffen auf einmal zu geben und ihr zu erlauben, nicht nur die Raketen abzufangen, sondern sie dazu zu befähigen, den Raketenwerfer selbst zu treffen. Indem sie also Flugplätze innerhalb Russlands angreift.
Resilienz der Energieinfrastruktur stärken
Bislang kann sich die Ukraine gegen die Angriffe Russlands nur begrenzt schützen und so kosten die täglichen Angriffe in der Ukraine nicht nur immer mehr Menschenleben, Russland zerstört dabei auch gezielt die ukrainische Energieinfrastruktur. Der Ukraine steht ein Winter bevor, der zum schwersten seit Beginn der russischen Vollinvasion zu werden droht. Moskau setzt Kälte als Waffe ein. Die Resilienz der ukrainischen Infrastruktur einerseits zu stärken und andererseits zerstörte Teile wiederaufzubauen, ist also zentral. Wobei der Schutz preiswerter ist als ein Wiederaufbau. Schutz gelingt aber nur aus militärischer Stärke heraus.
Missbräuchlicher Friedensbegriff
Nur aus dieser militärischen Stärke heraus ist auch ein Frieden denkbar, der diesen Namen überhaupt verdient. Dort, wo russische Truppen ukrainisches Gebiet bereits besetzen, herrscht das, was dem Rest des Landes droht, sollte Russland weiter vorrücken: Mord, Folter, Entführung. Also kein Frieden. Denn Frieden muss nicht nur nachhaltig sein, sondern er muss notwendigerweise auch Freiheit und Sicherheit beinhalten. Doch genau dieser Frieden wird von Russland abgelehnt. Alle Bemühungen des Westens, mit Moskau zu verhandeln, liefen bislang ins Leere. Ungeachtet dessen richten sich die Friedensforderungen erstarkender illiberaler Kräfte von BSW und AfD sowie der lauter werdenden Stimmen auf deutschen Straßen nicht an Putin, sondern an die Ukraine.
„Wir müssen unsere Stärke als demokratisches Land beibehalten. Russland investiert viel, um Demokratien zu zerstören und destabilisieren. Wir sehen das Gift extremistischer Vereinfachung: AfD und BSW verbreiten dieses Gift mit ihren Botschaften. Wir könnten eine Menge tun, aber nur, wenn wir stabil demokratisch bleiben. Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, politische Eskalation zu nähren. Wir stehen vor der Entscheidung zwischen liberaler Demokratie und Autokratie. Das ist nicht trivial, dabei geht es um alles.“ Robin Wagener
Sie wiederholen Putins Propaganda und fordern eine de facto-Kapitulation der Ukraine, die verheerend auch für unsere eigene Sicherheit wäre. Denn Putin wird weitermachen.
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Mehr InformationenDen Menschen die Wahrheit zuzumuten ist Aufgabe von Politik
Genau das der deutschen Bevölkerung zu erklären, erwachsen mit mündigen Wählern umzugehen und unangenehme Wahrheiten auszusprechen, wäre Aufgabe von Politik. Denn die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Nur wer sie kennt, kann die richtigen Schlüsse ziehen und eigene Entscheidungen treffen.
„Umfragen zeigen: Wenn Politik ehrlich ist und eine ehrliche Sprache spricht, dann gelingt es auch, Mehrheiten in der Politik für die richtigen Handlungen zu finden. Wir brauchen diese Debatten. Wir leben in Zeiten, in denen sich die Frage stellt, ob unsere Kinder und Enkelkinder noch in Frieden, Sicherheit und Demokratie leben können. Darauf kommt es heute an.“ Agnieszka Brugger
Stattdessen werden Putinsche Angstnarrative wiederholt und die Rhetorik des Kremls damit zu einer weitaus wirksameren Waffe, als es jede noch so moderne iranische Drohne es sein kann.
„Bundeskanzler Scholz hätte den Befürchtungen der Bevölkerung entgegentreten sollen und nicht durch ein Zurückweichen den Aggressor zu ermutigen. Er hätte klar sagen sollen, was wir hier verteidigen. Johann David Wadephul
Bislang sitzen wir Putins Spiel auf. Wir spielen es mit und übernehmen ängstlich die uns zugedachte Rolle. Dabei braucht es dringend einen grundsätzlich anderen Blick auf den Krieg in der Ukraine und auf Russland. Moskau führt mitten im 21. Jahrhundert einen imperialistischen, einen kolonialistischen Krieg.
“Imperialism is in many ways seen as Western imperialism. So it is about colonizing the distant ones, that’s the narrative. The racist projection is: You cannot overcome the difference, because the difference is racial. Instead, the Russian colonialization is about the colonialization of the enclosed ones. The narrative is: ‘You are not different to me, but you are the same as me. So it is about assimilation.” Volodymyr Yermolenko
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Mehr InformationenStatt das zu verstehen, herrschen in Deutschland noch immer romantisierende Russlandbilder vor. Es braucht einen Perspektivwechsel, einen grundsätzlichen. Wir müssen erkennen: Der Ukraine-Krieg ist unser Krieg. Es ist ein globaler Krieg, der nur durch militärische Stärke und gemeinsam als eine Allianz aus Demokraten gewonnen werden kann. Dazu brauchen wir die Ukraine genauso wie sie uns. Wir müssen handeln. Genau jetzt. Entweder erwacht Europa nun aus dem Tiefschlaf, oder es ist das Ende der europäischen Werte und der Ordnung, mit der wir aufgewachsen sind.
“The situation is dark, but the only chance we have is by fighting united and by having no fear.” Lesia Ogryzko
“There is no other way for the West to survive than to become more active and decisive. Stop listening to Putin and start listening to the voice of reason.” Inna Sovsun
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