Populism is the new Normal oder: Die Rückkehr des Caudillo in’s Weiße Haus

Die britische Zeit­schrift „Economist“ fand das richtige Wort: „Wow.“ Donald Trumps Comeback ist nicht nur eine erstaun­liche persön­liche Leistung, sondern auch ein histo­ri­sches Ereignis. Mit ihm avanciert das Caudillo-Prinzip zur neuen Norm der ameri­ka­ni­schen Politik, schreibt Alan Posener in seiner Wahlanalyse.

Vor 20 Jahren provo­zierte Samuel P. Huntington mit seinem Buch „Who Are We?“ einen Sturm der Entrüs­tung. Der Poli­tik­wis­sen­schaftler, bekannt durch seine Theorie des „Kampfs der Kulturen“, behaup­tete, die Zuwan­de­rung aus dem katho­li­schen und von popu­lis­ti­schen Führer­ge­stalten geprägten Latein­ame­rika werde die Vorherr­schaft der „anglo-protes­tan­ti­schen Kultur“ in den USA brechen. Auf dieser Kultur jedoch beruhe auch die poli­ti­sche Kultur der ameri­ka­ni­schen Demokratie.

Damals wurde der Konser­va­tive Huntington von links als Reak­tionär und Rassist kriti­siert; die Rechte jedoch – allen voran Donald Trump – hat mit der Angst vor der „Invasion“ aus Latein­ame­rika Politik gemacht. Para­do­xer­weise aber haben Trump und die Repu­bli­kaner die größten Zuwächse gegenüber 2020 ausge­rechnet in jenen Wahl­be­zirken erzielt, in denen Hispanics die Mehrheit bilden. Aber auch Schwarze sind in Scharen zu Trump über­ge­gangen, nicht zuletzt wegen seiner Polemik gegen die Hispanics, mit denen sie um Arbeit konkur­rieren; außerdem weiße Arbeiter, in denen rassis­ti­sche Vorur­teile gegen Schwarze und Hispanics verbreitet sind; und auch Weiße mit Hoch­schul­ab­schluss. Der Caudillo schafft es, zu teilen und zu herrschen.

Die Verspre­chen des McDonalds-Fritten-Bräters

Amerika war bislang eine Nation der Aufsteiger; das Verspre­chen Amerikas ist der Aufstieg. Trump aber verklei­dete sich als McDonalds-Fritten-Bräter und Müllmann; sein Verspre­chen ist nicht: Ihr könnt es nach oben schaffen, sondern: Ich werde euch schützen und es denen da oben zeigen. Ob links­na­tional wie Maduro in Venezuela oder rechts­li­bertär wie Milei in Argen­ti­nien: Der Caudillo insze­niert sich als Rächer der Enterbten und Feind der Elite.

Auch in Europa gewinnt das Caudillo-Geschäfts­mo­dell – „Autocrats, Inc.“, wie es Anne Applebaum nennt – an Boden. In Groß­bri­tan­nien hat die neue Chefin der Konser­va­tiven, die in Nigeria aufge­wach­sene Kemi Badenoch, dem „Blob“ den Krieg erklärt: der gebil­deten, liberalen Elite, die in Behörden und Verwal­tungen, Medien, Hoch­schulen und Thinktanks, Aufsichts­räten, Parteien und NGOs den Ton angibt. Wenn Badenochs konser­va­tiver Rivale James Cleverly, dessen Mutter aus Sierra Leone kommt, die Führung der Labour Party als „male, pale and stale“ – männlich, weiß und abge­standen – kriti­siert, wird klar, dass der Caudillo – oder die Caudilla – kein Problem damit hat, Bruch­stücke vermeint­lich linker Iden­ti­täts­po­litik zu verwenden, wenn es gegen die Elite geht.

Bunte Gesell­schaften wählen nicht unbedingt progressiv

Trumps Wahl besiegelt für Liberale und Progres­sive das Ende der Zuver­sicht. Bislang bildeten sich die Demo­kraten in den USA, die Grünen und Links­li­be­ralen hier­zu­lande, ein, die Welle der Zukunft zu sein; sie meinten: Gesell­schaften die bunter und diverser werden, müssten fast natur­ge­setz­lich auch jene Parteien wählen, die Buntheit und Diver­sität auf ihre Fahnen geschrieben haben. Dem ist nicht so. Forget it. Je weniger homogen eine Gesell­schaft ist, desto eher wenden sich die verun­si­cherten Menschen einer Führer­ge­stalt zu – ohne Ansehen der Person, wie man an Trump sieht.

Das sind die mittel­fris­tigen Aussichten, und sie sind nicht schön. Sehr kurz­fristig könnte es darum gehen, was der Caudillo im Weißen Haus mit dem Caudillo im Kreml aushan­delt. Und das dürfte noch unschöner sein. In der TV-Debatte mit Joe Biden versprach Trump, noch vor seiner Amts­ein­füh­rung „Frieden in der Ukraine“ zu schaffen. Das war im Juli. Der Plan dafür liegt seit dem April vor. Einer der Autoren des Plans fasste ihn wie folgt zusammen: „Wir sagen den Ukrainern, ihr müsst an den Verhand­lungs­tisch, und wenn ihr nicht wollt, dann versiegt die Hilfe der USA“, so Keith Kellogg, ehema­liger Berater Trumps für Nationale Sicher­heit, im Interview mit der Nach­rich­ten­agentur Reuters.  Gleich­zeitig werde man Wladimir Putin sagen: „Wenn du nicht verhan­delst, dann geben wir den Ukrainern alles, was sie brauchen, um dich auf dem Schlacht­feld zu töten.“

Trump, Russland, die Ukraine und die NATO

Als Ergebnis der Verhand­lungen stellen sich die Trump-Berater einen Waffen­still­stand und die Schaffung einer demi­li­ta­ri­sierten Zone vor; einen Verzicht der Ukraine auf die NATO-Mitglied­schaft und auf die gewalt­same Befreiung der von Russland okku­pierten Terri­to­rien. Zu Deutsch: Putin behält, was er erobert hat, die Ukraine wird im Stich gelassen. Denn dass Trump selbst im Falle weiter­ge­hender russi­scher Ansprüche den Ukrainern alles geben werde, was sie für den Sieg brauchen, glaubt niemand, am aller­we­nigsten Wladimir Putin.

„Wir sind jetzt gefordert“, meinte Norbert Röttgen im Interview mit der „Rhei­ni­schen Post“.  Wenn die USA als Garant euro­päi­scher Sicher­heit ausfallen, so der Unions-Außen­po­li­tiker, „dann muss euro­päi­sche Sicher­heit euro­pä­isch werden. Das ist jetzt von allen Regie­rungen in Europa zu erwarten. Sie müssen in Zeiten des Krieges dieser histo­ri­schen Aufgabe gerecht werden.“ Röttgen hat zwar abstrakt recht, es ist konkret dennoch Pfeifen im Wald. Über den Krieg in der Ukraine wird in Washington und Moskau entschieden, nicht in Brüssel und Kiew. Und: Will man der popu­lis­ti­schen Welle in ganz Europa noch mehr Nahrung geben und der AfD die Chance geben, im Bundestag eine Sperr­mi­no­rität zu erringen, so muss man nur versuchen, den Wider­stands­krieg gegen Putin ohne Amerika fort­zu­führen. „Gold gab ich für Eisen“ – heute:  Sozi­al­hilfe für Waffen – ist in der Euro­päi­schen Union so wenig durch­setzbar wie in den wirt­schaft­lich um ein Viel­fa­ches besser aufge­stellten USA.

Keinen Cham­ber­lain-Frieden 2.0

Natürlich muss Europa mehr für die eigene Vertei­di­gung tun. Immerhin gibt es die 50 Milli­arden für die Bundes­wehr. Mehr muss kommen, und für den Ausbau des mili­tä­risch-indus­tri­ellen Komplexes muss endlich die Schul­den­bremse fallen. Sollte Trump die Ukraine zur Aufgabe zwingen, so wird dieser Appease­ment-Frieden so wenig haltbar sein wie der Appease­ment-Frieden, den Neville Cham­ber­lain auf Kosten der Tsche­cho­slo­wakei in München aushandelte.

Aber mindes­tens genauso wichtig, nein wichtiger, ist es zu verhin­dern, dass sich Europa wie ein trotziges Kind von Amerika abwendet. Hätte es vor 1939 etwas mit der NATO Vergleich­bares gegeben, so hätte München nicht in die Kata­strophe des Welt­kriegs geführt. Das euro­päi­sche Imperium muss Weltmacht werden, kriegs­tüchtig werden, aber das geht nur unter den Fittichen und mithilfe der USA. Auch der USA des Caudillos Trump.

Trum­po­no­mics und die Gefahr von Handelskriegen

Vor allem gilt es, einen Handels­krieg zu verhin­dern. Trump redet davon, einen 20-prozen­tigen Zoll auf alle Importe (und 60 Prozent auf Importe aus China) zu erheben. Diese protek­tio­nis­ti­sche Politik wird kurz­fristig den ameri­ka­ni­schen Konsu­menten wehtun und der einhei­mi­schen Industrie lang­fristig schaden, weil der Schutz vor Konkur­renz den Inno­va­ti­ons­geist und die Produk­ti­vität erstickt. Das heißt aber nicht, dass Trump sein Verspre­chen nicht halten werde.

Kurz­fristig könnten sogar die US-Produ­zenten von Trum­po­no­mics profi­tieren, die heimi­schen Markt­an­teile vergrö­ßern und die künstlich verteu­erten auslän­di­schen Produkte ersetzen, während auslän­di­sche Firmen sich beeilen, ihre Produk­ti­ons­stätten in die USA zu verlagern. Was wiederum Arbeits­plätze schafft, während Trumps restrik­tive Einwan­de­rungs­po­litik die Konkur­renz um Jobs verrin­gern dürfte, so dass die Löhne steigen.

Kurzum: Die USA sind groß und wirt­schaft­lich stark genug, einen lang­fristig selbst­zer­stö­re­ri­schen Handels­krieg gegen den Rest der Welt kurz- und mittel­fristig auszu­halten. Europa nicht. Die US-Import­zölle wären kata­stro­phal. Jetzt rächt sich, dass eine anti­ame­ri­ka­ni­sche euro­päi­sche Linke Barack Obamas Vision einer trans­at­lan­ti­schen Frei­han­dels­zone (TTIP) torpe­diert hat. TTIP hätte Trump 2016 neu verhan­deln müssen, wie er die nord­ame­ri­ka­ni­sche Frei­han­dels­zone NAFTA neu verhan­delt und durch die USMCA ersetzt hat, die bis 2036 gilt, so dass Mexiko und Kanada nun vor will­kür­li­chen Zoll­erhö­hungen geschützt sind.

Die EU muss sich mit dem Caudillo im Weißen Haus verständigen

In dieser Situation müsste die Euro­päi­sche Union alles daran­setzen, voraus­ei­lend zu einem Benehmen mit dem neuen Präsi­denten zu kommen. Ob der slowa­ki­sche Ex-Kommunist und lang­jäh­rige Euro­bü­ro­krat Maroš Šefčovič als Handels­kom­missar das Format und die Vision hat, Trumps protek­tio­nis­ti­sche Instinkte aufzu­fangen, sein Ego zu befrie­digen und ihm – viel­leicht als Gegengabe für die unbü­ro­kra­ti­sche Aufnahme der gebeu­telten und gede­mü­tigten Ukraine in die EU – Konzes­sionen im Handel bis hin zu einem förm­li­chen Abkommen abzu­ringen, darf man bezwei­feln. Eher muss man trotzige Reak­tionen und Gegen­zölle befürchten. Hier ist die Kommis­si­ons­prä­si­dentin gefragt, die Wahrung der trans­at­lan­ti­schen Handels­part­ner­schaft zur Chefsache zu machen.

Es sieht nicht gut aus. Die Freiheit ist gefährdet. Die multi­kul­tu­relle und liberale Gesell­schaft gebiert Ungeheuer. Die Caudillos sind auf dem Vormarsch. Eine Nieder­lage der Ukraine sieht so gut wie unaus­weich­lich aus, und das Furcht­bare ist, dass sie vermut­lich der größten Regie­rungs­partei in Deutsch­land und dem Kanzler gar nicht so ungelegen kommt. Aber mit alledem muss man leben und dabei verhin­dern, dass Frus­tra­tion, Ressen­ti­ment, Anti­ame­ri­ka­nismus und Selbst­über­schät­zung die Lage noch schlimmer machen, als sie es ohnehin schon ist.

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