Im Schatten von Carl Schmitt: Putins und Trumps Ideen zur Aufteilung Europas

Über die Köpfe der Europäer hinweg versuchen Trump und Putin derzeit nicht nur die Ukraine, sondern auch die Vorherrschaft über den „Großraum Europa“ unter sich aufzuteilen. Deutschland muss an der Seite Frankreichs und Polens zukünftig eine prominente Rolle spielen, auch militärisch, fordert der ehemalige Diplomat Johannes Regenbrecht. Er analysiert die Denktraditionen, die Trump und Putin leiten und die es zu verstehen gilt, um ihrem Plan entschieden entgegenzutreten.
t
1. Was verbindet Carl Schmitt, Wladimir Putin und Donald Trump?
Zwei Großmächte, die USA und Russland, verhandeln in Riad über die Zukunft der Ukraine. Die Ukraine sitzt nicht mit am Tisch. Europa bleibt außen vor. Erleben wir eine Rückkehr der Politik der großen Mächte wie im 19. Jahrhundert? Einschlägiger als die Kabinettspolitik der Fürsten Europas erscheint ein Vergleich mit den alliierten drei Siegermächten Russland, USA und Großbritannien, die im Februar 1945 in Jalta Einfluss- und Interessenssphären voneinander abgrenzten.[1] Allerdings mit dem Unterschied, dass es gegenwärtig (noch) keine „Siegermacht“ gibt – angesichts von Hunderttausenden Toten und Verletzten, verwüsteten Städten und Landschaften, einer demolierten Sicherheitsordnung in Europa und der Tatsache, dass Putin trotz seiner gigantischen Militärmaschine bisher keines seiner Kriegsziele erreicht hat. Allerdings ist das Vorgehen von Präsident Trump dazu geeignet, Putin auf das Siegespodest zu heben.
Wichtiger ideologischer Impulsgeber und Wegbereiter für Putins geopolitisches Denken in Großräumen und Einflusssphären ist der deutsche Staatsrechtslehrer und völkerrechtliche Apologet des nationalsozialistischen Deutschlands, Carl Schmitt (1888–1985).
„Der liberale Freiheitsgedanke der westlichen Demokratie ist heute geschichtlich überholt.“ (Carl Schmitt 1939)[2]
Schmitt gilt als reaktionärer Lehrmeister für Autokraten, aber auch als origineller staatsphilosophischer Denker und Kulturkritiker.[3] Im Zuge einer „Schmitt-Renaissance“ angesichts weltweit gesteigerter Empfänglichkeit für konservatives Denken und des Erstarkens rechtspopulistischer Bewegungen wird er vor allem in Russland[4], aber auch in den USA[5] intensiv rezipiert. Rhetorische Versatzstücke und Denkmuster lassen sich bei Putin wie Trump auf Schmitt zurückführen.
„… die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht.“ (Carl Schmitt 1922)[6]
„Judges aren’t allowed to control the executive’s legitimate power.” (JD Vance)[7]
Die Ähnlichkeiten sind frappierend, verblüffen aber schon deswegen nicht, weil sich die Thesen Schmitts aufgrund ihrer polemischen Zuspitzung bestens für populistische Narrative eignen.[8]
„…die ‚Herrschaft des Rechts‘ … bedeutet nichts anderes als die Legitimierung eines bestimmten status quo…“ (Carl Schmitt 1932)[9]
“He who saves his Country does not violate any Law.” (Donald Trump über Elon Musk)[10]
Im Wesentlichen sind es fünf Kernthesen aus dem Œuvre Schmitts, die sich bei Trump wie Putin widerspiegeln:
- Der Gegensatz von Freund und Feind als Wesenskern des Politischen.
- „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“[11]: Der Ausnahmezustand ist die Sternstunde für disruptive Regelbrecher und Protagonisten einer „Revolution von oben“, in den USA Trump mit den Verfechtern der „unitary executive theory“, in Russland Putin und die Architekten seiner Diktatur.
- Antiliberales, gegen Multilateralismus und eine regelbasierte internationale Ordnung, die als „Tyrannei der Werte“[12]diffamiert wird, gerichtetes Denken.
- Definition von geopolitischen „Großräumen“ anstelle einer universellen, völkerrechtlichen Ordnung mit Etablierung strategischen Gleichgewichts von wenigen Großmächten, welche die Welt unter sich aufteilen, laut Schmitt eine „völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte“[13]. Den Grundgedanken dürften Trump und Putin teilen, weichen aber in der Auslegung voneinander ab. Naturgemäß rückt Putin das Konzept einer „multipolaren“ Welt mit Russland als Großmacht in den Vordergrund[14]. Trump umgeht mit seinen Ansprüchen auf Gaza und Grönland die reine Schmitt’sche Lehre vom „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“[15].
- wenige Großmächte (Schmitt: „Reiche“, Putin „Zivilisationen“) als Kern der von ihnen dominierten Großräume. Sie sind die einzig relevanten Völkerrechtssubjekte mit exklusivem Recht auf Freund-Feind-Definition und Bestimmung von Krieg und Frieden, Kontrolle außen- und sicherheitspolitischer Bündnisse der Staaten in ihrem Machtbereich, und Träger einer die eigene geopolitische Hemisphäre durchwirkenden politischen Idee.[16]
Bei Putin ist eine Vielzahl von Äußerungen und Handlungen über den langen Zeitraum seit Machtübernahme vor einem Vierteljahrhundert nachweisbar, die Schmitts Thesen aufgreifen, allerdings situativ und kontextbezogen sind und auch auf eine Fülle weiterer Quellen und Vorbilder rekurrieren.[17] Bei Trump ist anders als bei Putin „keine wirklich zusammenhängende geopolitische Strategie“ erkennbar. Er ist noch im „Disruptionsmodus“ ohne systematische Agenda[18]. Wahr ist aber auch: Trump ist in der frühen Phase seiner zweiten Amtszeit als Präsident „vorbereitet, aggressiv, strategisch“, er will eine „brachiale Revision der inneren Verfassung Amerikas, seiner Feind- und Freundschaften“.[19] Gerade, wenn Disruption den Modus und permanente Polarisierung das Skript für Trumps tägliches Handeln bilden, kommen Schmitts „Ausnahmezustand“ und sein Freund-Feind-Gegensatz als Wesenskern des Politischen als Erklärungsmuster wie gerufen.
Es lohnt sich daher, mögliche Schnittmengen, aber auch Unterschiede in der außenpolitischen Konzeption Putins und Trumps mit Hilfe der Begrifflichkeit Schmitts mit Blick auf eine Waffenstillstandsregelung für die Ukraine zu diskutieren. Inwiefern reflektieren Putins Kriegsziele und sein im Dezember 2021 vorgelegtes Konzept zur „Neuordnung Europas“[20] die Ideen Schmitts? Welche Elemente sind mit Blick auf Abgrenzung und Gestaltung des russischen „Großraums“ für ihn verhandelbar, welche nicht? Wie verhalten sich die Vorstellungen Trumps dazu? Hilft ein Blick durch das Prisma der „Großraumtheorie“, die Abwendung Trumps vom zunächst anvisierten „Peace through Strength“-Ansatz[21]und sein skandalöses Einschwenken auf Putins Position noch vor Verhandlungsbeginn zu erklären?
2. Russland und die „Großraumordnung“
Am 1. April 1939 hielt Schmitt einen Vortrag in Kiel, veröffentlicht unter dem sperrigen Titel „Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht“. Anlass war das 25jährigen Bestehen des Instituts für Politik und Internationales Recht an der dortigen Universität. Wenige Tage vor der Rede, am 15. März, war die Wehrmacht unter Bruch des erst wenige Monate zuvor, am 29.9. 1938, geschlossenen Münchener Abkommens[22] in die Tschechoslowakei einmarschiert. NSDAP-Mitglied und Antisemit Schmitt nutzte den Anlass, um in Kiel für das von Hitler als Vorwand für die völkerrechtswidrige Besetzung unabhängiger Staaten erfundene deutsche „Schutzrecht für die deutschen Volksgruppen fremder Staatsangehörigkeit“[23] zu werben. Die von Hitler so genannte „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ legte die Appeasement-Politik Großbritanniens und Frankreichs in Trümmer und begrub die europäische Nachkriegsordnung seit 1918/19 endgültig. Die Einverleibung des Nachbarlands im Südosten war letzte militärische Wegmarke vor dem Eroberungs- und Vernichtungsfeldzug Nazi-Deutschlands, der mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann.
Kurz zuvor, am 24. August 1939, hatten Deutschland und die Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag geschlossen. Zur Erinnerung: Im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt hatten beide Diktatoren die Aufteilung Polens, des Baltikums und Bessarabiens in deutsche und sowjetische Interessenssphären für den Fall „territorial-politischer Umgestaltungen“ vereinbart. Heute leugnet Russland, anders als früher die Sowjetunion, die Vereinbarung mit dem nationalsozialistischen Deutschland mit dem Ziel völkerrechtswidriger Zerstückelung und Aufteilung souveräner Staaten nicht mehr. Putin rechtfertigt sie aber als Akt legitimen Schutzes einer „umzingelten“ Sowjetunion, gibt Polen Mitschuld am Zweiten Weltkrieg und versteigt sich sogar zu der Behauptung, die baltischen Staaten seien im Herbst 1939 freiwillig der Sowjetunion beigetreten.[24]
Von dieser Geschichtsklitterung am 75. Jahrestag des Siegs im „Großen Vaterländischen Krieg“ im Jahr 2020 führt eine gerade Linie zu Putins Aufsatz „Über die historische Einheit der Russen und Ukrainer 2021“[25], worin er der Ukraine eine eigenständige historisch-kulturelle Identität abspricht und sie auf eine Funktion Russlands reduziert, bis hin zur TV-Ansprache des russischen Präsidenten an Tag 1 des russischen Großangriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Darin beschuldigt er den Westen des aggressiven und einseitigen Vorgehens gegen Russland vor allem auch mittels Osterweiterung der NATO (trotz des Versprechens, die Allianz „nicht um einen Zoll“ nach Osten zu verschieben) und wirft ihm vor, in der Ukraine, auf „historischem Land Russlands“, ein „uns feindlich gesinntes Anti-Russland“ zu schaffen. Dazu komme der Versuch des Westens, „unsere traditionellen Werte zu zerstören und uns seine Pseudowerte aufzudrängen“, die zu „Verfall und Entartung führen“. Damit stilisiert Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu einem Akt legitimer Selbstverteidigung gegen eine Bedrohung, die „unsere Zukunft als Nation“, ja „die Existenz des Staats und seiner Souveränität“ aufs Spiel setze. Moskau habe kein Recht, seinen schweren historischen Fehler zu wiederholen, der darin bestanden habe, den deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 mit einer Politik des Appeasement abzuwarten.[26]
Hier kommt Carl Schmitt wieder ins Spiel, einer der wichtigsten intellektuellen Paten des Putin’schen Denkens in geopolitischen Räumen und Interessenssphären. Schmitts Denken beruht dabei auf drei Prämissen:
- Die alte europäische Ordnung, basierend auf souveränen gleichberechtigten Staaten und regelbasierter Ordnung, ist endgültig am Ende;
- der Nationalstaat als alleinige Verkörperung politischer Einheit und Inhaber des Monopols über politische Entscheidung hat ausgedient;
- jede „kosmopolitisch“-universalistische Alternative zum Nationalstaat („Weltregierung“) würde indessen nur die tatsächliche Machtpolitik eines Hegemonen verschleiern.[27]
Als „neue Raumordnung“ postuliert Schmitt eine multipolare Welt, die von hegemonialen Großmächten dominiert wird. Er spricht sich gegen die Globalisierung US-amerikanischer Ideale und Normen aus. Diese führe zum Zusammenbruch von Raumgrenzen und widerspreche dem „Raumabgrenzungsgedanken“.[28] Anders ausgedrückt: Die post-politische Idee einer kosmopolitischen global governance ist für Schmitt das Gegenteil von internationaler Ordnung, die von zwischen Großmächten aufgeteilten und voneinander getrennten völkerrechtlichen Großräumen konstituiert wird.[29]
Schmitts Thesen bilden den Nährboden für die seit Anfang der Nullerjahre in Russland aufkommende Wahrnehmung der USA als unilateral vorgehende, monopolistische Großmacht mit einer heuchlerischen Fassade als Vorkämpfer für Menschenrechte und eine regelbasierte Ordnung. Seine Großraumtheorie wird mit Beginn der dritten Amtszeit Putins 2012 zum mainstream außen- und sicherheitspolitischen Denkens in Moskau. Wichtigster Transmissionsriemen für das Denken Schmitts ist Alexander Dugin, ultranationalistischer politischer Philosoph, Chefideologe der russischen Neuen Rechten und Verfechter eines „eurasischen Imperialismus“. Er gilt als „Vordenker“ oder auch „Einflüsterer“ Putins – mit hochrangigen Verbindungen nach Washington bis in das enge Umfeld von Trump hinein.[30] Dugin, für den Schmitts Großraumtheorie die „zuverlässigste Plattform für eine multipolare Welt, für Antiglobalismus und den nationalen Befreiungskampf gegen globale amerikanische Dominanz“[31] ist, ruft zur Schaffung eines „neuen Eurasischen Imperiums“ auf. Begründung: Die „Existenz des russischen Volks als organisches, historisches Wesen“ sei ohne „Aufbau eines Imperiums“ undenkbar. Jeder Versuch, Russland auf den Status einer Regionalmacht oder eines europäischen Nationalstaats zu reduzieren, würde Selbstmord für das russische Volk bedeuten.[32] Damit wendet Dugin für Russland das Konzept des Reichs an, das Schmitt so definiert:
„Reiche in diesem Sinne sind die führenden und tragenden Mächte, deren politische Idee in einen bestimmten Großraum ausstrahlt und die für diesen Großraum die Interventionen fremdräumiger Mächte grundsätzlich ausschließen.“ (Carl Schmitt)[33]
Die Kernbedeutung der Monroe-Doktrin für den „Großraum Amerika“ sei
„…ein echtes Großraumprinzip, nämlich die Verbindung von politisch erwachtem Volk, politischer Idee und politisch von dieser Idee beherrschten, fremde Interventionen ausschließenden Großraum…dieser Kern, der Gedanke einer völkerrechtlichen Großraumordnung, ist auf andere Räume, andere geschichtliche Situationen und andere Freund-Feind-Gruppierungen übertragbar.“ (Carl Schmitt)[34]
Vor diesem Hintergrund identifiziert Dugin weltweit vier Großräume bzw. „Imperien“ (in der Diktion Schmitts „Reiche“): Den atlantischen Großraum um die USA, den asiatischen um China, den europäischen Raum, schließlich den eurasischen Raum um Russland. Die drei letztgenannten Großräume sollten expandieren, während sich das amerikanische „Imperium“ mit seinen Globalisierungsansprüchen zurückziehen solle.[35] Russland müsse in seiner eigenen Hemisphäre Kraftzentrum sein und ein starkes Gegengewicht gegenüber den anderen Großräumen um die USA und China bilden. Der Abteilungsleiter für außenpolitische Planung im russischen Außenministerium, Alexej Drobinin, zieht den Kreis der Großmächte bzw. der von ihm so genannten „Zivilisationen“ weiter als Dugin, er bezieht den globalen Süden ein. Eine „Zivilisation“ muss ihm zufolge drei Kriterien erfüllen: erstens Fähigkeit und Wille für eine souveräne und unabhängige Innen- und Außenpolitik, zweitens umfassende wirtschaftliche, militärische, demographische, wissenschaftliche und technologische Potenz, drittens eine „authentische Philosophie“ mit eigenem kulturellen und spirituellen Potenzial und originellem Konzept für internationale Politik. Diese Kriterien erfüllten „civilization-states“ bzw. „civilizational commonwealths“ wie Russland, China, Indien, ASEAN, die arabische Welt, Afrika, Lateinamerika/Karibik sowie die „Western civilization“ mit ihrem anglo-amerikanischen bzw. europäischen Komponenten.[36]
Im Schatten von Reichen stehende, in deren Großräumen angesiedelte Staaten definiert Schmitt als Gebilde mit eingeschränkter Souveränität und fehlender Völkerrechtssubjektivität sowie ohne Befugnis zu Freund-Feind-Unterscheidung (dementsprechend ohne Fähigkeit zur Gestaltung eigener Politik) und ohne Recht auf Beitritt zu internationalen Bündnissen. Dazu passt die Behauptung Wladislaw Surkows, seinerzeit stellvertretender Leiter der Kreml-Administration und von 2013–2020 Ukraine-Beauftragter Putins, Staaten wie die Ukraine seien an keinem einzigen Tag ihrer Existenz je souverän gewesen.[37]
Zusammengefasst ist sich die russische politische Elite um Putin über folgende vier Kernelemente einig, die Russland als Großmacht ausmachen:
- Russland definiert sich nicht in seinen Grenzen als Nationalstaat, sondern bezieht seine Identität als Hegemonialmacht aus einem größeren, die eigenen Grenzen überschreitenden Raum;
- Russland übt damit Macht über Staaten mit eingeschränkter Souveränität innerhalb seines Großraums aus;
- Russland ist Protagonist einer politischen „Idee“, welche die Völker in seinem Großraum „eint“;
- der russische Großraum ist exklusiv, eine militärische Präsenz dritter Mächte ist unzulässig.[38]
Dieser Struktur wohnt allerdings ein innerer Widerspruch inne, der konzeptionell schon bei Schmitt angelegt ist.[39] Es geht um die Wirkmächtigkeit bzw. Reichweite der „politischen Idee“, die ja Schmitt zufolge immer an ihren jeweiligen Raum „gebunden“ bleiben und nicht universell werden darf. Der Anspruch von Universalität etwa von Menschenrechten sei ein Ausdruck von „Imperialismus“ und könne in eine globale „Tyrannei der Werte“ umschlagen, die zum Durchbrechen der Raumgrenzen und damit zum Kollaps der völkerrechtlichen Großraumordnung führen würde.[40]
Genau auf dieser Linie argumentierte Putin bei seiner denkwürdigen Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 10. Februar 2007 mit dem Vorwurf, der Westen missbrauche die OSZE, um sich unter dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten in die inneren Angelegenheiten Russlands und anderer Länder einzumischen, „um diesen Staaten aufzudrängen, wie sie zu leben und sich zu entwickeln haben.“[41] Dieses Narrativ, oft gekoppelt an den Vorwurf der Anwendung von „Doppelstandards“ (wie „selektiver“ Prüfung der Einhaltung von Menschenrechten und Grundfreiheiten nur „östlich von Wien“), zieht sich seit Langem wie ein roter Faden durch die Diskussionen im Ständigen Rat der OSZE in Wien oder anderen einschlägigen Dialogforen mit Russland.
Gleichzeitig setzt Russland aber die unter Putin wiederbelebten „russischen Werte“, eine Kombination von christlich-traditionellem Familienbild, Symbiose von Staat und russisch-orthodoxer Kirche[42] und dem Konzept eines „starken“, autoritär geführten Staats als Bollwerk gegen regime change und „Farbenrevolutionen“, gezielt als Instrumente der Kritik am „Westen“ und dessen angeblicher „moralischer Dekadenz“ ein. Dies auch unter massivem Einsatz sozialer Medien, um westliche Gesellschaften zu spalten, rechtspopulistische Bewegungen zu stärken[43] und die politischen Systeme im Westen zu unterminieren. Somit widerspricht Russland sich selbst, wenn es einerseits alles daransetzt, „russische Werte“ auch global durchzusetzen, andererseits aber die Geltung universeller Werte wie Menschenrechte und Grundfreiheiten mit Hinweis auf die angebliche historisch-kulturelle Sonderstellung Russlands und seiner Interessenssphäre infrage stellt. Daher fehlt auch Putins Begründung für die Inanspruchnahme eines exklusiven Bestimmungsrechts Moskaus bezüglich innerer Verfasstheit und außenpolitischer Orientierung der Ukraine (Schutz der „russischen Idee“ vor dem negativen Einfluss „feindlicher Mächte“) jede Glaubwürdigkeit.
3. Putin, Trump und die Ukraine-Verhandlungen
Vor dem Hintergrund der Großraumtheorie Schmitts wird glasklar, was Putin will:
- Die „Wiederherstellung“ bzw. „Vervollständigung“ des „russischen Großraums“ auf dem Gebiet der Sowjetunion.
- Eingeschränkte Souveränität für die Ukraine als Teil des „russischen Großraums“. Vetorecht für Russland bei der Wahl außenpolitischer Bündnisse und der Anwendung externer Sicherheitsgarantien durch die Ukraine. Einfluss oder gar militärische Präsenz „raumfremder Mächte“ sind unerwünscht. Daher ist aus Sicht Moskaus eine NATO-Mitgliedschaft ausgeschlossen. Über einen EU-Beitrittsprozess hingegen kann verhandelt werden.
- Neutraler, blockfreier Status mit dauerhaftem Verzicht auf nukleare Bewaffnung. Das Militär ist allenfalls auf ein Minimum zu reduzieren, das Russland keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzen könnte.
- Mutation der Ukraine von einem „Anti-Russland“ in einen Vasallen Moskaus. Rücktritt Selenskyjs als „illegitimer Anführer“ zugunsten eines russlandfreundlichen Präsidenten noch vor Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens.
- Überwindung des Schismas der russischen Orthodoxie, um die Ukraine auch religionspolitisch zu einem treuen Anhänger und Träger der den Großraum Russlands durchwirkenden „russischen Idee“ zu machen. Dies ist ein zentrales politisches Anliegen Putins. „Wiedervereinigung“ der (seit 2019 unabhängigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) mit der russisch-orthodoxen Kirche, wobei die OKU dem Moskauer Patriarchat zu unterstellen ist.
- Die Ukraine ist in Putins imperialer Sichtweise als Wiege der Kyjiwer Rus wichtigstes Glied des russischen Großraums (Russkij Mir), ohne – mit Ausnahme der Krim – Teil des Staatsgebiets der Russischen Föderation sein zu müssen. Solange sich die gesamte Ukraine allen vorgenannten Forderungen beugt, spielen territoriale Ansprüche auf Teile ihres Staatsgebiets keine ausschlaggebende Rolle.
- Bildung eines Cordon sanitaire von Staaten ohne Präsenz von Truppen aus NATO-Drittländern zur Garantie der Integrität des russischen Großraums. Der an die NATO übersandte russische Vereinbarungsentwurf vom 17. Dezember 2021 sieht vor, dass die „alten“ NATO-Staaten (zum Stand vom 27.5. 1997, dem Datum der NATO-Russland-Grundakte) sich dazu verpflichten, in anderen europäischen Staaten, darunter den 16 „neuen“ NATO-Mitgliedstaaten, keine Streitkräfte und Rüstungsgüter zu stationieren (Art. 4). Das würde z.B. den Abzug der Bundeswehr-Brigade aus Litauen bedeuten. Zusätzliche Erweiterung der NATO ist zu stoppen (Art. 6). NATO-Staaten dürfen auf dem Gebiet der Ukraine, anderen Staaten Osteuropas, des südlichen Kaukasus und Zentralasiens keine militärischen Aktivitäten durchführen (Art. 7).[44]
Nicht verhandelbar für Russland sind demnach
- Ausschluss des NATO-Beitritts und „Neutralisierung“ der Ukraine,
- Unterordnung der ukrainischen Innen- und Außenpolitik unter Russland, Mitsprache Moskaus bei externen Sicherheitsgarantien,
- Beendigung oder zumindest substanzielle Reduzierungen der NATO-Truppenpräsenz in Osteuropa.
Dies sind Putins zentrale Kriegsziele. Die Stationierung ausländischer Truppen auch aus EU-Staaten als Sicherheitsgarantie für die Ukraine lehnt Putin derzeit ab. Nicht auszuschließen ist aber, dass er einer „überschaubaren“ militärischen EU-Präsenz (nicht aber US-Truppen!) westlich des Dnipro und gegebenenfalls chinesischen Truppen unweit vom Frontverlauf letztlich zustimmen könnte.
Seine Gebietsansprüche dürfte Putin bei den jetzt anstehenden Verhandlungen kaum zurückstecken. Die ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk hat Moskau per Gesetz im Oktober 2022 zum Staatsgebiet der Russischen Föderation erklärt, obwohl Russland bisher nur Teile dieser Gebiete völkerrechtswidrig besetzt hält. Russland „braucht“ seine Truppen dort, um den Konflikt auch nach einem Waffenstillstand jederzeit wieder eskalieren zu können, um die Ukraine und Europa unter Druck zu halten. Dennoch ist ein Verhandlungsszenario vorstellbar, in dem sich Putin „flexibel“ bezüglich Cherson oder Saporischschja (oder Teilen davon) zeigen könnte, je nachdem, was er dafür „geboten“ bekommt. Voraussetzung für jeden Abstrich an den territorialen Ansprüchen Moskaus ist, dass die Ukraine aus Putins Sicht unverrückbar in den russischen Orbit „eingebunden“ wird.
Was bedeutet vor diesem Hintergrund Trumps Schwenk von einem „Peace through Strength“-Ansatz zu einer Politik der Beschwichtigung, die fast alle Verhandlungspositionen ab initio preisgibt? Noch bis vor Kurzem galt der Ansatz seines Ukraine-Beauftragten Generals a.D. Keith Kellogg ja als gesetzt, vor allem:
- Fortgesetzte militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA,
- Beteiligung der Ukraine an „peace talks“,
- Aufschub („to put off“) einer NATO-Mitgliedschaft für längere Zeit („for an extended period“) im Austausch gegen eine umfassende und verifizierbare Friedensregelung mit Sicherheitsgarantien,
- Schaffung einer demilitarisierten Zone zur Absicherung des Waffenstillstands.[45]
Stattdessen ist Trump nunmehr mit Ausnahme der von Moskau abgelehnten Stationierung europäischer Truppen in der Ukraine voll auf Putins Linie eingeschwenkt:
- Friedensgespräche bis auf Weiteres nur auf Ebene der „Großmächte“ USA und Russland, Verhandlungen werden über den Kopf der Ukraine, aber auch der EU hinweg geführt.
- Verweigerung des ukrainischen NATO-Beitritts.
- Übernahme der Rhetorik Putins mit Diskreditierung des Präsidenten der Ukraine als „Diktator ohne Wahlen“ und Beschuldigung, dass er den Krieg „zugelassen“ (!) habe.
- Ausnutzung der Kriegsnot des Landes für einen „Rohstoffdeal“,
- Unterminierung der bisher großen Mehrheit im UN-Rahmen bei Verurteilung Russlands als Aggressor.
- Umgehung der Generalversammlung und Verabschiedung einer entkernten, moskaufreundlichen Ukraine-Resolution gemeinsam mit Russland im Sicherheitsrat am 24. Februar d.J. [46]
Was erklärt diesen verhandlungstaktisch verheerenden Schwenk mit Preisgabe fast aller unverzichtbaren Verhandlungspositionen? Dass Trump sich – bei aller Sympathie für Carl Schmitts Freund-Feind-Dichotomie oder der Lehre vom Ausnahmezustand zwecks Aushebelung von Gewaltenteilung – dessen Großraumtheorie als Agenda zu eigen machen wollte, wäre höchst unwahrscheinlich. Beobachter sind sich einig, dass für ihn die geschäftliche Transaktion, der „Deal“, im Vordergrund steht und nicht, wie für Putin, Fragen der Souveränität und Sicherung von Großmachtstatus. Letztere sind für Trump Mittel zum Zweck, aber kein Zweck an sich. Das erklärt, warum Trump gegen kostspielige Stationierung US-Truppen oder auch gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ist und einen „Rohstoffdeal“ betreibt, um zur Unterstützung von Kyjiw ausgegebene US-Haushaltsmittel wieder „hereinzuholen“. Dennoch: Verhandlungstaktisch bleibt nicht erklärbar, warum Trump zentrale Verhandlungspositionen von vornherein preisgibt und nicht als „bargaining chip“ einsetzt. Putin hätte sich auch mit deutlich geringeren Vorleistungen mit Trump an einen Tisch gesetzt.
Auch ein Blick auf das personelle Tableau der bisher beteiligten Unterhändler macht die Asymmetrie zu Lasten der Ukraine und europäischer Anliegen klar:
- In Riad sitzen am 18. Februar auf Seiten der USA Außenminister Marco Rubio (geb. 1971), National Security Advisor Michael Waltz (*1974) sowie Trumps Nahostbeauftragter Steve Witkoff (* 1957) am Tisch. Rubio, seit 2011 Senator für Florida, und Waltz, Berufssoldat und von 2019 bis 2025 Abgeordneter im Repräsentantenhaus, sind bis dato ohne außenpolitische Erfahrung in der Exekutive, vor allem auch ohne erkennbare Russland- oder Ukraine-Expertise. Wichtigste Person in der US-Delegation ist Anwalt, Immobilienmogul und enger Trump-Vertrauter Witkoff mit guter Verbindung zum russischen Geschäftsmann und Leiter des staatlichen Investitionsfonds Russlands[47], Kirill Dimitrijew (*1975), in den USA studierter sowie bei Goldman Sachs und McKinsey tätig gewesener Finanzexperte. Er verfügt seit langer Zeit über enge Arbeitsbeziehungen zu Putin.[48] Seinen Ukraine- und Russland-Beauftragten Ex-General Keith Kellogg (* 1944) hatte Trump für die Zeit des Treffens in Riad nach Kyjiw geschickt.
- Dimitrijew ist in Riad als Mitglied der russischen Delegation dabei – in der zweiten Reihe, hinter Außenminister Sergej Lawrow (*1950) und Putins außen- und sicherheitspolitischem Berater Jurij Uschakow (*1947). Lawrow ist mit allen Wassern gewaschener Diplomat (seit 1972) und Außenminister seit 2004 – mit guten Aussichten, mit der 28jährigen Amtszeit seines sowjetischen Vorgängers Andrej Gromyko gleichzuziehen. Uschakow war schon 1970, zwei Jahre vor Lawrow, in das russische Außenministerium eigetreten. Beide haben langjährige US-Erfahrung, Lawrow mit zwei Einsätzen an der UNO-Vertretung Russlands in New York (1994–2004 als Botschafter), Uschakow als Botschafter in Washington (1998–2008). Mit den Einzelheiten des Ukraine-Dossiers sind beide intim vertraut, Uschakow unter anderem als Leiter des russischen Verhandlungsteams zum Minsk II-Abkommen.[49]
Klar ist: Mit Blick auf Zusammensetzung der Verhandlungsdelegationen und außenpolitischer Expertise nach jetzigem Stand dürfte die russische Seite die USA mit Leichtigkeit ausstechen. Bände spricht, dass Trump den Akzent nicht auf Außen- und Sicherheitspolitik, sondern mit Einsatz des Schwergewichts Witkoff eher auf unternehmerische Erfahrung setzt.[50]
Es ist deshalb höchste Zeit, dass sich die EU hochrangig, kraftvoll und mit einem klaren Konzept in die Verhandlungen einbringt und verhindert, dass ein amerikanisch-russischer Deal über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg abgeschlossen wird. Die neue Bundesregierung muss hier eine prominente Rolle spielen, und zwar so schnell wie möglich und eng an der Seite Frankreichs und Polens. Dabei wird Europa beweisen müssen, dass es sich auch zu einem militärischen Power House entwickeln will und wird – durchaus auch als „Großraum Europa“. Damit auch Putin diese Botschaft versteht.
t
Fußnoten
[1] So auch Ralf Fücks, der ebenfalls auf Trumps Schwenk zur Großraum-Politik verweist. In: DER SPIEGEL Online, 13.02.2025, https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-donald-trump-uebernimmt-die-sichtweise-aus-russland-und-china-gastbeitrag-a-1dc18d52-b486-4c40-b012-0de2b7d36442
[2] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht (1939), Berlin 2022.
[3] Vgl. z.B. Paul Noack, Carl Schmitt: Eine Biographie. Berlin und Frankfurt/Main 1993.
[4] Als wichtigster Vermittler des Denken Schmitts in Russland gilt Alexander Dugin, ultranationalistischer politischer Philosoph, Chefideologe der russischen Neuen Rechten und Verfechter eines „eurasischen Imperialismus“, siehe auch unten S. 6.
[5] Vgl. Anm. 5 und 30. Der wichtigste Vermittler des Denkens Carl Schmitts in den USA ist der deutschamerikanische politische Philosoph Leo Strauss (1899–1973). 1949–1969 Professur an der Universität Chicago, einer der wichtigsten theoretischen Vordenker für die US-Neocons. Ging als jüdischer Wissenschaftler noch vor Beginn der Nazi-Diktatur mit einem Rockefeller-Stipendium (Gutachter Carl Schmitt) zunächst nach Frankreich, dann nach Cambridge/UK. Vgl. Stephan Steiner, Weimar in Amerika. Leo Strauss’ Politische Philosophie, Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 76, Tübingen 2013. Zwischen dem konservativen Politikwissenschaftler Patrick Deneen (kathol. University of Notre Dame, Indiana), Strauss-Adept und Preisträger des Leo Strauss Award for the Best Dissertation in Political Philosophy, und Vizepräsident JD Vance bestehen enge Verbindungen (frdl. Hinweis von Botschafter a.D. Dr. Hans-Ulrich Seidt).
[6] Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität (1922), Berlin 2021.
[7] US-Vizepräsident JD Vance, X vom 09.02.2025, 16:13. Vance steht dem rechtsextremen Monarchisten Curtis Yarvin nahe, vgl. TAZ vom 18.02.2025, https://taz.de/Donald-Trump-gegen-den-Rechtsstaat/!6066964/. Siehe auch https://www.theguardian.com/us-news/2024/dec/21/curtis-yarvin-trump. Yarvin sagte in einem Interview am 29.09.2024: “But there’s another problem with libertarianism, which we could call Carl Schmitt’s problem. There’s this very English and American idea of “the rule of law, not men.” In a place like Iran, they would talk about “the rule of God, not men,” or rather “the rule of Allah, not men.” But it’s always a person deciding what God thinks. When you examine the issue of the rule of law, you see that it’s always ultimately the rule of someone who claims to know how to interpret the law.” https://rage-culture.com/en/conversation-with-curtis-yarvin/. Siehe auch Courtney Hodrick, From Neoreaction to Alt-Right: A Schmittian Perspective. In: Telos 198 (Spring 2022), 90–112. http://journal.telospress.com/content/2022/198/90.full.pdf
[8] Schmitt war ein „Mann des polemischen Traktats, der Streitschrift, des Pamphlets. Zu seiner eigentlichen literarischen Form fand er in dem, was die Franzosen einen brûlot nennen: ein entflammbarer Text, ein Boot mit hochentzündlicher Fracht, dazu bestimmt, das Schiff des Gegners in Brand zu setzen.“ Christoph Schönberger, Werte als Gefahr für das Recht? Carl Schmitt und die Karlsruher Republik. Nachwort zu Carl Schmitt, Die Tyrannei der Werte (1960), Berlin 2020, 57.
[9] Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen (1932), Berlin 2015, 61.
[10] @realDonaldTrump, X vom 15.02.2025, 19:32
[11] Carl Schmitt (1922), 13.
[12] Carl Schmitt (1960).
[13] Carl Schmitt (1939).
[14]Im Gegensatz zu einer nur von den USA dominierten „unipolaren“ Weltordnung. Aus Sicht von Trump wäre aber eine Wiederherstellung des „unipolar moment“ von Anfang der 1990er Jahre mit einer für die Verfasstheit der ganzen Welt „zuständigen“ USA angesichts der seither radikal veränderten geopolitischen Realitäten, vor allem des Aufstiegs Chinas, unrealistisch und darüber hinaus nicht wünschenswert.
[15] Und unterläuft damit auch die Monroe-Doktrin von 1823, die für Schmitt den historischen Anknüpfungspunkt für seine Großraumtheorie bietet. Was allerdings „unschädlich“ bleibt, solange Trump damit den Protagonisten der anderen relevanten Großmächte Putin (Russkij Mir bzw. Eurasien) und Xi Jinping (Chinesischer Traum) nicht in die Quere kommt.
[16] In der Sprache Schmitts: „… die Verbindung von politisch erwachtem Volk, politischer Idee und politisch von dieser Idee beherrschten, fremde Interventionen ausschließendem Großraum“.
[17] Vgl. Erik Piccoli, Carl Schmitt and the Putin Regime. Illiberalism Studies Program Working Papers. Institute for European, Russian and Eurasian Studies, The George Washington University, January 2024, 17.
[18] DER SPIEGEL 9/2025, 16.
[19] Constanze Stelzenmüller, Die Lage ist ernst, nehmen Sie sie auch ernst! In: Internationale Politik Nr. 2 (März/April 2025), 61.
[20] Vgl. den russischen Entwurf eines Agreement on Measures to ensure the Security of the Russian Federation and Member States of the North Atlantic Treaty Organization, 17.12.2021. https://mid.ru/ru/foreign_policy/rso/nato/1790803/?lang=en
[21] Vgl. Keith Kellogg & Fred Fleitz, America First, Russia and Ukraine. Research Report/Center for American Security, AFPI (America First Policy Institute), 09.04.2024. https://americafirstpolicy.com/assets/uploads/files/Research_Report_-_America_First%2C_Russia%2C___Ukraine.pdf
[22] In München saßen nur Adolf Hitler (NS-Deutschland), Neville Chamberlain (Vereinigtes Königreich), Édouard Daladier (Frankreich) und Benito Mussolini (Italien) am Tisch. Der Präsident der Tschechoslowakei, Edvard Beneš, war nicht eingeladen. Das Abkommen diktierte der Regierung der Tschechoslowakei die „Räumung“ des tschechoslowakischen Sudetenlandes im Zeitraum vom 1.–10. Oktober 1939. Einschlägig u.a. Jürgen Zarusky/Martin Zückert (Hg.), Das Münchener Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive, München 2013.
[23] Carl Schmitt (1939), a.a.O., 46.
[24] Vladimir Putin, 75th Anniversary of the Great Victory: Shared Responsibility to History and Our Future, Moskau 2020. http://static.kremlin.ru/media/events/files/en/VlMXXg4uCU1WOilGCMNzd8sPyIujZg3y.pdf. Der Historiker Karl Schlögel dazu in einem Gespräch mit der Deutschen Welle im Juni 2020 laut DW-Website: „Es hat etwas mit der Gegenwart zu tun. Er (Putin, d. Verf.) instrumentalisiert die Geschichtsinterpretation für seine gegenwärtige Politik. Es ist der Versuch, Polen und die Ukraine und die baltischen Staaten als reaktionär, nationalistisch und zum großen Teil auch antisemitisch hinzustellen. Es ist der Versuch einer Isolierung dieser Länder.“ https://www.dw.com/de/hitler-stalin-pakt-putins-geschichtsklitterung/a‑53878252
[25] (Об историческом единстве русских и украинцев), veröffentlicht am 12.07.2021. http://kremlin.ru/events/president/news/66181.
[26] Kriegserklärung. Die Ansprache des russländischen Präsidenten am Morgen des 24.02.2022. https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/vladimir-putin-ansprache-am-fruehen-morgen-des-24.2.2022/.
[27] Zusammenfassung nach David G. Lewis, Russia’s New Authoritarianism. Putin and the Politics of Order, Edinburgh University Press 2020, 163.
[28] Carl Schmitt (1939), ‘Großraum versus Universalism: The international legal Struggle over the Monroe Doctrine’, trans. by M. Hannah, in S. Legg (Hg.), Spatiality, Sovereignty and Carl Schmitt: Geographies of the Nomos, Abingdon:Routledge 2011, 46–54.
[29] David G. Lewis, a.a.O., 164.
[30] Unter anderem zu Steve Bannon, Stephen Miller (jetzt Deputy Chief of Staff for Policy and Homeland Security Adviser) sowie Trump selbst, so Brandon Hawk, Why far-right nationalists like Steve Bannon have embraced a Russian ideologue. In: The Washington Post, 16.04.2019.
[31] A. Dugin, Четвертая политическая теория. Россия и политические идеи XXI века (Die vierte politische Theorie. Russland und die politischen Ideen des 21. Jahrhunderts), St. Petersburg 2009, 214.
[32] A. Dugin, Основы геополитики. Геополитическое будущее России (Grundlagen der Geopolitik. Die geopolitische Zukunft Russlands), Moskau 1997, 121f., 109f., 113.
[33] Carl Schmitt (1939), a.a.O., 49.
[34] A.a.O., 30.
[35] Darstellung nach David G. Lewis, a.a.O., 186f.
[36] Alexej Drobinin, The Vision of a Multipolar World: The Civilizational Factor and Russia’s Place in the Emerging World Order. In: Russia in Global Affairs, 20.02.2023, https://eng.globalaffairs.ru/articles/the-vision-of-a-multipolar-world/
[37] Wladislaw Surkow, Суверенитет – это политический синоним конкурентоспособности (Souveränität ist das politische Synonym von Konkurrenzfähigkeit). Vortrag im Zentrum für Parteistudien und Ausbildung von Führungskräften der Partei „Einheitliches Russland“ am 09.06.2006. https://www.newkaliningrad.ru/news/politics/99871-.html
[38] Diese prägnante Zusammenfassung stammt von David G. Lewis, a.a.O., 171.
[39] So David G. Lewis, a.a.O., 180ff.
[40] Vgl. Schmitt (1939), a.a.O., passim, z.B. die Kritik an Wilsons 14 Punkten vom 22. Januar 2017 als Ausdruck eines „grenzenlosen Interventionismus“ und Stelle, „an der sich die Politik der Vereinigten Staaten von ihrem Heimatboden abwendet und mit dem Welt- und Menschheitsimperialismus des britischen Empire ein Bündnis eingeht“ (41). Oder seine Kritik an der Praxis von Minderheitenschutz beim Völkerbund: „Die zugrunde liegende liberal-individualistische und daher universalistische Konstruktion des Minderheitenschutzes war die Grundlage einer auf dem Weg über den universalistischen Genfer Völkerbund ausgeübten Kontrolle und Intervention der fremdräumigen Westmächte in den europäischen Ostraum.“ (a.a.O., 45f.)
[41] Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der 43. Münchener Sicherheitskonferenz. Speech and the Following Discussion at the Munich Conference on Security Policy, February 10, 2007. http://en.kremlin.ru/events/president/transcripts/24034
[42] Vgl. Regina Elsner, Identität, Werte und die Russische Orthodoxe Kirche. In: Christian Ströbele u.a. (Hg.), Rechtspopulismus und Religion: Herausforderungen für Christentum und Islam, Regensburg 2023, 281–290.
[43] Vgl. Arndt Freytag von Loringhoven/Leon Erlenhorst, Putins Angriff auf Deutschland. Desinformation, Propaganda, Cyberattacken, Berlin 2024.
[44] Vgl. Anm. 19.
[45] Lt. General (Ret.) Keith Kellogg & Fred Fleitz, America First, Russia and Ukraine. America First Policy Institute (AFPI) Research Report, 09.04.2024.
[46] VN-SR 2774 (2025). https://docs.un.org/en/S/RES/2774(2025)
[47] Russian Direct Investment Fund (RDIF), Российский фонд прямых инвестиций. https://www.rdif.ru/Eng_Index/
[48] Vgl. z.B. Newsweek vom 13.02.2025, https://www.newsweek.com/kirill-dmitriev-putin-trump-talks-russia-2030494
[49] Vgl. Johannes Regenbrecht, The Minsk Agreements 10 Years After: 10 Lessons learned for future Negotiations with Moscow. Policy Paper, Zentrum Liberale Moderne, Januar 2025. https://libmod.de/en/the-minsk-agreements-10-years-after-10-lessons-learned-for-future-negotiations-with-moscow/
[50] W. hatte sich kurz zuvor schon als Kontaktmann zu Dimitrijew, Unterhändler für die Freilassung des in Russland inhaftierten US-Staatsangehörigen Marc Fogel am 11.2. 2025 und Anbahnung der Gesprächsrunde in Riad verdient gemacht.
t
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.
