Die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Osteuropa ist unser strategisches Interesse
Die aus der Zerschlagung von USAID resultierende Einstellung von Hilfszahlungen hat bei zivilgesellschaftlichen Organisationen in Osteuropa große Unruhe ausgelöst. Experten aus Politik, Förderprogrammen sowie Zivilgesellschaft berieten kürzlich bei einem Treffen im Zentrum Liberale Moderne, wie Deutschland und Europa reagieren sollten.
Das abrupte Ende der US-Hilfen ist eine existentielle Bedrohung für zahlreiche Projekte von demokratischen Oppositionsgruppen, unabhängigen Medien und Menschenrechtsorganisationen in Osteuropa. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass wegen der Kürzungen weitreichende negative Folgen drohen:
- Eine Vertrauenskrise: Für viele Akteure in Osteuropa war der Westen (die USA und die EU) ein Fixpunkt im Hinblick auf materielle und ideelle Unterstützung. Lang erarbeitetes Vertrauen in den Westen droht nun zu verschwinden.
- Aufwind für Autokraten, die sich in dem entstehenden Vakuum breit machen: Angesichts der schlechten Verfasstheit vieler liberaler Demokratien sehen sich autokratische Regimes im Aufwind. Wenn sie die Stellung westlicher Geldgeber einnehmen, wächst der Einfluss von Akteuren, auf die sie sich stützen, etwa Oligarchen und Mafia-ähnliche Strukturen.
- Eine Erosion wertebasierter Politik: Das Narrativ, dass Macht alles ist und dass Legitimität, Respekt und Einfluss käuflich sind, zerstört die wertebasierte Ordnung. Die resultierende Unsicherheit ist extrem gefährlich.
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Mehr InformationenAm Rande des Treffens haben wir den Direktor des Europäischen Demokratiefonds, Jerzy Pomianowski, interviewt. Er appellierte an europäische Regierungen, genügend Hilfen für freie Medien und demokratische Kräfte auch in autoritären Ländern zur Verfügung zu stellen. „Wir sollten in der EU zu unseren Werten stehen. ...Wenn wir unsere Werte nicht verteidigen können, können wir auch uns selbst nicht verteidigen“, sagte er.
Unsere Reaktion muss deshalb sowohl politisch als auch finanziell sein:
- Demokratische Länder müssen sich eindeutig gegenüber den Autokratien positionieren. Mit Autokraten muss man reden, das darf aber nicht zu einer Nivellierung der grundsätzlichen Unterschiede oder gar einem Kuschelkurs führen. Die Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft in diesen Ländern muss Priorität bleiben.
- Angesichts der zahlreichen Rückschritte plädierten manche dafür, Demokratie nicht länger überall zu fördern, sondern sich auf die Stärkung bzw. die Resilienz bereits funktionierender demokratischer Gesellschaften zu konzentrieren. Die Mehrheit der Anwesenden plädierte aber dafür, das Ziel einer Öffnung hin zu liberaler Demokratie auch in Autokratien nicht aufzugeben, selbst wenn hier keine schnellen Erfolge zu erwarten sind.
- Die Förderung von Demokratie und Stärkung demokratischer Resilienz im östlichen Europa sollte als Teil der Sicherheitspolitik erkannt und dementsprechend in den Staatshaushalten berücksichtigt werden. Denn bei Sicherheit geht es nicht nur um militärische Stärke, sondern auch um einen nachhaltigen Frieden.
- Für die Zukunft der Demokratie in Europa ist es von zentraler Bedeutung, dass sich die Ukraine als souveräner und demokratischer Staat behaupten kann.
Um der doppelten Herausforderung – russische Aggression und der Rückzug der USA – zu begegnen, sollte Europa sowohl seinen Einsatz zur Unterstützung der Zivilgesellschaften in Osteuropa und als auch die Kooperation zwischen Geberorganisationen und Förderprogrammen massiv verstärken. Zwar können die US-Mittel angesichts knapper Ressourcen nicht komplett ersetzt werden, aber die Effektivität der eigenen Hilfen kann maximiert werden:
- Mehr private Zuwendungen können die finanzielle Basis erweitern und nachhaltiger machen.
- Mehr Zusammenarbeit unter Gebern kann Synergien fördern und die Effizienz der Förderung steigern. Deutschland, das zu den wichtigsten Geberländern auf dem Gebiet gehört, soll hier eine aktive Rolle spielen und sich eng mit Partnerländern sowie der EU abstimmen.
- Konzentration auf die Stärken einzelner Geber. Das steigert die Wirkung und vermeidet Doppelungen.
- Weniger Bürokratie. Ein Abbau von Hürden auf Geberseite und mehr Vertrauen in Partner vor Ort erleichtert flexible und angepasste Hilfen.
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