Koali­ti­ons­vertrag: Die Verlän­gerung der Gegenwart in die Zukunft

Im Koali­ti­ons­vertrag meiden CDU und SPD wichtige Reformen und verteilen viel Geld nach dem Gießkan­nen­prinzip. Die großen Heraus­for­de­rungen wie Klima, demogra­phi­scher Wandel und digitale Revolution bestimmen die politische Agenda immer noch nicht. Das liegt auch daran, dass die Union program­ma­tisch leer und ordnungs­po­li­tisch beliebig ist.

Habemus GroKo? Noch nicht, aber mit seinem Rückzug vom SPD-Vorsitz hat Martin Schulz wohl die Mehrheit für den Koali­ti­ons­vertrag gesichert. Vorrang für Europa, Bildung, Digita­li­sierung sind gute Vorsätze. Ansonsten wird viel Geld mit der Gießkanne verteilt: allen wohl und keinem weh. Struk­tu­relle Reformen bei Rente, Gesundheit, Steuern bleiben ausge­klammert. Klima­po­litik steht eher am Rand, kein Aufbruch zur ökolo­gi­schen Moder­ni­sierung der Wirtschaft. Das Kapitel zur Außen­po­litik ist eher dünn und voller Formel­kom­pro­misse, die Bundeswehr bleibt unterfinanziert.

Grüne und FDP sollten sich schon mal warmlaufen. 

Das klingt, sorry, alles eher nach Optimierung des Status quo als zukunfts­ori­en­tiert. Offen­kundig ist der Verän­de­rungs­druck in Deutschland (noch) nicht so groß, dass die struk­tu­rellen Heraus­for­de­rungen die politische Agenda bestimmen: Klima und digitale Revolution, demogra­phi­scher Wandel und die tiefgrei­fenden Umbrüche in Weltwirt­schaft und Weltpo­litik. Seit die Flücht­lings­be­wegung abgeebbt ist, herrscht wieder die Hoffnung, wir könnten das alles ohne größere Verän­de­rungen in Politik und Gesell­schaft überstehen. Die Zukunft wird als verlän­gerte Gegenwart gedacht. Das wird ein böses Erwachen geben.

Wenn man Zuschnitt und Personal des neuen Kabinetts anschaut, scheint die SPD besser aufge­stellt, um wieder politi­sches Profil zu gewinnen. Sie kann zurecht sagen, dass der Koali­ti­ons­vertrag eine sozial­de­mo­kra­tische Handschrift trägt. Das gilt auch für die Ressort­ver­teilung. Mit der Kombi­nation von Außen­mi­nis­terium und Finanzen ist sie europa­po­li­tisch mit der Kanzlerin auf Augenhöhe. Das Arbeits- und Sozial­mi­nis­terium ist die größte Geldver­tei­lungs­ma­schine, und mit dem Umwelt­ressort hält die SPD Anschluss an das grüne Milieu. Bei der Union hängt alles noch mehr als bisher an Angela Merkel. Sie bleibt #alter­na­tivlos und das scheint auch ihre Strategie zu sein. Von Übergangs­kanz­lerin keine Spur. Die Union ist program­ma­tisch leer und ordnungs­po­li­tisch beliebig geworden, sie traut sich keine offene Debatte über ihren künftigen Kurs. Der Wille zur Macht allein wird auf Dauer nicht reichen, um ihre Zentral­stellung in der politi­schen Landschaft zu verteidigen.

Wir werden sehen, ob die Neuauflage der GroKo von dem Willen getragen wird, das Land gemeinsam voran­zu­bringen, oder ob die Regie­rungs­bildung nur der Auftakt zu einem perma­nenten Wahlkampf ist, bei dem es um die beste Ausgangs­po­sition für vorge­zogene Neuwahlen geht. Grüne und FDP sollten sich schon mal warmlaufen.

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