Konfe­renz­be­richt: „Rethinking Liberalism – Challenges to Liberalism in Turbulent Times“

Als das Zentrum Liberale Moderne 2017 gegründet wurde, war die “antili­berale Konter­re­vo­lution” (Timothy Garton Ash) bereits in vollem Gang. Aber die Wucht, mit der autokra­tische und antili­berale Strömungen inzwi­schen Fahrt aufge­nommen haben, übertrifft unsere Befürch­tungen. Unsere inter­na­tionale Konferenz „Rethinking Liberalism – Challenges to Liberalism in Turbulent Times“ fand nur wenige Tage vor der zweiten Inaugu­ration Trumps statt, im dritten Jahr der russi­schen Vollin­vasion der Ukraine und überschattet von Wahler­folgen der Rechts­po­pu­listen in großen Teilen Europas.

t

Inhalt

Libera­lismus neu denken: Heraus­for­de­rungen in stürmi­schen Zeiten

Begrüßung und Einführung

Keynote und Diskussion: Über Freiheit

Panel I: Der Zustand der Freiheit in den USA und Europa

Panel II: Was uns Libera­lismus heute zu sagen hat

Panel III: Wie lässt sich die inter­na­tionale liberale Ordnung retten?

Panel IV: How to make liberal democracy great again?

Abschluss­podium: Freiheit verteidigen

 

Libera­lismus neu denken: Heraus­for­de­rungen in stürmi­schen Zeiten

Vor diesem Hinter­grund gibt der gegen­wärtige Zustand des Libera­lismus und der liberalen Demokratie weltweit Anlass zur Sorge. Um dem Libera­lismus aus seiner defen­siven Position heraus­zu­helfen, ist es essen­ziell, nicht nur die Ursachen seiner Krise und den Aufstieg des Populismus zu analy­sieren, sondern auch innovative Ideen für seine Erneuerung zu entwickeln.

Mit diesem Ziel luden wir am 16. Januar 2025 zur inter­na­tio­nalen Konferenz „Rethinking Liberalism: Challenges to Liberalism in Turbulent Times“ ins Allianz Forum in Berlin-Mitte ein. Die Veran­staltung brachte führende liberale Denker, politische Entschei­dungs­träger aus aller Welt sowie Vertreter der Zivil­ge­sell­schaft und Wissen­schaft zusammen, um zentrale Fragen zur Zukunft des Libera­lismus zu disku­tieren und neue Impulse für seine Weiter­ent­wicklung zu setzen.

Im Mittel­punkt standen folgende Kernfragen:

  • Welche internen Schwächen des Libera­lismus haben zur aktuellen Krise beigetragen?
  • Wie können liberale Demokratien ihre Wider­stands­fä­higkeit gegenüber politi­schen, wirtschaft­lichen und ökolo­gi­schen Heraus­for­de­rungen stärken?
  • Welche Strategien sind erfor­derlich, um populis­tische Themen wie Migration wirksam zu adressieren?
  • Wie kann das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ die Freiheit schützen, ohne in autoritäre Tendenzen abzudriften?
  • Welche Rolle sollten liberale Demokratien in der entste­henden globalen (Un-)Ordnung spielen, insbe­sondere im Umgang mit autori­tären Mächten wie China und Russland?

Mit rund 200 Gästen und zahlreichen Podien gab es reichlich Stoff für kritische Reflexion und die Diskussion liberaler Antworten auf eine zunehmend turbu­lenten Welt.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Begrüßung und Einführung

„Die Schwäche der liberalen Demokratien und nicht etwa die Stärke ihrer Gegen­spieler ist das Problem. Bloße Status quo – Vertei­digung greift zu kurz. Wir Liberale müssen endlich aus der Defensive kommen.“ Ralf Fücks

In seiner Eröff­nungsrede machte Ralf Fücks sechs Faktoren für den rasanten Aufstieg des Illibe­ra­lismus aus:

  • Der Siegeszug des Libera­lismus hat den antili­be­ralen Gegen­schlag ausgelöst. Was für die einen politische und kultu­relle Errun­gen­schaften sind, bedeuten für andere den Verlust tradi­tio­neller Werte und Sicherheiten.
  • Das dem Libera­lismus inhärente Fortschritts­ver­trauen wurde abgelöst von Niedergangszenarien.
  • Eine mit der Globa­li­sierung, der Massen­ein­wan­derung und der digitalen Revolution einher­ge­hende Angst vor Kontroll­verlust dominiert die Diskurse
  • Die wachsende mentale und soziale Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern ökono­mi­scher und kultu­reller Modernisierung
  • Hochmut und Selbst­be­züg­lichkeit liberaler Eliten sowie
  • Ein wachsender Zweifel an der Handlungs­fä­higkeit demokra­ti­scher Parteien und Institutionen.

Der Libera­lismus werde seine Attrak­ti­vität nur zurück­ge­winnen, wenn er freiheit­liche Antworten auf die großen Heraus­for­de­rungen unserer Zeit gibt und eine neue Idee von Fortschritt ausstrahlt, so Fücks.

Karolina Wigura bezeichnete in ihrer Begrü­ßungsrede den Libera­lismus als ein Versprechen von Freiheit und der Möglichkeit, das eigene Leben indivi­duell zu gestalten. Insbe­sondere für die post-sowje­ti­schen Demokra­tie­be­we­gungen, die „Generation Solidarnosc“ sei dieses Versprechen von großer Bedeutung. Zugleich ginge mit dem Libera­lismus eine Verpflichtung einher: Immer wieder neu müsse ein tempo­rärer modus vivendi gefunden werden, mittels dessen verschiedene Individuen gemeinsam eine fried­liche und freiheit­liche Gesell­schaftsform mitein­ander finden können. Um den beson­deren Charakter des Libera­lismus zu fassen, fand sie eine Metapher: Der Libera­lismus sei ein Garten, dessen Pflanzen ebenso kostbar wie fragil seien. Es läge bei uns, ob wir Gärtner oder aber Barbaren in diesem Garten sein wollten.

„Es braucht Gärtner, die sich um den Garten des Libera­lismus und seine zarten und schüt­zens­werte Gewächse kümmern, die sie pflegen und gedeihen lassen.“ Karolina Wigura

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Die Konferenz im Einzelnen:

Keynote: Über Freiheit

Die Keynote der Konferenz lieferte Alan S. Kahan, Professor für Britische Zivili­sation der Université de Versailles/​St. Quetin-en-Yvelines sowie Mitglied der Sciences Po St. Germain-en-Laye. Angelehnt an sein Buch „Freedom from Fear“, in dem Kahan die Geschichte des Libera­lismus auf seine Zukunfts­fä­higkeit hin unter­sucht, unter­strich er, dass Libera­lismus die Suche nach einer Gesell­schaft bedeute, die frei von Angst sei. Ängste – vor der Wucht und dem Tempo von Verän­de­rungen, die immer auch mit Verlusten einher­gehen – seien der Nährboden für den antili­be­ralen Populismus.

Die Freiheit von Furcht sei nie vollständig, der Libera­lismus immer unvoll­ständig; er berge ein utopi­sches – unein­ge­löstes – Element in sich. Der Libera­lismus sei durch seine gesamte Historie hindurch ständig bedroht gewesen – vom feudalen Absolu­tismus, vom modernen Totali­ta­rismus, aber auch von der Armut großer Teile der Bevöl­kerung, die zu Radika­lismus und Extre­mismus verleiten kann. Die aktuelle Bedrohung sei die des Populismus.

 “We can debate if populism is democratic. But certainly populism cannot be liberal. There can be an illiberal democracy. But there is no such thing as liberal populism.” Alan S. Kahan

Populisten lebten von Angst, sie schürten Angst, so Kahan weiter. Er fragte, wie wir an einen Punkt gelangt seien, an dem der Populismus solch eine Kraft habe gewinnen können. Seine Antwort: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hätten Liberale zunehmend weniger über Werte und Moral disku­tiert und den Populisten damit eine Leerstelle hinter­lassen, die diese hatten füllen können. Liberale hätten zunehmend nicht mehr über morali­schen Fortschritt und Vorstel­lungen eines „guten Lebens“ disku­tiert, sondern sich beschränkt auf die Vertei­digung politi­scher und ökono­mi­scher Freiheit. Exempla­risch nannte er den Libera­lismus des Ökonomen und Nobel­preis­trägers Milton Friedman

Zudem hätten sich während der 60er Jahre Teile der politi­schen Rechten im Kampf gegen den Kommu­nismus mit den Liberalen verbündet. Mit Ende des Kommu­nismus habe sich der Libera­lismus auf seinem tradi­tio­nellen Schlachtfeld, dem Kampf gegen die politische Rechte sowie die Linke, wiedergefunden.

Grund für die aktuelle Schwäche des Libera­lismus läge nicht in der Wirtschaft: Wir befänden uns in keiner Weltwirt­schafts­krise, es gebe keine Hyper­in­flation, mit der der Aufstieg des Illibe­ra­lismus zu erklären wäre. Tatsächlich, so Kahans Bestands­auf­nahme, lebten wir in einer Welt, in der der Einzelne nur einem sehr geringen Druck ausge­setzt sei. Und dennoch hätten sich Millionen von Menschen vom Libera­lismus ab- und dem Populismus zugewandt.

“We need a liberalism 4.0. We need a rebranding. I am not talking about liberal democracy any longer, I am talking about democratic liberalism. Because freedom comes first.” Alan S. Kahan

Um wieder sprech­fähig zu werden, müssten wir zurück­kehren zu den drei Grund­pfeilern des Libera­lismus: Der Freiheit, dem Markt, der Moral. Demokra­ti­scher Libera­lismus müsse Hoffnung für alle Teile der Gesell­schaft bedeuten und Ressen­ti­ments ausschließen; es brauche eine solida­rische, jedoch keine egalitäre Gesellschaft.

Warum, so fragte Kahan weiter, solle sich jemand für Libera­lismus erwärmen, wenn dieser nicht den Fortschritt beinhalte? Dafür brauche es eine  liberale Markt­wirt­schaft und demokra­tische Insti­tu­tionen, die im Angesicht des Populismus besser funktio­nierten als unsere derzei­tigen es täten.

“Liberalism has to be a party of hope, not a party of fear. We need democratic liberalism because freedom of course is the only good choice.” Alan S. Kahan

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Kommentar und Diskussion

Alan S. Kahans Keynote war Ausgangs­punkt einer lebhaften Diskussion.

Jan Zielonka, Emeritus Profes­sorial Fellow der St Antony‘s University of Oxford sowie Professor für Inter­na­tionale Bezie­hungen an der Univer­sität von Venedig, definierte Populismus als das Ergebnis der Patho­logie der Demokratie. Die Unzufrie­denheit mit der Demokratie, die von großen Teilen der Bevöl­kerung empfunden werde, sei für dessen Erstarken verantwortlich.

„Populism is an illiberal democratic response to undemo­cratic liberalism.” Jan Zielonka

Die Journa­listin Kerstin Kohlenberg, zuletzt Leiterin des Washington-Büros von DIE ZEIT wies darauf hin, dass „Libera­lismus“ in den USA aktuell als eine Ideologie der politi­schen Linken geframt sei. Von Teilen der Gesell­schaft werde sie als Angriff auf ihre Werte und Gering­schätzung ihrer Lebens­stile betrachtet.

Karolina Wigura nahm Jan Zielonkas Diagnose auf. Populismus sei leicht diagnos­ti­zierbar, doch nur schwer zu überwinden.  Der Libera­lismus bilde nicht nur das Gerüst unserer westlichen Zivili­sation, sondern beinhalte auch Werte. Aller­dings, so warnte sie, gebe es auch eine Tendenz zu belehren, was nie die Aufgabe des Libera­lismus sein dürfe.

Ralf Fücks warf ein: Zwar habe der Großteil liberaler Denker Werte und Prinzipien formu­liert, nie jedoch die Utopie einer guten Gesell­schaft – aus guten Gründen lasse der Libera­lismus die Zukunft offen. Auch Alan Kahan habe den Libera­lismus primär negativ definiert, als Freiheit von Angst.

Kahan antwortete, es sei wichtig, Ideale und Werte zu haben und diese als Orien­tierung zu kennen, doch der Libera­lismus sei immer unvoll­ständig – er verwies auf den vorläu­figen Charakter des liberalen Projekts:

“Clearly one of liberalism’s great strength is to be open ended, that it does not have a strict target point for the future. That’s why we can update the operating system.” Alan S. Kahan

In der weiteren Diskussion wurde das Verhältnis von Libera­lismus und Demokratie thematisiert:

Kahan betonte, dass Demokratie primär die Souve­rä­nität der Mehrheit bedeute, daher sei Populismus durchaus demokra­tisch, wenn auch nicht liberal. Dem wider­sprach Jan Zielonka entschieden, schließlich bedeute Demokratie weit mehr als die Herrschaft der Mehrheit, wie von Populisten fälsch­li­cher­weise behauptet werde. Er bemän­gelte, dass Liberale sich nicht mit den Ursachen der Krise des Libera­lismus ausein­an­der­setzten, sondern häufig Wege einschlügen, die dem Kampf gegen den Populismus nicht förderlich seien. – Sie versuchten oftmals, Populismus mit Populismus zu bekämpfen oder – mittels Techno­kratie, was noch mehr Unmut gegenüber dem politi­schen System hervorrufe. Statt­dessen müsse man sich den Mängeln der Demokratie zuwenden, so Zielonka.

Karolina Wigura wider­sprach in einem Punkt Zielonkas Analyse: Mit Blick auf Dänemark, in denen eine zentris­tische Regierung sich der Themen der Populisten angenommen hätte, sei ein Wahlsieg der Populisten verhindert worden.

Die Journa­listin Kerstin Kohlenberg verwies auf die zentrale Rolle der sozialen Medien, die komplexe Sachver­halte auf simple Botschaften reduzieren. Demokraten müssten eine Sprache finden, um sich den Populisten entge­gen­zu­stellen. Es brauche eine eigene positives Vision von Werten und Moral, getragen von einer Sprache des Respekts, so Kahan.

Respekt, der jedoch nicht der Homophobie, dem Antise­mi­tismus, dem Rassismus oder der Misogynie gelten könne, ergänzte Jan Zielonka. Eine liberale Kultur könne Menschen per se nie oktroyiert werden. Zielonka verwies zudem auf die selbst­ge­rechte, ja arrogante Haltung der Liberalen, die mit zur Schwäche des Libera­lismus beigetragen habe.

Während der Finanz­krise und der Covid-Pandemie sei eine neue Beschleu­nigung der Ereig­nisse sichtbar geworden sei. Demokratie aber handele davon, Dinge zu verlang­samen. Im übrigen konstruiere Libera­lismus keine Utopien, sondern lebe vom Experiment und sei Ergebnis eines ständigen „Trial and Error“.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Alan S. Kahan verwies abschließend auf die Notwen­digkeit von Werten, die nicht allein den Einzelnen, sondern die gesamte Gesell­schaft betreffen. Über diese sei im Dialog zu verhandeln. Kahan zitierte Karl Poppers Toleranz-Parodoxon, demnach grenzenlose Toleranz auch gegenüber der Intoleranz und ihren Vertretern zu einem Ende der Toleranz und der Abschaffung einer offenen, toleranten Gesell­schaft führe.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Panel I: Der Zustand der Freiheit in den USA und Europa

Mit Blick auf die konkrete politische Situation in Europa und in den USA ging es im nächsten Podium weiter.

Den Auftakt machte Constanze Stelzen­müller, Direk­torin des zur Brookings Insti­tution zählenden Center on the United States and Europe: Mit Blick auf die USA sprach sie von einer gewal­tigen Macht­fülle der neuen illibe­ralen Trump-Adminis­tration. Anderer­seits aber gebe es bei den Trump-Unter­stützern unter­schied­liche Lager, nämlich das der Autoritär-Liber­tären, deren Ideen von Staat, von Grenzen, von Religion sich – neben einigen Gemein­sam­keiten – deutlich von dem zweiten Lager, das der National-Konser­va­tiven unter­scheide. Sie wollte keine konkreten Prognosen über die kommenden vier Jahre in den USA wagen. Stelzen­müller betonte, dass ein bereits vollzo­gener autori­tärer System­wechsel wie in Ungarn anders zu werten sei als der Versuch einer Schwä­chung der Demokratie und ihrer Institutionen.

“It is one thing to exhaust the democratic insti­tu­tions, the markets and society and another to start changing the rules and start fiddling with the machinery of the liberal order.” Constanze Stelzenmüller

Die franzö­sische Journa­listin Christine Ockrent plädierte für eine neue liberale Erzählung: Die liberale Gesell­schaft sei ein erfolg­reiches Projekt und man könne und solle mit Stolz auf die Errun­gen­schaften des Libera­lismus blicken.

Der Philosoph und Vorsit­zende des ukrai­ni­schen PEN Volodymyr Yermo­lenko betonte, in der Ukraine bedeute Freiheit zugleich den Willen zur Freiheit. Er verwies auf Sartre und dessen Vorstellung davon, dass der Mensch zur Freiheit verdammt sei. Tatsächlich könne Unfreiheit die einfa­chere, bequemere Wahl sein.

In der Ukraine zeige sich, was es bedeute, unter den widrigen Umständen eines Krieges, die eigene Freiheit zu prakti­zieren und eine demokra­tische Gesell­schaft aufrecht zu erhalten.

“Liberalism is not a warm bath. Ukraine shows us the close connection between the fight for freedom and being free.” Volodymyr Yermolenko

Es gebe andere Kulturen, die nicht auf der Idee der Freiheit basierten, denen statt der liberalen Idee indivi­du­eller Freiheit die Idee des Kollek­ti­vismus zugrunde lägen. Das 21. Jahrhundert sei eines der inten­siven Kämpfe um diese diver­gie­renden Werte.

Der polnische Histo­riker und LibMod-Fellow Jarosław  Kuisz betonte, dass nationale Erfah­rungen und geteilte Erinne­rungen das Verständnis von Populismus und Libera­lismus maßgeblich prägten. Immer aber sei politische Souve­rä­nität die Bedingung für Demokratie.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Constanze Stelzen­müller wies auf die Genera­tions-Unter­schiede bei den Einstel­lungen zu Demokratie und Libera­lismus hin. Wenn junge Genera­tionen heute teilweise mit Autori­ta­rismus flirteten, müsse man danach fragen, woher die Wut derer komme, die sich damit identifizierten.

Volodymyr Yermo­lenko fragte, warum die extreme Rechte in Europa Russland als ihren Alliierten sähe? Putin ginge es schließlich keines­falls um Werte oder um Konser­va­tismus. Er konsta­tierte, dass der Westen den Glauben an sich selbst verliere, sich in Selbst­zweifel und Selbst­gei­ßelung ergehe.

“If Ukraine loses the war, this will be the end of Europe. Because every­thing that we think of as the European idea and its values will be destroyed. The idea of borders will be destroyed, the idea of solving problems peacefully will be destroyed.” Volodymyr Yermolenko

Mit Blick auf Kahanes Postulat einer Gesell­schaft ohne Furcht bemerkte Yermo­lenko: Furcht sei Teil der mensch­lichen Natur. Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine habe Europa nicht genug Angst vor einer Niederlage. Angst sollte die Europäer mobili­sieren, um zu kämpfen für ihre Werte, die andern­falls verloren seien.

Jaroslaw Kuisz appel­lierte abschließend, die Ukraine und Georgien nicht zu vergessen. Er fragte: „Wo ist die Solida­rität unter den Demokraten?“ Sie bliebe aus, statt­dessen sei die öffent­liche Sphäre von Populisten gekapert worden.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Panel II: Was uns Libera­lismus heute zu sagen hat

Moderator Alexander Schwitteck, Projekt­ko­or­di­nator beim Zentrum Liberale Moderne, stellte die Frage voran, welche Bedeutung der Libera­lismus, seine Denker und Ideen uns heute vermitteln könnten. Stefan Kolev, Wirtschafts­wis­sen­schaftler und Direktor des Ludwig-Erhard-Forums, antwortete mit einem Exkurs zum Begriff des Neoli­be­ra­lismus, der für ihn alle Neuerungen innerhalb des Libera­lismus umfasse.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Karen Horn, Profes­sorin für Wirtschaft der Univer­sität Erfurt hingegen betonte die Vielfalt von Denktra­di­tionen des Libera­lismus. Es gebe viele Kritik­punkte an den liberalen Vordenkern, dennoch könne man an sie anschließen.

Michael Zürn, Professor für Inter­na­tionale Bezie­hungen der FU Berlin, betonte, Libera­lismus beinhalte weit mehr als der Populismus behaupte: Plura­lismus, aber auch Univer­sa­lismus seien dessen entschei­dende Bestand­teile ebenso wie das Bekenntnis zu einem freien Markt. Die Affinität des Libera­lismus zu Kapita­lismus bedeute jedoch auch, dass der Libera­lismus ein Limit ökono­mi­scher Ungleichheit definieren müsse. Das sei insbe­sondere in Zeiten, in denen der Zugang aller zu Bildung, Gesundheit und gerechten Lebens­chancen infrage stünde, zentral.

Ewa Atanassow , Profes­sorin für Politik am Bard College Berlin argumen­tierte, dass Libera­lismus zur herrschenden Ideologie westlicher Demokratien geworden sei. Zu denken, wir seien heute alle liberal, sei aber falsch. Man müsse über scheinbar entge­gen­ge­setzte Werte wie etwa den Natio­na­lismus neu nachdenken. Diese würden heute von Gegen­spielern des Libera­lismus bespielt, könnte aber von Liberalen neu definiert werden, um Demokratie und Patrio­tismus zu vereinen.

Stefan Kolev unter­strich den Wert des Kompro­misses und der Moderation. Verein­ba­rungen zu finden, ohne dass Diffe­renzen negiert werden, sei etwas, das uns die deutsche Nachkriegs­ge­sell­schaft erfolg­reich vorge­macht habe: Eine Gesell­schaft, die völlig polari­siert war und sich in recht kurzer Zeit zu einer Gesell­schaft entwi­ckelte, die auf Kompro­missen und Verein­ba­rungen und dem Konsens basierte.

Karen Horn ergänzte, dass die Fähigkeit zur Moderation, zur Aushandlung, Teil der westlichen Denktra­dition sei und sich auch damit vom populis­ti­schen Umfeld unterscheide.

Alexander Schwitteck merkte an, dass viele westliche Liberale zu Mea-culpa-Liberalen avanciert seien. Beipflichtend sagte Ewa Atanassow

“The West has gone far too far in taking the blame. Not noticing that a lot of the origin of this blaming comes from hostile places. Liberal democracies should be aware that they are in a fight. You need to be strategic, not only confes­sional.” Ewa Atanassow

Sie stellte infrage, ob Moderation daher ein guter Modus operandi sei. Man solle statt­dessen zur   Idee des Wettbe­werbs zurück­finden. Ein Ideen­wett­bewerb auf der politi­schen sowie auf der ökono­mi­schen Ebene. Dafür solle der Libera­lismus zu einem seiner grund­le­genden Dilemmata zurück­kehren: Dem Staat, dem Leviathan, der zugleich Grund­rechte gewähre und beschneide. In der Geschichte habe Natio­na­lismus eine Überwindung von Ungleichheit bedeutet. Dagegen führte Atanassow das Konzept eines inklu­siven und integrie­renden Natio­nal­staats an. Der Libera­lismus habe weit mehr als bisher gedacht anzubieten.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Karen Horn betonte, man solle nicht abstrakt über Libera­lismus sprechen. Es ginge um Antworten auf konkrete Probleme konkreter Menschen.  Die Idee der Moderation im Sinne von Mäßigung und Kompro­miss­be­reit­schaft sei zentral für liberales Denken. Dafür aber müsse ein morali­sches Regelwerk gefunden werden.

Michael Zürn führte abschließend fort, dass der Libera­lismus mit einer bestimmten sozialen Erkennt­nis­theorie verknüpft sei. Demge­genüber stünden „Alter­native Facts“ und die Idee, den öffent­lichen Raum mit Unwahr­heiten zu fluten. Solche Ideen und Strategien unter­mi­nierten die liberale Episte­mo­logie. Diese müsse verteidigt werden.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Panel III: Wie lässt sich die inter­na­tionale liberale Ordnung retten?

Putins Angriffs­krieg auf die Ukraine und die Frage nach dessen Bedeutung für die  liberale Weltordnung standen am Anfang des von Christoph Becker moderierten Panels.

Marija Gobuleva, Vorsit­zende der Baltic Initiative on European Reform und ehemalige Innen­mi­nis­terin Lettlands, bezeichnete den Ukrai­ne­krieg als die größte Heraus­for­derung für die liberale Weltordnung. Die Frage sei, ob es den Westen als politische Kraft noch gebe. Der Desin­for­ma­ti­ons­krieg sowie autoritäre Oligarchen außerhalb und innerhalb des Westens seien die beiden aggres­sivsten Gefahren für den Liberalismus.

Europe is the biggest hope for democratic liberalism to reestablish itself. The question is: Will we as Europe get our act together to enable the streng­thening of democratic liberalism? Marija Gobuleva

Jessica Berlin, Senior Fellow am Center for European Analysis, bekräf­tigte: Der Ausgang des Kriegs in der Ukraine werde den Rest des Jahrhun­derts bestimmen. Aller­dings werde die liberale Weltordnung, von der wir sprächen, in verschie­denen Regionen der Erde durchaus unter­schiedlich gesehen:

“For billions of people around the world, the second half of the 20th century was not parti­cular liberal, the rules that we came up with did not apply to the entire world, and it was not parti­cu­larly orderly.” Jessica Berlin

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Für große Teile der Weltbe­völ­kerung existierten unsere westlichen Werte nur auf dem Papier, sagte Berlin. Es gebe eine große Kluft zwischen Prokla­ma­tionen und Handeln des Westens. Sie sah einen direkten Zusam­menhang zwischen dieser Verblendung und dem fehlenden Handeln gegenüber der Ukraine. Gerade in Deutschland werde das besonders deutlich: Die Regierung verfolge rheto­risch eine andere Richtung als ihr Handeln es täte. Was sage uns das über die liberale Ordnung?

“Hypocrisy  and denial killed the liberal order.” Jessica Berlin

Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor des German Council on Foreign Relations, blickte zurück in die jüngere Vergan­genheit: Er könne nicht sagen, an welchem Punkt sich die inter­na­tionale Weltordnung gerade befände. Es habe eine post-1990-Hybris gegeben, als man davon ausge­gangen sei, dass die gesamte Welt demokra­tisch werden würde. Die Frage sei aber, ob der Fall der Berliner Mauer 1989 oder vielmehr das Massaker von Tiananmen im selben Jahr das wegwei­sende Ereignis gewesen sei. Es gebe einen Unter­schied zwischen der Weltordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Ordnung nach 1990. Erst nach 1990 habe es sich um eine wirklich liberale Weltordnung gehandelt. Doch man solle weg von der liberalen Überfor­derung, die nach 1990 geherrscht habe und sich mögli­cher­weise an an dem modera­teren Modell nach 1945 orientieren.

Charles Clarke, ehema­liger briti­scher Innen­mi­nister unter Tony Blair, vertrat die These, liberale Politik habe es versäumt, sich mit den negativen Effekten der Globa­li­sierung zu befassen.

„We as politi­cians failed to deal with the downsides of globa­lization. It destroyed whole economies and commu­nities. There were great losses. And this was the momentum of Donald Trump, of Nigel Farrage and of Brexit, of Marine Le Pen and of the AfD.” Charles Clarke

Wir hätten uns von einer Welt mit zwei Großmächten, der USA und der Sowjet­union hin zu einer Welt mit nur einer Super­power bewegt und seien jetzt auf dem Weg zu einer Welt mit mehreren großen Mächten. Die Frage sei nun, ob wir Koali­tionen mitein­ander formen können. Die Natio­na­listen behaup­teten, jede Form von inter­na­tio­nalen Koali­tionen seien schrecklich, egal ob es die EU oder die UN oder was auch immer seien. Doch es brauche gerade solche inter­na­tio­nalen Institutionen.

Thomas Kleine-Brockhoff wider­sprach Clarke: Nicht die Globa­li­sierung sei schuld an dem, was wir heute sähen. Wir müssten vielmehr die kultu­relle Heimat­lo­sigkeit begreifen, die durch ungere­gelte Migration Menschen in die Hände der Rechts­po­pu­listen trieben. Globa­li­sierung sei nur ein geringer Teil der Ursache.

Marija Golubeva wies auf die Dring­lichkeit hin, mit der der Westen nun gemeinsam agieren müsse. Sie fragte: Gibt es etwas, für das wir als Westen in der Ukraine gemeinsam kämpfen? Die Frage sei, wie man Fehler westlicher Politik adres­sieren könne, ohne die liberale Ordnung und das inter­na­tionale System in Gänze infrage zu stellen.

Kleine-Brockhoff betonte, die post-1990-Ordnung sei die beste, die es seit der Indus­tria­li­sierung gegeben habe. Insbe­sondere Deutsche hätten von ihr profi­tiert und hingen an dieser Ordnung – sogar über ihr Verfalls­datum hinaus. Nun aber sei die Unzufrie­denheit in einem Maße gewachsen, das Hoffnung auf Verän­derung mache. Es brauche Reformen in der Wirtschaft, bei der Techno­lo­gie­po­litik, in der Außen­po­litik. Mit Blick auf Trump erfasse ihn eine gewisse Ratlosigkeit:

“If anyone had told me that hemispheric imperialism would be the concept that the new Trump adminis­tration would start its reign with, I would have called him crazy. And we have to under­stand, this is a coherent concept, this is not just crazy. This is a coherent concept of preparing for a hegemonic conflict through national power. That’s why he attacks even the terri­torial integrity of allies. That is a concept I still can’t wrap my head around. I still don’t under­stand what that will mean.” Thomas Kleine-Brockhoff

Trump könne von Kanada oder Dänemark auf andere Weise das bekommen, was er brauche. Aber es ginge ihm nicht um Allianzen. Sein Konzept sei eines der Inter­es­sen­ge­biete, ein Konzept natio­naler Macht. Das erkläre, warum Trump es nicht für abwegig hält, dass Putin sich Teile Osteu­ropas einver­leiben will.

Jessica Berlin ergänzte, es sei Trumps Taktik, im ersten Schritt etwas völlig Irrsin­niges und Bombas­ti­sches zu behaupten, über das sich alle empörten. Im nächsten Schritt werde dann etwas weniger Drasti­sches gefordert, über das dann wiederum alle erleichtert seien und dem zustimmten. Man müsse dies als Taktik erkennen und eine eigene Taktik im Umgang damit entwickeln.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Panel IV: How to make liberal democracy great again?

Wie kann praktische Politik die Probleme beant­worten, die von Populisten zum Angriff auf die liberale Demokratie genutzt werden? Das war die Leitfrage des von Irene Hahn-Fuhr moderierten Podiums.

Otto Fricke, FDP-Abgeord­neter im Deutschen Bundestag betonte, dass die FDP weit mehr als Markt­li­be­ra­lismus anzubieten habe. Er kriti­sierte, dass sowohl Medien wie andere Parteien ständig versuchten, der FDP dieses Etikett anzuhängen und damit den Libera­lismus zu diskre­di­tieren. Seine Partei stehe ebenso für Bürger­rechte wie für Marktwirtschaft.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Auch Sergey Lagodinsky, Abgeord­neter der Grünen im Europa-Parlament, hob hervor, dass seine Partei für weit mehr als für Klima­trans­for­mation und Identi­täts­po­litik – beides Trigger­punkte populis­ti­scher Rhetorik – stehe. Die demokra­ti­schen Parteien dürften nicht zulassen, dass die AfD den politi­schen Diskurs verengt und bestimmt.

Bei dem notwen­digen Unter­fangen, konser­vative Wähler zu binden bezie­hungs­weise zurück­zu­ge­winnen, werde die Union die Brand­mauer zur AfD keines­falls einreißen, betonte Karin Prien, stell­ver­tre­tende Vorsit­zende der CDU. Die Christ­de­mo­kraten seien als liberal-konser­vative Partei ein Bollwerk gegen Rechts­po­pu­lismus und Extre­mismus. Deshalb sei es Ziel der AfD, die CDU zu zerstören.

Auf die Frage, wie sich die SPD gegen den Wählerfang der Populisten behaupten will, die sich als Schutz­macht der kleinen Leute aufwerfen, betonte MdB Dietmar Nietan, Freiheit, Gerech­tigkeit und Solida­rität seien die drei Grund­pfeiler der SPD. Es ginge nicht um plumpe Vertei­lungs­po­litik, sondern darum, kluge Rahmen­be­din­gungen für Zukunfts­in­ves­ti­tionen und neue Wertschöp­fungs­ketten zu schaffen, um den Populisten den sozialen Boden zu entziehen.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­inhalt von YouTube. Um auf den eigent­lichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schalt­fläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bieter weiter­ge­geben werden.

Mehr Infor­ma­tionen

Abschluss­podium: Freiheit verteidigen

Ralf Fücks eröffnete als Moderator das Schluss­podium der Konferenz mit der Auffor­derung, nach einem Tag voller kluger Diagnosen zur Krise liberaler Demokratien die berühmte Frage „Was tun“ ins Zentrum zu stellen.

Der russische Opposi­tio­nelle, Aktivist und einstige Schach­welt­meister Garry Kasparov verwies darauf, dass die Trägheit und Passi­vität des Westens daher rühre, dass er nach 1990 in relativer Sicherheit gelebt hätte und die Warnungen vor Putin und dem Erstarken des Autori­ta­rismus ignoriert habe. Es fehle dem Westen nicht an Ressourcen, sondern an politi­schem Mut und Entschlos­senheit.

Jan-Werner Müller, der an der Princeton University die Roger Williams Straus Professur für Sozial­wis­sen­schaften innehat, vertrat die These, der Westen habe sich sukzessive an funda­mentale Verän­de­rungen angepasst, ohne ihre Dimension zu reali­sieren. Es habe keinen plötz­lichen Verlust von Freiheit gegeben, Freiheits­verlust ginge in vielen kleinen, unmerk­baren Schritten einher.

Die politische Agenda werde von Autokraten gesetzt, die Anhänger der liberalen Demokratie reagierten, indem sie sich empörten und beschwerten, seien aber nicht proaktiv. Müller betonte: Libera­lismus sei durch den Kampf gegen Autori­ta­rismus nicht erschöpft, er habe mehr anzubieten als seine Gegner. Es sei an uns, aus der Defensive zu kommen und Zukunfts­ideen zu entwi­ckeln, die auf Menschen Strahl­kraft ausübten.

Natalia Gavrilita, ehemalige Premier­mi­nis­terin der Republik Moldau, wies auf den Beitrag hin, den Osteuropa im Kampf des Westens um die Bewahrung der Freiheit leisten könne.

“There is more energy and more deter­mi­nation in central and eastern Europa now. And I think we can contribute a lot in reviving this in western liberal democracies.” Natalia Gavrilita

Der Libera­lismus sei in eine defensive Recht­fer­ti­gungs­po­sition geraten. Es müsse wieder bewusst gemacht werden, dass nur der Libera­lismus indivi­duelle Freiheit, Menschen­rechte, Wettbewerb und recht­liche Ordnung gewähr­leiste. Liberale Gesell­schaften sollten mit Stolz auf die Errun­gen­schaften einer freien Gesell­schaft blicken.

Auch Russland und China „lieferten“, aller­dings auf sehr verschiedene Weise. Es seien Systeme, die sich zu ihren illibe­ralen Werten bekannten und die bereit seien, in für die eigenen Werte Schwie­rig­keiten zu ertragen.

Im Westen habe man eine lange Periode konstanten Wachstums erlebt. Nun würde sich dieses verlang­samen. Doch anstatt zu überlegen, was wir der jungen Genera­tionen alles noch anbieten müssten, damit der Fortbe­stand der Demokratie weiter zu recht­fer­tigen sei, sollten wir den Diskurs ändern:

“I think we should change this discourse and say: What are we willing to sacrifice? In order to benefit from liberal democracy. To benefit from individual freedoms.” Natalia Gravilita

Gavrilita betonte, dass die Parteien der demokra­ti­schen Mitte unrea­lis­tische Versprechen lieferten: „Wir werden rasantes Wachstum produ­zieren und zugleich die Migration stoppen.“ Mit Blick auf die Demographie sei das nicht realis­tisch. Man solle damit beginnen, den Menschen reinen Wein einzu­schenken und zu erklären, was auf dem Spiel stehe. Die Wahrheit sei den Menschen zumutbar.

Katarzyna Kasia, polnische Philo­sophin und Journa­listin, merkte an, nicht überall auf der Welt habe Demokratie denselben Stellenwert. Statt Demokratie zu allen Menschen zu bringen, sollten wir jene – wie die Ukraine und Georgien – unter­stützen, die selbst darum kämpfen.

Populismus, führte sie weiter aus, sei eine sehr alte Idee. Das sie heute so erfolg­reich sei, liege daran, dass sie gezielt unter­stützt und gefördert werde von jenen, die Krieg und Disruption in Europa anstreben.

Wie schon Garry Kasparow betonte sie, dass neben Hoffnung und Zuver­sicht auch Mut ein wichtiger Bestandteil von Libera­lismus sei. Es bräuchte mehr Mut, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

“If we want to defend our freedom and democracy we need a lot more courage. Because what we want to defend is beautiful, it is magni­ficent, it is important. But it is super fragile. And also the earth is at stake, because our values are in a peculiar way entangled with ecology. If we don’t protect this very fragile world we live in, we will be doomed.“ Katarzyna Kasia

Christoph Möllers, Professor für Öffent­liches Recht und Rechts­phi­lo­sophie an der Humboldt Univer­sität Berlin betonte, es brauche ein zukunfts­wei­sendes politi­sches Projekt. Er wies auf die Bedrohung durch eine neue Medien-Oligarchie hin, die im Namen des Libera­lismus und der freien Rede entstanden sei.

Garry Kasparov bezeichnete die Ukraine als Lackmustest für Europa und fragte, warum es den Liberalen an Energie mangele.

Eine woker Kultur­kampf, Cancel Culture, die Unter­stützung der Hamas an den Elite-Univer­si­täten – all das habe die Mittel­klasse Amerikas in die Arme Trumps getrieben. Exzesse auf der einen Seite würden immer jenen auf der anderen Seite helfen.

“We are at war. Technology made this world much smaller. It is no longer possible to live on one side of the iron curtain without cross-inter­fe­rence. And the other side, call them the bad actors, they know that. That’s not why they are staying within their sphere of influence, they are attacking. Whether it is Russia, China, or Iran.” Garry Kasparov

Die Ukraine sei heute das wichtigste Schlachtfeld, auf dem der Kampf um Freiheit ausge­tragen werde. Das müsse erkannt werden und die Ukraine unter­stützt werden, um diesen Kampf zu gewinnen, so Kasparov.

Jan-Werner Müller wider­sprach Kasparovs Analyse über Kultur­kampf in den USA. Wäre es den Wählern nur um den Kampf gegen ‘Wokeness’ gegangen, hätten sie nicht Trump, sondern Nikki Haley oder Ron de Santis wählen können.

Er wies auf die neue Macht einer neuen Techno-Oligarchie hin, die eine Konversion monetärer Macht in politische Macht betreibe:

“Today one of the biggest threats is a new oligarchy. The issue is the concen­tration of power and the conversion of power. We are facing an unpre­ce­dented accumu­lation of financial, political and media power.” Jan-Werner Müller

Natalia Gavrilita antwortete, dass Liberale sich zu sehr auf Debatten konzen­triert hätten, die weniger das Gemeinwohl, sondern Fragen kultu­reller Identität betreffen. Diese Identi­täts­de­batten seien zudem mit starken Emotionen behaftet.

Katarzyna Kasia betonte die Bedeutung neuer Medien für den Kampf um die öffent­liche Meinung:

“We will never be able to transmit the values of liberalism if we are losing the channels of infor­mation to transmit those values.” Katarzyna Kasia

Christoph Möllers argumen­tierte, moralische Werte und kultu­relle Normen könnten von der Politik nicht produ­ziert oder verordnet werden, wenn sie liberale Werte sein sollen. Liberale Werte müssten von der Zivil­ge­sell­schaft hervor­ge­bracht und verteidigt werden.

Er zeigte sich skeptisch gegenüber den Möglich­keiten der wehrhaften Demokratie angesichts eines Wähler­an­teils von 30 Prozent und mehr für antide­mo­kra­tische Kräfte.

Garry Kasparov fasste schließlich die mit der Konferenz verbunden Hoffnungen und Aussichten zusammen:

“We are at a critical junction. Because we are at war. We cannot win the war by simply being defensive. We have to come up with a plan. And hopefully this confe­rence will be a contri­bution in designing the plan to fight back. And to prove the fact: Liberal democrac and market economy are pillars of a successful society.” Garry Kasparov

Gefördert durch:

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.