Konferenzbericht: „Rethinking Liberalism – Challenges to Liberalism in Turbulent Times“
Als das Zentrum Liberale Moderne 2017 gegründet wurde, war die “antiliberale Konterrevolution” (Timothy Garton Ash) bereits in vollem Gang. Aber die Wucht, mit der autokratische und antiliberale Strömungen inzwischen Fahrt aufgenommen haben, übertrifft unsere Befürchtungen. Unsere internationale Konferenz „Rethinking Liberalism – Challenges to Liberalism in Turbulent Times“ fand nur wenige Tage vor der zweiten Inauguration Trumps statt, im dritten Jahr der russischen Vollinvasion der Ukraine und überschattet von Wahlerfolgen der Rechtspopulisten in großen Teilen Europas.
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Inhalt
Liberalismus neu denken: Herausforderungen in stürmischen Zeiten
Keynote und Diskussion: Über Freiheit
Panel I: Der Zustand der Freiheit in den USA und Europa
Panel II: Was uns Liberalismus heute zu sagen hat
Panel III: Wie lässt sich die internationale liberale Ordnung retten?
Panel IV: How to make liberal democracy great again?
Abschlusspodium: Freiheit verteidigen
Liberalismus neu denken: Herausforderungen in stürmischen Zeiten
Vor diesem Hintergrund gibt der gegenwärtige Zustand des Liberalismus und der liberalen Demokratie weltweit Anlass zur Sorge. Um dem Liberalismus aus seiner defensiven Position herauszuhelfen, ist es essenziell, nicht nur die Ursachen seiner Krise und den Aufstieg des Populismus zu analysieren, sondern auch innovative Ideen für seine Erneuerung zu entwickeln.
Mit diesem Ziel luden wir am 16. Januar 2025 zur internationalen Konferenz „Rethinking Liberalism: Challenges to Liberalism in Turbulent Times“ ins Allianz Forum in Berlin-Mitte ein. Die Veranstaltung brachte führende liberale Denker, politische Entscheidungsträger aus aller Welt sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen, um zentrale Fragen zur Zukunft des Liberalismus zu diskutieren und neue Impulse für seine Weiterentwicklung zu setzen.
Im Mittelpunkt standen folgende Kernfragen:
- Welche internen Schwächen des Liberalismus haben zur aktuellen Krise beigetragen?
- Wie können liberale Demokratien ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen stärken?
- Welche Strategien sind erforderlich, um populistische Themen wie Migration wirksam zu adressieren?
- Wie kann das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ die Freiheit schützen, ohne in autoritäre Tendenzen abzudriften?
- Welche Rolle sollten liberale Demokratien in der entstehenden globalen (Un-)Ordnung spielen, insbesondere im Umgang mit autoritären Mächten wie China und Russland?
Mit rund 200 Gästen und zahlreichen Podien gab es reichlich Stoff für kritische Reflexion und die Diskussion liberaler Antworten auf eine zunehmend turbulenten Welt.
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Mehr InformationenBegrüßung und Einführung
„Die Schwäche der liberalen Demokratien und nicht etwa die Stärke ihrer Gegenspieler ist das Problem. Bloße Status quo – Verteidigung greift zu kurz. Wir Liberale müssen endlich aus der Defensive kommen.“ Ralf Fücks
In seiner Eröffnungsrede machte Ralf Fücks sechs Faktoren für den rasanten Aufstieg des Illiberalismus aus:
- Der Siegeszug des Liberalismus hat den antiliberalen Gegenschlag ausgelöst. Was für die einen politische und kulturelle Errungenschaften sind, bedeuten für andere den Verlust traditioneller Werte und Sicherheiten.
- Das dem Liberalismus inhärente Fortschrittsvertrauen wurde abgelöst von Niedergangszenarien.
- Eine mit der Globalisierung, der Masseneinwanderung und der digitalen Revolution einhergehende Angst vor Kontrollverlust dominiert die Diskurse
- Die wachsende mentale und soziale Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern ökonomischer und kultureller Modernisierung
- Hochmut und Selbstbezüglichkeit liberaler Eliten sowie
- Ein wachsender Zweifel an der Handlungsfähigkeit demokratischer Parteien und Institutionen.
Der Liberalismus werde seine Attraktivität nur zurückgewinnen, wenn er freiheitliche Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit gibt und eine neue Idee von Fortschritt ausstrahlt, so Fücks.
Karolina Wigura bezeichnete in ihrer Begrüßungsrede den Liberalismus als ein Versprechen von Freiheit und der Möglichkeit, das eigene Leben individuell zu gestalten. Insbesondere für die post-sowjetischen Demokratiebewegungen, die „Generation Solidarnosc“ sei dieses Versprechen von großer Bedeutung. Zugleich ginge mit dem Liberalismus eine Verpflichtung einher: Immer wieder neu müsse ein temporärer modus vivendi gefunden werden, mittels dessen verschiedene Individuen gemeinsam eine friedliche und freiheitliche Gesellschaftsform miteinander finden können. Um den besonderen Charakter des Liberalismus zu fassen, fand sie eine Metapher: Der Liberalismus sei ein Garten, dessen Pflanzen ebenso kostbar wie fragil seien. Es läge bei uns, ob wir Gärtner oder aber Barbaren in diesem Garten sein wollten.
„Es braucht Gärtner, die sich um den Garten des Liberalismus und seine zarten und schützenswerte Gewächse kümmern, die sie pflegen und gedeihen lassen.“ Karolina Wigura
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Mehr InformationenDie Konferenz im Einzelnen:
Keynote: Über Freiheit
Die Keynote der Konferenz lieferte Alan S. Kahan, Professor für Britische Zivilisation der Université de Versailles/St. Quetin-en-Yvelines sowie Mitglied der Sciences Po St. Germain-en-Laye. Angelehnt an sein Buch „Freedom from Fear“, in dem Kahan die Geschichte des Liberalismus auf seine Zukunftsfähigkeit hin untersucht, unterstrich er, dass Liberalismus die Suche nach einer Gesellschaft bedeute, die frei von Angst sei. Ängste – vor der Wucht und dem Tempo von Veränderungen, die immer auch mit Verlusten einhergehen – seien der Nährboden für den antiliberalen Populismus.
Die Freiheit von Furcht sei nie vollständig, der Liberalismus immer unvollständig; er berge ein utopisches – uneingelöstes – Element in sich. Der Liberalismus sei durch seine gesamte Historie hindurch ständig bedroht gewesen – vom feudalen Absolutismus, vom modernen Totalitarismus, aber auch von der Armut großer Teile der Bevölkerung, die zu Radikalismus und Extremismus verleiten kann. Die aktuelle Bedrohung sei die des Populismus.
“We can debate if populism is democratic. But certainly populism cannot be liberal. There can be an illiberal democracy. But there is no such thing as liberal populism.” Alan S. Kahan
Populisten lebten von Angst, sie schürten Angst, so Kahan weiter. Er fragte, wie wir an einen Punkt gelangt seien, an dem der Populismus solch eine Kraft habe gewinnen können. Seine Antwort: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hätten Liberale zunehmend weniger über Werte und Moral diskutiert und den Populisten damit eine Leerstelle hinterlassen, die diese hatten füllen können. Liberale hätten zunehmend nicht mehr über moralischen Fortschritt und Vorstellungen eines „guten Lebens“ diskutiert, sondern sich beschränkt auf die Verteidigung politischer und ökonomischer Freiheit. Exemplarisch nannte er den Liberalismus des Ökonomen und Nobelpreisträgers Milton Friedman
Zudem hätten sich während der 60er Jahre Teile der politischen Rechten im Kampf gegen den Kommunismus mit den Liberalen verbündet. Mit Ende des Kommunismus habe sich der Liberalismus auf seinem traditionellen Schlachtfeld, dem Kampf gegen die politische Rechte sowie die Linke, wiedergefunden.
Grund für die aktuelle Schwäche des Liberalismus läge nicht in der Wirtschaft: Wir befänden uns in keiner Weltwirtschaftskrise, es gebe keine Hyperinflation, mit der der Aufstieg des Illiberalismus zu erklären wäre. Tatsächlich, so Kahans Bestandsaufnahme, lebten wir in einer Welt, in der der Einzelne nur einem sehr geringen Druck ausgesetzt sei. Und dennoch hätten sich Millionen von Menschen vom Liberalismus ab- und dem Populismus zugewandt.
“We need a liberalism 4.0. We need a rebranding. I am not talking about liberal democracy any longer, I am talking about democratic liberalism. Because freedom comes first.” Alan S. Kahan
Um wieder sprechfähig zu werden, müssten wir zurückkehren zu den drei Grundpfeilern des Liberalismus: Der Freiheit, dem Markt, der Moral. Demokratischer Liberalismus müsse Hoffnung für alle Teile der Gesellschaft bedeuten und Ressentiments ausschließen; es brauche eine solidarische, jedoch keine egalitäre Gesellschaft.
Warum, so fragte Kahan weiter, solle sich jemand für Liberalismus erwärmen, wenn dieser nicht den Fortschritt beinhalte? Dafür brauche es eine liberale Marktwirtschaft und demokratische Institutionen, die im Angesicht des Populismus besser funktionierten als unsere derzeitigen es täten.
“Liberalism has to be a party of hope, not a party of fear. We need democratic liberalism because freedom of course is the only good choice.” Alan S. Kahan
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Mehr InformationenKommentar und Diskussion
Alan S. Kahans Keynote war Ausgangspunkt einer lebhaften Diskussion.
Jan Zielonka, Emeritus Professorial Fellow der St Antony‘s University of Oxford sowie Professor für Internationale Beziehungen an der Universität von Venedig, definierte Populismus als das Ergebnis der Pathologie der Demokratie. Die Unzufriedenheit mit der Demokratie, die von großen Teilen der Bevölkerung empfunden werde, sei für dessen Erstarken verantwortlich.
„Populism is an illiberal democratic response to undemocratic liberalism.” Jan Zielonka
Die Journalistin Kerstin Kohlenberg, zuletzt Leiterin des Washington-Büros von DIE ZEIT wies darauf hin, dass „Liberalismus“ in den USA aktuell als eine Ideologie der politischen Linken geframt sei. Von Teilen der Gesellschaft werde sie als Angriff auf ihre Werte und Geringschätzung ihrer Lebensstile betrachtet.
Karolina Wigura nahm Jan Zielonkas Diagnose auf. Populismus sei leicht diagnostizierbar, doch nur schwer zu überwinden. Der Liberalismus bilde nicht nur das Gerüst unserer westlichen Zivilisation, sondern beinhalte auch Werte. Allerdings, so warnte sie, gebe es auch eine Tendenz zu belehren, was nie die Aufgabe des Liberalismus sein dürfe.
Ralf Fücks warf ein: Zwar habe der Großteil liberaler Denker Werte und Prinzipien formuliert, nie jedoch die Utopie einer guten Gesellschaft – aus guten Gründen lasse der Liberalismus die Zukunft offen. Auch Alan Kahan habe den Liberalismus primär negativ definiert, als Freiheit von Angst.
Kahan antwortete, es sei wichtig, Ideale und Werte zu haben und diese als Orientierung zu kennen, doch der Liberalismus sei immer unvollständig – er verwies auf den vorläufigen Charakter des liberalen Projekts:
“Clearly one of liberalism’s great strength is to be open ended, that it does not have a strict target point for the future. That’s why we can update the operating system.” Alan S. Kahan
In der weiteren Diskussion wurde das Verhältnis von Liberalismus und Demokratie thematisiert:
Kahan betonte, dass Demokratie primär die Souveränität der Mehrheit bedeute, daher sei Populismus durchaus demokratisch, wenn auch nicht liberal. Dem widersprach Jan Zielonka entschieden, schließlich bedeute Demokratie weit mehr als die Herrschaft der Mehrheit, wie von Populisten fälschlicherweise behauptet werde. Er bemängelte, dass Liberale sich nicht mit den Ursachen der Krise des Liberalismus auseinandersetzten, sondern häufig Wege einschlügen, die dem Kampf gegen den Populismus nicht förderlich seien. – Sie versuchten oftmals, Populismus mit Populismus zu bekämpfen oder – mittels Technokratie, was noch mehr Unmut gegenüber dem politischen System hervorrufe. Stattdessen müsse man sich den Mängeln der Demokratie zuwenden, so Zielonka.
Karolina Wigura widersprach in einem Punkt Zielonkas Analyse: Mit Blick auf Dänemark, in denen eine zentristische Regierung sich der Themen der Populisten angenommen hätte, sei ein Wahlsieg der Populisten verhindert worden.
Die Journalistin Kerstin Kohlenberg verwies auf die zentrale Rolle der sozialen Medien, die komplexe Sachverhalte auf simple Botschaften reduzieren. Demokraten müssten eine Sprache finden, um sich den Populisten entgegenzustellen. Es brauche eine eigene positives Vision von Werten und Moral, getragen von einer Sprache des Respekts, so Kahan.
Respekt, der jedoch nicht der Homophobie, dem Antisemitismus, dem Rassismus oder der Misogynie gelten könne, ergänzte Jan Zielonka. Eine liberale Kultur könne Menschen per se nie oktroyiert werden. Zielonka verwies zudem auf die selbstgerechte, ja arrogante Haltung der Liberalen, die mit zur Schwäche des Liberalismus beigetragen habe.
Während der Finanzkrise und der Covid-Pandemie sei eine neue Beschleunigung der Ereignisse sichtbar geworden sei. Demokratie aber handele davon, Dinge zu verlangsamen. Im übrigen konstruiere Liberalismus keine Utopien, sondern lebe vom Experiment und sei Ergebnis eines ständigen „Trial and Error“.
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Mehr InformationenAlan S. Kahan verwies abschließend auf die Notwendigkeit von Werten, die nicht allein den Einzelnen, sondern die gesamte Gesellschaft betreffen. Über diese sei im Dialog zu verhandeln. Kahan zitierte Karl Poppers Toleranz-Parodoxon, demnach grenzenlose Toleranz auch gegenüber der Intoleranz und ihren Vertretern zu einem Ende der Toleranz und der Abschaffung einer offenen, toleranten Gesellschaft führe.
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Mehr InformationenPanel I: Der Zustand der Freiheit in den USA und Europa
Mit Blick auf die konkrete politische Situation in Europa und in den USA ging es im nächsten Podium weiter.
Den Auftakt machte Constanze Stelzenmüller, Direktorin des zur Brookings Institution zählenden Center on the United States and Europe: Mit Blick auf die USA sprach sie von einer gewaltigen Machtfülle der neuen illiberalen Trump-Administration. Andererseits aber gebe es bei den Trump-Unterstützern unterschiedliche Lager, nämlich das der Autoritär-Libertären, deren Ideen von Staat, von Grenzen, von Religion sich – neben einigen Gemeinsamkeiten – deutlich von dem zweiten Lager, das der National-Konservativen unterscheide. Sie wollte keine konkreten Prognosen über die kommenden vier Jahre in den USA wagen. Stelzenmüller betonte, dass ein bereits vollzogener autoritärer Systemwechsel wie in Ungarn anders zu werten sei als der Versuch einer Schwächung der Demokratie und ihrer Institutionen.
“It is one thing to exhaust the democratic institutions, the markets and society and another to start changing the rules and start fiddling with the machinery of the liberal order.” Constanze Stelzenmüller
Die französische Journalistin Christine Ockrent plädierte für eine neue liberale Erzählung: Die liberale Gesellschaft sei ein erfolgreiches Projekt und man könne und solle mit Stolz auf die Errungenschaften des Liberalismus blicken.
Der Philosoph und Vorsitzende des ukrainischen PEN Volodymyr Yermolenko betonte, in der Ukraine bedeute Freiheit zugleich den Willen zur Freiheit. Er verwies auf Sartre und dessen Vorstellung davon, dass der Mensch zur Freiheit verdammt sei. Tatsächlich könne Unfreiheit die einfachere, bequemere Wahl sein.
In der Ukraine zeige sich, was es bedeute, unter den widrigen Umständen eines Krieges, die eigene Freiheit zu praktizieren und eine demokratische Gesellschaft aufrecht zu erhalten.
“Liberalism is not a warm bath. Ukraine shows us the close connection between the fight for freedom and being free.” Volodymyr Yermolenko
Es gebe andere Kulturen, die nicht auf der Idee der Freiheit basierten, denen statt der liberalen Idee individueller Freiheit die Idee des Kollektivismus zugrunde lägen. Das 21. Jahrhundert sei eines der intensiven Kämpfe um diese divergierenden Werte.
Der polnische Historiker und LibMod-Fellow Jarosław Kuisz betonte, dass nationale Erfahrungen und geteilte Erinnerungen das Verständnis von Populismus und Liberalismus maßgeblich prägten. Immer aber sei politische Souveränität die Bedingung für Demokratie.
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Mehr InformationenConstanze Stelzenmüller wies auf die Generations-Unterschiede bei den Einstellungen zu Demokratie und Liberalismus hin. Wenn junge Generationen heute teilweise mit Autoritarismus flirteten, müsse man danach fragen, woher die Wut derer komme, die sich damit identifizierten.
Volodymyr Yermolenko fragte, warum die extreme Rechte in Europa Russland als ihren Alliierten sähe? Putin ginge es schließlich keinesfalls um Werte oder um Konservatismus. Er konstatierte, dass der Westen den Glauben an sich selbst verliere, sich in Selbstzweifel und Selbstgeißelung ergehe.
“If Ukraine loses the war, this will be the end of Europe. Because everything that we think of as the European idea and its values will be destroyed. The idea of borders will be destroyed, the idea of solving problems peacefully will be destroyed.” Volodymyr Yermolenko
Mit Blick auf Kahanes Postulat einer Gesellschaft ohne Furcht bemerkte Yermolenko: Furcht sei Teil der menschlichen Natur. Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine habe Europa nicht genug Angst vor einer Niederlage. Angst sollte die Europäer mobilisieren, um zu kämpfen für ihre Werte, die andernfalls verloren seien.
Jaroslaw Kuisz appellierte abschließend, die Ukraine und Georgien nicht zu vergessen. Er fragte: „Wo ist die Solidarität unter den Demokraten?“ Sie bliebe aus, stattdessen sei die öffentliche Sphäre von Populisten gekapert worden.
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Mehr InformationenPanel II: Was uns Liberalismus heute zu sagen hat
Moderator Alexander Schwitteck, Projektkoordinator beim Zentrum Liberale Moderne, stellte die Frage voran, welche Bedeutung der Liberalismus, seine Denker und Ideen uns heute vermitteln könnten. Stefan Kolev, Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Ludwig-Erhard-Forums, antwortete mit einem Exkurs zum Begriff des Neoliberalismus, der für ihn alle Neuerungen innerhalb des Liberalismus umfasse.
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Mehr InformationenKaren Horn, Professorin für Wirtschaft der Universität Erfurt hingegen betonte die Vielfalt von Denktraditionen des Liberalismus. Es gebe viele Kritikpunkte an den liberalen Vordenkern, dennoch könne man an sie anschließen.
Michael Zürn, Professor für Internationale Beziehungen der FU Berlin, betonte, Liberalismus beinhalte weit mehr als der Populismus behaupte: Pluralismus, aber auch Universalismus seien dessen entscheidende Bestandteile ebenso wie das Bekenntnis zu einem freien Markt. Die Affinität des Liberalismus zu Kapitalismus bedeute jedoch auch, dass der Liberalismus ein Limit ökonomischer Ungleichheit definieren müsse. Das sei insbesondere in Zeiten, in denen der Zugang aller zu Bildung, Gesundheit und gerechten Lebenschancen infrage stünde, zentral.
Ewa Atanassow , Professorin für Politik am Bard College Berlin argumentierte, dass Liberalismus zur herrschenden Ideologie westlicher Demokratien geworden sei. Zu denken, wir seien heute alle liberal, sei aber falsch. Man müsse über scheinbar entgegengesetzte Werte wie etwa den Nationalismus neu nachdenken. Diese würden heute von Gegenspielern des Liberalismus bespielt, könnte aber von Liberalen neu definiert werden, um Demokratie und Patriotismus zu vereinen.
Stefan Kolev unterstrich den Wert des Kompromisses und der Moderation. Vereinbarungen zu finden, ohne dass Differenzen negiert werden, sei etwas, das uns die deutsche Nachkriegsgesellschaft erfolgreich vorgemacht habe: Eine Gesellschaft, die völlig polarisiert war und sich in recht kurzer Zeit zu einer Gesellschaft entwickelte, die auf Kompromissen und Vereinbarungen und dem Konsens basierte.
Karen Horn ergänzte, dass die Fähigkeit zur Moderation, zur Aushandlung, Teil der westlichen Denktradition sei und sich auch damit vom populistischen Umfeld unterscheide.
Alexander Schwitteck merkte an, dass viele westliche Liberale zu Mea-culpa-Liberalen avanciert seien. Beipflichtend sagte Ewa Atanassow
“The West has gone far too far in taking the blame. Not noticing that a lot of the origin of this blaming comes from hostile places. Liberal democracies should be aware that they are in a fight. You need to be strategic, not only confessional.” Ewa Atanassow
Sie stellte infrage, ob Moderation daher ein guter Modus operandi sei. Man solle stattdessen zur Idee des Wettbewerbs zurückfinden. Ein Ideenwettbewerb auf der politischen sowie auf der ökonomischen Ebene. Dafür solle der Liberalismus zu einem seiner grundlegenden Dilemmata zurückkehren: Dem Staat, dem Leviathan, der zugleich Grundrechte gewähre und beschneide. In der Geschichte habe Nationalismus eine Überwindung von Ungleichheit bedeutet. Dagegen führte Atanassow das Konzept eines inklusiven und integrierenden Nationalstaats an. Der Liberalismus habe weit mehr als bisher gedacht anzubieten.
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Mehr InformationenKaren Horn betonte, man solle nicht abstrakt über Liberalismus sprechen. Es ginge um Antworten auf konkrete Probleme konkreter Menschen. Die Idee der Moderation im Sinne von Mäßigung und Kompromissbereitschaft sei zentral für liberales Denken. Dafür aber müsse ein moralisches Regelwerk gefunden werden.
Michael Zürn führte abschließend fort, dass der Liberalismus mit einer bestimmten sozialen Erkenntnistheorie verknüpft sei. Demgegenüber stünden „Alternative Facts“ und die Idee, den öffentlichen Raum mit Unwahrheiten zu fluten. Solche Ideen und Strategien unterminierten die liberale Epistemologie. Diese müsse verteidigt werden.
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Mehr InformationenPanel III: Wie lässt sich die internationale liberale Ordnung retten?
Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und die Frage nach dessen Bedeutung für die liberale Weltordnung standen am Anfang des von Christoph Becker moderierten Panels.
Marija Gobuleva, Vorsitzende der Baltic Initiative on European Reform und ehemalige Innenministerin Lettlands, bezeichnete den Ukrainekrieg als die größte Herausforderung für die liberale Weltordnung. Die Frage sei, ob es den Westen als politische Kraft noch gebe. Der Desinformationskrieg sowie autoritäre Oligarchen außerhalb und innerhalb des Westens seien die beiden aggressivsten Gefahren für den Liberalismus.
Europe is the biggest hope for democratic liberalism to reestablish itself. The question is: Will we as Europe get our act together to enable the strengthening of democratic liberalism? Marija Gobuleva
Jessica Berlin, Senior Fellow am Center for European Analysis, bekräftigte: Der Ausgang des Kriegs in der Ukraine werde den Rest des Jahrhunderts bestimmen. Allerdings werde die liberale Weltordnung, von der wir sprächen, in verschiedenen Regionen der Erde durchaus unterschiedlich gesehen:
“For billions of people around the world, the second half of the 20th century was not particular liberal, the rules that we came up with did not apply to the entire world, and it was not particularly orderly.” Jessica Berlin
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Mehr InformationenFür große Teile der Weltbevölkerung existierten unsere westlichen Werte nur auf dem Papier, sagte Berlin. Es gebe eine große Kluft zwischen Proklamationen und Handeln des Westens. Sie sah einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Verblendung und dem fehlenden Handeln gegenüber der Ukraine. Gerade in Deutschland werde das besonders deutlich: Die Regierung verfolge rhetorisch eine andere Richtung als ihr Handeln es täte. Was sage uns das über die liberale Ordnung?
“Hypocrisy and denial killed the liberal order.” Jessica Berlin
Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor des German Council on Foreign Relations, blickte zurück in die jüngere Vergangenheit: Er könne nicht sagen, an welchem Punkt sich die internationale Weltordnung gerade befände. Es habe eine post-1990-Hybris gegeben, als man davon ausgegangen sei, dass die gesamte Welt demokratisch werden würde. Die Frage sei aber, ob der Fall der Berliner Mauer 1989 oder vielmehr das Massaker von Tiananmen im selben Jahr das wegweisende Ereignis gewesen sei. Es gebe einen Unterschied zwischen der Weltordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Ordnung nach 1990. Erst nach 1990 habe es sich um eine wirklich liberale Weltordnung gehandelt. Doch man solle weg von der liberalen Überforderung, die nach 1990 geherrscht habe und sich möglicherweise an an dem moderateren Modell nach 1945 orientieren.
Charles Clarke, ehemaliger britischer Innenminister unter Tony Blair, vertrat die These, liberale Politik habe es versäumt, sich mit den negativen Effekten der Globalisierung zu befassen.
„We as politicians failed to deal with the downsides of globalization. It destroyed whole economies and communities. There were great losses. And this was the momentum of Donald Trump, of Nigel Farrage and of Brexit, of Marine Le Pen and of the AfD.” Charles Clarke
Wir hätten uns von einer Welt mit zwei Großmächten, der USA und der Sowjetunion hin zu einer Welt mit nur einer Superpower bewegt und seien jetzt auf dem Weg zu einer Welt mit mehreren großen Mächten. Die Frage sei nun, ob wir Koalitionen miteinander formen können. Die Nationalisten behaupteten, jede Form von internationalen Koalitionen seien schrecklich, egal ob es die EU oder die UN oder was auch immer seien. Doch es brauche gerade solche internationalen Institutionen.
Thomas Kleine-Brockhoff widersprach Clarke: Nicht die Globalisierung sei schuld an dem, was wir heute sähen. Wir müssten vielmehr die kulturelle Heimatlosigkeit begreifen, die durch ungeregelte Migration Menschen in die Hände der Rechtspopulisten trieben. Globalisierung sei nur ein geringer Teil der Ursache.
Marija Golubeva wies auf die Dringlichkeit hin, mit der der Westen nun gemeinsam agieren müsse. Sie fragte: Gibt es etwas, für das wir als Westen in der Ukraine gemeinsam kämpfen? Die Frage sei, wie man Fehler westlicher Politik adressieren könne, ohne die liberale Ordnung und das internationale System in Gänze infrage zu stellen.
Kleine-Brockhoff betonte, die post-1990-Ordnung sei die beste, die es seit der Industrialisierung gegeben habe. Insbesondere Deutsche hätten von ihr profitiert und hingen an dieser Ordnung – sogar über ihr Verfallsdatum hinaus. Nun aber sei die Unzufriedenheit in einem Maße gewachsen, das Hoffnung auf Veränderung mache. Es brauche Reformen in der Wirtschaft, bei der Technologiepolitik, in der Außenpolitik. Mit Blick auf Trump erfasse ihn eine gewisse Ratlosigkeit:
“If anyone had told me that hemispheric imperialism would be the concept that the new Trump administration would start its reign with, I would have called him crazy. And we have to understand, this is a coherent concept, this is not just crazy. This is a coherent concept of preparing for a hegemonic conflict through national power. That’s why he attacks even the territorial integrity of allies. That is a concept I still can’t wrap my head around. I still don’t understand what that will mean.” Thomas Kleine-Brockhoff
Trump könne von Kanada oder Dänemark auf andere Weise das bekommen, was er brauche. Aber es ginge ihm nicht um Allianzen. Sein Konzept sei eines der Interessengebiete, ein Konzept nationaler Macht. Das erkläre, warum Trump es nicht für abwegig hält, dass Putin sich Teile Osteuropas einverleiben will.
Jessica Berlin ergänzte, es sei Trumps Taktik, im ersten Schritt etwas völlig Irrsinniges und Bombastisches zu behaupten, über das sich alle empörten. Im nächsten Schritt werde dann etwas weniger Drastisches gefordert, über das dann wiederum alle erleichtert seien und dem zustimmten. Man müsse dies als Taktik erkennen und eine eigene Taktik im Umgang damit entwickeln.
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Mehr InformationenPanel IV: How to make liberal democracy great again?
Wie kann praktische Politik die Probleme beantworten, die von Populisten zum Angriff auf die liberale Demokratie genutzt werden? Das war die Leitfrage des von Irene Hahn-Fuhr moderierten Podiums.
Otto Fricke, FDP-Abgeordneter im Deutschen Bundestag betonte, dass die FDP weit mehr als Marktliberalismus anzubieten habe. Er kritisierte, dass sowohl Medien wie andere Parteien ständig versuchten, der FDP dieses Etikett anzuhängen und damit den Liberalismus zu diskreditieren. Seine Partei stehe ebenso für Bürgerrechte wie für Marktwirtschaft.
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Mehr InformationenAuch Sergey Lagodinsky, Abgeordneter der Grünen im Europa-Parlament, hob hervor, dass seine Partei für weit mehr als für Klimatransformation und Identitätspolitik – beides Triggerpunkte populistischer Rhetorik – stehe. Die demokratischen Parteien dürften nicht zulassen, dass die AfD den politischen Diskurs verengt und bestimmt.
Bei dem notwendigen Unterfangen, konservative Wähler zu binden beziehungsweise zurückzugewinnen, werde die Union die Brandmauer zur AfD keinesfalls einreißen, betonte Karin Prien, stellvertretende Vorsitzende der CDU. Die Christdemokraten seien als liberal-konservative Partei ein Bollwerk gegen Rechtspopulismus und Extremismus. Deshalb sei es Ziel der AfD, die CDU zu zerstören.
Auf die Frage, wie sich die SPD gegen den Wählerfang der Populisten behaupten will, die sich als Schutzmacht der kleinen Leute aufwerfen, betonte MdB Dietmar Nietan, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien die drei Grundpfeiler der SPD. Es ginge nicht um plumpe Verteilungspolitik, sondern darum, kluge Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen und neue Wertschöpfungsketten zu schaffen, um den Populisten den sozialen Boden zu entziehen.
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Mehr InformationenAbschlusspodium: Freiheit verteidigen
Ralf Fücks eröffnete als Moderator das Schlusspodium der Konferenz mit der Aufforderung, nach einem Tag voller kluger Diagnosen zur Krise liberaler Demokratien die berühmte Frage „Was tun“ ins Zentrum zu stellen.
Der russische Oppositionelle, Aktivist und einstige Schachweltmeister Garry Kasparov verwies darauf, dass die Trägheit und Passivität des Westens daher rühre, dass er nach 1990 in relativer Sicherheit gelebt hätte und die Warnungen vor Putin und dem Erstarken des Autoritarismus ignoriert habe. Es fehle dem Westen nicht an Ressourcen, sondern an politischem Mut und Entschlossenheit.
Jan-Werner Müller, der an der Princeton University die Roger Williams Straus Professur für Sozialwissenschaften innehat, vertrat die These, der Westen habe sich sukzessive an fundamentale Veränderungen angepasst, ohne ihre Dimension zu realisieren. Es habe keinen plötzlichen Verlust von Freiheit gegeben, Freiheitsverlust ginge in vielen kleinen, unmerkbaren Schritten einher.
Die politische Agenda werde von Autokraten gesetzt, die Anhänger der liberalen Demokratie reagierten, indem sie sich empörten und beschwerten, seien aber nicht proaktiv. Müller betonte: Liberalismus sei durch den Kampf gegen Autoritarismus nicht erschöpft, er habe mehr anzubieten als seine Gegner. Es sei an uns, aus der Defensive zu kommen und Zukunftsideen zu entwickeln, die auf Menschen Strahlkraft ausübten.
Natalia Gavrilita, ehemalige Premierministerin der Republik Moldau, wies auf den Beitrag hin, den Osteuropa im Kampf des Westens um die Bewahrung der Freiheit leisten könne.
“There is more energy and more determination in central and eastern Europa now. And I think we can contribute a lot in reviving this in western liberal democracies.” Natalia Gavrilita
Der Liberalismus sei in eine defensive Rechtfertigungsposition geraten. Es müsse wieder bewusst gemacht werden, dass nur der Liberalismus individuelle Freiheit, Menschenrechte, Wettbewerb und rechtliche Ordnung gewährleiste. Liberale Gesellschaften sollten mit Stolz auf die Errungenschaften einer freien Gesellschaft blicken.
Auch Russland und China „lieferten“, allerdings auf sehr verschiedene Weise. Es seien Systeme, die sich zu ihren illiberalen Werten bekannten und die bereit seien, in für die eigenen Werte Schwierigkeiten zu ertragen.
Im Westen habe man eine lange Periode konstanten Wachstums erlebt. Nun würde sich dieses verlangsamen. Doch anstatt zu überlegen, was wir der jungen Generationen alles noch anbieten müssten, damit der Fortbestand der Demokratie weiter zu rechtfertigen sei, sollten wir den Diskurs ändern:
“I think we should change this discourse and say: What are we willing to sacrifice? In order to benefit from liberal democracy. To benefit from individual freedoms.” Natalia Gravilita
Gavrilita betonte, dass die Parteien der demokratischen Mitte unrealistische Versprechen lieferten: „Wir werden rasantes Wachstum produzieren und zugleich die Migration stoppen.“ Mit Blick auf die Demographie sei das nicht realistisch. Man solle damit beginnen, den Menschen reinen Wein einzuschenken und zu erklären, was auf dem Spiel stehe. Die Wahrheit sei den Menschen zumutbar.
Katarzyna Kasia, polnische Philosophin und Journalistin, merkte an, nicht überall auf der Welt habe Demokratie denselben Stellenwert. Statt Demokratie zu allen Menschen zu bringen, sollten wir jene – wie die Ukraine und Georgien – unterstützen, die selbst darum kämpfen.
Populismus, führte sie weiter aus, sei eine sehr alte Idee. Das sie heute so erfolgreich sei, liege daran, dass sie gezielt unterstützt und gefördert werde von jenen, die Krieg und Disruption in Europa anstreben.
Wie schon Garry Kasparow betonte sie, dass neben Hoffnung und Zuversicht auch Mut ein wichtiger Bestandteil von Liberalismus sei. Es bräuchte mehr Mut, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen.
“If we want to defend our freedom and democracy we need a lot more courage. Because what we want to defend is beautiful, it is magnificent, it is important. But it is super fragile. And also the earth is at stake, because our values are in a peculiar way entangled with ecology. If we don’t protect this very fragile world we live in, we will be doomed.“ Katarzyna Kasia
Christoph Möllers, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt Universität Berlin betonte, es brauche ein zukunftsweisendes politisches Projekt. Er wies auf die Bedrohung durch eine neue Medien-Oligarchie hin, die im Namen des Liberalismus und der freien Rede entstanden sei.
Garry Kasparov bezeichnete die Ukraine als Lackmustest für Europa und fragte, warum es den Liberalen an Energie mangele.
Eine woker Kulturkampf, Cancel Culture, die Unterstützung der Hamas an den Elite-Universitäten – all das habe die Mittelklasse Amerikas in die Arme Trumps getrieben. Exzesse auf der einen Seite würden immer jenen auf der anderen Seite helfen.
“We are at war. Technology made this world much smaller. It is no longer possible to live on one side of the iron curtain without cross-interference. And the other side, call them the bad actors, they know that. That’s not why they are staying within their sphere of influence, they are attacking. Whether it is Russia, China, or Iran.” Garry Kasparov
Die Ukraine sei heute das wichtigste Schlachtfeld, auf dem der Kampf um Freiheit ausgetragen werde. Das müsse erkannt werden und die Ukraine unterstützt werden, um diesen Kampf zu gewinnen, so Kasparov.
Jan-Werner Müller widersprach Kasparovs Analyse über Kulturkampf in den USA. Wäre es den Wählern nur um den Kampf gegen ‘Wokeness’ gegangen, hätten sie nicht Trump, sondern Nikki Haley oder Ron de Santis wählen können.
Er wies auf die neue Macht einer neuen Techno-Oligarchie hin, die eine Konversion monetärer Macht in politische Macht betreibe:
“Today one of the biggest threats is a new oligarchy. The issue is the concentration of power and the conversion of power. We are facing an unprecedented accumulation of financial, political and media power.” Jan-Werner Müller
Natalia Gavrilita antwortete, dass Liberale sich zu sehr auf Debatten konzentriert hätten, die weniger das Gemeinwohl, sondern Fragen kultureller Identität betreffen. Diese Identitätsdebatten seien zudem mit starken Emotionen behaftet.
Katarzyna Kasia betonte die Bedeutung neuer Medien für den Kampf um die öffentliche Meinung:
“We will never be able to transmit the values of liberalism if we are losing the channels of information to transmit those values.” Katarzyna Kasia
Christoph Möllers argumentierte, moralische Werte und kulturelle Normen könnten von der Politik nicht produziert oder verordnet werden, wenn sie liberale Werte sein sollen. Liberale Werte müssten von der Zivilgesellschaft hervorgebracht und verteidigt werden.
Er zeigte sich skeptisch gegenüber den Möglichkeiten der wehrhaften Demokratie angesichts eines Wähleranteils von 30 Prozent und mehr für antidemokratische Kräfte.
Garry Kasparov fasste schließlich die mit der Konferenz verbunden Hoffnungen und Aussichten zusammen:
“We are at a critical junction. Because we are at war. We cannot win the war by simply being defensive. We have to come up with a plan. And hopefully this conference will be a contribution in designing the plan to fight back. And to prove the fact: Liberal democrac and market economy are pillars of a successful society.” Garry Kasparov
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