Landes­me­di­en­an­stalten als Zensoren?

Foto: Shutterstock, 360b
Foto: Shut­ter­stock, 360b

Die Landes­me­di­en­an­stalten – haupt­säch­lich verant­wort­lich für Dinge wie die Über­wa­chung des Schleich­wer­be­ver­bots und die Vergabe von Rund­funk­li­zenzen – haben die elek­tro­ni­schen Medien als Betä­ti­gungs­feld entdeckt. Doch neben tatsäch­lich gefähr­li­chen Propa­gan­da­schleu­dern geraten auch seriöse Anbieter in ihr Visier. Es droht staat­liche Zensur, findet Stefan Laurin.

Der Paragraf 19 des neuen Medi­en­staats­ver­trages kommt harmlos daher: „Tele­me­dien mit jour­na­lis­tisch-redak­tio­nell gestal­teten Angeboten“, heißt es da, „in denen insbe­son­dere voll­ständig oder teilweise Inhalte peri­odi­scher Druckerzeug­nisse in Text oder Bild wieder­ge­geben werden, haben den aner­kannten jour­na­lis­ti­schen Grund­sätzen zu entspre­chen.“ Und etwas weiter: „Nach­richten sind vom Anbieter vor ihrer Verbrei­tung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.“ Die Tele­me­dien, gemeint sind zum Beispiel Online-Magazin, Blogs und Youtube-Channels, werden wie die TV- und Radio­sender von den Landes­me­di­en­an­stalten (LMA) beaufsichtigt.

Die wenigsten Betreiber solcher Seiten werden davon überhaupt wissen, denn in der Regel haben sich die LMAs nicht einmal besonders engagiert um ihre tradi­tio­nellen Aufgaben wie das Vorgehen gegen Schleich­wer­bung gekümmert. 

Das hat sich nun geändert. Die 14 Landes­me­di­en­an­stalten, die wie ARD, ZDF und DLF über die Haus­halts­ab­gabe finan­ziert werden, haben durch Paragraf 19 ein neues Betä­ti­gungs­feld für sich entdeckt, dem sie sich mit großer Begeis­te­rung und viel Enga­ge­ment ange­nommen haben: Die Kontrolle von digitalen Medien. PR-trächtig insze­niert widmete man sich erst den bekannten Schmud­de­l­an­ge­boten wie KenFM, einer verschwö­rungs­theo­re­ti­schen Dreck­schleuder, die von dem ehema­ligen RBB-Mitar­beiter Kayvan Soufi Siavash, Nom de guerre „Ken Jebsen“, betrieben wird und eine der erfolg­reichsten Jour­na­lis­mus­si­mu­la­tionen der Republik ist. Bei Siavash geht es oft um bösartige jüdische Unter­nehmer, Schau­er­ge­schichten über Bill Gates und die Corona-Diktatur. Wer kann schon etwas dagegen haben, wenn solchen Gestalten jemand auf die Finger klopft?

Wer glaubte, dass es bei Kontrollen von Angeboten wie KenFM bleibt, musste schnell einsehen, dass er naiv war. 

Nur wenige Tage später wurde das seriöse lokale Kölner Online­an­gebot Report‑K gleich dreifach abgemahnt: Wegen einer angeblich falschen Bild­un­ter­schrift und dem Impressum. Alle Vorwürfe stellten sich als ebenso banal wie unbe­gründet heraus. Das Impressum war korrekt und die angeblich falsche Bild­un­ter­schrift war ebenfalls passend. Das abge­bil­dete Foto einer Pres­se­kon­fe­renz der nordrhein-west­fä­li­schen Landes­re­gie­rung war aktuell und kein Symbol­foto, musste also auch nicht als solches gekenn­zeichnet werden.

Der Fall Report‑K zeigt, was passiert, wenn bislang eher unschein­bare Behörden sich zu Kontroll­organen aufschwingen: Viel Druck auf Betreiber kleiner Angebote, die im Zwei­fels­fall nicht wissen, wie sie sich gegen eine Behörde, die damit droht, ganze Seiten zu löschen, wehren können.

Die LMAs wollen nicht nur Formalien wie das Impressum begut­achten, sie maßen sich auch an, die Arbeit von Jour­na­listen zu beur­teilen und gege­be­nen­falls zu sank­tio­nieren: So wollen die Anstalten künftig die „gründ­liche Quel­len­prü­fung“ kontrollieren.

Aber was ist das, eine „gründ­liche Quellenprüfung“? 

Darüber streiten bis heute die Gerichte. Ist zum Beispiel eine privi­le­gierte Quelle wie ein Minis­te­rium akzep­tabel oder müssen auch dessen Aussagen darüber, ob zum Beispiel eine Orga­ni­sa­tion rechts­ra­dikal oder isla­mis­tisch ist, mehrfach hinter­fragt werden? Juristen sind sich in dieser Frage nicht immer einig. Bei der Frage, ob das Geschlecht nur ein soziales Konstrukt ist, wird man von Biologen andere Antworten als von Gender­ex­perten bekommen – reicht die Expertise zweier Biolo­ginnen oder muss man die Ansichten einer Queer­theo­re­ti­kerin gleich gewichten?

Und wie gründlich können Quellen geprüft werden, wenn man unter hohem Druck steht und aktuell berichtet? Was bedeutet gründlich, wenn man am Rand einer Nazidemo stehend live für einen Ticker berichtet? Bislang haben Redak­tionen und im Zwei­fels­fall Gerichte darüber entschieden, was an Gründ­lich­keit ange­messen war. Nun tun es Landes­me­di­en­an­stalten, die von Parteien und Verbänden kontrol­liert werden. Und sie tun es nicht transparent:

Man weiß nicht, wer kontrol­liert, was die Maßstäbe dieser Menschen sind und kennt auch ihre Quali­fi­ka­tion nicht. 

Der Presserat, das Gremium, dem sich zahl­rei­chen Medi­en­un­ter­nehmen frei­willig ange­schlossen haben, wird nur auf Antrag aktiv, ermahnt bei Verfeh­lungen und bezieht öffent­lich Position. Die Landes­me­di­en­an­stalten ermitteln, wann sie es für nötig halten, sprechen der Einfach­heit halber auch gleich das Urteil und können verlangen, Beiträge zu löschen. Dass sie all dies, wie in einer Pres­se­mit­tei­lung geschrieben, tun, um die „Meinungs­viel­falt zu schützen“, hat Unter­hal­tungs­wert. Rechte werden in einer Demo­kratie von Gerichten geschützt, nicht von irgend­wel­chen Anstalten.

Wenn der Staat oder ihm nahe Insti­tu­tionen, und nichts anderes sind die Landes­me­di­en­an­stalten, sich anschi­cken, Medien zu kontrol­lieren, muss man aufmerksam werden. Seit Bestehen der Bundes­re­pu­blik hat es sich bewährt, dass es keine staat­liche Kontrolle der Presse gibt. Und die pro-forma-Staats­ferne der Landes­me­di­en­an­stalten, bei denen die Besetzung der Spitze regel­mäßig ein Politikum ist und Länder wie NRW schon Gesetze geändert haben, um die Wieder­wahl eines politisch nicht genehmen Anstalts­di­rek­tors zu verhin­dern, reicht nicht aus, um diese Sorge unbe­gründet erscheinen zu lassen.

Textende

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