NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden Botschaften steckt.
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NARRATIV-CHECK
Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.
Was Esoterik Macht
Einführung
Gefühlte Wahrheit – Esoterik zwischen Überwissen, Verschwörungsglaube und extrem rechtem Denken
von Matthias Pöhlmann
Esoterisches Denken ist seit dem 19. und 20. Jahrhundert zu beobachten und hat weltanschauliche Systeme wie die Theosophie oder die Anthroposophie hervorgebracht. Seit den 1980er Jahren ist die Esoterik immer populärer geworden. Besonders weit verbreitet ist heute die Konsum-esoterik mit einem breiten Markt und einer Vielfalt esoterischer Ideen und Praktiken, die sich meist auf individuelle und gesellschaftliche Krisenlagen beziehen. Der esoterische Anspruch auf ein höheres Wissen wendet sich unter anderem gegen die Rationalität der Wissenschaften. Insbesondere seit den Corona-Protesten haben sich deutliche Überschneidungen mit Verschwörungsideologien gezeigt – und Anschlussmöglichkeiten an antisemitisches, rassistisches und antidemokratisches Denken. Die rechte Esoterik als Randbereich alternativer Spiritualität ist hier eine der Triebkräfte.
Engelkarten, Kontakte zu höheren Wesenheiten, Geistheilung und immer wieder Einblicke in höheres Wissen: Heutige Esoterik ist vor allem eine Esoterik des Konsums. Im Angebot sind immer wieder die schönen weichgezeichneten Bilder und Versprechen von ganzheitlichen spirituellen Erlebnissen, umfassendem Heilwerden und intuitiven Erleuchtungserfahrungen.
Heutige Esoterik als Alltagsphänomen und Krisensymptom
Esoterik ist inzwischen ein Milliardenmarkt mit Anbietern, Nutzerinnen und einer unüberschaubaren Zahl von Offerten, Methoden und Devotionalien wie Kraftsteinen, Räucherwerk oder Essenzen. Besondere Umschlagplätze und Werbeforen der esoterischen Vielfalt sind Esoterikmessen. Schlagworte in einschlägigen Programmheften lassen keinen Zweifel an einem umfassenden Angebot für jede Lebenslage: geistiges Heilen durch feinstoffliche Chirurgie, Bewusstseinserweiterung, innerer Frieden, Kontakte zur geistigen Welt, Befreiung aus karmischen Verstrickungen, Naturheilwissen und Versprechen für ein ganzheitliches, gelingendes Leben. Inzwischen lässt sich dieser Trend auch in digitalen Formaten beobachten. Auf Tiktok etwa inszenieren sich Teenager und junge Frauen unter dem millionenfach geklickten Hashtag #WitchTok als Hexen mit magischen Fähigkeiten und verbreiten einen massentauglichen Self-Care-Trend.
Um es vorwegzunehmen: Nicht jedes esoterische Angebot oder dessen Nutzung führt zu Verschwörungsideologien oder in rechtsextrem-ideologisches Terrain. Zugleich ist neben vielem Harmlosen auch Problematisches zu finden. Ein Blick auf den Büchertisch einer Esoterikmesse zeigt: Inmitten esoterischer Literatur findet sich auch die umstrittene > Anastasia-Buchreihe oder Titel des antisemitischen Bestsellerautors Jan Udo Holey alias Jan van Helsing. Wie kommt es dazu? Moderne Esoterik ist offen für Verschwörungstheorien und mit ihnen verbundene Feindbilder. Und sie wendet sich häufig auch gegen evidenzbasierte Medizin, Wissenschaft, Medien und Politik.
Heutige Esoterik scheint auf gesamtgesellschaftliche Trends wie Pluralisierungs- und Individualisierungsprozesse zu reagieren beziehungsweise ihnen zu entsprechen, so dass von einer „Esoterisierung der Gesellschaft“ gesprochen werden kann. Es geht um Heilung, neue Pädagogik, Erfolg, neues Überwissen. Von der Konsumesoterik unterscheidet sich die Systemesoterik, die sich unter dem Aspekt der „Verwissenschaftlichung“ esoterischer Weltanschauungsentwürfe im 19. und frühen 20. Jahrhundert herauszubilden begann.
Systemesoterik im 19. und 20. Jahrhundert: von Theosophie zu Ariosophie
Die moderne Esoterik ist ein Kind des 19. Jahrhunderts, als sich in Europa ein tiefgreifender gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Wandel vollzog. Neue naturwissenschaftliche und technologische Entdeckungen erweiterten den Wissensbestand erheblich, führten aber auch zu einem wachsenden Unbehagen: Die aufklärerische Religionskritik, der Darwinismus und die Naturwissenschaft als neue Weltdeutungsinstanzen sowie die Veränderung des Menschenbildes durch die Psychologie führten zu einer Entfremdung von der christlichen Religion und ihren Kirchen. Angesichts des wachsenden Orientierungsbedarfs verhießen Begegnungen mit anderen Kulturen und Religionen Horizonterweiterung und neuen Sinn.
Diese Sehnsucht nach einer Wiederverzauberung der Welt konkretisierte sich im Aufleben einer esoterischen Religiosität, die von Mystischem, Magischem und Irrationalem geprägt war. Die Konzentration auf den inneren Erfahrungsraum des Menschen eröffnete neue Möglichkeiten für Sinn- und Weltdeutung angesichts vielfältiger Krisenlagen. Als Gegenreaktion zum vorherrschenden Individualismus rückten nunmehr das Natürliche, Vitale, Organische und Gemeinschaftserleben ins Zentrum spiritueller Sinnsuche. Neue weltanschauliche Strömungen auf esoterischer Grundlage wie die anglo-indische Theo-
sophie entstanden in dieser Zeit.
Aus einem Spiritistenzirkel in New York entstand 1875 die > Theosophische Gesellschaft. Deren maßgebliche Initiatorin Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) vermischte spiritistische Grundüberzeugungen, wie Jenseitskontakte und den Beweis eines Lebens nach dem Tod, unter anderem mit hinduistischen und buddhistischen Einflüssen. In ihrer theosophischen „Geheimlehre“ wollte sie den spiritistischen Erscheinungen und dem Wahrheitsgehalt aller Religionen auf den Grund gehen. Dadurch begreift sich die esoterische Theosophie als dritter Weg neben herkömmlichen Wissenschaften und Religionen. Nachhaltige Wirkungen entfaltete diese anglo-indische Theosophie für verschiedene esoterische Richtungen sowie für neureligiöse Bewegungen, u.a. für die > Anthroposophie Rudolf Steiners bis hin zu der im 19. Jahrhundert aufkommenden > Ariosophie, einem Rassismus in esoterischem Gewand.
Deren Vordenker, Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels ersetzten den von der Theosophischen Gesellschaft vertretenen Gedanken einer universalen Bruderschaft durch ein rassistisches Glaubenssystem. Demnach gelten nur Menschen nördlicher indogermanischer Herkunft, sogenannte Arier, als Menschen, die zu geistigem Fortschritt in der Lage seien. Zahlreiche völkisch-religiöse Gruppen der Zwischenkriegszeit griffen diesen Gedanken auf. Diese dezidiert > neuheidnische, christentumsfeindliche Richtung betonte eine „artgemäße Religion“ und vertrat verschwörungsideologisches wie auch antisemitisches Gedankengut. Die Hinwendung zu einer neuen „Natürlichkeit“ speiste sich aus lebensreformerischen Ideen: naturgemäße Lebens- und Heilweise mit Vegetarismus, Freikörperkultur und dem Verzicht auf Suchtmittel. Hieran anknüpfend gewann eine rassistische Blut-und-Boden-Ideologie zunehmend an Bedeutung. Das „artgemäße“ Blut, die „arische Rasse“, wurde nach esoterischem Erkenntnisanspruch zum entscheidenden Kriterium für das eigene Überlegenheitsgefühl gegenüber angeblich minderwertigen Menschen.
Die rassistischen Esoteriker erhofften sich im Nationalsozialismus eine stärkere Anerkennung, die der totale Weltanschauungsstaat den „völkischen Sektierern“ jedoch versagte.
Misstrauen und Konspiritualität
Im Zuge einer Wiederverzauberung der Welt, wie sie die „New Age“-Bewegung Ende der 1970er und in ihrem Gefolge die moderne Esoterik in den 1980er Jahren herbeisehnte, suchten Anhänger neue Erkenntnisse in angeblich unbelasteten indigenen Traditionen – etwa im Schamanismus außereuropäischer Kulturen, bei Offenbarungen und Mitteilungen von Personen und Wesenheiten aus der geistigen Welt. Die Hinwendung zur Intuition, zur spirituellen Innenwelt des Menschen, spielt in der Esoterik eine zentrale Rolle, nachdem die Vernunft als Leitstern der Aufklärung für viele fragwürdig bis obsolet geworden war. Letztlich geht es in der modernen Esoterik um einen besonderen Erkenntnisanspruch auf absolutes Wissen, das sich nur ausgewählten, sensitiven Menschen erschließt oder erschlossen hat. Auf diese Weise adelt sie die potenziellen Kunden zu Auserwählten und Erwachten. Und sie grenzt sich vom wissenschaftlichen Erkenntnisanspruch des sogenannten Mainstreams ab. Ein prägendes Element dieser Entwicklung ist die > Konspiritualität, eine Verschwörungsesoterik, die von starkem Misstrauen geprägt ist. Für viele Esoteriker ist die innere Wahrheit, die im eigenen Bewusstsein liegt, der einzige Kompass. Sie leben in einer gefühlten Wahrheit und kümmern sich nicht mehr um das, was Medien, Politik, Gesellschaft oder andere Instanzen vermitteln.
So nahmen an den Corona-Protesten und Querdenken-Demonstrationen 2020 bis 2022 neben Impfgegnern, Homöopathie- und Naturheilkundefans, Reichsbürgern und Rechtsextremen auch esoterikaffine Personen teil. Rückblickend lassen sich zwischen den Szenen – vor allem im radikalisierten Teil der Bewegung – weltanschauliche Brücken identifizieren, ähnliche Muster, Grundannahmen und Weltdeutungen. So ergibt sich eine von Verschwörungserzählungen und esoterischen Weltbildern geprägte Mischszene. Chiffren wie „NWO“ (New World Order), „Great Reset“, „Globalisten“, Bezüge auf > QAnon, aber auch Themen wie Impfgegnerschaft, die Ablehnung der evidenzbasierten Medizin sowie der Rückgriff auf sogenannte > alternative Heilmethoden bilden einende Narrative und Muster. Inmitten dieser bunten Misstrauensgemeinschaft zeigen sich neben Wissenschaftsskepsis oder Impfkritik auch reichsbürgerideologisches und rechtsextremes Gedankengut.
Seither ist noch deutlicher geworden, dass Esoterik auch ein Protestphänomen darstellt und zum weltanschaulichen Scharnier für Verschwörungsideologien und Feindbilder werden kann. Besonders esoterikaffine Personen wenden sich gegen die Rationalität der Wissenschaften und teilen mit anderen Protestierenden ein grundlegendes Misstrauen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und ihren Institutionen. Esoterik als Protestphänomen und Krisensymptom will daher eigene Alternativen bieten: alternatives Heilwissen, eine Pädagogik der neuen Zeit, alternative Medien, intuitive Wege der Lebensberatung und Weltdeutung.
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Rechte Esoterik
Seit Mitte der 1990er Jahren erlebte eine spezifische Form rechter Esoterik besonders über Bücher, Social Media und Videoplattformen kräftigen Aufwind. Deren Anhänger inszenieren sich über die Verbreitung von Feindbildern und Schwarz-Weiß-Denken als aufgewachte, spirituell Überwissende – immer in Abgrenzung zum verhassten „Mainstream“. Vor allem Social Media und Videoportale bilden die digitalen Echokammern rechter Esoterik, in denen sich gleiche Ansichten gegenseitig verstärken, was wiederum Verschwörungserzählungen anfacht. Mit der Bezeichnung „rechte Esoterik“ soll in Anlehnung an den Begriff „Neue Rechte“ ein informelles Netzwerk von Personen, Bewegungen und Gruppen bezeichnet werden, in dem esoterikaffine, antiliberale und verschwörungsideologische Kräfte zusammenwirken. Sie bedienen sich esoterischer Ideen, um antiliberales und antidemokratisches Gedankengut zu verbreiten.
Es gibt hierzulande eine Vielzahl rechtsesoterischer, „alternativer“ Medien und Verlage, die dieses Gedankengut intensiv verbreiten. Die Anbieter treten als esoterische Überwisser auf. Sie berufen sich auf höhere Erkenntnis oder angeblich von Wissenschaft und „Mainstream“ unterdrückte, obskure Quellen. Mit ihrem vorgeblich auf übersinnlichem Wege gewonnenen höheren Erkenntnismodell wenden sie sich gegen die Vernunft und gegen wissenschaftsbasierte Theorien insgesamt. Sehr häufig ist von „Erwachen“ die Rede, ein Begriff, der auch in rechten Bewegungen wie QAnon eine wichtige Rolle spielt. Von einer höheren Warte aus glauben erleuchtete Wissende, die Dinge grundlegend anders einschätzen zu können. „Erwachte“ fühlen sich der Gesellschaft, der Gemeinschaft, der Religion und dem Staat enthoben – und damit grundsätzlich als unbestechlich und nicht manipulierbar.
Rechte Esoterik wendet sich gegen die herkömmliche Geschichtsdeutung als Form einer angeblich aufgezwungenen Weltdeutung, gegen die als „Lügenpresse“ diskreditierten Medien, denen unterstellt wird, Erfüllungsgehilfen der Mächtigen zu sein, und gegen etablierte politische Parteien als Verkörperung des abgelehnten „Mainstreams“. Auch deshalb sind rechte Esoteriker vielfach auf „alternativen“ Videoplattformen oder Telegram unterwegs – um einer angeblich drohenden Zensur zu entgehen. Oftmals wird damit geworben, die eigenen Meldungen seien unzensiert und andere würden eben diese Informationen verschweigen. So hat sich inzwischen eine digitalisierte, „alternativ-mediale“, rechtsesoterische Parallelwelt gebildet. Videoplattformen wie bewusst.tv (Jo Conrad) oder dieunbestechlichen.com (Jan Udo Holey) erweisen sich als effiziente digitale Echokammern, die Verschwörungstheorien und den Hass auf das System massiv befeuern. Hier zeigt sich auch, dass es vor allem in den Randbereichen der Esoterik eine große Offenheit für illiberales und antipluralistisches Gedankengut gibt. Jenseits des Digitalen sind dafür die Bücher der umstrittenen völkisch-esoterischen Anastasia-Bewegung ein Beispiel: Sie schließen an Ideen der Esoterik, Ökologie, neuen Lebensformen und des neuen Lernens an und verbreiten gleichzeitig rassistische, antisemitische, frauenfeindliche Einstellungen.
Die oftmals als unpolitisch empfundene Esoterik-Szene weist bei genauerem Hinsehen erkennbare braune Flecken auf. Bislang wird dieser Teil der Szene unterschätzt. Die fließenden Übergänge von rechter Esoterik zur Reichsbürger-Bewegung wurden zum Beispiel im Dezember 2022 offensichtlich, als die reichsbürgerideologische, rechtsextreme Terrorzelle „Vereinte Patrioten“ um Heinrich XIII., Prinz Reuß in einer bundesweiten Polizei-Razzia aufflog. Eine der führenden Personen, die ehemalige Richterin und ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann vertritt esoterisches und QAnon-Gedankengut. Die Terrorgruppe hatte für ihre, nach dem Staatsstreich geplante „Schattenregierung“ sogar einen Beauftragten für Spiritualität und Naturheilkunde sowie für „Transkommunikation“ vorgesehen. Die personelle Vernetzung innerhalb der rechts-esoterischen Szene ist von außen oft schwer zu durchschauen, doch aus inhaltlichen Überschneidungen ergeben sich oftmals vielfältige antidemokratische Allianzen.
An diesem Beispiel wird in erschreckender Weise deutlich, wie rechtsesoterisches Gedankengut zum ideologischen Motor für Hass, Gewalt und antidemokratische Gesinnung werden kann. Rechte Esoterik und ihre Protagonisten liefern das weltanschauliche Reservoir für antisemitische, verschwörungsideologische und menschenverachtende Einstellungen. Die oftmals skurril anmutende und unbedarft wirkende esoterische Fassade führt dazu, dass die Szene häufig unterschätzt wird – trotz des im Kern höchst problematischen Gedankengutes. Gerade angesichts vielfältiger gesellschaftlicher und politischer Krisenlagen braucht es in Zukunft mehr Aufklärung über diese Szene.
Matthias Pöhlmann, Dr. theol., Kirchenrat, ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie Lehrbeauftragter für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität sowie an der Universität der Bundeswehr München. Er veröffentlichte zu Religions- und Weltanschauungsfragen, zuletzt 2021: „Rechte Esoterik. Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen“.
GLOSSAR
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Alternative Heilmethoden (auch Alternativmedizin)
Als „alternative Heilmethoden“ gelten Behandlungsansätze jenseits der Schulmedizin. Die Bandbreite ist groß und reicht von Homöopathie über Bach-Blütentherapie bis zu anthroposophischer Heilkunde. Die Wirksamkeit der Anwendungen ist meist weder wissenschaftlich noch pharmakologisch belegt. Die Natur gilt oft als Ursprung des menschlichen Organismus und steht im Zentrum eines „ganzheitlichen“ Ansatzes, der von der Einheit von Körper, Geist und Seele ausgeht. So sollen bestimmte Ansätze einen als gestört identifizierten Energiefluss des Körpers wiederherstellen und zur Heilung beitragen. Viele „alternative Heilmethoden“ sind umstritten – wegen direkter gesundheitlicher Risiken, dem eventuellen Versäumen notwendiger Therapien, genereller Skepsis gegenüber medizinischer Diagnostik oder Versatzstücken aus verschwörungsideologischen oder > antimodernen Ideologien.
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Anastasia – die Buchreihe
Die zehnbändige fiktive Romanreihe „Anastasia – Die klingenden Zedern Russlands“ des russischen Autors Wladimir Nikolajewitsch Megre ist zwischen 1996 und 2010 erschienen. Sie handelt von der jungen Frau Anastasia, die abseits der Zivilisation in der russischen Taiga allein im Wald lebt, in idealtypischer geistiger Verbindung mit Natur, Tieren und Kosmos. Das urbane Leben wird mit diesem Ideal des naturnahen, spirituellen Daseins kontrastiert. Ebenso finden sich regressive Anleitungen zum Geschlechterverhältnis, Gesundheit oder Kindererziehung. „Anastasia“ verbreitet nicht nur einen reaktionären Lebens- und Gesellschaftsentwurf, sondern auch antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Ansätze, die an rechtsextreme Ideologien anschließen.
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Anthroposophie
bezeichnet eine von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete esoterische Weltanschauung mit wissenschaftlichem Selbstverständnis. Basierend auf Schriften und Vorträgen Steiners, wird eine ganzheitliche und übersinnliche Deutung des Kosmos, der Menschheit und der Menschheitsentwicklung beschrieben. Obwohl Steiner anfangs eng mit der > Theosophischen Gesellschaft verbunden war, kam es 1913 zur Abspaltung und Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Bis heute finden anthroposophische Prinzipien in Praxisfeldern wie Pädagogik (> Waldorfschulen), Landwirtschaft, Medizin und Architektur Anwendung. Ab den 2000er Jahren gab es immer wieder Debatten um Rassismus und Antisemitismus in Steiners Werk.
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Ariosophie
ist eine im 19. Jahrhundert aufkommende geistige Strömung, in der sich esoterisch-okkulte Vorstellungen der > Theosophischen Gesellschaft mit völkisch-rassistischen und antisemitischen Gesinnungen vermischten. Die Ariosophie findet okkulte Begründungen für die Ungleichwertigkeit von Menschen und beschwört die Wiedererweckung einer mystischen „arischen Heldenrasse“ durch eugenische Praktiken. Besondere Bedeutung erhalten germanische Runenschriften, in denen laut Ariosophie ein uraltes Geheimwissen verborgen sei, welches sich „Arier“ durch Körperhaltungen in Runenform aneignen könnten.
Konspiritualität (auch Conspirituality, Verschwörungsspiritualität)
bezeichnet eine Verschmelzung von Verschwörungsmentalität und Esoterik. Verbindendes Element ist der Glaube daran, dass alles miteinander in Verbindung stehe. Die Weltsicht ist geprägt durch den Dualismus von Gut und Böse, Licht und Schatten sowie die Überzeugung, dass eine im Geheimen agierende Gruppe versuche, die Welt zu kontrollieren. Konspiritualität ermöglicht die Politisierung von Esoterik und ist ein Verbindungsglied zu Antisemitismus und Rechtsextremismus. Die Grundskepsis gegenüber „offiziellen“ Darstellungen wird häufig mithilfe von Fehlinformationen und dem Rückgriff auf „alternative“ Wissensquellen untermauert.
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Neuheidentum (auch Neopaganismus)
ist ein Sammelbegriff für verschiedene Bewegungen, die sich ab dem 19. Jahrhundert meist auf vorchristliche Naturreligionen zurückbesinnen und diese teilweise neu interpretieren. Zentral dabei sind die Wahrung, Förderung und Verbreitung nicht-christlichen Glaubens und Brauchtums, häufig begleitet von esoterisch-okkulten Praktiken wie Runen-Orakeln, Naturmagie oder Astrologie. Neuheidnische Gemeinschaften können politisch liberal eingestellt sein und sich für progressive Themen wie Feminismus oder Umweltschutz einsetzen. Jedoch zeichnen sich bestimmte Bewegungen wie die „Artgemeinschaft“ immer wieder durch ihre > antimoderne bis rechtsextreme Orientierung und manifesten Rassismus und Antisemitismus aus.
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QAnon
ist eine Verschwörungstheorie mit rechtsextremem Hintergrund, die in den USA entstanden ist. Der anonyme Nutzer „Q“ veröffentlichte 2017 angeblich exklusive Informationen, wonach Donald Trump den „tiefen Staat“ einer geheimen Elite bekämpfen würde. Mit der Behauptung vom Blutkult eines weltumspannenden Geheimbundes nutzt QAnon rechtsextreme und antisemitische Versatzstücke. Auch im deutschsprachigen Raum ist die Verschwörungserzählung verbreitet. Blogs oder Messenger-Kanäle unterschiedlicher Reichweite nehmen auf sie Bezug. Insbesondere über Elemente der > Konspiritualität wird systematisch an rechte Esoterik angeknüpft. So bezogen sich der antisemitische Verschwörungsideologe Jan Udo Holey (alias Jan van Helsing) oder auch der rechte Esoteriker Jo Conrad auf Q‑Erzählungen.
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Theosophische Gesellschaft
Die Theosophische Gesellschaft wurde 1875 von Helena P. Blavatsky (1831–1891) mitbegründet. Ihre okkulte anglo-indische Theosophie gilt als einflussreichste neuzeitliche Esoterikbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und ist von der gleichnamigen mystisch-religiösen Theosophie zu unterscheiden. Blavatskys esoterische „Geheimlehre“ ist von spiritistischem Denken sowie hinduistischen und buddhistischen Vorstellungen beeinflusst. Sie vermittelt eine übersinnlich erfahrbare Weltanschauung, die die Essenz aller großen Religionen und Philosophien in sich vereine. Elemente, wie die Vorstellung kosmischer „Menschenrassen“ (Wurzelrassen) wurden von anderen Strömungen wie > Anthroposophie und > Ariosophie übernommen und weiterentwickelt.