NARRATIV-CHECK

Was hinter radika­li­sie­renden Botschaften steckt.

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NARRATIV-CHECK

Was hinter radikalisierenden
Botschaften steckt.

Popkultur von rechts

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Mode
Fashion und Faschismus

von Kira Ayyadi

Popkultur von rechts
Mode
Fashion und
Faschismus

von Kira Ayyadi

Ästhetik und Mode spielen für rechts­extreme Szenen eine wichtige Rolle. Sie können nach innen Gemein­schaft stiften und nach außen abgrenzend wirken oder menschen­feind­liche Inhalte trans­por­tieren. Rechts­extreme Mode orien­tiert sich dabei an popkul­tu­rellen Trends und wandelt sich.

Soziale Zusam­men­hänge und Subkul­turen funktio­nieren über Kleidung, Symbole und Codes, auch im Rechts­extre­mismus. Von eindeutig neona­zis­ti­schen Aufdrucken auf Shirts bis hin zu subtilen Symbolen, die zunächst politisch unver­dächtig erscheinen – die extreme Rechte hat sich einen eigenen Markt geschaffen, der unter­schied­liche Geschmäcker bedient und Mode aus der Szene für die Szene produziert.

Nach innen fungiert rechte Mode als Erken­nungs­zeichen, nach außen kann sie einschüchtern. Besonders auffällig sind jene Kleidungs­stücke, die die menschen­feind­liche Ideologie direkt als Bild oder Text trans­por­tieren – etwa durch die Ikono­grafie eines Wehrmachts­sol­daten oder Zahlen- und Buchstaben-Kombi­na­tionen als Code für Adolf Hitler oder das Haken­kreuz. Den einen extrem rechten Style gibt es jedoch nicht. So mannig­faltig die extrem rechte Szene ist, von klassi­schen Neonazis über völkische Siedler*innen bis zu Verschwö­rungs­gläu­bigen, so vielfältig ist auch ihre Mode.

Glatze, Sprin­ger­stiefel, Bomber­jacke: rechts­extreme Gewalt in den 1990ern

Dennoch können wir sagen, dass sich rechts­extreme Insze­nierung immer an bestimmten Trends orien­tiert und insbe­sondere bei jungen Menschen verfängt. Anfang der 1990er-Jahre, als Neonazis Pogrome und Attentate in ganz Deutschland verübten, kombi­nierten sie kahlge­schorene Köpfe und Bomber­jacken mit weiß geschnürten Sprin­ger­stiefeln. Eine Ästhetik mit Bezügen zur Arbei­ter­klasse, die aus der vormals unpoli­ti­schen bis linken Skinhead-Kultur aus Großbri­tannien übernommen worden ist. Dieser Stil stand fortan symbo­lisch für neona­zis­tische Ästhetik und war untrennbar mit rassis­ti­schem Hass und tödlicher Gewalt verbunden.

Übernahme linker Symbolik

In den 2000er-Jahren war die Optik der Neonazi-Formation Autonome Natio­na­listen (AN) szene­prägend. Ihre Mitglieder gaben sich bewusst antibür­gerlich und grenzten sich von neona­zis­ti­schen Parteien, wie der damaligen NPD ab. Sie brachen damit aus den strengen, auch Kleidung und „Sitten“ vorschrei­benden Dogmen anderer Gruppie­rungen aus: Die AN traten meist schwarz gekleidet auf, trugen längere Haare und Piercings. In der Ästhetik orien­tierte sich die extreme Rechte hier an der links-autonomen Szene. So gingen die AN besser in der Masse der Jugend­kul­turen auf und refor­mierten das bisher prägende Bild des glatz­köp­figen Neonazis.

Neonazis verein­nahmen Popkultur: die „Neue Rechte“

Seit Mitte der 2010er-Jahre sind insbe­sondere Organi­sa­tionen, Personen und Gruppie­rungen der > „Neuen Rechten“ um die AfD für einen Großteil der demokra­ti­schen Gesell­schaft nur schwer als extreme Rechte zu erkennen. Ihre Kleidung, häufig bemüht bürgerlich und spießig, etwa mit bügel­freien Hemden, Polo-Shirts und Pullunder in gedeckten Farben, soll Berüh­rungs­ängste vermindern und Anschluss­fä­higkeit für ihre radikale, > völkische Ideologie erleichtern. Mit einer angestrebten Retra­di­tio­na­li­sierung der Gesell­schaft wird bewusst auch eine alter­tüm­liche völkische Optik bedient. Männer wie Frauen kombi­nieren beispiels­weise Trachten-Elemente mit popkul­tu­reller Mode.

Martin Sellner etwa, ehema­liger Sprecher der rechts­extremen Identi­tären Bewegung, tritt stets im Polohemd oder eng anlie­genden Shirt auf. Den Scheitel trägt er akkurat zur Seite gekämmt. Ein Stil, der durchaus dem Zeitgeist entspricht und den junge Fans gerne nachahmen. Ganze Modelabels im Umfeld der „Neuen Rechten“ bieten ähnliche Kleidung an und orien­tieren sich stilis­tisch an den popkul­tu­rellen Konjunk­turen, die sie zu verein­nahmen verstehen. Egal ob Freizeit­ak­ti­vi­täten, Musik, Video­games oder eben Mode: Die Optik versucht modern, humoris­tisch, avant­gar­dis­tisch und intel­lek­tuell zu wirken.

Revival rechts­extremer Jugendkultur?

Nach dem Ende der Corona-Maßnahmen wurde ein neuer Trend sichtbar: Neona­zis­tische und neofa­schis­tische Gruppen von Jugend­lichen, darunter etliche Minder­jährige, stellen ihre Gesinnung und ihre Gewalt­be­reit­schaft im öffent­lichen Raum wieder offen zur Schau. Sie sind zu Sprin­ger­stiefel, Bomber­jacke und Glatze zurück­ge­kehrt. Menschen­ver­ach­tende Slogans und Symbolik werden auf Kleidung und Haut gezeigt, oft in Anlehnung an die Flagge des Kaiser­reichs in den Farben Schwarz, Weiß, Rot. Auf Demons­tra­tionen, die sich zurzeit insbe­sondere gegen queere Lebens­welten richten, treten sie vornehmlich einheitlich schwarz gekleidet und vermummt auf. Auch Jogging­anzüge und unpoli­tische Marken aus dem Sport und Outdoor-Bereich wie New Balance, North Face, Ellesse und Adidas sind vielfach zu sehen.

Dieser Stil erinnert nicht nur an die 1990er-Jahre, er nimmt direkt auf sie Bezug und verherr­licht so die sogenannten Baseball­schläger-Jahre (s. auch Artikel „Rechte Welten in den 1990er-Jahren und ihre Folgen“), die mit rassis­ti­schen Pogromen und Todes­opfern einher­gingen. Dieser Look war nie ganz weg, wurde gesell­schaftlich aber geächtet und nur noch in den Provinzen und auf neona­zis­ti­schen Veran­stal­tungen offen gezeigt. Die neue alte neona­zis­tische Insze­nierung zeugt von einem großen Selbst­be­wusstsein der Szene und soll bewusst einschüch­ternd wirken.

Neben dem optischen Revival der 1990er-Jahre wie auch der Neonazi-Formation AN, ist der derzeitige Look sehr sportiv und verweist auf eine generelle Gewalt­be­reit­schaft. Dabei handelt es sich um bequeme Kleidung, häufig Marken aus der rechts­extremen Kampf­sport-Szene, in der man sich gut bewegen und im Zweifelsfall auch kämpfen kann. Schwarze Windbreaker und Vermum­mungen sollen auf Demons­tra­tionen zudem die Wieder­erkennung des Einzelnen erschweren und vor Identi­fi­zierung schützen. Auch dieses Erschei­nungsbild ist nicht neu und findet sich in anderen Subkul­turen wieder, etwa in linken Szenen oder bei sogenannten Ultra-Fans im Fußball.

Das Versprechen von Stärke im rechts­extremen Kollektiv

Angesichts des in den letzten Jahren vermehrten Auftretens sehr junger Rechts­extremer sowie der Wahler­folge der AfD bei Erst- und Jungwähler*innen kann man sich fragen, ob Rechts­extre­mismus als Jugend­kultur zurück­ge­kommen ist. Das Versprechen einer rechts­extremen Gemein­schaft, trans­por­tiert auch über Mode, scheint bei vielen jungen Menschen zu verfangen. Rechts­extreme Akteur*innen haben es geschafft, Angebote zu machen, die insbe­sondere in Krisen­zeiten viele Menschen ansprechen. In einer kompli­zierten Welt geben sie eine einfache Antwort: ‚Nur in der Gemein­schaft bist du stark und wir bieten dir diese Gemein­schaft‘. Ein rechts­extremer Kollek­tiv­ge­danke, der verbunden ist mit einer klassi­schen Vorstellung von Männlichkeit und Stärke. In den vergan­genen Jahren konnte beobachtet werden, wie erfolg­reich besonders die „Neue Rechte“ jugend­liche Trends aufgreift. Demokra­tische Kräfte dürfen dieses Feld nicht den Rechts­extremen überlassen, sondern müssen verstehen, was junge Menschen bewegt und sie anspricht.

 

Kira Ayyadi ist Redak­ti­ons­mit­glied bei Belltower.News, der Infor­ma­tions-Plattform der Amadeu Anotonio Stiftung. Sie schreibt und recher­chiert zur rechts­extremen Szene und zur Neuen Rechten.

GLOSSAR

Kultu­relle Hegemonie 

ist ein Begriff aus dem Werk des italie­ni­schen Marxisten Antonio Gramsci. Er bezeichnet damit in der Gesell­schaft zustim­mungs­fähige Ideen. Die > Neue Rechte eignet sich Gramscis damit verbundene Strategie an und sieht, solange sie keine Massen­be­wegung hinter sich hat, die Erlangung der „Diskurs­hoheit“ als takti­sches Ziel. Konkret geht es um die Veran­kerung eigener Positionen in öffent­lichen Debatten – zum Beispiel durch publi­zis­tische Aktivitäten.
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Neue Rechte

bezeichnet eine Strömung zur Erneuerung des Rechts­extre­mismus in Abgrenzung zur am Natio­nal­so­zia­lismus orien­tierten „alten“ Rechten. Ausgangs­punkt ist die Nouvelle Droite um den Philo­sophen Alain de Benoist. Ideolo­gische Elemente sind die Ablehnung von Indivi­dua­lismus, Libera­lismus, Parla­men­ta­rismus und gesell­schaft­licher Vielfalt sowie Vorstel­lungen eines homogenen, hierar­chi­schen und autori­tären Staats. Die Neue Rechte bezieht sich u. a. auf autoritäre Denker der „Konser­va­tiven Revolution“ wie des Faschismus, um eigene Positionen im öffent­lichen Diskurs zu verankern (> „Kultu­relle Hegemonie“).
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Völki­sches Denken

bezeichnet eine radikal-natio­na­lis­tische Weltan­schauung, welche eine homogene „Volks­ge­mein­schaft“ total setzt und indivi­duelle Rechte und Inter­essen unter­ordnet. Grundlage ist ein rassis­ti­scher, antise­mi­ti­scher und antide­mo­kra­ti­scher Volks­be­griff aus dem 19. bis 20. Jahrhundert. Völkische Strömungen sind prägend für einen Teil des heutigen Rechts­extre­mismus..