Antiliberale Internationale – Alexander Dugins Pakt mit den Fundamentalisten im Iran
Iran und Russland verfolgen gemeinsame geopolitische Interessen. Der blutige Krieg in Syrien zeigt das Tag für Tag. Doch die beiden Länder verbindet mehr als das. Der iranische Journalist Reza HaghighatNejad hat recherchiert, wie der Philosoph Alexander Dugin seit Jahren antiwestliche Netzwerke mit iranischen Geistlichen knüpft. Sein Ziel ist der ideologische Brückenschlag zwischen russischem Traditionalismus und schiitischem Fundamentalismus. Und es scheint, als stünden Dugin alle Türen offen.
Alexander Geljewitsch Dugin ist in Iran ziemlich bekannt. Dugin selbst sagt, er sei in den letzten 20 Jahren immer wieder in Iran gewesen. Rechtskonservative Medien im Land stellen ihn eifrig als einflussreiche intellektuelle Kraft dar.
Wovon Dugin am liebsten spricht, ist der Aufbau einer Koalition aus Russland, der Türkei, China, Indien, Iran und den osteuropäischen Ländern, damit diese sich den USA und der Europäischen Union entgegenstellen können – die Verwirklichung Eurasiens. Durch ein solches Bündnis soll Russland noch mächtiger werden, als es die Sowjetunion je war.
Der 55-jährige Dugin ist orthodoxer Christ, sein Vater war General im sowjetischen Militärgeheimdienst GRU. In westlichen Medien gilt er als gefährlicher Aufrührer, Kriegstreiber und Verfechter von Faschismus und Nazismus. 2014 verlor Dugin seinen Posten als Leiter des Instituts für Soziologie der Moskauer Staatlichen Universität. Vorausgegangen waren Vorwürfe, er habe einen Völkermord in der Ukraine anstacheln wollen, indem er prorussische Separatisten aufrief, zu „töten, töten, töten“. Das Finanzministerium der USA setzte ihn auf eine Sanktionsliste. Dennoch blieb er ein einflussreicher ideologischer Kopf in Russland und einem internationalen Netzwerk antiwestlicher Bewegungen und Parteien.
In Iran wird er als „Putins Hirn“ und als großer russischer Philosoph gefeiert. Er ist Anführer der neoeurasischen Bewegung, die eine Ideologie aus dem frühem 20. Jahrhundert aufgreift: Eurasier lehnen die moderne westliche Weltsicht und die Demokratie ab und propagieren eine autoritäre und russlandzentrierte Zivilisation. Darüber hinaus sind Eurasier der Ansicht, dass Russlands Kulturerbe stärker mit der asiatischen als der europäischen Kultur verwandt sei. In seinem 2009 erschienen Buch „Die vierte politische Theorie“ argumentiert Dugin, dass Liberalismus, Faschismus und Sozialismus ihre Legitimität verloren hätten, und entwirft eine neue politische Ideologie: den Eurasianismus.
Für Dugins Popularität in Iran ist aber entscheidend, dass angenommen wird, er übe Einfluss auf den russischen Präsidenten aus. So veröffentlichte das Internetportal Mashregh News einen Artikel, in dem es hieß: „[…] jeder Versuch, Putin verstehen zu wollen, muss damit beginnen, Dugin zu verstehen […]“.
Mohammad Kazem Anbarlouei, Chefredakteur und Leitartikler der Achmedinedschad-freundlichen Zeitung Resalat, bezeichnet Dugin als die Frucht jener „reinen Saat“, die Ajatollah Ruhollah Chomeini in Russland im Jahr 1989 ausgetragen habe. Chomeini schrieb dem sowjetischen Staatschef Gorbatschow in einem Brief: „[…] es ist jederman klar, dass der Kommunismus weltweit nun ins Museum für politische Geschichte gehört.“ Der Materialismus bewahre die Menschheit nicht vor dem Verlust des Glaubens, der das grundlegende Gebrechen der Gesellschaften in Ost und West sei. Gorbatschow sei empfohlen, den Islam zu studieren und von ihm zu lernen.
Die zweite Ankunft
Dugin wird gern von iranischen Hardlinern zitiert. Im vergangenen Jahr schrieb ein Ultrakonservativer, dass Dugin zufolge das schiitische Fest Al-Arbaʿun, mit dem das Ende der vierzigtägigen Trauer für den Imam Hussaïn begangen wird, der im 7. Jahrhundert von den Truppen des Kalifen Jazid I. ermordet worden war, ein Zeichen für das „Ende aller Zeiten“ sei und von der „Zweiten Ankunft“ des Messia künde. Auch der Journalist und Filmemacher Nader Talebzadeh, Regisseur des iranischen Films Der Messias, berief sich auf Dugin, als er forderte, Chomeini solle wieder an die russische Führung schreiben, womit er nahelegte, die russische Führung brauche abermals eine spirituelle Nachhilfe aus dem Iran.
In den letzten Jahren ist Dugin regelmäßig in den Iran eingeladen worden, gewöhnlich von Hardlinern und Organisationen, die in Verbindung zu den Revolutionsgarden stehen, etwa von der Zeitung Javan, dem staatlichen Fernsehsender Ofogh („Horizont“) oder vom Internetportal Raja News. Im Frühjahr 2015 wurde Dugin vom Regisseur Talebzadeh als Sondergast zur Dritten „Neue Horizonte“-Konferenz über „Die Brutalität der US-Politik gegenüber Afroamerikanern“ eingeladen.
Auch der Journalist und Theologe Mehdi Nasiri ist Dugin-Fan. Nasiri, der ähnliche Ansichten vertritt wie Talebzadeh, bezeichnet sich als „Antiphilosophen“, der sich gegen die Annahmen abendländischer Philosophie wendet. Seine Kernthese ist, dass die westliche Philosophie mit der Scharia unvereinbar sei, weil sie das Individuum hervorhebe und Gott in Frage stelle. Bei seiner Reise nach Teheran führte Dugin 2015 lange Gespräche mit Nasiri. Und er schritt neben Nasiri und Talebzadeh in einer Prozession anlässlich von Al-Arbaʿun durch die Straßen Teherans.
Das „Haus des Satans“
Während seines Besuches traf sich Dugin auch mit Ajatollah Mohammad Mahdi Mir-Bagheri, dem Leiter der Islamischen Theologischen Hochschule in Ghom. Die Hochschule ist eine religiöse Einrichtung, die seit ihrer Gründung 1980 darüber forscht, wie eine Gesellschaft nach den Regeln der Schia organisiert werden kann. Ajatollah Sayyid Mohammad Mahdi Mir-Bagheri ist Mitglied des Expertenrats, der den Revolutionsführer wählt. Mir-Bagheri gilt als Hardliner.
Während der Begegnung bezeichnete Dugin die Moderne als „Satan“, den Westen als „angestammtes Haus des Satans“ und Iran als die „Hauptbasis im Krieg gegen die Moderne“. Er sagte, Russland müsse wie der Iran dem Modell „Rückkehr zur Tradition“ folgen. Dugin rief dazu auf, eine „Brücke“ zwischen den iranischen Geistlichen und russischen Traditionalisten zu bauen.
Bei dem Treffen pries Dugin auch eine Reihe westlicher Philosophen. Er hob hervor, dass ein Studium der westlichen Philosophie mit den Werken Carl Schmitts beginnen müsse. Ebenso erwähnte er René Guénon und Martin Heidegger als antimoderne Denker. Dugin berichtete, er habe Guénon und Heidegger ins Russische übersetzt, um seinen Landsleuten zu zeigen, dass es auch im Westen Autoren gibt, die gegen die Moderne anschreiben. Er regte an, ein Werk über Mahmud Ahmedinedschad auf Russisch zu verfassen – als ersten Baustein jener Brücke zwischen Geistlichen und Traditionalisten.
Wovon Dugin aber am liebsten spricht, ist der Aufbau einer Koalition aus Russland, der Türkei, China, Indien, Iran und den osteuropäischen Ländern, damit diese sich den USA und der Europäischen Union entgegenstellen können – die Verwirklichung Eurasiens. Durch ein solches Bündnis soll Russland noch mächtiger werden, als es die Sowjetunion je war. „Bedenkt man, dass Länder wie die Türkei und Saudi-Arabien Werkzeuge der USA in der Region sind“, sagte Dugin der Zeitung Javan am 17. März 2010, „dann kann Iran ein Verbündeter Russlands werden“.
Dugin betrachtete Wladimir Putin zunächst als Führer, der die Vision Eurasien verwirkliche. Dann wuchsen Zweifel: „Die eine Hälfte von Putin ist mit uns, die andere nicht“, sagte er 2015 in Teheran. „Im Innern Putins vollzieht sich ein Kreuzzug zwischen Gut und Böse, und wir Außenstehenden unterstützen seine Seite der Gerechtigkeit und des Lichts“. Den vakanten Posten nehmen nun Mahmud Ahmedinedschad und Ajatollah Chamene‘i ein. Dugin meint, die gegen Iran verhängten Sanktionen belegten, dass sich Ahmedinedschad auf dem richtigen Weg befunden habe. „Ich schätze Ahmedineschad wegen seines Konservativismus, und weil er gegen den Westen ist.“ „Ich glaube, dass das meiste, was er auf der internationalen Bühne getan hat, richtig und angemessen war. Als er Präsident war, schlug ich dem iranischen Botschafter in Moskau vor, dass über Ahmedinedschad ein Buch geschrieben werden sollte, mit einem ausführlichen Interview und mit einigen geopolitischen und politischen Schlussfolgerungen am Ende […].“
„Gottes Wille am Werk“
Ajatollah Chamene’i aber sei die „beste Lösung“, um sich dem Westen entgegenzusetzen. „Wenn er hilft, den Westen zu besiegen, dann bin ich sicher, dass wir diese Arena stolz und als Sieger verlassen werden“, sagte Dugin, weil „im Zentrum der Statthalterschaft des [islamischen] Rechtsgelehrten [des religiösen Oberhaupts von Iran] Gottes Wille am Werk ist“.
Dugin nimmt gegenüber dem iranischen Oberhaupt eine schmeichlerische Haltung ein, indem er dessen Idee vom „verborgenen Imam“ [dem schiitischen Messias] und der islamischen Republik in Schriften und Reden erörtert. Während er zuvor von einem eurasischen Bündnis zwischen Russland und Iran sprach, sagt er heute, dass die islamische Revolution eine globale Revolution sei, ein „Wunder“, das „den Weg der Menschheit ändern wird, fort von dem abartigen Weg“, und das sie „ein inspirierendes Modell ist, dem man folgen müsse“.
Dugin möchte zwar Chamene’is Hilfe, wenn es darum geht, den Westen niederzuringen, räumt aber ein, dass er [Dugin] hinsichtlich der Annäherung von Iran und Russland noch nicht erfolgreich war. „Ich habe bei den Iranern keine positive Haltung gegenüber den Russen angetroffen“, sagte er 2015 in einem Interview [für Mashregh News; erschienen auf Persisch]. „Junge Iraner sind nicht sonderlich interessiert, Russland kennenzulernen. Vielleicht sollten wir nach einem Schlüssel suchen, um die Tür zwischen den beiden Ländern zu öffnen. Ich habe mich die vergangenen 20 Jahre für dieses Ziel eingesetzt, muss aber eingestehen, dass ich nicht sehr erfolgreich war“.
Natürlich ist Dugin überzeugt, dass hieran Liberale Schuld tragen: „Liberale Kräfte, die den Westen unterstützen […] sagen: ‚Traut Russland nicht‘. Das sind die Worte der Feinde Irans und Russlands. [Deren] fünfte Kolonne hat das Ziel, diese Koalition bis zum Ende aller Tage zu zerstören“.
Der Text erschien zuerst auf IranWire und wurde vom Autor für LibMod aktualisiert
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