Säkularismus auf dem Rückzug – Trumps vergifteter Nachlass
In den einstmals säkularen USA gewinnen religiöse Fundamentalisten immer mehr an Einfluss, wie zuletzt das Abtreibungsurteil zeigte. Trump hat in seiner Amtszeit 120 konservative Richter:innen eingesetzt und so könnte vom Supreme Court auch das Wahlrecht zugunsten der Konservativen geändert werden.
Während Amerika und der Welt immer deutlicher vor Augen tritt, dass Donald Trump von langer Hand den Coup am 6. Januar 2021 vorbereitet hat und somit eigentlich des Hochverrats angeklagt werden muss, bereitet sich seine Republikanische Partei auf den nächsten Schlag gegen Amerikas Demokratie vor. Perspektivisch gesehen haben die Ultra-Konservativen eigentlich keine Chance mehr, das Weiße Haus für sich einzunehmen. Die demographische Entwicklung in dem Staat geht weg vom weißen, protestantischen, angelsächsischen Idealwähler, den die so genannte “Grand Old Party” verkörpern will. Amerika wird bunter, diverser, und – anders als alle anderen Industrienationen dank der Einwanderung – auch jünger.
Um überhaupt noch eine Chance zu haben, bedienen sich die Republikaner deshalb eines unlauteren Tricks, eines neuen Zuschnitts von Wahlbezirken, der ethnische Minderheiten marginalisiert und weiße Wählerinnen bevorzugt. Dieses “gerrymandering” verstößt gegen das 14. Amendement der US-Verfassung. Nun aber, da der Oberste Gerichtshof von politisierten Personen besetzt ist und drei liberale Richter einer Phalanx von sechs Republikanern gegenübersitzen, steht zu befürchten, dass die Verfassung geändert und eine Rechtsprechung, die das Gerrymandering verbietet, annulliert werden wird. Donald Trump hat in seiner Amtszeit 120 konservative Richter und Richterinnen bestellt. Jene von ihnen, die am Obersten Gericht, dem Supreme Court, sind, werden auf Lebenszeit bestimmt.
Jüngst haben die Konservativen mit einer ideologischen, in den USA häufig mit einer fundamentalistischen Religiosität einhergehenden Grundierung, die vielen Europäerinnen, Göttin sei Dank, völlig fremd geworden ist, gezeigt, auf welchen Pfad sie das Land setzen wollen. Frauen haben nun kein Recht auf Abtreibung mehr. Jetzt entscheiden die einzelnen Bundesstaaten, ob sie Abtreibungen erlauben wollen oder nicht. Die Bibelfundamentalisten jubeln und gehen sogar so weit, dass sie Frauen, die eine Abtreibung legal in einem anderen Bundesstaat durchführen lassen, an ihrem Wohnort bestrafen lassen wollen.
Die USA, die einst als erstes säkulares Projekt der Moderne gestartet sind, verkehren sich so in eine Art Theokratie, deren Hohepriester die Obersten Richter und deren Akolythen republikanische Amtsträger sind. Präsident Joe Biden sollte von der republikanischen Inquisition gesteinigt werden, weil er als Politiker eine Gesetzgebung unterstützt hatte, die Frauen eine Wahl einräumte, ihre Schwangerschaft fortzusetzen oder abzubrechen. Auch rechte Kreise der katholischen Kirche, der Joe Biden angehört, bliesen in dieses Horn, und wollten Joseph vom Empfang der Sakramente ausschließen lassen.
Die Hardliner am Obersten Gericht haben nun Blut geleckt und wollen den Umbau der Gesellschaft weiter vorantreiben. Als nächstes könnten sie sich die Ehe für alle vornehmen, die in den Augen vieler extremer Gläubiger ein Gräuel ist – 40 Prozent von ihnen glauben übrigens, dass Gott, nach dem Text des Buches Genesis, die Welt in sechs Tagen erschaffen habe.
Insofern unterscheidet sich die Besetzung des Obersten US-Gerichtshofes von der eines Landes wie Deutschland. Wenn dort Richterposten “politisch” vergeben werden, so gilt doch zweifellos – gleich ob eine Richterin ein CDU- oder ein SPD-Parteibuch bei Amtsantritt abgibt – der Vorrang des weltlichen Rechts. In den USA treiben fanatische Kräfte eine Talibanisierung der Gesellschaft voran. Dies geht einher mit der Diskriminierung ganzer Gesellschaftsgruppen, die wissentlich und willentlich aus Gründen des eigenen Machterhalts von den Republikanern vorangetrieben wird.
Das Jahr 2024 wird zu einer Wasserscheide, denn dann könnte Donald Trump, sollte er bis dahin nicht wegen Hochverrats und anderer Verbrechen angeklagt werden, wieder der Herzenskandidat der Republikaner werden. Der US-amerikanischen Demokratie, die allein schon aufgrund der obszönen Ungleichheit in der Gesellschaft nur noch ein Schatten ihres besten Selbst ist, würde das den Todesstoß versetzen.
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