Vielfältig, bunt, inspi­rierend: LibMod beim Café Kyiv 2025

Inzwi­schen hat sich „Café Kyiv“ als eine der großen jährlichen Ukraine-Veran­stal­tungen etabliert: Es ist zum zentralen Ort des Austau­sches und Netzwerkens geworden, ein Meeting-Point für alle Unter­stützer der Ukraine. Während zum selben Zeitpunkt Wolodymyr Selenskyj in Saudi-Arabien Verhand­lungen mit den Ameri­kanern führte, ging es im Berliner Kino Colosseum in zahlreichen Panels und Diskus­si­ons­for­maten um die Themen Sicherheit, Freiheit und Wieder­aufbau der Ukraine. Auch LibMod war in diesem Jahr mit gleich drei Veran­stal­tungen sowie einem Gastbeitrag bei dem von der Konrad-Adenauer-Stiftung organi­sierten Event dabei.

Panel 1
Crimea: Peninsula of Fear

Die Situation der Krim und insbe­sondere der indigenen Bevöl­kerung der ukrai­ni­schen Halbinsel, der Krimta­taren, war Thema der von der Gesell­schaft für bedrohte Völker organi­sierten Veran­staltung „Krim: Halbinsel der Angst“: Umrahmt von einer Filmprä­sen­tation („Die Krimta­taren: Geschichte, Politik, Kultur“) wurde das in Kürze im ibidem-Verlag erschei­nende Buch „Ukrainian Voices“ vorgestellt.

Viktoria Savchuk, Referentin beim Zentrum Liberale Moderne führte durch das anschlie­ßende Exper­ten­ge­spräch, das nicht nur die sich zunehmend verschlim­mernde Menschen­rechtslage auf der Krim zum Thema hatte, sondern dabei vor allem auf die besonders bedroh­liche Situation der Krimta­taren blickte. Diese werden von den russi­schen Besatzern in beson­derer Weise bedroht, sie werden verfolgt, vernichtet und es wird versucht, ihre Kultur auszu­lö­schen. Suleiman Mamutov, krimta­ta­ri­scher Aktivist, brachte die aktuell-politische Bedeutung der Krimta­taren auf den Punkt:

„Der Mythos, dass die Krim russisch ist, kann sehr einfach und schnell wiederlegt werden: Durch die bloße Existenz der Krimta­taren und ihrer Historie.“ (Suleiman Mamutov)

Umso wichtiger sei es, Bewusstsein und Wissen zu schaffen für die Krimta­taren, nicht nur für ihre Kultur und Geschichte, sondern auch für ihre aktuelle Situation und Verfolgung.

Panel 2
Powering Through Crisis

Um die Energie­ver­sorgung in der Ukraine ging es in unserem, gemeinsam mit Berlin Economics veran­stal­teten, Diskus­si­on­s­panel „Powering Through Crisis – Lessons from Last Winter and the Importance of Energy Security”:

Seit der russi­schen Vollin­vasion im Februar 2022 ist insbe­sondere die Energie­infra­struktur der Ukraine Ziel der russi­schen Zerstörung. Damit wird in erster Linie die ukrai­nische Zivil­be­völ­kerung getroffen, Energie­knappheit und Blackouts sind für sie an der Tages­ordnung. Doch hat es das Land geschafft, seine Energie­infra­struktur in Teilen immer wieder aufzu­bauen und nicht nur das, es hat auch Wege gefunden, diese resili­enter zu gestalten und dank Innova­tionen unabhän­giger von den russi­schen Angriffen zu werden.

Resilienz…

Roman Andarak, stell­ver­tre­tender Minister für Energie der Ukraine sowie Inna Sovsun, Mitglied der Werchowna Rada, blickten auf den vergan­genen Winter zurück: Trotz apoka­lyp­ti­scher Szenarios habe man diese Zeit relativ gut überstanden. Yuliia Burmis­tenko, Leiterin der Energie­holding DTEK erklärte das resiliente Vorgehen der Ukrainer mit den Worten

“Despite the daily attacks, just don’t stop and don’t be distracted by the noise. Instead: Keep going.” (Yuliia Burmistenko)

Eine Haltung, mit der die Ukrainer nicht nur den ständigen Angriffen durch Russland trotzen, sondern es darüber hinaus auch noch schaffen, ihr Energie­system inmitten des Krieges umzubauen. Andarak betonte, die Ukraine habe Potential, zukünftig erneu­erbare Energien für Europa zu liefern. Nicht nur deshalb seien die russi­schen Angriffe eine Gefahr für ganz Europa.

…und Innovation

Ralf Fücks, der die Exper­ten­dis­kussion moderierte, betonte, die Ukraine könne das Rückgrat für die grüne Energie­trans­for­mation in Europa sein.

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Mehr Infor­ma­tionen

Cyriac Massué, leitender politi­scher Referent des Bundes­mi­nis­te­riums für Wirtschaft und Klima­schutz, betonte, dass vorrangig Luftver­tei­digung für die Energie­si­cherheit zentral sei. Deutschland habe seit Beginn der Vollin­vasion 75 Millionen Euro in die Energie­si­cherheit der Ukraine gesteckt. Nun ginge es darum, russische Angriffe dadurch abzufangen, dass die Energie­ver­sorgung dezen­tra­li­siert werde. Durch den Wegfall der Hilfen aus den USA sei man gezwungen, Priori­täten zu setzen.

Rouven Stubbe, Berater bei Berlin Economics, betonte seiner­seits die Bedeutung von Luftver­tei­digung sowie Infor­ma­ti­ons­aus­tausch und wies auf den Fortschritt in der Zentra­li­sierung der Strom­erzeugung hin.

Dabei, so Yuliia Burmis­tenko, seien Erneu­erbare von zentraler Bedeutung und sie wies auf den rasanten Fortschritt hin: Wahrscheinlich werde man früher als geplant aus der Kohle­ver­stromung aussteigen. Krieg, so Burmis­tenko, sei keine Entschul­digung dafür, keine guten Inves­ti­tionen zu tätigen. Dafür brauche es Markt­re­formen. Gemeinsame Inves­ti­tionen könnten in Zukunft den besten Schutz bieten. Dazu müssten auch die Bezie­hungen zu den USA wieder verbessert werden. Es sei die gemeinsame Aufgabe der Ukraine und der EU, eine neue Energie­infra­struktur zu schaffen. Die Ukraine verfüge wie kein anderes Land über Wissen dazu, wie ein solches Energie­system abgesi­chert werden könne.

Ralf Fücks beschloss die sehr zukunfts­ori­en­tierte und konstruktive Diskussion mit den Worten:

„Ich bin sehr beein­druckt davon, wie die Ukraine nicht nur überlebt und den russi­schen Angriffen trotzt, sondern wie das Land es darüber hinaus inmitten des Krieges auch noch schafft, Reformen und Innova­tionen voran­zu­bringen. Die Ukraine ist damit ein Vorbild für Europa.” (Ralf Fücks)

Panel 3
German-Ukrainian Stories

Lange, viel zu lange, war die Ukraine für viele Menschen in Deutschland ein fernes und zudem ein unbekanntes Land. Dabei sind die Bezie­hungen zwischen beiden Ländern viel enger und vielschich­tiger als gemeinhin bekannt, und: Sie reichen über den Ersten und Zweiten Weltkrieg hinaus, wie der Blick in die Historie und die mit ihr verbun­denen zahlreichen persön­lichen Geschichten zeigen: Diese persön­lichen Erzäh­lungen, Fragmente einer gemein­samen Vergan­genheit, werden in einer vom Zentrum Liberale Moderne zusammen mit dem ibidem-Verlag veröf­fent­lichten Antho­logie („Deutsch-Ukrai­nische Geschichten – Bruch­stücke aus einer gemein­samen Vergan­genheit“) nun sichtbar und erlebbar gemacht.

Das Buch ist dem Gedenken an zwei heraus­ra­gende Frauen in den deutsch-ukrai­ni­schen Bezie­hungen gewidmet, die beide im Herbst 2024 in der Blüte ihres Schaffens verstorben sind: Der Histo­ri­kerin Julia Obertreis sowie Iryna Solonenko, der Programm­di­rek­torin Ukraine beim Zentrum Liberale Moderne.

Gemeinsam stellten wir den Erzählband beim „Café Kyiv“ vor und disku­tierten zusammen mit geladenen Experten: mit dem Histo­riker Jan Claas Behrends (Europa Univer­sität Viadrina), der Histo­ri­kerin Gelinada Grinchenko von der LMU und der Natio­nalen Univers­tität Dnipro. Außerdem dabei waren Oksana Mikheieva, unter anderem Profes­sorin für Sozio­logie in Lwiw sowie unter anderem Mitglied der Taras Shevchenko Scien­tific Society und der Ukrainian Socio­lo­gical Association sowie Marie­luise Beck, Osteu­ro­pa­ex­pertin und Senior Fellow am Zentrum Liberale Moderne. Der Politik­wis­sen­schaftler Andreas Umland, Analyst am Stockholm Center for Eastern European Studies, moderierte die Veranstaltung.

Marie­luise Beck brachte die Lage auf den Punkt:

„Wir sind noch weit davon entfernt, eine unver­fälschte Perspektive auf die ukrai­nische Geschichte zu erhalten. Die Bezie­hungen zwischen der Ukraine und Deutschland haben eine lange Geschichte, die größten­teils tragisch und gewalt­tätig war: Da ist die Schoa, da sind die Zwangs­ar­beiter während des Zweiten Weltkriegs. Die Großel­tern­ge­neration hat Dinge gesehen, über die sie lieber nicht sprechen möchte.“ (Marie­luise Beck)

Auch aufgrund dieser Unwis­senheit, seit die Ukraine in Deutschland immer wieder als nicht eigen­stän­diges Land gesehen worden.

Oksana Mikheieva betonte, das Buch erzähle nicht etwa syste­ma­tisch die Geschichte der Ukraine, sondern sei eine Sammlung persön­licher Geschichten, von Fragmenten der großen natio­nalen Historie. Die asymme­trische Beziehung zwischen der Ukraine und Deutschland im Zweiten Weltkrieg halte Lehren für die Gegenwart bereit. Denn noch immer nähmen Menschen die Ukraine im Schatten Russlands und der UdSSR wahr. Das Buch beginne im 19. Jahrhundert, doch die Beziehung reiche noch viel weiter zurück.

Gelinada Grinchenko zeigte sich froh darüber, Teil des Buchpro­jekts gewesen zu sein.

„Das Buch erzählt nicht etwa Tragödien, sondern persön­liche Geschichten der Verbun­denheit mitein­ander. Damit werden Türen nicht nur in die Geschichte geöffnet, sondern zu den Menschen, die diese Bezie­hungen geprägt haben.“ (Gelinda Grinchenko)

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Immer wieder stand die Ignoranz des Westens gegenüber der Ukraine, ihrer Kultur und Geschichte im Fokus. Jan Claas Behrends wies daraufhin, dass bis heute im öffent­lichen Diskurs die Sowjet­union Russland als Synonyme verwendet würden. Nun sei es an der Zeit, in der deutschen Öffent­lichkeit Aufmerk­samkeit zu erregen und Bewusstsein zu schaffen.

Dazu trägt auch diese Veröf­fent­li­chung einen Teil bei. Moderator und Ukrai­ne­ex­perte Andreas Umland wies darauf hin, dass die von LibMod mither­aus­ge­ge­benen Bücher Teil der Insti­tu­tio­na­li­sierung der Ukraine-Studien in Deutschland seien – eine Entwicklung, die die auch durch die Arbeit der Viadrina, der MLU München, der Ukraine Denkfabrik in Regensburg und anderen Partnern in den letzten Jahren Aufwind erhalten hat.

Panel 4
Die Anzie­hungs­kraft der EU für die Ukraine, Moldau und Georgien

Den Blick nicht nur in die Ukraine, sondern in weitere osteu­ro­päische Länder hinaus richtete unser Panel, das sich mit der Anzie­hungs­kraft der EU für die Beitritts­länder Ukraine, Moldau und Georgien ausein­an­der­setzte. Es disku­tierten: Knut Abraham, CDU-Mitglied des Auswär­tigen Ausschusses im Bundestag, Zaahl Andro­ni­kasvili, Wissen­schaft­licher Mitar­beiter am Leibniz-Institut für Literatur- und Kultur­for­schung; außerdem Ljudmyla Melnyk, Präsi­dentin der Deutsch-Ukrai­ni­schen Gesell­schaft sowie Martin Sieg, Strate­gi­scher Berater in Chisinau. Khatia Kikalishvili, Direk­torin des Programms „Östlicher Partner­schaft“ des Zentrum Liberale Moderne, moderierte die Veranstaltung.

Was also bedeutet eine EU-Mitglied­schaft für die Ukraine, für Moldau, für Georgien, alles Länder, die drohen von Russland einver­leibt zu werden? Ljudmyla Melnyk beant­wortete diese Frage mit einem persön­lichen Verweis – auf ihre Großmutter. Die sei für zehn Jahre in den Gulag verbannt worden, aufgrund von Willkür. Die Ukrai­ne­rinnen und Ukrainer wüssten aus Erfah­rungen wie diesen, die zahlreiche Menschen gemacht hätten, was Werte Rechts­staat­lichkeit und Demokratie bedeuten. Ihnen ginge es genau darum. Derzeit aber ginge es noch um mehr: Um das eigene Überleben. Denn die Ukraine habe keine andere Wahl, als Mitglied der EU zu werden. Andern­falls würde sie von der Landkarte radiert.

Zaal Andro­ni­kashvili blickte nach Georgien, wo Hunder­tau­sende auf die Straßen gehen, um gegen eine Regierung zu protes­tieren, die durch Wahlma­ni­pu­lation an die Macht gekommen sei.

„Es ist so, dass die Menschen in Georgien die EU mit ihrer Freiheit verbinden. Die EU steht für Reformen, sie steht für Freiheit. Die Menschen in Georgien haben sich entschieden: Sie wollen nicht Teil eines autokra­ti­schen Regimes sein, sie wollen Teil eines Rechts­staates sein. Das ist eine politische Entscheidung, es ist eine Werte-Entscheidung, sie hat mit Wohlstand nichts zu tun. Es gibt auch andere Modelle, um an Wohlstand zu kommen. Hier aber geht es um eine politische Zukunft in einem freien Rechts­staat. Dafür kämpfen die Menschen.“ (Zaal Andronikashvili)

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Und auf die Situation in Moldau schauend, meinte Martin Sieg, auch hier ginge es um Demokratie und Rechts­staat­lichkeit, aller­dings sei die Situation in Moldau unein­deu­tiger, weil sich viele Menschen in der Situation einge­richtet hätten. Man habe dort Demons­tra­tionen gegen die EU gesehen, aller­dings seien die Demons­tranten dafür bezahlt worden. Bei den pro-europäi­schen Demons­tra­tionen hingegen seien die Menschen auf die Straße gegangen, ohne dafür bezahlt zu werden – und zwar in größerer Anzahl.

Er verwies darauf, dass es auch für den Zentral- und Westeuropa proble­ma­tisch sei, wenn Osteuropa zu einer Grauzone werde, in der sowohl politische Akteure als auch Oligarchen mit wirtschaft­lichen Inter­essen einfluss­reicher würden.

Knut Abraham fügte hinzu:

„Die Erwei­terung der EU ist ja keine Charity-Veran­staltung, sondern es liegt in unserem ureigensten Interesse, die Ukraine, Moldau und Georgien in die EU aufzu­nehmen. Das ist auch in unserem deutschen, im europäi­schen Interesse. Denn wenn der Osten Europas eine Grauzone ist, die für zwielichtige Geschäfte genutzt wird, ist das auch ein Problem für uns. Die Stabi­lität des Ostens Europa durch eine EU-Mitglied­schaft ist daher in unserem ureigensten Interesse.“ (Knut Abraham)

Und, er ergänzte: Es sei auch in unserem eigenen geopo­li­ti­schen Interesse, diese Länder in die EU aufzu­nehmen, insbe­sondere durch die aktuelle Situation mit den USA. Denn nicht nur die Nato, auch die EU enthalte eine bindende Beistands­ver­pflichtung und sei damit ein Garant für die Sicherheit in Europa.

Eine trotz der Beiträge aus verschie­denen Länder­per­spek­tiven sehr einstimmige Diskussion, die klar machte: Den EU-Beitritts­kan­di­daten geht es um eine Mitglied­schaft in einer Werte­ge­mein­schaft. Von ihrem Beitritt profi­tieren nicht nur sie, sondern das gesamte EU-Bündnis.

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