Appell der Deutsch-Ukrai­ni­schen Histo­ri­schen Kommission an den Deutschen Bundestag

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal – ein Anlass zum Gedenken, aber auch zur Selbst­re­flexion. Während Russland den Sieg von 1945 für seinen Angriffs­krieg gegen die Ukraine instru­men­ta­li­siert, rückt ein lange verdrängter Teil der Geschichte in den Fokus: die deutsche Besat­zungs­herr­schaft in der Ukraine. Die Deutsch-Ukrai­nische Histo­rische Kommission fordert eine klare Anerkennung der histo­ri­schen Verant­wortung Deutsch­lands – und daraus folgend entschlossene Unter­stützung für die Ukraine im Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung.

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal. Doch während wir dieses histo­rische Datum begehen, tobt seit mehr als drei Jahren ein neuer Krieg auf europäi­schem Boden: Russlands brutaler Angriffs­krieg gegen die Ukraine. Präsident Putin missbraucht die Erinnerung an den „Großen Vater­län­di­schen Krieg“, um seine Aggression gegen die Ukraine zu recht­fer­tigen und die Unter­stützung der russi­schen Bevöl­kerung zu sichern. Die Instru­men­ta­li­sierung des Sieges im Zweiten Weltkrieg hat so den Boden für diesen neuen Krieg bereitet.

Länder wie die Ukraine, die balti­schen Staaten und Polen haben seit Langem auf die aggressive Nutzung der Geschichte des 9. Mai 1945 in Russland hinge­wiesen. Doch in der deutschen Erinne­rungs­kultur wurden die Wahrneh­mungen und Erfah­rungen dieser Nationen lange Zeit vernach­lässigt. Die weitver­breitete, aber irrefüh­rende Gleich­setzung der Millionen sowje­ti­schen Kriegs­opfer mit russi­schen Opfern führte zu einer einsei­tigen histo­ri­schen Schuld­wahr­nehmung, die vor allem auf Russland fokus­siert war.

Vor diesem Hinter­grund ruft die Deutsch-Ukrai­nische Histo­rische Kommission den Deutschen Bundestag auf, sich klar zur histo­ri­schen Verant­wortung Deutsch­lands gegenüber der Ukraine zu bekennen.

Fakten zur deutschen Besat­zungs­herr­schaft in der Ukraine

  • Die gesamte Ukraine stand unter brutaler deutscher Besatzung, geprägt von Ausbeutung, Terror und syste­ma­ti­scher Gewalt.
  • 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden wurden in der Ukraine ermordet, ebenso Zehntau­sende Romnja und Roma sowie kranke und behin­derte Menschen.
  • 2,2 Millionen Ukrai­ne­rinnen und Ukrainer wurden zur Zwangs­arbeit nach Deutschland deportiert.
  • Mehr als 600 ukrai­nische Ortschaften wurden unter deutscher Besatzung vollständig zerstört, viele samt ihrer Einwoh­ne­rinnen und Einwohnern ausgelöscht.
  • Ungefähr 8 Millionen Ukrai­ne­rinnen und Ukrainer wurden für die sowje­tische Armee mobili­siert und stellten ein Viertel der sowje­ti­schen Streitkräfte.
  • Die Bevöl­ke­rungs­ver­luste der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs werden auf insgesamt 8–10 Millionen Menschen (Zivilisten und Militär­an­ge­hörige) geschätzt.

Die Menschen in der Ukraine waren im 20. Jahrhundert staat­lichem Terror und Gewalt durch die zwei großen verbre­che­ri­schen Regime der europäi­schen Geschichte dieses Jahrhun­derts ausge­setzt, dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutschland und der Sowjet­union unter Stalin. Diese doppelte Dikta­tur­er­fahrung prägt den histo­ri­schen Erfah­rungs­hin­ter­grund vieler Ukrai­ne­rinnen und Ukrainer bis heute.

Fortge­setztes Unrecht

Das Ausmaß der katastro­phalen Zerstö­rungen und Menschen­ver­luste der Ukraine im Zweiten Weltkrieg wurde im sowje­ti­schen Kontext verschleiert. In Deutschland wurden viele Täter nach 1945 für ihre Besat­zungs­ver­brechen in der Ukraine nie zur Rechen­schaft gezogen. Diese fehlende juris­tische Aufar­beitung der Verbrechen in der Bundes­re­publik stellt eine Fortsetzung des Unrechts gegenüber den Opfern dar.

Unser Appell

Wir fordern den Bundestag auf, die notwen­digen Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene Würdigung der Opfer der von NS-Deutschland in der Ukraine began­genen Massen­ver­brechen in der deutschen Erinne­rungs­kultur zu befördern. Deutschland muss seine histo­rische Verant­wortung gegenüber der Ukraine anerkennen.

Die histo­rische Verant­wortung gegenüber der Ukraine verpflichtet Deutschland dazu, die Unter­stützung der Ukraine zu verstärken, damit sie die russische Aggression abweisen, die Okkupation ukrai­ni­scher Terri­torien beenden und ihre Selbst­be­stimmung als Nation erhalten kann. Es sind die histo­ri­schen Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, dass Grenzen nicht mit Gewalt verändert werden dürfen und dass Demokratie, Rechts­staat­lichkeit und die Gleich­be­rech­tigung der Staaten und Nationen gegenüber den Feinden dieser Ordnung verteidigt werden müssen. Die gegen­wärtige europäische Ordnung beruht auf diesen Grund­sätzen. Es wäre ein erneutes histo­ri­sches Versagen, wenn Deutschland nicht alles in seiner Macht Stehende tun würde, um sie zu verteidigen.

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