Aufgedeckt: Das deutsche Netzwerk der Hisbollah
Die von vielen westlichen Staaten als Terrororganisation anerkannte Hisbollah war in Deutschland öffentlich hauptsächlich bei antisemitischen Demonstrationen sichtbar. Till Schmidt zeigt, wie ihr Netzwerk in Verbände reicht, mit denen Bundesländer Staatsverträge unterhalten.
Jahrelang glichen sich die Bilder: Zum Ende des Ramadan demonstrierte eine schaurige Allianz von islamistischen Antisemiten in Berlin für die Zerstörung Israels. Auf den „Al-Quds“-Aufmärschen wurden nicht nur Fahnen der Islamischen Republik Iran und der palästinensischen Nationalbewegung, sondern regelmäßig auch die der Hisbollah gezeigt. Darauf zu sehen ist eine sich aus dem „A“ von „Allah“ austreckende Faust, die ein Maschinengewehr hält. Daneben lehnt ein Koran, ein Globus verweist auf den Anspruch der libanesischen Terrororganisation, auch weltweit zu operieren.
2016 wurde das Zeigen von Hisbollah-Emblemen durch den Berliner Innensenator verboten, ein grundsätzliches Verbot der seit 1996 in Berlin stattfindenden Demonstration immer wieder diskutiert. Die Aktivitäten von Hisbollah-Mitgliedern sind hierzulande allerdings bei weitem nicht auf die Teilnahme an Demonstration beschränkt. Im Gegenteil: kritische NGOs wie das American Jewish Committee (AJC) weisen seit langem auf über Jahrzehnte „breit gewachsene Strukturen“[1] der Hisbollah in Deutschland und Europa hin.
Machtfaktor nicht nur im Libanon
Insgesamt verfügt die Hisbollah über ein globales Netzwerk von Anhängern in Nordamerika, Lateinamerika, Afrika und Europa. Das ermöglicht ihr, jederzeit weltweit Terroranschläge zu verüben. Momentan nutzt die „Partei Gottes“ diese Verbindungen aber vor allem zur Generierung von finanziellen Mitteln, wofür sie sich nachweislich der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels und der Geldwäsche bedient. Anschaulich dokumentiert hat diese weitverzweigten Aktivitäten der Terrorismusforscher Matthew Levitt in einem multimedialen Mapping-Projekt.[2]
Gegründet wurde die Hisbollah 1982 während des libanesischen Bürgerkrieges durch den Iran. Schon damals strebte die Islamische Republik danach, in anderen Ländern des Nahen Ostens Regime nach ihrem Vorbild zu installieren. Mitglieder der Hisbollah verübten bereits kurz nach ihrer Gründung aufsehenerregende Terroranschläge. Öffentlich bekannt unter ihrem heutigen Namen wurde die Terrororganisation jedoch erst einige Jahre später.
Aufgrund massiver materieller und finanzieller Unterstützung durch den Iran avancierte die Hisbollah zu einer der mächtigsten Milizen im libanesischen Bürgerkrieg. Nach dessen Ende begann sie, sich aus taktischen Gründen auch an Wahlen zu beteiligen. Durchaus mit Erfolg, bis heute ist die Terrororganisation an der libanesischen Regierung beteiligt. Immer wieder scheute die Hisbollah auch nicht vor Gewalttaten zurück, wenn sie ihren Einfluss vor Ort gefährdet sah. So sind Hisbollah-Mitglieder im Fall der Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Jahr 2005 dringend tatverdächtig.
Antisemitismus in Wort und Tat
Für den Nachbarstaat Israel, dessen strategisch wichtige Golanhöhen auch an den Libanon grenzen, ist die Hisbollah eine massive Bedrohung. 2006 hatte die Hisbollah durch einen Angriff auf eine israelische Militär-Patrouille sowie der Verschleppung von zwei IDF-Soldaten einen 30-tägigen Krieg angezettelt. Darüber hinaus reicht ihr enorm großes, über 150.000 Geschosse umfassendes Raketenarsenal in den gesamten jüdischen Staat bis hinunter nach Eilat. Als weitere enorme strategische Herausforderung kommt dazu der Einsatz und die Präsenz von tausenden Hisbollah-Mitgliedern im Krieg in Syrien aufseiten des Diktators Bashar al-Assad.
Dass auch die Hisbollah genauso wie der Iran langfristig die Zerstörung Israels anstrebt, macht sie regelmäßig unmissverständlich deutlich. Verhandlungen, Gespräche oder sogar Friedensverträge, wie etwa jüngst die Abraham-Abkommen mit mehreren arabischen Staaten, lehnen beide ab. Ihre Ideologie ist von einem eliminatorischen Antisemitismus bestimmt, der vom modernen Judenhass wie auch von klassischen Topoi islamischer Judenfeindschaft geprägt ist. Sendungen des – in Deutschland seit 2008 verbotenen – Hisbollah-Fernsehsenders „Al Manar“ oder Reden ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah dokumentieren dies.
Die von Antizionisten oft ins Feld geführte feinsäuberliche Trennung zwischen Judentum und Zionismus bemüht die Hisbollah indes nicht. Dies zeigen nicht nur Statements der Gruppe oder Äußerungen von Generalsekretär Nasrallah, sondern auch die lange Liste der von der Hisbollah verübten, versuchten oder geplanten Anschläge. Diese richteten sich mitunter auch gegen kurdische Oppositionelle wie etwa 1989 in Wien oder 1994 in Berlin, vor allem aber gegen israelische sowie jüdische Einrichtungen und Einzelpersonen. Eines der bekanntesten Attentate der Hisbollah ist der Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994. Bei diesem Anschlag starben 80 Menschen, über 300 wurden verletzt.
Betätigungsverbot und Razzien in Deutschland
In den letzten Jahren wurde die Hisbollah vielerorts als Terrororganisation verboten, so etwa in den USA, Kanada, den Niederlanden, vom Golf-Kooperationsrat, von der Arabischen Liga, Japan, Israel sowie von Großbritannien. Die Europäische Union entschied sich 2013 für eine Aufspaltung der Hisbollah in einen legalen politischen und einen verbotenen militärischen Arm. Begründet wurde dies mit einer angeblichen Gefahr für die diplomatischen Beziehungen zum Libanon, die von einer vollständigen Klassifizierung als Terrororganisation ausgehe. Kritiker*innen wie Matthew Levitt beurteilen diese Trennung jedoch als realitätsverzerrend und kontraproduktiv.[3]
In Deutschland rechnen die Sicherheitsbehörden 1.050 Personen zur Hisbollah, im aktuellen Bundesverfassungsschutz-Bericht wird sogar eine Zahl von 1.250 aufgeführt.[4] Seit dem Betätigungsverbot vom März 2020 durch das Innenministerium kann Vermögen eingezogen werden, und Hisbollah-Kennzeichen dürfen nun nicht mehr gezeigt werden. Begleitet wurde das Verbot von Razzien in Berlin, Bremen, Münster und Dortmund, wo die Polizei vier Vereine, die als Teilorganisationen der Hisbollah gelten, Moscheen sowie Wohnungen durchsuchte. Aktuell werden die beschlagnahmten Datenträger noch immer ausgewertet, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion vom Mai 2021 mit.[5]
Eine der Organisationen ist die schiitisch-islamistische Al-Mustafa-Gemeinschaft e.V. in Bremen. In den Jahresberichten des Landesverfassungsschutzes wird die Gemeinde seit langem ausführlich beschrieben. So ist die Gemeinde verwickelt in Geldsammlungen für die Hisbollah. Laut Landesverfassungsschutzberichten 2019 und 2020 sind etwa 50 Hisbollah-Anhänger in der Al-Mustafa-Gemeinschaft organisiert. Auf Veranstaltungen komme es immer wieder zu antiisraelischen Redebeiträgen, Huldigungen des iranischen Regimes sowie zu Bezügen zur Hisbollah.[6]
Staatsverträge in Bremen und Hamburg
Brisant ist, dass die Al-Mustafa-Gemeinschaft zu den Gründungsmitgliedern der Schura e.V. gehört. Hierbei handelt es sich um eine Vereinigung mehrerer muslimischer Organisationen, darunter auch vier Gemeinden der islamistischen Bewegung Milli Görus, die der Bundesverfassungsschutz seit Jahren, der Bremer Landesverfassungsschutz aber seit 2013 nicht mehr beobachtet.[7] 2013 hat die Bremer Landesregierung mit der Schura – sowie mit Ditib und dem Verband der islamischen Kulturzentren (IKZ) – einen Staatsvertrag geschlossen. Dieser sogenannte „Islamvertrag“ machte die drei Verbände zu den zentralen Ansprechpartnerinnen in islamischen Angelegenheiten. Perspektivisch streben die Verbände den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechtes an.[8]
Auch in Hamburg gibt es mit dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) eine seit langem vom Bundes- und Landesverfassungsschutz beobachtete schiitisch-islamistische Institution. „[I]n führender Position“ wirke das IZH in einem ebenfalls Schura genannten Zusammenschluss zahlreicher Moschee-Trägervereine, mit dem das Land Hamburg einen Staatsvertrag unterhält. Auf Bundesebene sind Vertreter des IZH im „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD) aktiv. Den Sicherheitsbehörden zufolge ist das IZH ideologisch und finanziell eng mit dem iranischen Regime verbunden und war lange Zeit offen am Al-Quds-Tag in Berlin beteiligt. Zudem verkehren auch in den Räumen des IZH regelmäßig Hisbollah-Anhänger.[9]
Folgenlose Umsetzung des Verbots
Der Direktor des AJC Berlin, Remko Leemhuis, hält es daher für „wenig überzeugend“, dass die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen zur Umsetzung des Hisbollah-Betätigungsverbotes antwortete, es liegen „keine Erkenntnisse“ über die Verquickung des IHZ mit dem iranischen Regime vor. Leemhuis erklärt sich das mit einem „Primat der Außenpolitik“. Demnach wolle die Bundesregierung gegenüber dem Iran grundsätzlich, aktuell aber insbesondere vor dem Hintergrund der Verhandlungen über eine Erneuerung des Atom-Abkommens JCPOA nicht allzu sehr auf Konfrontation gehen.
Innenpolitikerin Irene Mihalic, die die Kleine Anfrage der Grünen maßgeblich verantwortete, kritisiert das Betätigungsverbot als „bisher vor allem symbolischen Akt“. Denn es sei zu „keinem wirklichen Schlag gegen die Szene“, zu „keinem Rückgang der Aktivitäten der Hisbollah oder der Vernetzung ihrer Anhänger in Moscheen“ gekommen. Mihalic fordert, dass die Analysefähigkeiten der Sicherheitsbehörden in Bezug auf Islamismus massiv verbessert und diese auch in die Lage versetzt werden müssen, den Geldströmen der Hisbollah gerade auch im Bereich der Organisierten Kriminalität besser und genauer zu folgen. Auf EU-Ebene plädiert Mihalic für Aufnahme der gesamten Hisbollah auf die Terrorliste und ein insgesamt besser koordiniertes Vorgehen.
Dass das Hisbollah-Betätigungsverbot bislang weitgehend folgenlos blieb, bestätigen auch die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP.[10] Zwar hatte Innenminister Seehofer drei Vereine, die Spenden für eine Hisbollah-Stiftung gesammelt haben sollen, im Mai 2021 verboten. Ein Jahr nach dem Betätigungsverbot deutet jedoch insgesamt wenig auf eine umfassende und nachhaltige Bekämpfung Aktivitäten und Strukturen der Hisbollah in Deutschland hin. Es ist zu hoffen, dass der Mitte Juni vom Bundesinnenministerium neu eingesetzte Expertenkreis, der Erscheinungen des Islamismus analysieren und Handlungsempfehlungen entwickeln soll, dem entgegenwirkt.[11]
[1] AJC Berlin, Ramer Institute: Die Hisbollah in Deutschland und Europa. Briefing 2019, S. 4
[2] https://www.washingtoninstitute.org/hezbollahinteractivemap/
[3] Siehe z.B.: AJC Berlin, Ramer Institute: Die Hisbollah in Deutschland und Europa. Briefing 2019, S. 17.
[4] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] https://dserver.bundestag.de/btd/19/296/1929678.pdf
[6] https://www.verfassungsschutz.bremen.de/ueber_uns/publikationen-11554
[7] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5; https://www.verfassungsschutz.bremen.de/ueber_uns/publikationen-11554
[8] https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen146.c.60265.de
[9] https://www.hamburg.de/contentblob/13946590/12000712ec5e5c8726a4dbd4fa81263d/data/vsb-2019-buch.pdf; https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[10] https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021–06/1930173.pdf
[11] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/innenministerium-beruft-neuen-expertenkreis-zum-politischen-islamismus/
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