Aufge­deckt: Das deutsche Netzwerk der Hisbollah

Foto: Shut­ter­stock, Sergey Kohl

Die von vielen west­li­chen Staaten als Terror­or­ga­ni­sa­tion aner­kannte Hisbollah war in Deutsch­land öffent­lich haupt­säch­lich bei anti­se­mi­ti­schen Demons­tra­tionen sichtbar. Till Schmidt zeigt, wie ihr Netzwerk in Verbände reicht, mit denen Bundes­länder Staats­ver­träge unterhalten.

Jahrelang glichen sich die Bilder: Zum Ende des Ramadan demons­trierte eine schaurige Allianz von isla­mis­ti­schen Anti­se­miten in Berlin für die Zerstö­rung Israels. Auf den „Al-Quds“-Aufmärschen wurden nicht nur Fahnen der Isla­mi­schen Republik Iran und der paläs­ti­nen­si­schen Natio­nal­be­we­gung, sondern regel­mäßig auch die der Hisbollah gezeigt. Darauf zu sehen ist eine sich aus dem „A“ von „Allah“ austre­ckende Faust, die ein Maschi­nen­ge­wehr hält. Daneben lehnt ein Koran, ein Globus verweist auf den Anspruch der liba­ne­si­schen Terror­or­ga­ni­sa­tion, auch weltweit zu operieren.

2016 wurde das Zeigen von Hisbollah-Emblemen durch den Berliner Innen­se­nator verboten, ein grund­sätz­li­ches Verbot der seit 1996 in Berlin statt­fin­denden Demons­tra­tion immer wieder disku­tiert. Die Akti­vi­täten von Hisbollah-Mitglie­dern sind hier­zu­lande aller­dings bei weitem nicht auf die Teilnahme an Demons­tra­tion beschränkt. Im Gegenteil: kritische NGOs wie das American Jewish Committee (AJC) weisen seit langem auf über Jahr­zehnte „breit gewach­sene Struk­turen“[1] der Hisbollah in Deutsch­land und Europa hin.

Macht­faktor nicht nur im Libanon

Insgesamt verfügt die Hisbollah über ein globales Netzwerk von Anhängern in Nord­ame­rika, Latein­ame­rika, Afrika und Europa. Das ermög­licht ihr, jederzeit weltweit Terror­an­schläge zu verüben. Momentan nutzt die „Partei Gottes“ diese Verbin­dungen aber vor allem zur Gene­rie­rung von finan­zi­ellen Mitteln, wofür sie sich nach­weis­lich der orga­ni­sierten Krimi­na­lität, des Drogen­han­dels und der Geld­wä­sche bedient. Anschau­lich doku­men­tiert hat diese weit­ver­zweigten Akti­vi­täten der Terro­ris­mus­for­scher Matthew Levitt in einem multi­me­dialen Mapping-Projekt.[2]

Gegründet wurde die Hisbollah 1982 während des liba­ne­si­schen Bürger­krieges durch den Iran. Schon damals strebte die Isla­mi­sche Republik danach, in anderen Ländern des Nahen Ostens Regime nach ihrem Vorbild zu instal­lieren. Mitglieder der Hisbollah verübten bereits kurz nach ihrer Gründung aufse­hen­er­re­gende Terror­an­schläge. Öffent­lich bekannt unter ihrem heutigen Namen wurde die Terror­or­ga­ni­sa­tion jedoch erst einige Jahre später.

Aufgrund massiver mate­ri­eller und finan­zi­eller Unter­stüt­zung durch den Iran avan­cierte die Hisbollah zu einer der mäch­tigsten Milizen im liba­ne­si­schen Bürger­krieg. Nach dessen Ende begann sie, sich aus takti­schen Gründen auch an Wahlen zu betei­ligen. Durchaus mit Erfolg, bis heute ist die Terror­or­ga­ni­sa­tion an der liba­ne­si­schen Regierung beteiligt. Immer wieder scheute die Hisbollah auch nicht vor Gewalt­taten zurück, wenn sie ihren Einfluss vor Ort gefährdet sah. So sind Hisbollah-Mitglieder im Fall der Ermordung des ehema­ligen liba­ne­si­schen Minis­ter­prä­si­denten Rafik Hariri im Jahr 2005 dringend tatverdächtig.

Anti­se­mi­tismus in Wort und Tat

Für den Nach­bar­staat Israel, dessen stra­te­gisch wichtige Golan­höhen auch an den Libanon grenzen, ist die Hisbollah eine massive Bedrohung. 2006 hatte die Hisbollah durch einen Angriff auf eine israe­li­sche Militär-Patrouille sowie der Verschlep­pung von zwei IDF-Soldaten einen 30-tägigen Krieg ange­zet­telt. Darüber hinaus reicht ihr enorm großes, über 150.000 Geschosse umfas­sendes Rake­ten­ar­senal in den gesamten jüdischen Staat bis hinunter nach Eilat. Als weitere enorme stra­te­gi­sche Heraus­for­de­rung kommt dazu der Einsatz und die Präsenz von tausenden Hisbollah-Mitglie­dern im Krieg in Syrien aufseiten des Diktators Bashar al-Assad.

Dass auch die Hisbollah genauso wie der Iran lang­fristig die Zerstö­rung Israels anstrebt, macht sie regel­mäßig unmiss­ver­ständ­lich deutlich. Verhand­lungen, Gespräche oder sogar Frie­dens­ver­träge, wie etwa jüngst die Abraham-Abkommen mit mehreren arabi­schen Staaten, lehnen beide ab. Ihre Ideologie ist von einem elimi­na­to­ri­schen Anti­se­mi­tismus bestimmt, der vom modernen Judenhass wie auch von klas­si­schen Topoi isla­mi­scher Juden­feind­schaft geprägt ist. Sendungen des – in Deutsch­land seit 2008 verbo­tenen – Hisbollah-Fern­seh­sen­ders „Al Manar“ oder Reden ihres Gene­ral­se­kre­tärs Hassan Nasrallah doku­men­tieren dies.

Die von Anti­zio­nisten oft ins Feld geführte fein­säu­ber­liche Trennung zwischen Judentum und Zionismus bemüht die Hisbollah indes nicht. Dies zeigen nicht nur State­ments der Gruppe oder Äuße­rungen von Gene­ral­se­kretär Nasrallah, sondern auch die lange Liste der von der Hisbollah verübten, versuchten oder geplanten Anschläge. Diese richteten sich mitunter auch gegen kurdische Oppo­si­tio­nelle wie etwa 1989 in Wien oder 1994 in Berlin, vor allem aber gegen israe­li­sche sowie jüdische Einrich­tungen und Einzel­per­sonen. Eines der bekann­testen Attentate der Hisbollah ist der Bomben­an­schlag auf das Jüdische Gemein­de­zen­trum in Buenos Aires 1994. Bei diesem Anschlag starben 80 Menschen, über 300 wurden verletzt.

Betä­ti­gungs­verbot und Razzien in Deutschland

In den letzten Jahren wurde die Hisbollah vieler­orts als Terror­or­ga­ni­sa­tion verboten, so etwa in den USA, Kanada, den Nieder­landen, vom Golf-Koope­ra­ti­onsrat, von der Arabi­schen Liga, Japan, Israel sowie von Groß­bri­tan­nien. Die Euro­päi­sche Union entschied sich 2013 für eine Aufspal­tung der Hisbollah in einen legalen poli­ti­schen und einen verbo­tenen mili­tä­ri­schen Arm. Begründet wurde dies mit einer angeb­li­chen Gefahr für die diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen zum Libanon, die von einer voll­stän­digen Klas­si­fi­zie­rung als Terror­or­ga­ni­sa­tion ausgehe. Kritiker*innen wie Matthew Levitt beur­teilen diese Trennung jedoch als reali­täts­ver­zer­rend und kontra­pro­duktiv.[3]

In Deutsch­land rechnen die Sicher­heits­be­hörden 1.050 Personen zur Hisbollah, im aktuellen Bundes­ver­fas­sungs­schutz-Bericht wird sogar eine Zahl von 1.250 aufge­führt.[4] Seit dem Betä­ti­gungs­verbot vom März 2020 durch das Innen­mi­nis­te­rium kann Vermögen einge­zogen werden, und Hisbollah-Kenn­zei­chen dürfen nun nicht mehr gezeigt werden. Begleitet wurde das Verbot von Razzien in Berlin, Bremen, Münster und Dortmund, wo die Polizei vier Vereine, die als Teil­or­ga­ni­sa­tionen der Hisbollah gelten, Moscheen sowie Wohnungen durch­suchte. Aktuell werden die beschlag­nahmten Daten­träger noch immer ausge­wertet, teilte die Bundes­re­gie­rung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundes­tags­frak­tion vom Mai 2021 mit.[5]

Eine der Orga­ni­sa­tionen ist die schii­tisch-isla­mis­ti­sche Al-Mustafa-Gemein­schaft e.V. in Bremen. In den Jahres­be­richten des Landes­ver­fas­sungs­schutzes wird die Gemeinde seit langem ausführ­lich beschrieben. So ist die Gemeinde verwi­ckelt in Geld­samm­lungen für die Hisbollah. Laut Landes­ver­fas­sungs­schutz­be­richten 2019 und 2020 sind etwa 50 Hisbollah-Anhänger in der Al-Mustafa-Gemein­schaft orga­ni­siert. Auf Veran­stal­tungen komme es immer wieder zu anti­is­rae­li­schen Rede­bei­trägen, Huldi­gungen des irani­schen Regimes sowie zu Bezügen zur Hisbollah.[6]

Staats­ver­träge in Bremen und Hamburg

Brisant ist, dass die Al-Mustafa-Gemein­schaft zu den Grün­dungs­mit­glie­dern der Schura e.V. gehört. Hierbei handelt es sich um eine Verei­ni­gung mehrerer musli­mi­scher Orga­ni­sa­tionen, darunter auch vier Gemeinden der isla­mis­ti­schen Bewegung Milli Görus, die der Bundes­ver­fas­sungs­schutz seit Jahren, der Bremer Landes­ver­fas­sungs­schutz aber seit 2013 nicht mehr beob­achtet.[7] 2013 hat die Bremer Landes­re­gie­rung mit der Schura – sowie mit Ditib und dem Verband der isla­mi­schen Kultur­zen­tren (IKZ) – einen Staats­ver­trag geschlossen. Dieser soge­nannte „Islam­ver­trag“ machte die drei Verbände zu den zentralen Ansprech­part­ne­rinnen in isla­mi­schen Ange­le­gen­heiten. Perspek­ti­visch streben die Verbände den Status als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechtes an.[8]

Auch in Hamburg gibt es mit dem Isla­mi­schen Zentrum Hamburg (IZH) eine seit langem vom Bundes- und Landes­ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tete schii­tisch-isla­mis­ti­sche Insti­tu­tion. „[I]n führender Position“ wirke das IZH in einem ebenfalls Schura genannten Zusam­men­schluss zahl­rei­cher Moschee-Träger­ver­eine, mit dem das Land Hamburg einen Staats­ver­trag unterhält. Auf Bundes­ebene sind Vertreter des IZH im „Zentralrat der Muslime in Deutsch­land“ (ZMD) aktiv. Den Sicher­heits­be­hörden zufolge ist das IZH ideo­lo­gisch und finan­ziell eng mit dem irani­schen Regime verbunden und war lange Zeit offen am Al-Quds-Tag in Berlin beteiligt. Zudem verkehren auch in den Räumen des IZH regel­mäßig Hisbollah-Anhänger.[9]

Folgen­lose Umsetzung des Verbots

Der Direktor des AJC Berlin, Remko Leemhuis, hält es daher für „wenig über­zeu­gend“, dass die Bundes­re­gie­rung auf die Kleine Anfrage der Grünen zur Umsetzung des Hisbollah-Betä­ti­gungs­ver­botes antwor­tete, es liegen „keine Erkennt­nisse“ über die Verqui­ckung des IHZ mit dem irani­schen Regime vor. Leemhuis erklärt sich das mit einem „Primat der Außen­po­litik“. Demnach wolle die Bundes­re­gie­rung gegenüber dem Iran grund­sätz­lich, aktuell aber insbe­son­dere vor dem Hinter­grund der Verhand­lungen über eine Erneue­rung des Atom-Abkommens JCPOA nicht allzu sehr auf Konfron­ta­tion gehen.

Innen­po­li­ti­kerin Irene Mihalic, die die Kleine Anfrage der Grünen maßgeb­lich verant­wor­tete, kriti­siert das Betä­ti­gungs­verbot als „bisher vor allem symbo­li­schen Akt“. Denn es sei zu „keinem wirk­li­chen Schlag gegen die Szene“, zu „keinem Rückgang der Akti­vi­täten der Hisbollah oder der Vernet­zung ihrer Anhänger in Moscheen“ gekommen. Mihalic fordert, dass die Analy­se­fä­hig­keiten der Sicher­heits­be­hörden in Bezug auf Isla­mismus massiv verbes­sert und diese auch in die Lage versetzt werden müssen, den Geld­strömen der Hisbollah gerade auch im Bereich der Orga­ni­sierten Krimi­na­lität besser und genauer zu folgen. Auf EU-Ebene plädiert Mihalic für Aufnahme der gesamten Hisbollah auf die Terror­liste und ein insgesamt besser koor­di­niertes Vorgehen.

Dass das Hisbollah-Betä­ti­gungs­verbot bislang weit­ge­hend folgenlos blieb, bestä­tigen auch die Antworten der Bundes­re­gie­rung auf eine Kleine Anfrage der FDP.[10] Zwar hatte Innen­mi­nister Seehofer drei Vereine, die Spenden für eine Hisbollah-Stiftung gesammelt haben sollen, im Mai 2021 verboten. Ein Jahr nach dem Betä­ti­gungs­verbot deutet jedoch insgesamt wenig auf eine umfas­sende und nach­hal­tige Bekämp­fung Akti­vi­täten und Struk­turen der Hisbollah in Deutsch­land hin. Es ist zu hoffen, dass der Mitte Juni vom Bundes­in­nen­mi­nis­te­rium neu einge­setzte Exper­ten­kreis, der Erschei­nungen des Isla­mismus analy­sieren und Hand­lungs­emp­feh­lungen entwi­ckeln soll, dem entge­gen­wirkt.[11]

[1] AJC Berlin, Ramer Institute: Die Hisbollah in Deutsch­land und Europa. Briefing 2019, S. 4

[2] https://www.washingtoninstitute.org/hezbollahinteractivemap/

[3] Siehe z.B.: AJC Berlin, Ramer Institute: Die Hisbollah in Deutsch­land und Europa. Briefing 2019, S. 17.

[4] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5

[5] https://dserver.bundestag.de/btd/19/296/1929678.pdf

[6] https://www.verfassungsschutz.bremen.de/ueber_uns/publikationen-11554

[7] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5; https://www.verfassungsschutz.bremen.de/ueber_uns/publikationen-11554

[8] https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen146.c.60265.de

[9] https://www.hamburg.de/contentblob/13946590/12000712ec5e5c8726a4dbd4fa81263d/data/vsb-2019-buch.pdf; https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=5

[10] https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021–06/1930173.pdf

[11] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/innenministerium-beruft-neuen-expertenkreis-zum-politischen-islamismus/

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