Debatte Meinungs­freiheit:
Wie der korrum­pierte Liber­ta­rismus des Silicon Valley die ameri­ka­nische Demokratie demontiert

Donald Trump ist ein Vehikel für Musk und Thiel, um ihre radikalen Ideen umzusetzen, die darauf abzielen, eine rechen­schafts­pflichtige Regierung durch eine rechen­schaftslose Techno-Monarchie zu ersetzen, schreibt der ehemalige Techno­logie-Manager Mike Brock. Sein Artikel erschien im März auf https://www.theunpopulist.net/p/how-silicon-valleys-corrupted-libertarianism

Innerhalb der US-Regierung vollzieht sich eine Schat­ten­re­vo­lution. In Elon Musks DOGE arbeiten Teams junger Tech-Agenten syste­ma­tisch daran, demokra­tische Insti­tu­tionen zu demon­tieren und ersetzen sie durch proprietäre Systeme künst­licher Intel­ligenz. Beamte, die recht­liche Einwände erheben, werden entfernt. Die Daten­banken der Regierung werden auf private Server verlagert. Die Entschei­dungs­gewalt wird von gewählten Amtsträgern und Berufs­be­amten auf Algorithmen übertragen, die von einem kleinen Netzwerk von Silicon-Valley-Eliten kontrol­liert werden. Kurz gesagt, die Demokratie wird abgeschafft und durch KI-Modelle und proprietäre Techno­logie ersetzt – ungeachtet der Behaup­tungen von Musk, es handele sich um eine trans­pa­rente, quell­offene Verwaltung. Es ist ein Staats­streich, der nicht mit Waffen­gewalt, sondern mit Backend-Migra­tionen und Daten­bank­lö­schungen durch­ge­führt wird.

Dieser Coup ist jedoch kein spontaner – er ist der Höhepunkt einer gefähr­lichen Ideologie, die seit der Finanz­krise von 2008 akribisch entwi­ckelt wurde und sich von den Rändern der Tech-Kultur bis ins Herz der ameri­ka­ni­schen Regierung vorge­ar­beitet hat. Und sie wurde von der Idee angetrieben, dass die Demokratie nicht nur ineffi­zient, sondern grund­sätzlich unver­einbar mit dem techno­lo­gi­schen Fortschritt ist, und zudem selbst eine veraltete Techno­logie ist, die zum Erliegen kommen muss.

Niemals eine Finanz­krise ungenutzt verstreichen lassen

Die globale Finanz­krise von 2008 führte zu weitrei­chender wirtschaft­licher Not und einem tiefgrei­fenden Vertrau­ens­verlust in etablierte Insti­tu­tionen. Im Zuge der Krise traten mehrere Schlüs­sel­fi­guren auf den Plan, die später eine neue Bewegung in der ameri­ka­ni­schen Politik prägen sollten:

Curtis Yarvin, der unter dem Pseudonym Mencius Moldbug schreibt, hatte seit 2007 in seinem Blog Unqua­li­fi­zierte Vorbe­halte eine Kritik der modernen Demokratie entwi­ckelt. In einem Beitrag im darauf­fol­genden Jahr argumen­tierte Yarvin, dass die Finanz­krise im Wesent­lichen ein techni­sches Versagen war, das durch eine Abwei­chung von dem, was er als „Misesia­ni­sches Bankwesen“ bezeichnete und auf den vom Ökonomen Ludwig von Mises darge­legten Grund­sätzen beruht. Mises, ein Pionier der Öster­rei­chi­schen Schule der Natio­nal­öko­nomie, war ein durch und durch klassi­scher Liberaler, der an freie Märkte glaubte, die nicht durch eine Fiat-Währung und eine verfas­sungs­mäßig einge­schränkte Regierung behindert werden. Er war auch ein ausge­spro­chener Kritiker des europäi­schen Imperialismus.

Yarvin stellte jedoch das, was er als den Mise’schen Ansatz des freien Bankwesens ansah, dem vorherr­schenden „Bagehot’schen“ System gegenüber, das nach Walter Bagehot benannt ist und das Inter­ven­tionen der Zentralbank bei Finanz­krisen unter­stützt. Yarvin argumen­tierte, dass dieser inter­ven­tio­nis­tische Ansatz von Natur aus instabil sei und Gefahr laufe zu kolla­bo­rieren. Yarvins umfas­sendere Kritik an den modernen politi­schen und wirtschaft­lichen Systemen stieß auf ein wachsendes Publikum, das von den tradi­tio­nellen Insti­tu­tionen desil­lu­sio­niert war.

Der Aufstieg des reaktio­nären Libertären

Jahrzehn­telang hatten libertäre Denker argumen­tiert, dass freie Märkte, wenn man sie nicht einschränkt, natürlich jedes Regie­rungs­system übertreffen würden. Was aber, wenn das Problem nicht nur die Einmi­schung der Regierung in die Märkte war? Was wäre, wenn das Konzept der Demokratie an sich fehlerhaft wäre? Dies war das Argument von Hans-Hermann Hoppe, einem Schüler von Mises‘ Protegé Murray Rothbard, der die libertäre Skepsis gegenüber dem Staat auf die Spitze trieb. Hoppes Buch von 2001, Democracy: The God That Failed, schlug in liber­tären Kreisen ein wie eine Bombe. Zu einem Zeitpunkt veröf­fent­licht, als viele Ameri­kaner die Demokratie immer noch als das „Ende der Geschichte, “ ansahen, argumen­tierte Hoppe, dass die Demokratie ein von Natur aus insta­biles System sei, das eher kurzfristige Entschei­dungen und die Herrschaft des Pöbels fördere als eine rationale Regie­rungs­führung. Seine Alter­native? Eine Rückkehr zur Monarchie. Hoppe wurde aus angese­henen liber­tären Kreisen in den USA verbannt, als er begann, mit faschis­ti­schen Ideen zu flirten, und Rothbard ist in Verruf geraten, obwohl er nach wie vor ein Liebling der liber­tären Paleo-Fraktion um Ron Paul ist.

Aber das war nicht die Monarchie von einst. Hoppe stellte sich eine neue Ordnung vor – eine, in der das Regieren priva­ti­siert war, in der die Gesell­schaften als „Bundes­ge­mein­schaften“ funktio­nierten, die eher den Besitzern als den gewählten Beamten gehörten und von ihnen geleitet wurden. In dieser Welt war die Staats­bür­ger­schaft eine Frage des Vertrags, nicht des Geburts­rechts. Wählen war unnötig. Die Herrschaft wurde denje­nigen überlassen, die das meiste Kapital besaßen. Es handelte sich um die extremste Ausprägung liber­tären Denkens: eine Gesell­schaft, die nicht durch politische Gleichheit, sondern allein durch Eigen­tums­rechte regiert wird.

Von schwim­menden Städte und experi­men­tellen Regierungsmodellen

In den 2010er Jahren hatte Hoppes radikale Skepsis gegenüber der Demokratie ein eifriges Publikum jenseits der üblichen liber­tären Kreise gefunden, aller­dings durch einen anderen Mecha­nismus als die einfache Markt­störung. Das Silicon Valley vertritt seit langem Clayton Chris­tensens Theorie der disrup­tiven Innovation: Demnach können wendigere Unter­nehmen etablierte Markt­teil­nehmer ausstechen, indem sie übersehene Märkte bedienen. Parallel dazu hatte eine extremere Form des Techno-Solutio­nismus begonnen, sich durch­zu­setzen. Diese Denkweise ging davon aus, dass jedes gesell­schaft­liche Problem, einschließlich der Staats­führung selbst, durch eine ausrei­chende Anwendung von techni­schen Prinzipien „gelöst“ werden kann. Die Eliten des Silicon Valley, die erfolg­reiche Unter­nehmen aufgebaut hatten, begannen, demokra­tische Prozesse nicht nur als ineffi­zient, sondern auch als grund­legend irrational zu betrachten – als Produkt dessen, was sie als emotionale Entschei­dungs­findung durch nicht­tech­nische Menschen ansahen. Dies passte perfekt zu Hoppes Kritik: Wenn die Demokratie einfach nur eine Ansammlung von „gefühls­ba­sierten“ Entschei­dungen der uninfor­mierten Massen war, könnte sie sicherlich durch etwas „Ratio­na­leres“ ersetzt werden – insbe­sondere durch die Art von daten­ge­steu­erter, ingenieurs­ori­en­tierter Führung, die diese Tech-Führungs­kräfte in ihren eigenen Unter­nehmen prakti­zierten. So verwan­delte sich Hoppes Unter­neh­mens­mon­archie in die Techno-Monarchie des Silicon Valley.

Freiheit nicht mit Demokratie vereinbar

Peter Thiel, einer der freimü­tigsten ehema­ligen Liber­tären im Silicon Valley, drückte dieses Gefühl 2009 in seinem Essay „The Education of a Liber­tarian“ (Die Erziehung eines Liber­tären) in deutlichen Worten aus: „Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie mitein­ander vereinbar sind“. Thiel, der nach der Wiederwahl Trumps erklärte, die Wahl 2020 sei ein „letztes Gefecht für das alte Regime, das der Libera­lismus ist“, hatte bereits mit der Finan­zierung von Projekten begonnen, die darauf abzielen, demokra­ti­schen Natio­nal­staaten gänzlich zu entkommen, darunter Seaste­ading –schwim­mende Städte in inter­na­tio­nalen Gewässern, die sich der Kontrolle der Regierung entziehen – und experi­men­telle Regie­rungs­mo­delle, die die Wahlde­mo­kratie durch private, unter­neh­mens­ähn­liche Herrschaft ersetzen würden. Hoppes Vision von Covenant Commu­nities – private Enklaven, die Eliten gehören und von ihnen regiert werden – lieferte eine intel­lek­tuelle Recht­fer­tigung für das, was Thiel und seine Verbün­deten aufzu­bauen versuchten: nicht nur Alter­na­tiven zu bestimmten Regie­rungs­maß­nahmen, sondern ein vollstän­diger Ersatz für die demokra­tische Regie­rungs­führung selbst. Wenn die Demokratie zu ineffi­zient ist, um mit dem techno­lo­gi­schen Wandel Schritt zu halten, warum sollte sie dann nicht vollständig durch private, vertrag­liche Formen der Herrschaft ersetzt werden?

Die Vorstellung, dass die tradi­tio­nelle demokra­tische Regie­rungs­führung ineffi­zient oder überholt sei, fand bei denje­nigen Anklang, die sich selbst als Umstürzler und Innova­toren sahen. Diese intel­lek­tuelle Linie – von Mises über Hoppe bis hin zu Persön­lich­keiten wie Yarvin und Thiel – hilft, die Entstehung des „Techno-Liber­ta­rismus“ zu erklären. Er stellt eine gefähr­liche Verbindung von antide­mo­kra­ti­schem Denken mit immensen techno­lo­gi­schen und finan­zi­ellen Ressourcen dar und stellt die tradi­tio­nellen Vorstel­lungen von demokra­ti­scher Regie­rungs­führung und bürger­licher Verant­wortung vor erheb­liche Herausforderungen.

Nach 2008 setzte sich im Silicon Valley eine neue Überzeugung durch: Die Demokratie war nicht nur ineffi­zient – sie war überholt. In den folgenden zehn Jahren entwi­ckelten sich die in dieser Zeit entstan­denen Ideen zu einer kohärenten Heraus­for­derung für die Grund­lagen der liberalen Demokratie, die von einigen der mächtigsten Persön­lich­keiten der Techno­logie- und Finanzwelt unter­stützt wurde.

Vom Silicon Valley zur Main Street: Die Verbreitung techno-liber­tärer Ideen

Die Tea-Party-Bewegung entstand im Jahr 2009 und kanali­sierte die populis­tische Wut gegen die Reaktion der Obama-Regierung auf die Krise, insbe­sondere die staat­lichen Rettungs­maß­nahmen. Als diese Bewegung an Schwung gewann, förderte sie einen breiteren kultu­rellen Wandel, der viele Ameri­kaner für alter­native politische und wirtschaft­liche Theorien empfänglich machte. Dieser Wandel ging über den tradi­tio­nellen Konser­va­tismus hinaus und schuf eine Öffnung für die aus dem Silicon Valley stammenden techno­logie-liber­tären Ideen. Die Betonung der indivi­du­ellen Freiheit und die Skepsis gegenüber zentraler Autorität stimmten mit der in Tech-Kreisen wachsenden Anti-Regie­rungs-Stimmung überein. Infol­ge­dessen fanden Konzepte wie Krypto­wäh­rungen und dezen­trales Regieren, die einst als Rander­schei­nungen galten, unter denje­nigen, die von den tradi­tio­nellen politi­schen und finan­zi­ellen Systemen desil­lu­sio­niert waren, ein größeres Publikum.

Die Konvergenz von populis­ti­scher Wut und Techno-Utopismus bereitete den Boden für radikalere antide­mo­kra­tische Ideen, die in den folgenden Jahren aufkamen. Der wachsende Einfluss der Tech-Industrie wurde in den 2010er Jahren allmählich deutlicher, als führende Köpfe wie Thiel begannen, sich aktiver am politi­schen Diskurs und an der intel­lek­tu­ellen Förderung zu beteiligen.

Neue Medien­platt­formen als Machtinstrumente

Die Finanz­krise hat nicht nur politische Bewegungen wie die Tea Party hervor­ge­bracht, sondern auch völlig neue Medien­platt­formen, die dazu beitragen, diese antide­mo­kra­ti­schen Ideen weit über ihre ursprüng­lichen Kreise hinaus zu verbreiten. Eine der einfluss­reichsten war Zero Hedge, gegründet 2009 von Daniel Ivand­jiiski. Die Website, die für alle ihre Autoren das Pseudonym „Tyler Durden“ verwendete – eine Anspielung auf den Anti-Estab­lishment-Charakter aus Fight Club – und die sich zunächst sich auf Finanz­nach­richten und ‑analysen aus einer bärischen, in der öster­rei­chi­schen Wirtschafts­wis­sen­schaft verwur­zelten Perspektive konzentrierte.

Die Entwicklung von Zero Hedge von einem Finanzblog zu einem politi­schen Macht­zentrum ist ein Beispiel dafür, wie antide­mo­kra­tische Ideen durch techni­sches Fachwissen verbrämt werden können – so wie Joe Rogan und andere Sport- und Unter­haltung-Influencer gezeigt haben, wie demokra­tie­zer­stö­rende Spinne­reien und Verschwö­rungen auf ihren Platt­formen für ihre nicht technik­af­finen Zuhörer verbrämt werden können. Die Website gewann zunächst an Glaub­wür­digkeit durch anspruchs­volle Kritik am Hochfre­quenz­handel und an der Markt­struktur und etablierte sich als legitime Stimme in Finanz­kreisen. Doch diese technische Autorität wurde zu einem Vehikel für etwas Radika­leres: die Idee, dass die demokra­ti­schen Insti­tu­tionen selbst genauso kaputt sind wie die Märkte, die sie regulieren. Als die Website behauptete, die Zentral­banken würden die Märkte manipu­lieren, ging es nicht nur um eine finan­zielle Behauptung, sondern auch darum, dass die demokra­ti­schen Insti­tu­tionen selbst von Natur aus korrupt seien und nicht refor­miert, sondern durch „effizi­entere“ Mecha­nismen ersetzt werden müssten. Als sie erklärte, dass die Märkte manipu­liert wurden, kriti­sierte sie nicht nur die Politik, sondern begründete, dass die Demokratie selbst ein geschei­tertes System sei, das durch eine technische, algorith­mische Steuerung ersetzt werden müsse.

Technische Finanz­ana­lysen als Recht­fer­tigung radikaler politi­scher Forderungen

Diese Methodik – die Verwendung techni­scher Finanz­ana­lysen zur Recht­fer­tigung immer radika­lerer politi­scher Schluss­fol­ge­rungen – lieferte eine Blaupause, der andere folgen sollten. Die wahre Innovation der Website bestand jedoch nicht nur in der Vermi­schung von Finanzen und Politik, sondern auch in der Annahme, dass technische, markt­ba­sierte Lösungen demokra­tische Prozesse vollständig ersetzen könnten. Dies passte perfekt zur aufkom­menden Weltan­schauung des Silicon Valley: Wenn die Märkte bei der Zuweisung von Ressourcen effizi­enter waren als Regie­rungen, warum sollten sie dann nicht auch die politische Macht zuweisen? Der Wandel von Zero Hedge von der Finanz­analyse zur antide­mo­kra­ti­schen Ideologie war ein Vorge­schmack auf ein breiteres Muster, das das nächste Jahrzehnt bestimmen sollte: wie techni­sches Fachwissen als Waffe gegen die Demokratie selbst einge­setzt werden kann.

Wie der Medien­wis­sen­schaftler Yochai Benkler feststellte, entstand in dieser Zeit eine „Propa­ganda-Rückkopp­lungs­schleife“, in der Publikum, Medien und politische Eliten sich gegen­seitig in ihren Ansichten bestärken, unabhängig vom Wahrheits­gehalt der Infor­ma­tionen. Zero Hedge war ein frühes Beispiel für diese Dynamik in Aktion und zeigte, wie die tradi­tio­nellen Wächter der Infor­ma­tionen ihren Einfluss verloren. Diese Erosion des Vertrauens in etablierte Insti­tu­tionen in Verbindung mit der Verbreitung alter­na­tiver Infor­ma­ti­ons­quellen schuf die Voraus­set­zungen für das, was der Sozial­psy­chologe Jonathan Haidt als „eine Art Fragmen­tierung der Realität“ bezeichnete.

Zero Hedge und die Krise des demokra­ti­schen Diskurses

Zu Beginn der 2010er Jahre beschleu­nigte sich diese Fragmen­tierung. Die Algorithmen der sozialen Medien, die darauf ausgelegt sind, das Engagement zu maximieren, verstärkten sensa­tio­nelle und spaltende Inhalte. Die daraus resul­tie­rende Flut konkur­rie­render Erzäh­lungen machte es den Bürgern zunehmend schwerer, Wahrheit von Fiktion zu unter­scheiden, was tiefgrei­fende Auswir­kungen auf den demokra­ti­schen Diskurs und die Entschei­dungs­findung hatte. Das Modell von Zero Hedge – eine Mischung aus Exper­ten­analyse und speku­la­tivem politi­schem Kommentar – wurde zur Vorlage für zahlreiche andere Medien und trug zu einem isolierten Infor­ma­ti­ons­öko­system bei, in dem die Konsistenz der Erzäh­lungen die sachliche Richtigkeit übertrumpfte. Dies war ein Vorge­schmack darauf, wie Infor­ma­tionen im Zeitalter der sozialen Medien und der algorith­mi­schen Verbreitung von Inhalten produ­ziert, konsu­miert und als Waffe einge­setzt werden würden.

Zero Hedge war führend bei der Demons­tration, wie techni­sches Fachwissen genutzt werden kann, um demokra­tische Insti­tu­tionen von innen heraus zu delegi­ti­mieren und zu argumen­tieren, dass die Ersetzung der Demokratie durch technische Systeme nicht nur wünschenswert, sondern unver­meidlich ist.

Existenz einer gemein­samen Realität als Voraus­setzung für politische Legitimität

Dieses durch die algorith­mische Fragmen­tierung geför­derte episte­mische Chaos war kein Zufall – es war eine entschei­dende Taktik, um die Demokratie selbst zu unter­graben. Nach Ansicht von Yarvin und seinen neore­ak­tio­nären Verbün­deten hängt die politische Legiti­mität von der Existenz einer gemein­samen Realität ab. Wenn dieser Konsens zerbricht, wird Demokratie unmöglich. Steve Bannon nannte es „die Zone mit Scheiße überfluten“. Und als Trump sein Amt antrat, war die gesamte Strategie in Aktion: das Vertrauen der Öffent­lichkeit zu desta­bi­li­sieren, Exper­ten­ana­lysen durch endlose Gegen­nar­rative zu ersetzen und sicher­zu­stellen, dass die einzigen Menschen, die Macht ausüben konnten, dieje­nigen waren, die den Infor­ma­ti­ons­fluss selbst kontrollierten.

Figuren wie Yarvin kriti­sierten nicht nur die Demokratie – sie versuchten, die Bedin­gungen zu unter­graben, unter denen demokra­tische Beratungen überhaupt möglich sind. Indem sie die Fragmen­tierung der Medien als Waffe einsetzten, hackten sie auf die kogni­tiven Grund­lagen der Demokratie selbst ein und sorgten dafür, dass die politische Macht nicht mehr auf einer begrün­deten Debatte beruht, sondern auf der Fähigkeit, den Infor­ma­ti­ons­fluss zu manipulieren.

Das souveräne Individuum: Vom Ende der Geschichte zum Ende der Politik

Die Zerstörung des Konsenses war jedoch nur der erste Schritt. Die wahre Revolution würde durch die Techno­logie selbst kommen. Im Jahr 1999 veröf­fent­lichten James Dale Davidson und William Rees-Mogg ein Buch, das die Blaupause für diesen techno­lo­gi­schen Coup werden sollte: Das souveräne Individuum. Das Buch, das auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms veröf­fent­licht wurde, las sich damals für viele wie Science-Fiction: Es sagte den Aufstieg der Krypto­währung, den Niedergang der tradi­tio­nellen Natio­nal­staaten und das Entstehen einer neuen digitalen Aristo­kratie voraus.

Wenn der Liber­ta­rismus mit dieser Art von techno­lo­gi­schem Deter­mi­nismus verschmolzen wird, entfernt er sich deutlich von seinen klassi­schen liberalen Ursprüngen. Wenn man davon ausgeht, dass die Regierung unwei­gerlich von privaten Netzwerken, dezen­tra­li­sierten Finanz­sys­temen und KI-gesteu­erter Gover­nance überholt wird, dann ist der Versuch, die Demokratie zu refor­mieren, sinnlos. Die radikalere Schluss­fol­gerung, die von den führenden Köpfen dieser Bewegung vertreten wird, lautet, dass der Staat aktiv abgebaut und durch eine „effizi­entere“ Form der Herrschaft ersetzt werden sollte – nach dem Vorbild der Unter­neh­mens­führung und nicht der demokra­ti­schen Beteiligung

CEOs anstelle gewählter Regie­rungs­ver­treter und eine neue digitale Aristokratie

Genau an dieser Stelle geht der Liber­ta­rismus in die Neore­aktion über. Anstatt für eine konsti­tu­tio­nelle Republik mit minimaler Regierung einzu­treten, drängt diese neue Denkrichtung auf eine private, postde­mo­kra­tische Ordnung, in der dieje­nigen mit den meisten Ressourcen und der größten techno­lo­gi­schen Kontrolle die Regeln diktieren. In dieser Vision liegt die Macht nicht beim Volk, sondern bei den kompe­ten­testen „Führungs­kräften“, die die Gesell­schaft leiten, wie ein CEO ein Unter­nehmen leiten würde.

So wurde Yarvins Argument, die Demokratie sei ein veral­tetes, ineffi­zi­entes System, für die Eliten des Silicon Valley so attraktiv. Es war nicht nur ein philo­so­phi­sches Argument, sondern entsprach auch der Art und Weise, wie viele in der Tech-Industrie bereits über Störungen, Effizienz und Kontrolle dachten. Wenn Innova­tionen alte Systeme ständig überflüssig machen, warum sollte es dann bei der Gover­nance anders sein?

Persön­lich­keiten wie Thiel und Balaji Srini­vasan, ein Tycoon aus dem Silicon Valley, der sein Vermögen mit Bioge­netik- und Krypto­wäh­rungs-Startups gemacht hat und Autor des Buches The Network State: How To Start a New Country verfasst hat, ging diese Logik noch einen Schritt weiter. Sie argumen­tierten, dass die Eliten, anstatt sich gegen den Niedergang der demokra­ti­schen Insti­tu­tionen zu wehren, den Übergang zu einer neuen Ordnung beschleu­nigen sollten, in der die Regie­rungs­führung freiwillig, priva­ti­siert und – das ist entscheidend – weitgehend von der öffent­lichen Rechen­schafts­pflicht losgelöst ist.

Diese Denkweise ist im Silicon Valley tief verwurzelt, wo Umwäl­zungen nicht nur als Geschäfts­modell, sondern als ein Gesetz der Geschichte angesehen werden. Unter­nehmern wird beigebracht, dass alte Insti­tu­tionen ineffi­ziente Relikte sind, die darauf warten, von etwas Besserem abgelöst zu werden. Übertragen auf die Regierung führt diese Logik direkt zu Yarvins Argument: Die Demokratie ist ein veral­teter „Legacy-Code“, der mit der modernen Komple­xität nicht mithalten kann. Die Zukunft, so argumen­tieren er und andere, wird denje­nigen gehören, die ein besseres System entwerfen und einführen – eines, das eher wie ein Unter­nehmen funktio­niert und bei dem die Führungs­per­sön­lich­keiten auf der Grundlage ihrer Kompetenz und nicht durch Wahlen ausge­wählt werden.

Demokratien abschaffen: Die Idee vom Networking-State

Aus diesem Grund haben neore­ak­tionäre Ideen unter den Tech-Eliten ein so offenes Ohr gefunden. Wenn Sie glauben, dass die Techno­logie alte Systeme unwei­gerlich überflüssig macht, warum sollte es dann bei der Demokratie anders sein? Warum sollte man sich die Mühe machen, die Regierung zu reparieren, wenn sie dazu verdammt ist, durch etwas Fortschritt­li­cheres ersetzt zu werden?

Klassische liberale Libertäre akzep­tieren die Demokratie und argumen­tieren, dass Märkte innerhalb eines begrenzten, aber funktio­nie­renden demokra­ti­schen Systems existieren sollten. Doch die Silicon-Valley-Variante des Liber­ta­rismus, geprägt durch das souveräne Individuum und verstärkt durch den Aufstieg der Krypto­währung, begann, die demokra­tische Regie­rungs­führung selbst als Hindernis zu betrachten. Die Rhetorik des „Ausstiegs“ und der „Netzwerk­staaten“ wurde zur liber­tären Recht­fer­tigung für die völlige Abkehr von der Demokratie. Dies war nicht nur theore­tisch – es gab auch tatsäch­liche Versuche, diese Ideen umzusetzen, wie das von Thiel unter­stützte „Netzwerkstaat“-Projekt namens Praxis (ein Begriff aus der Misea) in Grönland. Die Frage lautete also nicht mehr: „Wie können wir die Regierung verkleinern oder ihre Leistung verbessern?“, sondern vielmehr: „Wie können wir der Regierung ganz entkommen?“

Für Leute wie Yarvin, Thiel und Srini­vasan bestand die Antwort darin, die Demokratie durch ein neues System zu ersetzen – ein System, in dem die Macht denje­nigen gehört, die über die Mittel verfügen, auszu­steigen und etwas Besseres aufzu­bauen. Und wie wir jetzt sehen, warten sie nicht darauf, dass dieser Übergang auf natür­liche Weise erfolgt.

Srini­vasan hat, wie andere in dieser Bewegung, eine ideolo­gische Entwicklung durch­ge­macht, die für einen breiteren Trend im Silicon Valley steht. Als ehema­liger CTO von Coinbase und General Partner bei Andre­essen Horowitz betrachtete er die Krypto­währung zunächst aus einer techno-liber­tären Perspektive und sah sie als ein Instrument zur indivi­du­ellen Befähigung und Markt­ef­fi­zienz. Sein Denken richtete sich jedoch zunehmend auf neore­ak­tionäre Ideen aus, insbe­sondere auf das Konzept des „Ausstiegs“ – die Möglichkeit, aus den bestehenden politi­schen Struk­turen vollständig auszu­steigen. Dieser Wechsel vom Techno­li­be­ra­lismus zum neore­ak­tio­nären Denken ist kein so großer Sprung, wie es vielleicht scheint. Beide Ideologien teilen eine tiefe Skepsis gegenüber zentraler Autorität und den Glauben an die Macht der Techno­logie, die Gesell­schaft umzugestalten.

Vom Techno-Liber­ta­rismus zur Neoreaktion

Der Weg vom Techno-Liber­ta­rismus zur Neore­aktion folgt oft einem vorher­seh­baren Pfad. Es beginnt mit einer liber­tären Kritik an der Ineffi­zienz und Überfor­derung der Regierung. Daraus entwi­ckelt sich eine breitere Skepsis gegenüber allen demokra­ti­schen Insti­tu­tionen, die im Vergleich zur Geschwin­digkeit und Logik der Techno­logie als langsam und irrational angesehen werden. Dies führt schließlich zu der Schluss­fol­gerung, dass die Demokratie selbst ein veral­tetes System ist, das mit dem schnellen techno­lo­gi­schen Fortschritt unver­einbar ist. Der letzte Schritt ist die Annahme, dass die Demokratie vollständig durch „effizi­entere“ Formen des Regierens ersetzt werden sollte, die sich häufig an Unter­neh­mens­struk­turen oder techno­lo­gi­schen Systemen orientieren.

James Pogues bemer­kens­werter Artikel in der Vanity Fair, „Inside the New Right, Where Peter Thiel Is Placing His Biggest Bets“, zeichnet nach, wie diese Randideen zu einer ausge­klü­gelten politi­schen Bewegung wurden, die von einigen der mächtigsten Persön­lich­keiten der Techno­lo­gie­branche unter­stützt wird. In seinem Bericht von der National Conser­vatism Confe­rence 2022 in Orlando trifft Pogue auf jeden, von „verstaubten Paleocon-Profes­soren“ bis hin zu republi­ka­ni­schen Mainstream-Senatoren, aber sein Fokus auf die jüngere Kohorte ist besonders aufschluss­reich. Es handelt sich um hochge­bildete junge Eliten, die Yarvins Kritik an der Demokratie verin­ner­licht haben und daran arbeiten, sie in die politische Realität umzusetzen.

Demokratie als undurch­sich­tiges System aus Medien, Wissen­schaft und Bürokratie

Pogue beschreibt detail­liert, wie Yarvins Schriften während der Krise nicht nur wirtschaft­liche Probleme diagnos­ti­zierten – sie boten eine umfas­sende Kritik dessen, was er „die Kathe­drale“ nannte, ein inein­an­der­grei­fendes System aus Medien, Wissen­schaft und Bürokratie, das seiner Meinung nach die ideolo­gische Kontrolle aufrecht­erhält und gleich­zeitig seine eigene Macht verschleiert. Die Verschmelzung von öster­rei­chi­scher Ökonomie, Techno-Liber­ta­rismus und Yarvins Kritik an der Demokratie fand in der Krypto­währung und der Block­chain-Techno­logie ihr perfektes Vehikel. Srini­vasan entwi­ckelte sich zu einer Schlüs­sel­figur, die dazu beitrug, diese abstrakten Ideen in eine konkrete Vision zu übersetzen. Krypto­wäh­rungen boten nicht nur eine Möglichkeit, die staat­liche Geldkon­trolle zu umgehen, sondern auch ein Modell dafür, wie digitale Techno­logie neue Formen der Souve­rä­nität ermög­lichen könnte.

Wie Pogue dokumen­tiert, begannen Persön­lich­keiten wie Thiel, die Krypto­währung nicht nur als neues Finanz­in­strument zu sehen, sondern als ein Werkzeug zur grund­le­genden Umstruk­tu­rierung der Gesell­schaft. Wenn die tradi­tio­nelle Demokratie hoffnungslos korrupt war, wie Yarvin argumen­tierte, dann könnte die Block­chain vielleicht neue Formen des Regierens ermög­lichen, die auf einem unver­än­der­lichen Code und nicht auf dem fehlbaren mensch­lichen Urteil basieren. Diese Vision fand ihren perfekten techno­lo­gi­schen Ausdruck in Bitcoin. Bitcoin, das nach der Krise von 2008 von einem anonymen Schöpfer unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ins Leben gerufen wurde, schien die Kernthese des Souve­ränen Indivi­duums zu bestä­tigen – dass die Techno­logie es dem Einzelnen ermög­lichen könnte, sich der staat­lichen Geldkon­trolle zu entziehen. Das Timing war perfekt: Gerade als das Vertrauen in die tradi­tio­nellen Finanz­in­sti­tu­tionen erschüttert war, erschien ein System, das versprach, mensch­liches Urteils­ver­mögen durch mathe­ma­tische Gewissheit zu ersetzen.

Krypto­währung als Subversion

Die philo­so­phi­schen Grund­lagen von Bitcoin stützen sich stark auf die öster­rei­chische Ökonomie und das libertäre Denken, aber es war Saifedean Ammous, der diese Ideen in seinem 2018 erschie­nenen Buch „The Bitcoin Standard“ am deutlichsten mit reaktio­närer Politik verband. Was als wirtschaft­liches Argument für Bitcoin auf der Grundlage der öster­rei­chi­schen Geldtheorie begann, entwi­ckelte sich in den späteren Kapiteln zu etwas viel Radika­lerem. Besonders aufschluss­reich war Ammous‘ Kritik an moderner Kunst und Archi­tektur, die fast genau die faschis­tische ästhe­tische Theorie des frühen 20. Jahrhun­derts wider­spiegelt. Wenn er gegen „entartete“ moderne Kunst und Archi­tektur zugunsten klassi­scher Formen wettert, beruft er sich – ob absichtlich oder nicht – auf genau die Sprache und Argumente, die die Faschisten in den 1930er Jahren verwendeten.

Die Umarmung von Figuren wie Ammous durch die Bitcoin-Gemein­schaft zeigt, wie die Krypto­währung nicht nur zu einer Techno­logie oder einer Inves­tition wurde, sondern zu einem Vehikel für reaktio­näres politi­sches Denken. Die Idee, dass Bitcoin ein verlo­renes goldenes Zeitalter des soliden Geldes wieder­her­stellen würde, fügte sich nahtlos in breitere reaktionäre Narrative über den gesell­schaft­lichen Niedergang und die Notwen­digkeit der Wieder­her­stellung tradi­tio­neller Hierar­chien ein.

Reaktionäre sowie liberale Perspek­tiven auf Bitcoin

Während Figuren wie Ammous versuchten, Bitcoin für eine reaktionäre Weltan­schauung in Anspruch zu nehmen, kann die Techno­logie selbst – wie Bailey, Rettler und ihre Mitau­toren in Resis­tance Money argumen­tieren gleicher­maßen liberalen und demokra­ti­schen Werten dienen. Der entschei­dende Unter­schied liegt darin, wie wir die Beziehung von Bitcoin zu politi­schen Insti­tu­tionen verstehen. Während Reaktionäre Bitcoin als ein Werkzeug sehen, um demokra­tische Regie­rungs­führung vollständig zu ersetzen, versteht die liberale Perspektive, die in Resis­tance Money vorge­stellt wird, Bitcoin als eine Kontrolle gegen Übervor­teilung und ein Mittel, um indivi­duelle Autonomie innerhalb demokra­ti­scher Systeme zu bewahren. Damit wird Bitcoin nicht als Ersatz für demokra­tische Insti­tu­tionen gesehen, sondern als eine techno­lo­gische Innovation, die helfen kann, bürger­liche Freiheiten und Menschen­rechte zu schützen – insbe­sondere in Kontexten, in denen tradi­tio­nelle Finanz­systeme als Werkzeuge der Überwa­chung oder Unter­drü­ckung einge­setzt werden.

Dieses Spannungs­ver­hältnis zwischen reaktio­nären und liberalen Inter­pre­ta­tionen von Bitcoin spiegelt ein breiteres Muster wider, das wir in unserer gesamten Erzählung gesehen haben: techno­lo­gische Innova­tionen, die die mensch­liche Freiheit verbessern könnten, werden in antide­mo­kra­tische Rahmen­werke eingefügt. Genauso wie Yarvin und andere versuchten, den gesamten Verlauf der techno­lo­gi­schen Entwicklung als unwei­gerlich zur Auflösung der Demokratie führend darzu­stellen, versuchten Figuren wie Ammous, die monetären Eigen­schaften von Bitcoin als zwangs­läufig mit einer breiteren reaktio­nären Weltsicht verbunden darzustellen.

Umsetzung von antide­mo­kra­ti­schen Randideen

Von Yarvins frühen Schriften während der Finanz­krise bis zur heutigen Verfas­sungs­krise können wir eine klare intel­lek­tuelle Entwicklung verfolgen. Was als abstrakte Kritik an demokra­ti­schen Insti­tu­tionen begann, ist zu einem konkreten Entwurf für deren Abbau geworden. Der wichtigste Beschleu­niger dieses Prozesses war jedoch die Krypto­währung – sie bot sowohl einen techno­lo­gi­schen Rahmen als auch ein psycho­lo­gi­sches Modell für den vollstän­digen Ausstieg aus der demokra­ti­schen Regierungsführung.

Was diese Vision so gefährlich macht, ist nicht nur ihre Feind­se­ligkeit gegenüber der Demokratie – es ist die Art und Weise, wie sie den Zusam­men­bruch der demokra­ti­schen Regie­rungs­führung als unver­meidlich und nicht als Wahlmög­lichkeit darstellt. Dies habe ich als „episte­mi­schen Autori­ta­rismus“ bezeichnet. Anstatt anzuer­kennen, dass Techno­logie durch mensch­liches Handeln und politische Entschei­dungen geformt wird, geht Srini­vasans Vision des „Netzwerk­staates“ davon aus, dass der techno­lo­gische Wandel einen festen Verlauf hat, der die Natio­nal­staaten auf natür­liche Weise auflösen und durch digital vermit­telte Regie­rungs­struk­turen ersetzen wird. Dieses deter­mi­nis­tische Denken lässt keinen Raum für öffent­liche Debatten, demokra­tische Entschei­dungen oder alter­native Wege der techno­lo­gi­schen Entwicklung. Es sagt uns, dass die Zukunft bereits entschieden ist und die einzige Wahl darin besteht, sie anzunehmen oder zurückzubleiben.

Techno-Liber­ta­rismus als Einfallstor für Neoreaktion

Diese deter­mi­nis­tische Sicht­weise erklärt auch, warum so viele Libertäre in eine reaktionäre Politik abdrif­teten. Wenn die Demokratie dem Untergang geweiht ist, warum sollte man sich dann die Mühe machen, sie zu vertei­digen? Wenn die Techno­logie das Regieren ersetzen wird, warum dann nicht den Prozess beschleu­nigen? So wurde der Techno-Liber­ta­rismus zu einem Einfallstor für die Neore­aktion – er ersetzte die klassische liberale Verpflichtung zu offener Debatte und schritt­weisem Fortschritt durch eine absolu­tis­tische Sicht der Geschichte, die die völlige Aufgabe demokra­ti­scher Ideale rechtfertigte.

Wenn Musk die Kontrolle erlangt über die Zahlungs­systeme des Finanz­mi­nis­te­riums oder Trump erklärt, dass Gesetze nicht für dieje­nigen gelten, die das Land retten, dann setzen sie damit Ideen um, die in der Kryptowelt entstanden sind. Die Vorstellung, dass Code demokra­tische Insti­tu­tionen ersetzen kann, dass technische Kompetenz demokra­tische Verhand­lungen überflüssig macht und dass private Macht an die Stelle öffent­licher Autorität tritt – diese Ideen sind von der Krypto-Theorie in die politische Praxis übergegangen.

Sowohl Srini­vasans „Netzwerk­staat“ als auch Yarvins Kritik an der Demokratie sehen in der Techno­logie ein Mittel, um demokra­ti­schen Zwängen zu entkommen, aber sie verfolgen einen anderen Ansatz. Yarvin plädiert dafür, die demokra­ti­schen Insti­tu­tionen von innen heraus zu erobern und zu demon­tieren, während Srini­vasan vorschlägt, parallele Struk­turen außerhalb aufzu­bauen, um sie irrelevant zu machen. Wir erleben jetzt die Konvergenz dieser Ansätze – die Nutzung der techno­lo­gi­schen Kontrolle zur gleich­zei­tigen Eroberung und Umgehung der demokra­ti­schen Kontrolle.

Trump als Ermög­licher antide­mo­kra­ti­scher Visionen des Silicon Valley

Diese ideolo­gi­schen Rahmen­werke wären vielleicht abstrakte Theorien geblieben, wenn nicht eine einzig­artige Konvergenz von Faktoren ihre Umsetzung plötzlich möglich gemacht hätte. Der Aufstieg von Trump – einer Figur, die gleich­zeitig demokra­ti­schen Insti­tu­tionen gegenüber feind­selig einge­stellt war und sich den Tech-Oligarchen anschloss – bot eine noch nie dagewesene Gelegenheit. Hier war ein poten­zi­eller Allein­herr­scher, der die Demokra­tie­kritik des Silicon Valley nicht nur akzep­tierte, sondern verkör­perte. Seine Verachtung für verfas­sungs­recht­liche Beschrän­kungen, seine Überzeugung, dass persön­liche Loyalität Vorrang vor insti­tu­tio­neller Unabhän­gigkeit haben sollte, und seine Ansicht, dass die Regierung privaten Inter­essen dienen sollte, passten perfekt zu der aufkom­menden antide­mo­kra­ti­schen Weltan­schauung des Silicon Valley. In Kombi­nation mit der beispiel­losen techno­lo­gi­schen Kontrolle über Infor­ma­ti­ons­flüsse, Finanz­systeme und soziale Netzwerke entstand ein perfekter Sturm: die Ideologie, die den Abbau der Demokratie recht­fer­tigte, das politische Vehikel, das dazu bereit war, und die techno­lo­gische Fähigkeit, dies in die Tat umzusetzen.

Die Finanz­krise schuf die Voraus­set­zungen dafür, dass antide­mo­kra­ti­sches Gedan­kengut im Silicon Valley Fuß fassen konnte, doch der eigent­liche Wandel vollzog sich in einer Reihe verschie­dener Phasen, die jeweils auf der vorhe­rigen aufbauten. Verfolgen wir diese Entwicklung einmal genau:

Der insti­tu­tio­nelle Kontext für diesen Wandel ist entscheidend. Gallup-Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die Medien zwischen 1976 und 2024 von 72 % auf 31 % gesunken ist, während das Misstrauen gegenüber der Regierung laut Pew Research nach 2008 85 % erreichte. Diese Erosion des insti­tu­tio­nellen Vertrauens schuf einen frucht­baren Boden für alter­native Machtstrukturen.

Erosion des Vertrauens in Insti­tu­tionen als Voraus­setzung für Machtumbau

Die Gefahr liegt nicht nur in dem, was diese Agenten tun, sondern auch darin, wie ihre Aktionen die Fähigkeit der Bürger zum demokra­ti­schen Wider­stand syste­ma­tisch unter­graben. Was wir hier sehen, ist eine genaue Umsetzung von Yarvins „RAGE“-Doktrin (Retire All Government Employees), die er erstmals 2012 vorge­schlagen hat. Was diesen Moment jedoch besonders bedeutsam macht, ist die Tatsache, dass er mehrere Stränge des neore­ak­tio­nären Denkens zu einer koordi­nierten Aktion verbindet. Als Yarvin über die Ersetzung demokra­ti­scher Insti­tu­tionen durch Corporate-Gover­nance-Struk­turen schrieb, als er argumen­tierte, dass technische Kompetenz Vorrang vor demokra­ti­schen Prozessen haben sollte, beschrieb er damit genau das, was wir jetzt beobachten.

Yarvins Plan, Beamte zu entlassen, die sich aus recht­lichen oder verfas­sungs­recht­lichen Gründen wehren könnten, und dann eine private technische Infra­struktur zu instal­lieren, die eine Kontrolle unmöglich macht, zielt nicht nur darauf ab, die Leitung von Regie­rungs­be­hörden zu ändern. Er zielt darauf ab, die Art und Weise, wie Macht funktio­niert, grund­legend zu verändern und sie von demokra­ti­schen Insti­tu­tionen auf technische Systeme zu verlagern, die von einer kleinen Elite kontrol­liert werden.

Was wir hier erleben, ist nicht einfach nur eine Macht­er­greifung, sondern der Höhepunkt einer Ideologie, die über ein Jahrzehnt lang ausge­brütet, getestet und verfeinert wurde. Zunächst argumen­tierten diese Denker, dass die Demokratie ineffi­zient sei. Dann schufen sie techno­lo­gische Werkzeuge – Krypto­währung, Block­chain-Gover­nance und KI-gesteuerte Entschei­dungs­findung – um demokra­tische Insti­tu­tionen vollständig zu umgehen. Jetzt experi­men­tieren sie nicht mehr. Sie übernehmen die Kontrolle über die staat­liche Infra­struktur selbst und program­mieren sie in Echtzeit so um, dass sie nach ihren Vorstel­lungen funktio­niert. Und sie sind entschlossen, den Rest von uns in diese schöne neue Welt zu ziehen, ob wir nun zustimmen oder nicht.

Neoka­me­ra­lismus: Der Staat als Unternehmen

Aus diesem Grund geht die Konzen­tration auf die techni­schen Aspekte dessen, was in den Behörden geschieht, an der tiefgrei­fenden Umgestaltung vorbei, die im Gange ist. Jeder nicht autori­sierte Server, jedes KI-Modell, jeder abgezogene Beamte ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umwandlung der demokra­ti­schen Regie­rungs­führung in das, was Yarvin als „Neoka­me­ra­lismus“ bezeichnete – ein System, in dem die Gesell­schaft wie ein Unter­nehmen geführt wird, mit klaren Eigen­tums­ver­hält­nissen und Kontrolle statt demokra­ti­scher Beratungen. Die Infra­struktur, die aufgebaut wird, soll nicht demokra­ti­schen Zwecken dienen – sie soll die Demokratie selbst obsolet machen.

Bei der Strategie, „die Zone mit Scheiße zu fluten“, ging es nie nur darum, den Nachrich­ten­zyklus zu kontrol­lieren – es ging darum, die Bedin­gungen des Regierens selbst neu zu gestalten. Das Ziel war nicht nur, in die Irre zu führen, sondern ein Umfeld zu schaffen, das so chaotisch ist, dass eine tradi­tio­nelle demokra­tische Entschei­dungs­findung unmöglich wird. Nach dem disrup­tiven Wandel des Journa­lismus, der die Wahrheit durch Engagement-optimierte Feeds ersetzte, gingen sie dazu über, die Regie­rungs­führung selbst zu stören. Ihre Nachrichten, Ihre Politik, Ihre Realität – automa­ti­siert, priva­ti­siert und kontrol­liert von denen, die das Netzwerk besitzen. Sobald die Öffent­lichkeit das Vertrauen in die Regierung verloren hatte, konnte die Tech-Elite die Lösung präsen­tieren: eine neue, KI-gesteuerte, algorith­misch optimierte Form des Regierens – eine, die nicht der mensch­lichen Irratio­na­lität, der demokra­ti­schen Ineffi­zienz oder der Unvor­her­seh­barkeit von Wahlen unter­worfen sein würde. So wie Social-Media-Unter­nehmen tradi­tio­nelle Nachrichten durch algorith­mische Feeds ersetzten, wollten diese Techno­kraten die demokra­tische Regie­rungs­führung durch automa­ti­sierte Entschei­dungs­findung ersetzen.

Demokra­tische Insti­tu­tionen durch KI-Systeme ersetzen

Was in „DOGE“ geschieht, ist die letzte Phase dieses Plans. Die alten demokra­ti­schen Insti­tu­tionen, die durch jahre­lange vorsätz­liche Desta­bi­li­sierung geschwächt wurden, werden in Echtzeit durch proprietäre KI-Systeme ersetzt, die nicht von gewählten Vertretern, sondern von demselben Netzwerk zügel­loser Silicon-Valley-Agenten kontrol­liert werden, die die Krise überhaupt erst verur­sacht haben. Wir bewegen uns nicht auf diese Zukunft zu – wir leben bereits in ihr.

Staat­liche Aufgaben, die einst demokra­tisch rechen­schafts­pflich­tigen Insti­tu­tionen oblagen, werden bereits an proprietäre KI-Systeme übertragen, die nicht auf Gerech­tigkeit oder Gleichheit, sondern auf Effizienz und Kontrolle optimiert sind. Schon jetzt werden Entschei­dungen über Finanz­re­gu­lierung, Straf­ver­fol­gungs­prio­ri­täten und politische Meinungs­ver­schie­den­heiten von Algorithmen getroffen, gegen die kein Bürger stimmen kann und die kein Gericht kontrol­lieren kann. Ihre Rechte werden nicht mehr durch einen recht­lichen Rahmen bestimmt, gegen den Sie Einspruch erheben können – sie werden durch eine Reihe von Nutzungs­be­din­gungen diktiert, die nach Belieben derje­nigen geändert werden können, die das Netzwerk kontrollieren.

Wenn wir jetzt nicht handeln, könnten wir eines Tages aufwachen und feststellen, dass die Demokratie nicht in einem drama­ti­schen Staats­streich gestürzt wurde, sondern einfach Zeile für Zeile aus dem Code, der unser Leben regelt, gestrichen wurde.

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