Klima­po­litik: Block­denken war gestern

© campact /​ CC BY-NC 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/) via Flickr

Die Zeichen stehen auf Kompromiss und Verstän­digung: Zum sich wandelnden Verhältnis zwischen Klima­be­wegung und Wirtschaft. Eine Analyse von Lukas Daubner.

Einer der größten Erfolge der Klima- und Umwelt­be­wegung ist die Überwindung alter Konflikt­linien. Sie haben die Themen Klima- und Umwelt­schutz so weit in das Gesichtsfeld der politi­schen Öffent­lichkeit gerückt, sodass noch vor einigen Jahren kaum denkbare Allianzen möglich erscheinen. 

Portrait von Lukas Daubner

Lukas Daubner ist bei LibMod wissen­schaft­licher Mitar­beiter im Bereich Ökolo­gische Moderne

Fridays for Future verbündet sich etwa mit Gewerk­schaften, die lange als klima­po­li­tische Bremser galten. Zuletzt hat die Stiftung 2° mit einem Positi­ons­papier gezeigt, dass viele, auch energie­in­tensive Unter­nehmen, sich selbst in wirtschaftlich schwie­rigen Zeiten für ein stärkeres Engagement im Klima­schutz einsetzen. Ökolo­gische Moder­ni­sierung und der Schutz von Ökosys­temen ist längst nicht mehr nur Sache von Poncho tragenden Eskapisten. Das lange übliche Freund-Feind-Schema zwischen sozialen Bewegungen und Wirtschaft gilt in der Klima­frage nicht mehr ohne Weiteres.

Akteurs­kon­stel­la­tionen haben sich gewandelt

Auf der einen Seite hat sich die Strategie (zumindest von Teilen) der Klima­be­wegung geändert. Sich, wie sozial­öko­lo­gische Protest­be­we­gungen der Vergan­genheit, einfach gegen die Wirtschaft zu stellen, funktio­niert nicht mehr: Die Wirtschaft umfasst auch das vegane Café, den Unver­packt-Laden, die Produ­zenten der erneu­er­baren Energie oder solche, die klima­neu­trale Kraft­stoffe entwi­ckeln. Außerdem sind selbst die üblichen Verdäch­tigen nicht mehr eindeutig verdächtig: Autokon­zerne inves­tieren Milli­arden in klima­freund­li­chere E‑Mobilität. Stahl­pro­du­zenten experi­men­tieren mit grünem Wasser­stoff, Energie­kon­zerne bauen ihr Erneu­er­ba­ren­port­folio stetig aus. Ein Grund für den Erfolg von Fridays for Future ist, dass die Aktivis­tinnen erkannt haben, dass es nicht mehr ausreicht, eine funda­men­tal­op­po­si­tio­nelle Haltung einzu­nehmen. Sie protes­tieren nur gegen ausge­wählte Unter­nehmen (z. B. Siemens), reden aber gleich­zeitig mit ihnen, etwa auf der Hauptversammlung.

Auf der anderen Seite verschließt sich „die“ Wirtschaft Klima­fragen nicht länger. Zwar fällt es der klassi­schen Wirtschafts­lobby, etwa dem CDU-Wirtschaftsrat, zuweilen noch schwer, diesen Wandel mitzu­gehen.  Aber nicht nur einmal wurden deren Vorstöße gegen klima­po­li­tische Maßnahmen von Unter­nehmen zurück­ge­wiesen. Die alten Reflexe, in Blöcken zu denken, bestehen noch. Die Uneinigkeit hinsichtlich klima­po­li­ti­scher Maßnahmen innerhalb und zwischen Branchen­ver­bänden macht aber einen Riss deutlich, der sich innerhalb der Wirtschaft aufgetan hat: Hier das Lager, welches die braunen Geschäfts­mo­delle des 20. Jahrhun­derts verteidigt; dort dieje­nigen, die sich für eine ökolo­gisch moderne Wirtschaft des 21. Jahrhun­derts einsetzen.

Immer mehr Unter­nehmen machen ernst mit Klimaschutz

Immer mehr Unter­nehmen meinen es ernst mit Klima­schutz. Viele Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer wollen ihrer gesell­schaft­lichen Verant­wortung gerecht werden oder haben erkannt, dass es für ihre Kinder und Enkel ungemütlich werden könnte auf einem runter­ge­wirt­schaf­teten Planeten, der zum Treibhaus geworden ist. Wichtiger noch als diese persön­lichen Motiva­tionen aber ist etwas anderes. In mehr und mehr Branchen lohnt es sich, ökolo­gi­scher oder klima­ge­rechter zu wirtschaften: Kundinnen und Kunden honorieren es, Effizienz rechnet sich, Banken und Versi­che­rungen haben ihr Risk Assessment an Klima­wan­del­mo­delle angepasst und finan­zieren bezie­hungs­weise versi­chern längst nicht mehr alle Unter­neh­mungen.  Kohle­minen beispiels­weise erhalten am Markt zunehmend kein frisches Kapital mehr, sondern sind auf politische Hilfe angewiesen. Anders gesagt: In mehr und mehr Fällen wird es einfach zu teuer, weiter an alten Techno­logien und Geschäfts­mo­dellen festzuhalten.

Vielfach ist es sicherlich auch opportun, sich dem grünen Zeitgeist hinzu­geben. Angefangen von (vermeintlich) regen­wald­ret­tenden Biermarken bis hin zu den Verspre­chungen von „sauberer Kohle“ gibt es schon lange Unter­nehmen, die sich einen grünen Anstrich geben. Vieles, was Unter­nehmen vorschlagen und tun, kann sicherlich als green washing bezeichnet werden: Organi­sa­tionen geben sich ökolo­gisch, produ­zieren aber weiterhin umwelt­schä­di­gende Produkte. Ebenso sind nicht wenige Corporate Social Respon­si­bility-Abtei­lungen und ‑Beauf­tragte eher Teil der unter­neh­me­ri­schen Fassade und haben wenig Einfluss auf wichtige Entscheidungen.

Aber es ist eben nicht alles nur grüne Show. CSR-Abtei­lungen entwi­ckeln Eigen­leben und können einen langsamen Bewusst­seins­wandel bewirken. Dieje­nigen Unter­nehmen, die sich von einem „braunen“, sprich klima­schäd­lichen Wirtschaften abwenden, werden langsam mehr. Damit verschieben sich die Inter­es­sens­lagen innerhalb von Verbänden und die Positionen gegenüber der Regierung oder Minis­terien. Noch lobby­ieren Wirtschafts­ver­bände wie der VDA meistens gegen strengere Klima­auf­lagen – auch wenn sie sich öffentlich natürlich für mehr Klima- und Umwelt­schutz bekennen. Die Frage ist aber, wann der Kipppunkt erreicht ist und eine Mehrheit der Verbands­mit­glieder nicht mehr gegen, sondern für strengere Auflagen ist. Die, die bereits in neue Verfahren inves­tiert haben oder kurz davor­stehen, eine solche Inves­tition zu tätigen, haben demnach andere Inter­essen als die Akteure, die einen Abwehr­kampf gegen strengere Umwelt­auf­lagen oder höhere CO₂-Preise führen. Produ­ziert etwa Tesla demnächst in Deutschland, könnte es im VDA zu hitzigen Diskus­sionen über bisherige Positionen bei Klima­fragen kommen.

Freund-Feind-Unter­schei­dungen werden in der Klima­frage schwieriger

Die sich verän­derte Akteurs­kon­stel­lation wird sowohl für die Klima­be­wegung als auch für Unter­nehmens- und Branchen­ver­bände zu einer strate­gi­schen Heraus­for­derung. Längst gibt es Überschnei­dungen zwischen der Agenda von Fridays for Future und Unter­nehmen wie Vaude, der GLS Bank oder Goldeimer. Bereits 1992 hat sich der grüne Unter­neh­mens­verband Unter­neh­mensGrün gegründet. Der Bundes­verband der Energie- und Wasser­wirt­schaft (BDEW) tritt offen für eine Co₂-neutrale Energie­ver­sorgung ein. Aber auch BASF, Heidel­berg­Cement oder Wacker Chemie treten mittler­weile mit klima­po­li­ti­schen Forde­rungen in Erscheinung. Die Freund-Feind-Unter­scheidung ist nicht mehr so eindeutig, wie sie es immer war. Diese Auflösung der Fronten wird für beide Seite zur Heraus­for­derung. Was bedeutet das für die Akteure? Beide Lager müssten ihr politi­sches Koordi­na­ten­system nachjus­tieren, wenn ihre Forde­rungen weiterhin anschluss­fähig sein sollen. Vertre­te­rinnen und Vertreter sowohl der Bewegungen als auch von Verbänden lassen in letzter Zeit häufiger versöhn­liche Töne anklingen. Zu groß ist die Gefahr für die Bewegung, den Rückhalt breiter Teile der Gesell­schaft zu verlieren, sowie für Verbände, dass progressive Unter­nehmen zu anderen Verbänden abwandern.

Auch wenn vielen die ökolo­gische Trans­for­mation der Gesell­schaft zu langsam vorangeht, ist die Annäherung zwischen Teilen der Wirtschaft und deren Inter­es­sens­ver­bänden sowie den protes­tie­renden sozialen Bewegungen bemer­kenswert. Diese Annäherung zeigt, dass unsere Gesell­schaft in der Lage ist, neue Ideen aufzu­greifen und zu verar­beiten. Die einstmals wenigen grünen Vorreiter finden mehr und mehr Nachahmung. Je mehr Unter­nehmen sich Zielen wie einer klima­neu­tralen Produktion bis 2050 anschließen, desto mehr werden sich auch die Positionen ihrer Verbände ändern. Bewegt sich hier die Politik nicht schnell genug, wird sie sich in einer zweisei­tigen Belagerung wieder­finden: Von einer unbefrie­digten Klima­be­wegung sowie von Unter­nehmen, denen es an Planungs­si­cherheit mangelt.

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