Legal Analysis: Repara­tions Loan Ukraine

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The EU is struggling to find a way to mobilize Russian assets frozen in the EU for Ukraine. The Belgian government in parti­cular is citing legal and financial risks against the proposed “Ukraine repara­tions loan.” The expert opinion shows that such a loan does not entail any substan­tially new risks compared to the EU’s previous sanctions decisions; the advan­tages outweigh the disad­van­tages. We would like to thank attorney Patrick Heinemann for providing us with the expert opinion of the inter­na­tional team of authors.

EU REPARATIONS LOAN FÜR DIE UKRAINE:

RECHTLICHE RISIKOANALYSE FÜR EUROPA UND GROSSBRITANNIEN 

  1. WICHTIGSTE SCHLUSSFOLGERUNGEN

Am 3. Dezember 2025 stellte die EU-Kommission ihren bislang ehrgei­zigsten Vorschlag zur Deckung des langfris­tigen Finan­zie­rungs­be­darfs der Ukraine vor: einen zweitei­ligen Plan zur Sperrung der Vermö­gens­werte und Reserven der russi­schen Zentralbank (RZB) – bis Russland seinen Angriffs­krieg beendet und Repara­tionen an die Ukraine zahlt – in Verbindung mit einem Repara­ti­ons­kredit („Repara­tions Loan”) in Höhe von bis zu 210 Milli­arden Euro, der über vier Jahre in Tranchen ausge­zahlt werden soll. Der Repara­tions Loan sieht vor, die Bargut­haben zu verwenden, die sich nach der Sperrung der RZB-Vermö­gens­werte im Jahr 2022 bei EU-Finanz­in­sti­tuten – insbe­sondere bei der in Belgien ansäs­sigen Euroclear – angesammelt haben.

Der erste Teil des Plans, die unbefristete Einfrierung der Reserven der RZB, wurde am 12. Dezember 2025 als Verordnung (EU) 2025/​2600 des Rates („Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung”) in Kraft gesetzt. Über den Vorschlag für das Repara­ti­ons­dar­lehen soll diese Woche, am 18. und 19. Dezember 2025, abgestimmt werden.

Das Verei­nigte König­reich hat Pläne angekündigt, einen ähnlichen Ansatz für etwa 8 Milli­arden Pfund an immobi­li­sierten russi­schen Staats­geldern, die im Verei­nigten König­reich gehalten werden, zu verabschieden.

Gegner stellen die Recht­mä­ßigkeit des Vorschlags in Frage und verweisen auf das Risiko von Rechts­an­sprüchen seitens Russlands oder der RZB wegen „Enteignung” von Vermö­gens­werten. Die Kommission ist der Ansicht, dass der Vorschlag recht­mäßig ist und keine Beschlag­nahme darstellt. Dies wurde von einer Reihe renom­mierter Wissen­schaftler und Praktiker bestätigt.[1]

Dieses Papier befasst sich mit (i) den Prozess­ri­siken der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung und (ii) den möglichen zusätz­lichen Prozess­ri­siken, die sich aus der Verab­schiedung des Vorschlags für ein Repara­ti­ons­dar­lehen ergeben. Es kommt zu dem Schluss, dass zwar am 12. Dezember 2025 bestimmte theore­tische Prozess­ri­siken im Rahmen der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung entstanden sein mögen, die Verab­schiedung des Teils des Vorschlags, der das Repara­ti­ons­dar­lehen betrifft, jedoch kaum zusätz­liche Prozess­ri­siken mit sich bringen wird, da der RZB keine weiteren Verluste entstehen würden.

Jegliche angeb­lichen Verluste und Schäden, die sich aus der Unfähigkeit der RZB ergeben sollen, ihre Vermö­gens­werte zu nutzen, wären bereits im Rahmen der ursprüng­lichen und aller nachfol­genden Entschei­dungen entstanden, die Trans­ak­tionen mit ihren Vermö­gens­werten blockiert haben, was schließlich zur Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung vom 12. Dezember führte, die die Vermö­gens­werte der RZB bis zum Ende des Krieges Russlands und der Rückzahlung der Schulden an die Ukraine effektiv einfror. Der Rest des Repara­tions-Loan-Programms ist im Wesent­lichen eine interne Angele­genheit des EU-Bank- und Finanz­wesens. Jegliches zusätz­liche Prozess­risiko, das durch die Verab­schiedung des Repara­tions-Loan-Vorschlags entstehen könnte, ist vernachlässigbar.

Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass sich zwar denkbare Prozess­ri­siken aus den bestehenden Sanktionen und der Verab­schiedung der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung ergeben haben. Diese Risiken sind indes gering, und die Verab­schiedung des restlichen EU-Pakets, das das Repara­ti­ons­dar­lehen umfasst, scheint aus den folgenden Gründen kein oder nur ein gering­fügig zusätz­liches Risiko mit sich zu bringen:

  1. Russische Gerichte: Urteile russi­scher Gerichte würden in der EU oder im Verei­nigten König­reich aus Gründen der öffent­lichen Ordnung oder mangels Zustän­digkeit nicht anerkannt oder vollstreckt, sofern die betrof­fenen Beklagten sich nicht freiwillig der Zustän­digkeit russi­scher Gerichte unter­werfen (einschließlich der Vertei­digung gegen die Klage in der Sache, im Gegensatz zur bloßen Rüge der Zuständigkeit).
  2. Nationale Gerichte. Es ist unwahr­scheinlich, dass Russland oder die RZB Klage vor natio­nalen Gerichten in der EU oder im Verei­nigten König­reich erhebt, da dies das Risiko eines damit einher­ge­henden Verzichts auf Staaten­im­mu­nität innerhalb eines solchen Prozesses mit sich bringen würde.
  3. Gerichtshof der Europäi­schen Union (EuGH). Jede Schadens­er­satz­klage Russlands oder der RZB als Nicht-Mitglied­staaten würde außer­ge­wöhnlich hohen Anfor­de­rungen unter­liegen und den Nachweis eines „ausrei­chend schwer­wie­genden Verstoßes” gegen EU-Recht erfordern. Diese Schwelle dürfte durch die Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung kaum erreicht werden, geschweige denn durch den Rest des Repara­tions-Loan-Pakets, da dieses keine Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten der RZB beinhaltet. In jedem Fall würde sich jede Klage gegen die EU und nicht gegen einen einzelnen Mitglied­staat richten. Jede Anfechtung des entspre­chenden Programms des Verei­nigten König­reichs würde auf vergleichbare Hinder­nisse stoßen: Die briti­schen Gerichte gewähren der könig­lichen Regierung einen großen Ermes­sens­spielraum in Bezug auf Sanktionen und Außen­po­litik, und die nicht auf eine Beschlag­nahme ausge­richtete Gestaltung des Programms macht es schwierig, eine Rechts­wid­rigkeit oder ersatz­fähige Verluste bzw. Schäden nachzuweisen.
  4. Inter­na­tionale Gerichte. Kein inter­na­tio­nales Gericht ist für die Verhandlung solcher Klagen Russlands oder der RZB zuständig, da Russland weder die Zustän­digkeit des Europäi­schen Gerichtshofs für Menschen­rechte (EGMR) noch die des Inter­na­tio­nalen Gerichtshofs (IGH) anerkennt.
  5. Investor-Staat-Streit­bei­legung (Investor-state dispute settlement). Ansprüche aus einem bilate­ralen Inves­ti­ti­ons­ab­kommen (BIT) zwischen Russland und einem EU-Mitglied­staa­ten/dem Verei­nigten König­reich würden wahrscheinlich nicht in die Zustän­digkeit des jewei­ligen Schieds­ge­richts fallen, da BITs keine staat­lichen Vermö­gens­werte schützen. In jedem Fall wären solche Ansprüche angesichts der Ausge­staltung des Repara­ti­ons­dar­lehens in der Sache schwach (insbe­sondere hinsichtlich des Nachweises des Schadens), und die Vollstre­ckung eines Schieds­spruchs in Staaten, die die Immobi­li­sierung von Vermö­gens­werten unter­stützen, würde wahrscheinlich aus Gründen des ordre public abgelehnt werden.
  6. Staat-zu-Staat-Schieds­ver­fahren. Solche Verfahren beschränken sich in der Regel auf Strei­tig­keiten über die Auslegung von Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen und nicht auf materielle Entschä­di­gungs­an­sprüche. In jedem Fall würde jeder Entschä­di­gungs­an­spruch auf starke Einwände hinsichtlich der Zustän­digkeit und der Begrün­detheit stoßen, da kein klagbarer Schaden vorliegt.

Der Repara­tions-Loan-Mecha­nismus birgt nicht nur keine zusätz­lichen recht­lichen, sondern auch keine nennens­werten finan­zi­ellen Risiken. Dies wird von Standard & Poor’s und Fitch bestätigt, den weltweit führenden Rating­agen­turen, die unabhängige Bewer­tungen der Kredit­wür­digkeit von Ländern, Unter­nehmen und Finanz­in­stru­menten vornehmen. Im Vorfeld der Veröf­fent­li­chung des Repara­tions Loans am 3. Dezember 2025 erklärte Fitch, dass das Premium-Rating „AA/​Stabil“ von Euroclear und das Länder­rating Belgiens (A+/Stabil) von dem Repara­tions-Loan-Vorschlag unberührt bleiben würden, sofern die recht­lichen und Liqui­di­täts­ri­siken auf die EU-Mitglied­staaten verteilt würden (wie im Entwurf der Kommission bestätigt).

2. REPARATIONS LOAN: HINTERGRUND

Von den rund 193 Milli­arden Euro an immobi­li­sierten RZB-Vermö­gens­werten, die Euroclear hält, werden etwa 176 Milli­arden Euro in bar verwaltet. Bei diesen Vermö­gens­werten handelte es sich ursprünglich um Staats­an­leihen – eine Schuld des Anlei­he­emit­ten­ten­staates gegenüber der RZB, die von Euroclear gehalten wurde –, aber bis 2025 war der Großteil davon fällig geworden und in Barein­lagen umgewandelt worden, d. h. in Verbind­lich­keiten gegenüber der RZB. Die Einlagen lauten auf verschiedene Währungen, darunter Euro, Pfund Sterling, US-Dollar, kanadische Dollar und japanische Yen, und werden bei den jewei­ligen Natio­nal­banken gehalten. Obwohl Sanktionen die Übertragung von Barein­lagen von Banken an Euroclear blockieren, bleiben die Beträge in der Bilanz von Euroclear als Vermö­gens­werte und entspre­chende Verbind­lich­keiten gegenüber der RZB verbucht.

Euroclear hat beispiellose Gewinne aus Zinsen auf gebundene Barein­lagen erzielt, die bis zum ersten Halbjahr 2025 14 Milli­arden Euro überstiegen. Im Februar 2024 wurde mit dem Beschluss (GASP) 2024/​577 des Rates die Trennung dieser außer­or­dent­lichen Einnahmen vorge­schrieben. Fitch berichtete daraufhin, dass die Finanz­ra­tings von Euroclear von dieser Maßnahme unberührt blieben, die laut Fitch ein Vorläufer für die Verwendung der Gewinne zur Finan­zierung von Krediten an die Ukraine war.

Im Juni 2024 einigten sich die Staats- und Regie­rungs­chefs der G7 darauf, der Ukraine Darlehen in Höhe von 50 Milli­arden US-Dollar im Rahmen der Sonder­maß­nahme zur Beschleu­nigung der Einnahmen (Extra­or­dinary Revenue Accele­ration, ERA) zu gewähren, die aus den Gewinnen der bei Euroclear einge­fro­renen russi­schen Staats­ver­mögen zurück­ge­zahlt werden sollen. Die EU setzte diese Verein­barung durch die Verordnung (EU) 2024/​2773 (die „ERA-Kredit­ver­ordnung“) um, mit der der Ukraine-Kredit­ko­ope­ra­ti­ons­me­cha­nismus geschaffen wurde, um nicht rückzahlbare EU-Hilfen für die Bedienung der G7-ERA-Kredite bereitzustellen.

Im September 2025 wurde ein umfas­sen­derer Vorschlag vorgelegt, der vorsah, den gesamten Wert der einge­fro­renen Vermö­gens­werte als „Repara­tions Loan” der Ukraine als Darlehen zu geben. Das Konzept sah vor, die Bargut­haben von Euroclear in ein mit AAA bewer­tetes Nullkupon-Schuld­in­strument der Europäi­schen Kommission zu inves­tieren, um einen EU-Kredit in Höhe von rund 140 Milli­arden Euro an die Ukraine zu finan­zieren, der nur zurück­zu­zahlen ist, wenn Russland der Ukraine Kriegs­schäden ersetzt. Am 25. Oktober 2025 bestä­tigte Fitch erneut, dass das Kredit­rating von Euroclear und das Länder­rating Belgiens unberührt bleiben würden, sofern die recht­lichen und Liqui­di­täts­ri­siken auf alle EU-Mitglied­staaten verteilt würden – ein Grundsatz, der sich auch in den Entwürfen der Vorschläge der EU-Kommission widerspiegelt.

Die britische Regierung hat erklärt, dass derzeit etwa 8 Milli­arden Pfund Sterling an RZB-Bargeld in briti­schen Finanz­in­sti­tuten gebunden sind, und Pläne angekündigt, einen Ansatz zu verfolgen, der weitgehend dem EU-Modell entspricht. Nach diesem Vorschlag würde das Verei­nigte König­reich das einge­frorene RZB-Bargeld zinslos ausleihen, die Kredit­auf­nahme mit briti­schen Staats­schulden absichern und die Mittel zinslos an die Ukraine weiter­ver­leihen, wobei die Rückzahlung nur dann erfolgt, wenn Russland Repara­tionen zahlt.

3. VORSCHLAG DER EU FÜR EIN REPARATIONSDARLEHEN

Der Vorschlag der EU-Kommission ist als eng verzahntes Paket von EU-Verord­nungen strukturiert:

Teil I (verab­schiedet am 12. Dezember 2025)

  • Die am 12. Dezember 2025 gemäß Artikel 122 Absatz 1 AEUV (wirtschaft­liche Sofort­maß­nahmen) erlassene Verordnung (EU) Nr. 2025/​2600 des Rates verbietet jegliche Übertragung von gesperrten Vermö­gens­werten oder Reserven der Zentralbank Russlands und des Russi­schen Staats­fonds (Artikel 2), bis Russland seinen Angriffs­krieg beendet und Repara­tionen an die Ukraine zahlt (Artikel 4) (die „Sperr­ver­ordnung“).

Teil II (soll am 18. und 19. Dezember 2025 vereinbart werden)

  • Der Verord­nungs­entwurf 2025/​3501 des Rates gemäß Artikel 122 Absatz 1 AEUV schreibt vor, dass EU-Finanz­in­stitute ihre aus gesperrten RZB-Vermö­gens­werten resul­tie­renden Bargut­haben in Schuld­titel der EU-Kommission mit AAA-Rating inves­tieren müssen, die „gemäß den geltenden Rechnungs­le­gungs­vor­schriften als bargeld­ähnlich zu behandeln sind“ (Artikel 4) („Verordnung über die Anlage von Barguthaben“).

Zusammen sieht dieses Paket Folgendes vor:

  1. Anerkennung von Repara­ti­ons­for­de­rungen. Eine gesetz­liche Anerkennung der völker­recht­lichen Verpflichtung Russlands (gemäß den Artikeln über die Verant­wort­lichkeit der Staaten für völker­rechts­widrige Handlungen (ARSIWA) und dem Völker­ge­wohn­heits­recht), Repara­tionen an die Ukraine zu zahlen, um den durch seinen illegalen Angriffs­krieg verur­sachten Schaden zu ersetzen (Erwägungs­grund 11 der Repara­tions-Loan-Verordnung), und die Verwendung dieser Forde­rungen als Sicherheit für das Repara­ti­ons­dar­lehen (Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b der Reparations-Loan-Verordnung).
  2. Festschreibung der derzeit geltenden Immobi­li­sierung von Vermö­gens­werten. Eine Rechts­grundlage für die Verpflichtung der G7, russische Staats­ver­mögen nicht freizu­geben, bis Russland Repara­tionen an die Ukraine gezahlt hat (Artikel 2 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung), wodurch die Abhän­gigkeit von den derzei­tigen sechs­mo­na­tigen, einstim­migen Sankti­ons­ver­län­ge­rungen, die eine vollständige Aufhebung der Sanktionen riskieren, verringert wird.
  3. Umfang­reiche finan­zielle Unter­stützung. Schaffung einer Kredit­fa­zi­lität von bis zu 210 Milli­arden Euro für die Ukraine, die für makro­fi­nan­zielle Hilfe und Vertei­di­gungs­be­schaf­fungen verwendet werden kann, einschließlich Entschä­di­gungen für Personen, die durch die Aggression Russlands geschädigt wurden, beispiels­weise durch die vom Europarat unter­stützte Entschä­di­gungs­kom­mission für die Ukraine (Erwägungs­grund 24 der Reparations-Loan-Verordnung).
  4. Bedingte Rückzahlung. Die Ukraine muss das Darlehen nur unter bestimmten Umständen zurück­zahlen: Wenn Russland Repara­tionen zahlt (bis zur Höhe des erhal­tenen Betrags) oder wenn die Ukraine gegen bestimmte politische und rechts­staat­liche Bedin­gungen verstößt.
  5. Risikoteilung und Garantien. Ein dreistu­figes System zum finan­zi­ellen Schutz für Belgien, Euroclear und andere Inhaber von RZB-Vermö­gens­werten, bestehend aus: 
    1. Freiwillige Garantien der Mitglied­staaten (Artikel 25 der Reparations-Loan-Verordnung);
    2. EU-Liqui­di­täts­me­cha­nismus (oder EU-Haushalts­ga­rantien) gemäß der EU-Haushalts­ga­ran­tie­ver­ordnung (vorbe­haltlich der einstim­migen Verab­schiedung dieser Verordnung) und
    3. Schuld­ver­schrei­bungen der Union als letztes Auffangnetz.

Entscheidend ist, dass der Vorschlag keine Beschlag­nahme von RZB-Vermö­gens­werten darstellt. Er sieht die vorüber­ge­hende Entnahme von Bargeld vor, das aus immobi­li­sierten RZB-Reserven bei verschie­denen europäi­schen Banken stammt, ohne die Guthaben der RZB bei diesen Banken, einschließlich Euroclear, zu beein­träch­tigen oder die Bilanz der RZB zu belasten. Das angesam­melte Bargeld wird durch Anleihen der Europäi­schen Kommission mit AAA-Rating ersetzt, die gemäß Artikel 4 der Verordnung über die Anlage von Bargut­haben für Rechnungs­le­gungs­zwecke als „bargeld­ähnlich“ behandelt werden. Im Wesent­lichen handelt es sich hierbei um einen Tausch von Bargeld gegen Anleihen, der der Ukraine Liqui­dität verschafft und gleich­zeitig Euroclear und anderen Insti­tu­tionen ermög­licht, wieder Schuld­ver­schrei­bungen statt Barein­lagen zu halten, wie es der Fall war, als die Vermö­gens­werte 2022 erstmals immobi­li­siert wurden. Behaup­tungen, dies komme einer Beschlag­nahme gleich, sind unhaltbar, solange nicht behauptet wird, dass EU-Anleihen wertlos sind.

Angesichts der Ausge­staltung des Vorschlags ist das einzige denkbare Szenario, in dem die RZB einen Verlust erleiden könnte, der höchst unwahr­schein­liche Fall eines Ausfalls der mit AAA bewer­teten Anleihen der EU-Kommission. Mehrere Garan­tie­ebenen sollen speziell vor diesem Risiko schützen. Sobald die RZB die in Artikel 6 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung festge­legten Bedin­gungen für die Rückgabe der gesperrten Vermö­gens­werte erfüllt, nämlich (i) das Ende des Angriffs­krieges, (ii) Repara­tionen an die Ukraine und (iii) keine Gefahr für die Wirtschaft der EU, würden die Rückzah­lungen von der EU und gegebe­nen­falls von den Mitglied­staaten oder Dritt­staaten, die Garantien übernommen haben, bis zur Höhe der an die Ukraine verlie­henen einge­fro­renen Mittel geleistet. Dementspre­chend ist das Repara­ti­ons­dar­lehen für Russland oder die RZB mit keinen finan­zi­ellen Verlusten verbunden. 

Was passiert, wenn das Repara­ti­ons­dar­lehen nicht einstimmig unter­stützt wird?

Für die Kernele­mente des Vorschlags ist keine Einstim­migkeit erfor­derlich. Die Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung wurde bereits verab­schiedet, während sowohl die Repara­tions-Loan-Verordnung als auch die Verordnung über die Anlage von Bargut­haben der quali­fi­zierten Mehrheits­ent­scheidung unter­liegen, die eine Zustimmung von 55 % der Mitglied­staaten erfordert, die mindestens 65 % der EU-Bevöl­kerung vertreten. Daher kann der Vorschlag für einen Repara­tions Loan auch dann umgesetzt werden, wenn Belgien oder Ungarn ihre Zustimmung verweigern.

Im Gegensatz dazu unter­liegt die EU-Haushalts­ga­ran­tie­ver­ordnung einem beson­deren Recht­set­zungs­ver­fahren, das neben der Zustimmung des Europäi­schen Parla­ments auch die Einstim­migkeit aller 27 Mitglied­staaten erfordert.

Die Nicht­ver­ab­schiedung der EU-Haushalts­ga­ran­tie­ver­ordnung würde den Repara­tions Loan nicht unwirksam machen. Es würde lediglich die durch den EU-Haushalt abgesi­cherte Liqui­di­täts­re­serve wegfallen, wodurch die zweite Garan­tie­stufe nach dem Konzept der EU-Kommission entfallen würde.

In der Praxis würde dies zu einer Begrenzung der Darle­hens­summe führen, da die Kommission gemäß Artikel 25 der Repara­tions-Loan-Verordnung nur Beträge aufnehmen kann, die vollständig durch freiwillige Garantien der Mitglied­staaten gedeckt sind. Da diese Garantien freiwil­liger Natur sind, bliebe die Gesamt­ga­ran­tie­summe – und damit die Gesamt­summe der Mittel, die von Euroclear und anderen aufge­nommen und an die Ukraine weiter­ver­liehen werden könnten – ungewiss.

4. ANALYSE DER MÖGLICHEN PROZESSRISIKEN MIT RUSSLAND (von denen keines durch die Annahme des Vorschlags für ein Repara­ti­ons­dar­lehen erhöht wird)

Die Europäische Kommission hält den Vorschlag für ein Repara­ti­ons­dar­lehen für völlig recht­mäßig und mit minimalen recht­lichen und wirtschaft­lichen Risiken verbunden. Diese Einschätzung wird durch ein Gutachten von Wissen­schaftlern aus der EU, Großbri­tannien und den USA gestützt,[2] das zu dem Schluss kommt, dass „viele Rechts­experten das Argument, dass [die Verwendung von RZB-Vermö­gens­werten zur Finan­zierung der Ukraine] nach inter­na­tio­nalem Recht illegal ist, längst zurück­ge­wiesen haben“, wie es in den Artikeln der Inter­na­tional Law Commission über die Verant­wortung von Staaten zum Ausdruck kommt, einschließlich des Rechts, Gegen­maß­nahmen als Reaktion auf eine völker­rechts­widrige Handlung zu ergreifen. Dies ist zweifellos richtig. Während selbst die vollständige Beschlag­nahme und Übertragung russi­scher Vermö­gens­werte an die Ukraine nach inter­na­tio­nalem Recht zulässig wäre,[3] ist der Vorschlag der EU in jedem Fall bewusst so struk­tu­riert, dass eine Beschlag­nahme sowohl rechtlich als auch faktisch vermieden wird.

Kritiker – allen voran Belgien, wo Euroclear seinen Sitz hat und der größte Teil der einge­fro­renen RZB-Vermö­gens­werte liegt – argumen­tieren, dass Belgien oder Euroclear das Rückzah­lungs­risiko tragen müssten, wenn ein Gericht oder ein Schieds­ge­richt die Rückgabe der Gelder an die RZB anordnen würde. Dieses Risiko ist jedoch bereits mit der Verab­schiedung der Immobi­li­sation Regulation entstanden, die Russland als faktische Beschlag­nahme seiner Reserven durch deren unbefristete Einfrierung ansehen könnte. Die Umsetzung des restlichen Repara­tions-Loan-Vorschlags hat keinen Einfluss auf die Dauer der Sperrung der RZB-Vermö­gens­werte und kann daher nicht als zusätz­liche Belastung für Russland oder die RZB angesehen werden. Da keine zusätz­lichen Verluste entstehen, kann die Umsetzung des Repara­tions-Loan-Vorschlags keine zusätz­lichen Klage­gründe für Russland oder die RZB begründen, die nicht bereits im Rahmen der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung bestehen.

Die nachste­hende Analyse zeigt, dass das Risiko einer vollstreck­baren nachtei­ligen gericht­lichen Entscheidung oder eines Schieds­spruchs aufgrund der verab­schie­deten Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung sehr gering ist und sich durch die Einführung des Repara­ti­ons­dar­le­hens­pro­gramms kaum etwas ändert. Diese Schluss­fol­gerung wird durch zwei Faktoren untermauert:

  1. Trotz (i) der Immobi­li­sierung der Vermö­gens­werte der RZB seit fast vier Jahren und (ii) der ausdrück­lichen Erklärung im EU-Recht, dass Gewinne aus den immobi­li­sierten Vermö­gens­werten nicht Russland oder der RZB zustehen und zur Finan­zierung der ERA-Darlehen an die Ukraine verwendet werden können, wurde die bislang einzige Klage der RZB am 12. Dezember 2025 beim Moskauer Arbitrazh-Gericht (einem erstin­stanz­lichen Handels­ge­richt in Russland) einge­reicht; und
  2. Rating­agen­turen haben bestätigt, dass das Repara­ti­ons­dar­lehen weder Auswir­kungen auf das Länder­rating Belgiens noch auf das Rating von Euroclear haben würde.

A. Risiko einer Verur­teilung durch russische Gerichte

Dies ist der einzige Gerichts­stand, an dem eine Klage einge­reicht wurde, was die Zurück­haltung der RZB verdeut­licht, das Repara­ti­ons­dar­lehen in einem unabhän­gigen und neutralen Forum anzufechten. Presse­be­richten (unter Berufung auf Wirtschafts­kom­missar Valdis Dombrovskis) zufolge hat Brüssel eine solche Klage erwartet.

In ihrer Presse­mit­teilung erklärt die RZB, dass die Klage die „rechts­wid­rigen Aktivi­täten der Euroclear-Depot­stelle, die der Bank von Russland Schaden zufügen, und die Tatsache betrifft, dass die Europäische Kommission offiziell Vorschläge für die direkte oder indirekte Verwendung von Vermö­gens­werten der Bank von Russland ohne Geneh­migung prüft“. Das einzige „Vermögen“, das die RZB bei Euroclear hält, ist jedoch der Anspruch der RZB auf Rückzahlung der Beträge, die in der Bilanz von Euroclear zu ihren Gunsten ausge­wiesen sind. Dieser Anspruch bleibt bestehen, unabhängig davon, ob die bei Euroclear angesam­melten Bargut­haben gemäß der Verordnung über die Anlage von Bargut­haben in EU-Anleihen oder in andere Wertpa­piere inves­tiert werden. Es ist schwer vorstellbar, welche weiteren Verluste für die RZB über die bereits durch die Entscheidung zur Sperrung der RZB-Gelder verur­sachten Verluste hinaus durch die Umsetzung des restlichen Repara­tions-Loan-Vorschlags entstehen könnten.

Angesichts der gut dokumen­tierten Anfäl­ligkeit russi­scher Gerichte für Druck seitens des Staates,[4] insbe­sondere in Fällen, die russische Staats­in­ter­essen betreffen, ist es dennoch äußerst wahrscheinlich, dass die Klagen der RZB vor russi­schen Gerichten Erfolg haben werden.

Ein solches (für Euroclear nachtei­liges) russi­sches Urteil würde jedoch in der EU oder im Verei­nigten König­reich nicht anerkannt oder vollstreckt werden, und zwar aufgrund (i) des EU-Vollstre­ckungs­verbots, (ii) der fehlenden Zustän­digkeit russi­scher Gerichte (voraus­ge­setzt, Euroclear beschränkt seine Reaktion auf die Zustän­dig­keits­frage) und (iii) aus Gründen der öffent­lichen Ordnung (einschließlich des Mangels an einem fairen Verfahren unter Verstoß gegen Artikel 6 der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK)).

(i) EU-Vollstre­ckungs­verbot

Artikel 11 der Verordnung 833/​2014 (verab­schiedet im 15. Sankti­ons­paket) verbietet EU-Gerichten die Vollstre­ckung von Urteilen russi­scher Gerichte, die gemäß Artikel 248 der russi­schen Arbitrazh-Verfah­rens­ordnung ergangen sind, einer inner­staat­lichen Verfah­rens­vor­schrift, die russi­schen Gerichten die ausschließ­liche Zustän­digkeit für Fälle mit sanktio­nierten Parteien einräumt, unabhängig von den vertrag­lichen Streit­bei­le­gungs­ver­ein­ba­rungen der Parteien.

Artikel 4 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung verbietet ausdrücklich die Vollstre­ckung von Urteilen oder Schieds­sprüchen, die sich aus der Immobi­li­sierung von RZB-Geldern ergeben, vor einem EU-Gericht.

Somit wäre die von der RZB vor dem Moskauer Arbitrazh-Gericht geltend gemachte Klage gegen Euroclear gemäß Artikel 11 der Verordnung 833/​2014 oder Artikel 4 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung vor keinem EU-Gericht durch­setzbar. 

(ii) Anfechtung der Zustän­digkeit russi­scher Gerichte /​ Anti-Klage- und Anti-Vollstreckungs-Unterlassungsverfügungen

Jeder Euroclear-RZB-Vertrag würde Standard­klauseln zur Streit­bei­legung zugunsten belgi­scher Gerichte oder Schieds­ge­richte (nicht russi­scher Gerichte) enthalten. Die von der RZB in Moskau einge­reichte Klage verstößt daher gegen ihre vertrag­lichen Verpflich­tungen gegenüber Euroclear. Jedes Verfahren, das vor einem russi­schen Gericht unter Verstoß gegen die Verein­barung der Parteien, ihre Strei­tig­keiten in anderen Foren beizu­legen, angestrengt wird, kann aufgrund einer Gegen- oder Vollstre­ckungs­ab­wehr­klage[5] untersagt werden, und jedes russische Gerichts­urteil, das unter Missachtung einer solchen Verfügung ergangen ist, würde nicht anerkannt oder vollstreckt werden.

Selbst ohne einen solchen Rechts­behelf würden die Gerichte der EU und des Verei­nigten König­reichs die Anerkennung und Vollstre­ckung eines russi­schen Urteils ablehnen, wenn das russische Gericht nach den Vorschriften der EU oder des Verei­nigten König­reichs (die die von den Parteien verein­barte Wahl der Streit­bei­legung schützen) nicht zuständig wäre. Daher muss Euroclear sicher­stellen, dass es sich nicht freiwillig der Zustän­digkeit des russi­schen Gerichts unter­wirft, indem es sich an dem russi­schen Verfahren beteiligt (außer um die Zustän­digkeit rügen).

(iii) Gründe des ordre public, einschließlich des Fehlens eines fairen Verfahrens 

Ein russi­sches Gerichts­urteil würde im Verei­nigten König­reich oder in der EU nicht anerkannt oder vollstreckt, wenn dies gegen den ordre public verstößt.[6] Der ordre public sowohl des Verei­nigten König­reichs und als auch innerhalb der EU umfasst nicht nur die Entscheidung, die RZB-Gelder zu sperren, sondern vor allem die in Artikel 6 EMRK veran­kerten Garantien für ein faires Verfahren. Angesichts der eindeu­tigen Beweise dafür, dass auslän­dische Unter­nehmen vor russi­schen Gerichten kein faires Verfahren erhalten können, wenn russische Staats­in­ter­essen betroffen sind,[7] würde ein für Euroclear ungüns­tiges Urteil nicht anerkannt oder vollstreckt werden. Die Gerichte des Verei­nigten König­reichs oder der EU sind verpflichtet, keine auslän­di­schen Urteile zu vollstrecken, die gegen die Standards für faire Verfahren[8] verstoßen oder ander­weitig gegen die öffent­liche Ordnung verstoßen.

B. Risiko eines nachtei­ligen Urteils durch nationale Gerichte Dritter

Eine Klage Russlands gegen Euroclear oder Belgien vor einem natio­nalen Gericht (einschließlich belgi­scher Gerichte) ist höchst unwahr­scheinlich. Russland oder die RZB würden durch eine Klage vor einem natio­nalen Gericht eines Dritt­staates auf ihre staat­liche Immunität verzichten und sich damit Gegen­klagen wegen der Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten in Russland und poten­zi­ellen kriegs­be­dingten Verlusten aufgrund der russi­schen Aggression in der Ukraine aussetzen.

Im Juli 2025 befand der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte Russland für Verluste in der Ukraine verant­wortlich, die durch Handlungen zwischen 2014 und Herbst 2022 entstanden waren. Allein diese Verluste belaufen sich auf über 300 Milli­arden US-Dollar, was in etwa dem Gesamt­betrag der einge­fro­renen russi­schen Staats­ver­mögen entspricht. Es ist unwahr­scheinlich, dass Russland sich weiteren Klagen vor europäi­schen Gerichten aussetzen würde, indem es Beträge aus einem Repara­ti­ons­dar­lehen einklagt, das ausdrücklich an die Verpflichtung Russlands zur Leistung von Repara­tionen geknüpft ist.

Selbst wenn Russland oder die RZB vor natio­nalen Gerichten Klage gegen Euroclear erheben würden, würde diese wahrscheinlich in der Sache scheitern:

  • Kein Verlust: Es ist unwahr­scheinlich, dass ein Gericht der EU oder des Verei­nigten König­reichs zugunsten der RZB entscheiden würde, da die „Cash-for-Bonds”-Struktur keinen Verlust verur­sacht. Der Saldo der RZB bei Euroclear und ihr Rechts­an­spruch auf die Gelder bleiben unver­ändert und können geltend gemacht werden, sobald die Bedin­gungen in Artikel 6 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung erfüllt sind. Die vorge­sehene Substi­tu­ierung betrifft nur Euroclear: Ihr Anspruch auf Bargeld bei natio­nalen Banken wird durch einen Anspruch gegen die Europäische Kommission im Rahmen von EU-Anleihen ersetzt. In der Praxis wird Bargeld gegen bargeld­ähn­liche Instru­mente einge­tauscht, was es für die RZB oder Russland schwierig macht, einen Verlust zu substan­ti­ieren. Das verblei­bende Nicht­rück­zah­lungs­risiko liegt bei Euroclear und wird durch robuste und mehrschichtige Garantien abgedeckt.
  • Höhere Gewalt (mögli­cher­weise). Euroclear könnte sich je nach Ausge­staltung ihrer vertrag­lichen Bezie­hungen mit der RZB auch auf Schutz­klauseln aufgrund höherer Gewalt berufen, wenn die Erfüllung eines Vertrags durch nachträglich einge­tretene gesetz­liche Anfor­de­rungen verhindert wird,[9] was auch Gesetze zur Verpflichtung zur Anlage von Bargut­haben in EU-Anleihen umfassen könnte.

 

C. Risiko einer nachtei­ligen Entscheidung durch die EU-Gerichte (Gericht der Europäi­schen Union und Gerichtshof der Europäi­schen Union (EuGH)).

Gemäß Artikel 340 AEUV kann eine außer­ver­trag­liche Schadens­er­satz­klage wegen Schäden erhoben werden, die durch EU-Insti­tu­tionen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verur­sacht wurden. Grund­sätzlich bedeutet dies, dass eine Klage möglich wäre, wenn ein EU-Rechtsakt, wie beispiels­weise das Repara­tions-Loan-Paket, einen Schaden verur­sacht. In der Praxis sind Klagen auf eine „Amtshaftung“ der Union jedoch äußerst selten erfolgreich.

Ein solcher Anspruch würde sich gegen die EU (nicht gegen Belgien oder einen Mitglied­staat) richten, und die Kommission scheint das Risiko als nahezu null einge­schätzt zu haben. Die Erfolgs­aus­sichten sind gering, weil

  • Russland/​RZB wahrscheinlich keine Klage­be­fugnis hat. Artikel 340 AEUV ist für Klagen von Einzel­per­sonen oder Unter­nehmen gedacht; es ist zweifelhaft, dass ein nicht zur EU gehörender souve­räner Staat oder dessen Organ (Russland/​RZB) klage­befugt ist. 
  • Die materi­ellen Voraus­set­zungen für eine solche Haftung sind sehr streng. Der Kläger muss einen „hinrei­chend schwer­wie­genden Verstoß“ gegen EU-Recht und einen direkten Kausal­zu­sam­menhang mit dem tatsäch­lichen Schaden nachweisen. Das Repara­tions-Loan-Paket ist so struk­tu­riert, dass eine Beschlag­nahme vermieden wird, und entzieht der RZB nach seiner Konzeption nicht ihren Rechts­an­spruch gegenüber Euroclear. Ohne Schaden und einen erkenn­baren schwer­wie­genden Verstoß ist eine Haftung unwahrscheinlich.

Russland könnte theore­tisch auch eine Klage gemäß Artikel 263 AEUV einreichen, um die Recht­mä­ßigkeit der Repara­ti­ons­dar­le­hens­ge­setz­gebung anzufechten.[10] Eine solche gericht­liche Überprüfung würde sich jedoch nicht gegen Belgien oder Euroclear richten und würde wahrscheinlich aus denselben Gründen scheitern wie die Klage Venezuelas gegen die restrik­tiven Maßnahmen der EU in der Rechts­sache Venezuela gegen Rat der Europäi­schen Union (T‑65/​18 RENV).[11]

D. Risiko einer nachtei­ligen Entscheidung durch inter­na­tionale Gerichte

Kein inter­na­tio­nales Gericht ist für die Verhandlung poten­zi­eller Klagen Russlands oder der RZB wegen angeb­licher Verluste zuständig.

Europäi­scher Gerichtshof für Menschen­rechte (EGMR)

Die Zustän­digkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nur auf Mitglied­staaten des Europarats, die die EMRK und ihre Proto­kolle ratifi­ziert haben. Russland ist im März 2022 aus dem Europarat ausge­treten und hat sich im September 2022 automa­tisch aus der EMRK zurück­ge­zogen, sodass es keine neuen Anträge, auch nicht über seine staat­lichen Organe (wie die RZB), beim EGMR stellen kann.

Selbst wenn eine Zustän­digkeit bestünde, schützt Artikel 1 des Proto­kolls Nr. 1 zur EMRK private Eigen­tums­rechte, nicht aber staat­liche Vermö­gens­werte, und würde daher nicht für Ansprüche in Bezug auf Zentral­bank­re­serven gelten.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass jede Klage Russlands mit den anhän­gigen Verfahren der Ukraine und der Nieder­lande gegen Russland wegen Menschen­rechts­ver­let­zungen im Zusam­menhang mit der illegalen Invasion und Aggression gegen die Ukraine seit 2014 und dem Abschuss von MH-17 verbunden wird. Angesichts der für Russland ungüns­tigen Urteile vom Juli 2025 ist es höchst unwahr­scheinlich, dass Russland eine solche Verbindung riskieren würde, indem es ein neues Verfahren vor dem EGMR einleitet.

Inter­na­tio­naler Gerichtshof (IGH)

Der IGH kann seine Zustän­digkeit nur unter bestimmten Umständen ausüben, von denen keiner auf das Szenario des Repara­ti­ons­dar­lehens zutrifft:

  1. Zustän­digkeit aufgrund einer Zustim­mungs­ver­ein­barung. Russland hat die Zustän­digkeit des IGH nicht anerkannt und wird dies angesichts seiner anhal­tenden Verstöße gegen das Völker­recht höchst­wahr­scheinlich auch nicht tun.
  2. Sonder­ver­ein­barung durch schrift­liche Zustimmung. Die Zustän­digkeit kann sich aus der schrift­lichen Zustimmung beider Streit­par­teien ergeben, aber die EU, Belgien, das Verei­nigte König­reich oder andere am Repara­tions Loan betei­ligte Staaten würden eine solche Zustimmung nicht erteilen.
  3. Gerichts­barkeit aufgrund eines Vertrags. Der einzige denkbare Vertrag, auf den sich Russland berufen könnte, ist das Überein­kommen der Vereinten Nationen von 2004 über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichts­barkeit. Dieses Überein­kommen gilt jedoch nur für gericht­liche Maßnahmen, nicht für legis­lative oder exekutive Maßnahmen (Artikel 1). Unabhängig davon kann eine Klage hierauf so oder so nicht gestützt werden, da das Überein­kommen noch nicht in Kraft getreten ist und von Russland nicht ratifi­ziert wurde.

 E. Risiko einer Verur­teilung im Rahmen der Investor-Staat-Streit­bei­legung (ISDS)

Schieds­ver­fahren im Rahmen bilate­raler Inves­ti­ti­ons­ab­kommen (BIT) zwischen Russland und EU-Mitglied­staaten stellen ebenfalls ein poten­zi­elles Prozess­risiko dar, darunter auch im Rahmen des bilate­ralen Inves­ti­ti­ons­ab­kommens zwischen Belgien/​Luxemburg und der Sowjet­union Russi­schen Föderation von 1989 („BL-RF BIT“), das den plausi­belsten Vertragsweg für eine Klage gegen Belgien darstellt. Die nachste­hende Analyse gilt im Allge­meinen auch für andere BITs zwischen Russland und EU-Mitglied­staaten mit ähnlichen Klauseln.

Der Vollstän­digkeit halber sei angemerkt, dass das Partner­schafts- und Koope­ra­ti­ons­ab­kommen zwischen der EU und der Russi­schen Föderation von 1994 wahrscheinlich keine Schieds­sprüche hervor­bringen wird: Es enthält keine Investor-Staat-Schieds­klausel, und sein zwischen­staat­liches Streit­bei­le­gungs­ver­fahren sieht eher Konsul­ta­tionen und diplo­ma­tische Bemühungen als ein Schieds­ver­fahren vor.

Insgesamt bleibt das ISDS-Risiko gering aufgrund:

(1) der wahrschein­lichen Unzustän­digkeit des Schieds­ge­richts für eine Klage gegen Russland/​die RZB;

(2) der äußerst geringen Wahrschein­lichkeit einer Haftung in der Sache; und

(3) der begrenzten Durch­setz­barkeit in Rechts­ord­nungen, die aus Gründen des ordre public eine Immobi­li­sierung unter­stützen. 

          (1) Fehlende Zuständigkeit

Das BL-RF-BIT wurde nicht für Inves­ti­tionen der Zentralbank konzi­piert, sodass es wahrscheinlich nicht auf die Vermö­gens­werte der RZB anwendbar ist. Dennoch kann nicht vollständig ausge­schlossen werden, dass ein Schieds­ge­richt (abhängig von seiner Zusam­men­setzung) dennoch seine Zustän­digkeit für die Prüfung einer solchen Klage annehmen würde.

Zu den starken Einwänden gegen die Zustän­digkeit gehören:

(i) Inves­ti­tions- und Terri­to­ri­al­bezug. Das BIT deckt nur Vermö­gens­werte ab, die in Überein­stimmung mit den Rechts­vor­schriften des Gaststaates und im Hoheits­gebiet des Gaststaates inves­tiert wurden (Art. 1.1.1 des BL-RF-BIT). Die aufgrund der Immobi­li­sierung bei Euroclear angesam­melten Bargut­haben erfüllen diese Anfor­de­rungen nicht eindeutig: Das zugrunde liegende Bargeld wird bei natio­nalen Banken in den Währungs­ge­bieten der jewei­ligen Währungen gehalten, und die Rolle von Euroclear als Wertpa­pier­ver­wahr­stelle (Führung von Aufzeich­nungen und Abwicklung) stellt kaum eine „Inves­tition” im Sinne des BIT dar.

(ii) Eng gefasste Klausel über die Zustimmung zur Schieds­ge­richts­barkeit. Die Zustim­mungs­klausel (Artikel 9 Absatz 1) beschränkt sich wohl auf die Höhe und die Art der Entschä­digung gemäß Artikel 5 und nicht auf Strei­tig­keiten darüber, ob eine Enteignung statt­ge­funden hat oder über die Recht­mä­ßigkeit von Immobi­li­sierung, Austausch oder Übertra­gungen, wie sie im Repara­ti­ons­dar­le­hens­vor­schlag vorge­sehen sind. Diese Auslegung wird durch die Argumente Russlands im Fall Berschader gegen Russische Föderation gestützt, in dem ein Schieds­ge­richt zu dem Schluss kam, dass die Parteien des BL-RF-BIT beabsich­tigten, solche Strei­tig­keiten „den im geltenden Vertrag vorge­se­henen Streit­bei­le­gungs­ver­fahren oder alter­nativ den inner­staat­lichen Gerichten der Vertrags­partei, in der die Inves­tition getätigt wurde, zu unter­werfen“.[12] Das bedeutet, dass die RZB zunächst ein belgi­sches Gerichts­urteil benötigen würde, das eine Enteignung feststellt, bevor ein Schieds­ver­fahren über die Entschä­digung statt­finden könnte. Insbe­sondere reicht die Entscheidung eines russi­schen Gerichts nicht aus, da das Urteil von dem Gericht des Landes, in dem die Inves­tition getätigt wurde, d. h. Belgien, oder einem anderen vertraglich festge­legten Gerichts­stand (der kein russi­sches Gericht ist) stammen muss.

(iii) Die RZB gilt nicht als „Investor“. Obwohl die Definition weit gefasst erscheint, dienen BITs dem Schutz privater Inves­toren innerhalb einer Dreipar­tei­en­struktur (Gaststaat – Investor – Heimat­staat). Eine Ausnahme kann gelten, wenn eine staatlich kontrol­lierte Insti­tution in kommer­zi­eller und nicht in staat­licher Funktion handelt.[13] Die RZB ist offen­sichtlich kein privater Investor, da sie hoheit­liche Aufgaben wahrnimmt und norma­ler­weise die staat­liche Immunität geltend machen würde, um ihre Vermö­gens­werte zu schützen. Es wäre in sich wider­sprüchlich, wenn die RZB zum Zwecke der Immunität den Status eines souve­ränen Staates beanspruchen würde, während sie gleich­zeitig den Status eines privaten Investors für den Schutz durch ein BIT beansprucht. Mit anderen Worten: Eine Klage der RZB würde einer Strei­tigkeit zwischen zwei gleich­be­rech­tigten Staaten gleich­kommen und nicht einer Strei­tigkeit zwischen einem Staat und einem geschützten Investor und würde daher nicht unter den Schutz­be­reich des BIT fallen.[14]

          (2) Keine Haftung in der Sache 

Selbst wenn eine Zustän­digkeit festge­stellt würde, ist eine Haftung unwahrscheinlich:

(i) Ausnahme aufgrund der öffent­lichen Ordnung. Inves­ti­tionen sind vorbe­haltlich der zur Aufrecht­erhaltung der öffent­lichen Ordnung erfor­der­lichen Maßnahmen geschützt[15] (Art. 4.2 des BL-RF-BIT). Die EU-Rechts­vor­schriften, die mit den Resolu­tionen der General­ver­sammlung der Vereinten Nationen im Einklang stehen, in denen das Recht der Ukraine auf Repara­tionen von Russland anerkannt wird, bieten in Hinblick auf die öffent­liche Ordnung eine starke Recht­fer­ti­gungs­grundlage für alle Maßnahmen Belgiens im Rahmen des Reparations-Loan-Vorschlags.

(ii) Völker­recht­licher Kontext. Ein Schieds­ge­richt würde das Völker­recht anwenden, einschließlich der Entschei­dungen des IGH zum Schutz vor Enteignung im Rahmen von BIT. In der Rechts­sache Certain Iranian Assets[16] hat der IGH festge­stellt, dass nicht jede Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten einer Staatsbank eine entschä­di­gungs­fähige Enteignung darstellt; eine Haftung entsteht nur dann, wenn die Enteig­nungs­maß­nahmen selbst mit einer bestimmten Rechts­wid­rigkeit behaftet sind, wie z. B. einer Rechts­ver­wei­gerung oder der Anwendung von Exeku­tiv­maß­nahmen, die selbst gegen das Völker­recht verstoßen. Das Repara­ti­ons­dar­lehen soll eine Beschlag­nahme vermeiden und ist eine verhält­nis­mäßige Reaktion auf die schwer­wie­genden Verstöße Russlands gegen das Völker­recht, einschließlich Artikel 2 Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen. Die RZB ist untrennbar mit dem russi­schen Staat verbunden und einer der wichtigsten Akteure bei den anhal­tenden Verstößen Russlands gegen das Völker­recht in den besetzten Gebieten der Ukraine.[17] Die Verordnung (EU) Nr. 2025/​1494 des Rates (zur Umsetzung des 18. Sankti­ons­pakets der EU) erkannte ebenfalls an, dass „der russische Banken- und Finanz­sektor für die Kriegs­an­stren­gungen Russlands von entschei­dender Bedeutung ist“,  wodurch jegliche Entschä­di­gungs­for­de­rungen aus dem Repara­tions Loan wahrscheinlich erfolglos bleiben würden.

(iii) Clean-Hands-Doktrin. Inves­ti­ti­ons­schieds­ge­richte haben die Doktrin der „sauberen Hände“ angewendet, um Rechts­be­helfe abzulehnen, wenn das rechts­widrige Verhalten des Klägers wesentlich zu der Situation beigetragen hat. Der Fall Al Warraq gegen Republik Indonesien veran­schau­licht diesen Ansatz: Das Schieds­ge­richt befand, dass die Verstöße des Klägers gegen die Gesetze des Gaststaates „dem öffent­lichen Interesse zuwider­liefen“ und entzog ihm daher den Schutz durch das BIT, wodurch seine Klage trotz der Feststellung einer ungerechten Behandlung abgewiesen wurde. Die Aggression Russlands trägt in ähnlicher Weise wesentlich zu den Umständen bei, die zu den fraglichen Maßnahmen geführt haben.

(iv) Kein Verlust/​Schaden. Der Anspruch Russlands/​der RZB auf seine Gelder bleibt bestehen, und die Vermö­gens­werte Russlands werden eines Tages freige­geben, sofern Russland die Bedin­gungen in Artikel 4 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung erfüllt (Beendigung seines Angriffs­krieges und Zahlung von Repara­tionen an die Ukraine).

          (3) Keine Vollstre­ckung aus Gründen der öffent­lichen Ordnung

Selbst wenn Russland/​die RZB erfolg­reich eine Entscheidung gegen Belgien erwirken könnten, würde die Vollstre­ckung in der EU, im Verei­nigten König­reich, in den USA, Kanada, Japan und allen anderen Staaten, die die Immobi­li­sierung unter­stützen, wahrscheinlich abgelehnt werden, da sie gegen die öffent­liche Ordnung dieser Staaten verstößt – insbe­sondere gegen die Politik, dass russische Staats­ver­mögen nicht freige­geben werden sollten, bis Russland Repara­tionen an die Ukraine gezahlt hat.

Das 18. EU-Sankti­ons­paket (umgesetzt in der Verordnung (EU) 2025/​1494 des Rates) führt Schutz­maß­nahmen gegen sankti­ons­be­zogene BIT-Verfahren ein, darunter einen Ansatz der Nichtanerkennung/​Nichtvollstreckung. In Erwägungs­grund 22 und den opera­tiven Bestim­mungen wird festgelegt, dass die Mitglied­staaten keine Verfü­gungen, Anord­nungen, Urteile oder Schieds­sprüche anerkennen oder vollstrecken sollten, die sich aus ISDS-Verfahren im Zusam­menhang mit Sankti­ons­maß­nahmen ergeben, und die wirksame Umsetzung der „No-Claims“-Klausel als öffent­liche Ordnung der EU und der Mitglied­staaten behandeln sollten.

Die Repara­tions-Loan-Verordnung enthält eine analoge Formu­lierung (Erwägungs­grund 57), in der die Mitglied­staaten aufge­fordert werden, ISDS-Verfahren anzufechten und sich aus Gründen der öffent­lichen Ordnung der Vollstre­ckung zu wider­setzen. In ähnlicher Weise sieht Artikel 4 Absatz 1 der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung vor, dass keine von Russland oder der RZB aufgrund der Immobi­li­sierung von RZB-Vermö­gens­werten erlangten Schieds­sprüche (oder Gerichts­ur­teile) in der EU anerkannt, vollstreckt oder durch­ge­setzt werden dürfen.

Bestehende Lasten­teilung in der EU (begrenzte Relevanz)

Die EU-Verordnung Nr. 912/​2014 bietet einen Rahmen für die Aufteilung der finan­zi­ellen Verant­wortung, wenn Maßnahmen eines Mitglied­staats, die nach EU-Recht erfor­derlich sind, eine Haftung aus Inves­ti­ti­ons­ab­kommen auslösen. Sie gilt jedoch nicht für BIT, denen die EU nicht beigetreten ist, einschließlich des BIT zwischen Bulgarien und der Russi­schen Föderation. Dies spricht für die Kündigung bestehender BIT der Mitglied­staaten zugunsten eines Ansatzes auf EU-Ebene (siehe Erwägungs­grund 59 der Reparations-Loan-Verordnung).

Unter­scheidung zwischen sankti­ons­be­zo­genen BIT-Forde­rungen von Privatpersonen

Jeder hypothe­tische Anspruch der RZB sollte von anhän­gigen Anspruchs­be­gehren sanktio­nierter Privat­per­sonen unter­schieden werden (von denen bisher keines erfolg­reich war). Der bekannte Schieds­spruch in Höhe von 16 Milli­arden US-Dollar, den der sanktio­nierte Michail Fridman gegen Luxemburg im Rahmen des BL-RF-BIT erreichte, verdeut­licht den Unter­schied zu einem möglichen Anspruch der RZB im Rahmen des Repara­tions Loanvorschlags:

(i) Fridman konnte für sich ohne Weiteres den Status eines „Investors” nachweisen (im Gegensatz zur RZB).

(ii) Seine Klage folgte dem Urteil des Gerichts der Europäi­schen Union (Erste Kammer),[18] mit dem frühere Sankti­ons­listen aus Beweis­gründen für nichtig erklärt wurden (insbe­sondere bleibt er aufgrund neuer Beweise sanktio­niert). Fridman konnte sich daher in seiner BIT-Klage auf diese Aufhebung berufen. Im Gegensatz dazu ist es äußerst unwahr­scheinlich, dass die EU-Gerichte die Repara­tions-Loan-Recht­setzung aufheben würden, da der EuGH niemals eine Anfechtung der Maßnahmen der Gemein­samen Außen- und Sicher­heits­po­litik in der Sache zugelassen hat und diese als außer­ge­wöhn­liche Instru­mente behandelt, die weitgehend vor Anfech­tungen geschützt sind.

(iii) Fridmans geltend gemachter Verlust bezog sich auf den Wertverlust seiner Alfa-Gruppe, deren Vermö­gens­werte von einem in Luxemburg regis­trierten Unter­nehmen gehalten werden (letzt­endlich eine Frage der fachmän­ni­schen Unter­neh­mens­be­wertung); eine RZB-Klage in Bezug auf das Repara­ti­ons­dar­lehen (sofern überhaupt denkbar) wäre in der Praxis durch den Wert der immobi­li­sierten Vermö­gens­werte begrenzt.

E. Risiko einer nachtei­ligen Entscheidung im zwischen­staat­lichen Schiedsverfahren

Artikel 9 des BL-RF-BIT sieht einen dreistu­figen Mecha­nismus zur Beilegung von Strei­tig­keiten zwischen Staaten vor: (1.) diplo­ma­tische Bemühungen; (2.) Verweisung an eine gemeinsame Kommission; und (3.) wenn innerhalb von sechs Monaten keine Lösung gefunden wird, Ad-hoc-Schiedsverfahren.

Es gibt eine Debatte darüber, ob solche zwischen­staat­lichen Streit­bei­le­gungs­klauseln das gesamte Spektrum der Vertrags­strei­tig­keiten abdecken oder auf Fragen der Vertrags­aus­legung beschränkt sind. Die vorherr­schende Meinung ist, dass BITs bewusst unter­scheiden: Ausle­gungs­strei­tig­keiten werden in einem zwischen­staat­lichen Schieds­ver­fahren behandelt, während mutmaß­liche Verstöße gegen materielle Inves­to­ren­rechte den Weg eines Investor-Staat-Schieds­ver­fahrens nehmen (Artikel 10).[19]

Selbst wenn ein Schieds­ge­richt materielle (im Gegensatz zu ausle­gungs­be­zo­genen) Ansprüche Russlands gemäß Artikel 9 zulassen würde, würden diese wahrscheinlich scheitern aufgrund:

(1) Zustän­digkeit: Die Verwah­rungs­be­ziehung der RZB zu Euroclear stellt keine „Inves­tition“ dar, die „im Hoheits­gebiet“ Belgiens getätigt wurde; die Verwah­rungs­funktion von Euroclear besteht in erster Linie in der Führung von Aufzeich­nungen und der Erleich­terung der Abwicklung.

(2) Begrün­detheit: Allgemein anerkannte Grund­sätze des Völker­rechts, insbe­sondere das Rechts­in­stitut der Gegen­maß­nahmen, würden eine belastbare Grundlage für die Abwehr der Ansprüche bieten und eine Haftung ausschließen. Entscheidend ist, dass Artikel 9 Absatz 6 das Schieds­ge­richt verpflichtet, auf der Grundlage des Vertrags und „allgemein anerkannter Normen und Grund­sätze des Völker­rechts” zu entscheiden, was die Berufung auf völker­recht­liche Gegen­maß­nahmen oder Einreden aufgrund wesent­licher Sicher­heits­in­ter­essen zulässt, da die Maßnahmen auf grobe Verstöße gegen das Völker­recht reagieren und die zu Grunde liegenden Repara­ti­ons­for­de­rungen sowohl im Unions­recht als auch durch die General­ver­sammlung der Vereinten Nationen anerkannt sind.

REPUTATIONSRISIKEN

Es wurde argumen­tiert, dass selbst ein erfolg­loser Rechts­streit gegen das Repara­ti­ons­dar­lehen zu einem Reputa­ti­ons­schaden für Belgien oder Euroclear führen könnte. Dieses Argument ist schwach. Wie eine Reihe promi­nenter belgi­scher und inter­na­tio­naler Juristen in einer Stellung­nahme treffend erläutert haben: „In diesem Zusam­menhang auf Reputa­ti­ons­ri­siken zu verweisen, wäre gleich­be­deutend mit der Argumen­tation, man solle davon absehen, die Bankkonten von Drogen­händlern oder die Erlöse aus Korruption zu beschlag­nahmen, weil dies andere Kunden hinsichtlich der Sicherheit ihrer Gelder beunru­higen könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Was die Reputation eines Finanz­systems ausmacht, ist seine Fähigkeit, zwischen legitimen und illegalen Vermö­gens­werten zu unter­scheiden und letztere gemäß den gesetz­lichen Bestim­mungen zu behandeln.“

Darüber hinaus ist der Vorschlag als nicht konfis­kato­ri­scher Mecha­nismus konzi­piert, der die immobi­li­sierte Liqui­dität eines Aggressors umwidmet, um den Schaden zu mindern, den dieser der Ukraine und ihren Nachbarn zufügt.


FAZIT

Der Vorschlag für ein EU-Repara­ti­ons­dar­lehen sieht einen nicht-konfis­kato­ri­schen Finan­zie­rungs­me­cha­nismus für die Ukraine vor, der mit dem EU-Recht und dem Völker­recht in Einklang steht. Um den recht­lichen und finan­zi­ellen Bedenken Belgiens und anderer Länder Rechnung zu tragen, sieht das Konzept eine robuste zwei- bis dreistufige Garantie vor (je nachdem, ob die EU-Haushalts­ga­rantie einstimmig angenommen wird), um sicher­zu­stellen, dass alle im Zweifel an die RZB zu zahlenden Beträge beglichen werden.

Der Vorschlag sieht auch vor, dass das verblei­bende Risiko nachtei­liger Inves­ti­ti­ons­schieds­ge­richts­ent­schei­dungen durch Garan­tie­ver­ein­ba­rungen auf die Mitglied­staaten verteilt werden soll (Erwägungs­grund 58), wobei allein Deutschland schät­zungs­weise 25 %des Risikos tragen würde.

Euroclear hat bereits berichtet, dass es etwa 5 Milli­arden Euro als „Puffer” für sankti­ons­be­zogene Rechts­ri­siken hält und mögli­cher­weise auch 0,3 % der Erlöse aus gesperrten Vermö­gens­werten für Verwal­tungs­ge­bühren und weitere 10 % als vorüber­ge­henden Puffer für etwaige Rechts­strei­tig­keiten auf unbestimmte Zeit einbe­halten wird.

Kurz gesagt: Alle denkbaren Risiken für Belgien – das in dem Schreiben von Premier­mi­nister De Wever vom 27. November 2025 an Präsi­dentin von der Leyen als das einzige Land mit „Skin in the Game” beschrieben wird – sind bereits durch Sanktionen und am 12. Dezember 2025 durch die Verab­schiedung der Immobi­li­sie­rungs­ver­ordnung entstanden. Durch die Verab­schiedung des vollstän­digen Repara­tions Loanplans entstehen keine wesent­lichen neuen Risiken. Die verblei­benden Risiken sind nicht nur vernach­läs­sigbar, sondern werden durch die Vorteile des vorlie­genden Vorschlags aufge­wogen, der den Frieden, die Sicherheit, die Stabi­lität und die langfristige Überle­bens­fä­higkeit der Ukraine in Europa sicherstellt.

AUTOREN UND UNTERZEICHNER

Tetyana Nesterchuk (Rechts­an­wältin, Fountain Court Chambers; non resident Senior Legal Fellow am Kyiv School of Economics Institute)

Anna Vlasyuk (Leiterin der Abteilung für inter­na­tio­nales Recht und Politik­for­schung, Kyiv School of Economics Institute)

Dr. Patrick Heinemann (Rechts­anwalt und Partner, Bender Harrer Krevet)

Dr. Anton Moiseienko (Dozent, Forschungs­di­rektor, Rechts­wis­sen­schaft­liche Fakultät, Australian National University)

Philip Zelikow (Botha-Chan Senior Fellow, Hoover Insti­tution, Stanford University)

Yuliya Ziskina (Senior Legal Fellow, Razom for Ukraine)

[1] Siehe die Stellung­nahme von Francis Biesmans (Ökonom und Statis­tiker, emeri­tierter Professor, Univer­sität Lothringen); Samuel Cogolati (Doktor der inter­na­tio­nalen Rechts­wis­sen­schaften, KU Leuven); Paul De Grauwe (Professor, John Paulson-Lehrstuhl für Europäische Politische Ökonomie, London School of Economics); Pierre Klein (Professor, Zentrum für inter­na­tio­nales Recht, ULB); André Lange (Vorstands­mit­glied des Vereins „Für die Ukraine, für ihre Freiheit und unsere“); Gerard Roland (ehema­liger E. Morris Cox-Professor für Wirtschafts­wis­sen­schaften und Professor für Politik­wis­sen­schaften an der UC Berkeley und der ULB).

[2] Siehe Fußnote 1 oben.

[3] Siehe „On proposed counter­me­a­sures against Russia to compensate injured states for losses caused by Russia’s war of aggression against Ukraine” von Professor Dapo Akande (Chichele-Professor für Völker­recht, Oxford University Essex Court Chambers, London), Professor Olivier Corten (Zentrum für Völker­recht, Université libre de Bruxelles) und Professor Shotaro Hamamoto (School of Government/​Graduate School of Law, Kyoto University). Professor Pierre Klein (Zentrum für inter­na­tio­nales Recht, Université libre de Bruxelles), Harold Hongju Koh (Sterling Professor für inter­na­tio­nales Recht, Yale Law School), Paul Reichler (Praktiker für inter­na­tio­nales öffent­liches Recht, 11 King’s Bench Walk Chambers, London), Professor Hélène Ruiz Fabri (Sorbonne Law School, Université Paris), Professor Philippe Sands (University College London, 11 King’s Bench Walk Chambers, London), Professor Emeritus Nico Schrijver (Grotius Centre for Inter­na­tional Legal Studies, Univer­sität Leiden, Nieder­lande), Professor Christian J. Tams (Univer­sität Glasgow, 11 King’s Bench Walk Chambers, London), Philip Zelikow (Senior Fellow, Hoover Insti­tution Stanford University)

[4] Die Beweise für die mangelnde Unpar­tei­lichkeit und Unabhän­gigkeit der russi­schen Gerichte vom russi­schen Staat wurden von den engli­schen Gerichten mehrfach anerkannt. Siehe beispiels­weise Russian Aircraft Operator Policy Claims (Juris­diction Appli­ca­tions) [2024] EWHC 734 (Comm), in dem das englische Gericht feststellte, dass auslän­dische Unter­nehmen in Russland wahrscheinlich kein faires Verfahren erhalten würden (unter Berufung auf verein­barte Sachver­stän­di­gen­be­weise beider Parteien, dass zumindest „in Fällen, die für den russi­schen Staat von ausrei­chendem Interesse sind, dieser in der Lage ist, den Ausgang gericht­licher Entschei­dungen zu beein­flussen“ (unter [259]-[263])).

[5] Siehe Google LLC v NAO Tsargrad Meda [2025] EWHC 94 (Comm), in dem das englische Handels­ge­richt Google eine Anti-Vollstre­ckungs­an­ordnung gewährte, um russische Unter­nehmen daran zu hindern, russische Gerichts­be­schlüsse – insbe­sondere Geldstrafen in außer­ge­wöhn­licher Höhe – außerhalb Russlands zu vollstrecken, da diese Beschlüsse aus Verfahren hervor­ge­gangen waren, die unter Verstoß gegen ausschließ­liche Gerichts­stands- und Schieds­ver­ein­ba­rungen zugunsten von England und Wales oder Londoner Schieds­ge­richten einge­leitet worden waren. Das Gericht erließ auch eine Anti-Anti-Klage-Verfügung, um der Anti-Klage-Verfügung des russi­schen Gerichts zuvor­zu­kommen. Das Gericht hielt es für gerecht und zweck­mäßig, solche Verfü­gungen zu erlassen, und stellte fest, dass sich das russische Verfahren auf Artikel 248 der russi­schen Arbitrazh-Verfah­rens­ordnung stützte, was die vertrag­liche Wahl des Streit­bei­le­gungs­ortes durch die Parteien untergrub.

[6] Siehe Dicey, Morris & Collins, The Conflict of Laws, 16.Auflage: „REGEL 5 – Englische Gerichte werden ein Recht … oder ein Rechts­ver­hältnis, das sich aus dem Recht eines anderen Landes ergibt, nicht durch­setzen oder anerkennen, wenn die Durch­setzung oder Anerkennung dieses Rechts … oder Rechts­ver­hält­nisses mit den grund­le­genden öffent­lichen Inter­essen des engli­schen Rechts unver­einbar wäre.“

[7] Siehe Fußnote 4 oben.

[8] Siehe beispiels­weise OJSC Bank of Moscow gegen Chern­yakov [2016] EWHC 2583 (Comm) unter [10].

[9] Siehe Lewison, „The Inter­pre­tation of Contracts” 8. Auflage, unter [13.06]; RTI gegen MUR Shipping BV [2024] UKSC 18 unter [2] nach briti­schem Recht; Reichs­ge­richt, Urteil vom 7. April 1927 – IV 745/​26 –, RGZ 117, 12 (13); Bundes­ge­richtshof, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 142/​15 –, BGHZ 215, 81 Randnr. 8 nach deutschem Recht: Cour de cassation, Arrêt du 14 avril 2006, Pourvoi n°02–11.168 nach franzö­si­schem Recht.

[10] Siehe Venezuela gegen Rat der Europäi­schen Union (C‑872/​19 P), wo festge­stellt wurde, dass Venezuela zur Einrei­chung einer solchen Klage berechtigt war.

[11] Zusam­men­fassend stellte das Gericht fest, dass das Recht des Staates, vor der Verhängung von Sanktionen angehört zu werden, nicht besteht (§§ 36–45); die Begrün­dungs­pflicht erfüllt ist (§§ 36–45); bei der Beurteilung der Tatsachen kein offen­sicht­licher Fehler vorliegt (§§ 36–45) und es irrelevant ist, ob Sanktionen recht­mäßige Gegen­maß­nahmen darstellen (§§ 36–45).

[12] Berschader gegen Russische Föderation, SCC-Rechts­sache Nr. 080/​2004, Schieds­spruch (21. April 2006) in § 153, der die Argumente Russlands wider­spie­gelte, dass „Die Sowjet­union ging davon aus, dass die Frage, ob eine Enteignung vorliegt oder nicht, in jedem Einzelfall von dem natio­nalen Gericht des Staates zu entscheiden ist, in dessen Hoheits­gebiet die Enteignung angeblich statt­ge­funden hat. Der Beklagte [Russland] behauptet, dass dies ein Grundsatz der Sowjet­union war, und stützt sich zur Unter­mauerung dieser Behauptung auf die Streit­bei­le­gungs­be­stim­mungen aller von der Sowjet­union abgeschlos­senen Verträge.“ (siehe § 63) Dieses Argument würde daher für alle histo­ri­schen BITs gelten, die Russland von der Sowjet­union übernommen hat.

[13] Rudolf Dolzer, Ursula Kriebaum und Christoph Schreuer, Principles of Inter­na­tional Investment Law (3. Auflage, Oxford University Press 2022) 172.

[14] Siehe Patrick Heine­manns Beitrag „Make Russia Pay: on the confis­cation of assets of the Russian Central Bank in Germany” (Russland zur Kasse bitten: zur Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten der russi­schen Zentralbank in Deutschland).

[15] Art. 4.2 des BL-RF-BIT: „sous réserve des mesures néces­saires au maintien de l’ordre public“

[16] Islamische Republik Iran gegen Verei­nigte Staaten, Urteil, 2023 I.C.J. Rep. 30. März 2023, § 184: „Ein spezi­fi­sches Element der Rechts­wid­rigkeit im Zusam­menhang mit dieser Entscheidung ist erfor­derlich, um sie zu einer entschä­di­gungs­fä­higen Enteignung zu machen. Ein solches Element der Rechts­wid­rigkeit liegt in bestimmten Situa­tionen vor, wenn eine Entziehung von Eigentum aus einer Rechts­ver­wei­gerung resul­tiert oder wenn ein Justiz­organ legis­lative oder exekutive Maßnahmen anwendet, die gegen das Völker­recht verstoßen und dadurch eine Entziehung von Eigentum verur­sachen.”

[17] Siehe beispiels­weise einen Schriftsatz einer Gruppe von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen beim Inter­na­tio­nalen Straf­ge­richtshof (IStGH) zur Rolle der RZB bei Kriegs­ver­brechen und Verbrechen gegen die Mensch­lichkeit in vorüber­gehend besetzten Gebieten der Ukraine.

[18] Gegen dieses Urteil wurde beim Gerichtshof der Europäi­schen Union (EuGH) Berufung eingelegt, aber der EuGH wird es wahrscheinlich auf der Grundlage der ersten Hinweise in der Stellung­nahme des General­an­walts bestätigen.

[19] Die Ansicht, dass im zweiglei­sigen System (Investor-Staat und Staat-Staat) zwischen­staat­liche Strei­tig­keiten nicht in Investor-Staat-Strei­tig­keiten eingreifen sollten, wird in der Exper­ten­meinung zur Zustän­digkeit von Prof. W. Michael Reisman (englisch) (Republik Ecuador gegen Verei­nigte Staaten von Amerika (PCA-Fall Nr. 2012–5)) zum Ausdruck gebracht.

 

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