Ökonomie der Großzügigkeit

In seinem Buch „Ökonomie der Großzü­gigkeit“ entwirft der Nachhal­tig­keits­for­scher Fred Luks eine Kritik der Vorstellung, eine gute Zukunft und eine nachhaltige Entwicklung ließen sich allein durch Effizienz, Expansion und elabo­rierte Technik erreichen und sichern. Echte Zukunfts­fä­higkeit hingegen brauche auch Opulenz, Maß und Kultur. Der Publizist und Ökonom, der Mitglied im Beirat des Zentrum Liberale Moderne ist, formu­liert damit einen Einspruch – gegen eine etablierte und oft insti­tu­tio­na­li­sierte Art des Denkens und Handelns. Seine komplexe, 340seitige Analyse hat Fred Luks für uns zusammengefasst.

Großzü­gigkeit als das rechte Maß im Umgang mit der Natur und uns selbst ist kein Patent­rezept, wohl aber ein unver­zicht­bares Element einer gelin­genden Gesell­schaft und Voraus­setzung für eine gute gesell­schaft­liche Zukunft. Großzü­gigkeit kann damit ein Gegen­entwurf zu klassi­schen Narra­tiven sein, zu jenen nämlich, die Zukunfts­fä­higkeit allein an ökono­mi­schen Leitbildern festmachen. Dabei sollten wir den Begriff der Großzü­gigkeit selbst durchaus großzügig inter­pre­tieren – und ihn auf höchst unter­schied­liche Themen­ge­biete anwenden: Es geht um Klima­wandel und Welthandel, um Tierwohl, aber auch um Digita­li­sierung und Selbst­op­ti­mierung und nicht zuletzt um die Relevanz des Vergebens für eine gelin­gende Gesell­schaft. Was diese äußerst hetero­genen Themen­felder gemein haben: ein Übermaß an Striktheit, Effizi­enz­ori­en­tierung und Rationalitätsfixierung.

Großzü­gigkeit als Beitrag zum Fortschritt

Das gedank­liche Unter­fangen, Großzü­gigkeit stark zu machen, steht natürlich im Kontext einer Lage, die man als von multiplen Krisen bestimmt, als Polykrise oder Zeiten­wende bezeichnen kann: Corona, Krieg und Klima­de­saster sind die Stich­worte einer gesell­schaft­lichen Situation, die von großen Problemen und trüben Aussichten geprägt ist – zugleich aber auch von großem Engagement und echter Hoffnung. Dabei wird immer deutlicher: Die „normale“ westliche Lebens­weise kommt an ihr Ende, eine „große Trans­for­mation“ wird notwendig. Eine Trans­for­mation, die sowohl einen ökolo­gi­schen als auch sozialen und zugleich wirtschaft­lichen Wandel in Richtung Zukunfts­fä­higkeit reali­siert. Das heißt mitnichten, sich von der Vorstellung gesell­schaft­lichen Fortschritts zu verab­schieden. Im Gegenteil: Großzü­gigkeit ist als Beitrag zum Fortschritt zu verstehen. Zu einem Fortschritt, der nicht von einer Orien­tierung an Effizienz und Expansion geprägt ist, sondern der Elemente wie die Schonung der Natur und der Schönheit betont, der Spielraum für Ideen und Lernpro­zesse sowie Experi­mente beinhaltet. Ein Plädoyer für Großzü­gigkeit basiert daher wesentlich auf der Kritik an einer Idee, genauer: der Kritik an der Dominanz einer Idee – die der Effizienz. Denn der Effizienz wird in gewisser Weise zu viel zugetraut: Die Orien­tierung an der Effizienz und der Produk­ti­vität bedeutet eine Orien­tierung an einem Leitbild der Steigerung, der ständigen Expansion und der Ausweitung. Effizienz ist ein „Maß ohne Maß“, so der Philosoph Ralf Konersmann. Und diese inhärente Maßlo­sigkeit wird in einer endlichen Welt problematisch.

Effizienz ist weniger effizient als gedacht

Genauer betrachtet hat das Problem mit der Effizienz zwei Seiten: Effizienz leistet nicht das, was sie zu leisten verspricht. Zudem hat ihre Dominanz erheb­liche Neben­wir­kungen – und die machen es notwendig, ihr entge­gen­zu­treten. Dass Effizienz gleichsam ein falsches Versprechen ist, zeigt sich an vielen sozialen, ökolo­gi­schen und ökono­mi­schen Themen: Für Ökonomie und Ökonomik ist Effizienz bekanntlich ein klassi­scher Topos, aber auch bei ökolo­gi­schen Problemen wird regel­mäßig darauf­ge­setzt, dass ein effizi­en­terer Umgang mit Ressourcen, mit Zeit, mit Menschen ein Gebot der Vernunft sei. Das aber ist falsch, nicht selten ist das Gegenteil der Fall.

„Ökonomie der Großzü­gigkeit“ behandelt also die vielschich­tigen Verstri­ckungen des gesell­schaft­lichen Zusam­men­lebens und der gesell­schaft­lichen Natur­ver­hält­nisse mit dem Ökono­mi­schen. Dabei geht es nicht um die Verteu­felung eines vermeintlich herrschenden „Neoli­be­ra­lismus“. Vielmehr geht es um die Diagnose, dass das Ökono­mische immer mehr Bereiche in einer Weise dominiert, die destruktiv sind für Gesell­schaft und Natur. Dieser Dominanz, die weit mehr ist als Neoli­be­ra­lismus, soll ein Konzept von Großzü­gigkeit als Alter­native entge­gen­ge­stellt werden.

Mehr Großzü­gigkeit wagen

Abschließend gilt es, die Wirkung, die Großzü­gigkeit entfalten kann, genauer in den Blick zu nehmen und die Möglich­keiten einer plausiblen, nicht-naiven Konzeption von Großzü­gigkeit anhand von Begriffen wie Freiheit, Ordnung, Norma­lität und Fortschritt zu unter­suchen. Im Zentrum stehen dabei die Bedin­gungen, die der Großzü­gigkeit im Wege stehen oder aber ihrer Verbreitung förderlich sind. Die These: Obwohl Knapp­heits- und Krisen­dis­kurse weiterhin dominieren, gibt es handfeste Gründe für die Annahme, dass Großzü­gigkeit, so wie im Buch definiert, sich in aktuellen Diskursen bereits verbreitet. Ein promi­nentes Beispiel dafür ist die Handels­po­litik: Jahrzehn­telang war sie geprägt von Effizi­enz­streben, Wachs­tums­hoff­nungen und der Theorie der kompa­ra­tiven Kosten­vor­teile. Heute herrscht eine Skepsis gegenüber der Globa­li­sierung vor und Begriffe wie Resilienz, Sicherheit, Nachhal­tigkeit und Verant­wortung gewinnen zentrale Bedeutung. Ich schließe mein Plädoyer für die Großzü­gigkeit mit Überle­gungen zur Frage, wie eine plausible und produktive Alter­native zum tristen (wirtschafts-) wissen­schaft­lichen Denken aussehen kann – um damit neue Denkräume zu eröffnen.

 

Weitere Details zum Buch: Ökonomie der Großzü­gigkeit bei transcript Verlag (transcript-verlag.de)

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