Pres­se­frei­heit: Wie Corona das Vertrauen in Medien stärkt

New Africa /​ Shut­ter­stock

Sieht man von jener lauten Minder­heit, die Verschwö­rungs­theo­rien dem profes­sio­nellen Jour­na­lismus vorziehen, einmal ab, dann gehen Medien gestärkt aus der ersten Coro­na­welle hervor: Rück­bli­ckend scheint der Medi­en­ver­druss der Luxus eines Zeit­al­ters der Sekurität gewesen zu sein. In den ersten Krisen­wo­chen war das Vertrauen in tradi­tio­nelle Medien gewachsen. Gerade junge Menschen suchten Nach­richten-Marken, denen schon ihre Eltern trauten. Trotzdem ist die Pres­se­frei­heit gefährdet.

Nicht alle verwenden die Methode Holz­hammer so wie die alba­ni­sche Regierung. Als es ernst wurde mit Covid-19, verschickte sie an sämtliche Nutzer von Mobil­te­le­fonen landes­weit eine Sprach­nach­richt, die drei Botschaften enthielt: „Waschen Sie sich die Hände! Bleiben Sie zuhause! Miss­trauen sie den Medien!“ Bong. So viel Dreis­tig­keit muss man erst einmal verdauen. Aber ähnlich plump oder subtiler nutzen diverse Regie­rungen rund um die Welt die Corona-Krise dazu, den Medien das Leben im Allge­meinen und die Recherche im Beson­deren zu erschweren. Covid-19 wirke wie ein Brand­be­schleu­niger auf die verschie­denen Krisen, die dem Jour­na­lismus ohnehin schon zu schaffen machten, resü­mierte die Orga­ni­sa­tion Reporter ohne Grenzen in ihrem jüngst veröf­fent­lichten World Press Freedom Index.

Man kann solche Sprach­bilder leicht über­stra­pa­zieren, aber unter all den Pandemie-bedingten Einschrän­kungen und Verlusten kommt so manch eine Redaktion in Atemnot, wirt­schaft­lich und operativ. Das Virus testet das Immun­system des unab­hän­gigen Jour­na­lismus und all der Insti­tu­tionen, die ihn unterstützen. 

Portrait von Alexandra Borchardt

Alexandra Borchardt ist Jour­na­listin und Autorin von ‚Mehr Wahrheit wagen – Warum die Demo­kratie einen starken Jour­na­lismus braucht‘

Es gibt in diesen Tagen viel­fäl­tige Methoden, die Arbeit von Repor­te­rinnen und Reportern konkret zu behindern. Reporter ohne Grenzen doku­men­tiert entspre­chende Notstands­ge­setze, Verhaf­tungen und andere dras­ti­sche Frei­heits­be­schrän­kungen für Medien in ihrem „Tracker 19“, Mitte Mai umfasste der Newsfeed schon mehr als 80 Einträge.

Aber es gibt auch weniger absichts­volle Zwänge. So werden zu manch einer Pres­se­kon­fe­renz wegen der Hygiene-Vorschriften nur hand­ver­le­sene Reporter zuge­lassen, andere finden ausschließ­lich online statt. Für infor­melle Gespräche am Rande und Nach­fragen bleibt keine Zeit, und bei unan­ge­nehmen Themen bricht womöglich die Verbin­dung ab – zu sehen in einem vielfach geteilten Video, in dem eine Repor­terin einen WHO-Offi­zi­ellen zu Taiwan befragt, er möchte partout nicht antworten. Manche Regie­rungen verste­cken sich hinter Experten, die sie zu Allwis­senden stili­sieren. Eine Diskus­sion verschie­dener Argumente ist dann uner­wünscht, die Medien werden allein als Laut­spre­cher gebraucht.

Corona: Angriff auf Pressefreiheit

Außerdem bindet die Corona-Krise Aufmerk­sam­keit, die der Jour­na­listen und die des Publikums. Manch anderer Skandal wird mangels Kapa­zi­täten nicht nach­re­cher­chiert, und wird dann doch etwas publi­ziert, versinkt es im Covid-19-Getöse. Wer unlautere Absichten hat, kann sich derzeit relativ unbe­ob­achtet fühlen.

Am gefähr­lichsten ist es aller­dings die Methode Albanien: Wenn Regie­rungen den Jour­na­lismus als Ganzes herab­wür­digen und Jour­na­listen lächer­lich machen. Denn starker Jour­na­lismus baut darauf, dass Bürger die Medien als ihre Verbün­deten betrachten. Dazu gehört Vertrauen. Und wenn dies bröckelt, wird dem Jour­na­lismus die Daseins­grund­lage entzogen.

Das wussten Poten­taten schon immer, aber auch popu­lis­tisch agierende Demo­kraten finden immer wieder Gefallen daran, sich der lästigen Nach­fragen von Pres­se­ver­tre­tern zu entziehen. Schließ­lich ist es deutlich anstren­gender, sich mit einzelnen Fakten zu beschäf­tigen, als die Glaub­wür­dig­keit ihrer Verbreiter als solches in Frage zu stellen. Donald Trump hat den Begriff „Fake News Press“ nicht erfunden, ihn aber wie kein anderer zu einer Propa­ganda-Waffe gemacht. Und was sich der ameri­ka­ni­sche Präsident heraus­nimmt, schauen sich andere ab. Mehr als 50 Regie­rungs­chefs auf fünf Konti­nenten hätten den Begriff in den vergan­genen Jahren entspre­chend verwendet, schrieb der Heraus­geber der New York Times, A.G. Sulz­berger, im September 2019 in einem Editorial nach einer Rede an der Brown Univer­sity zur bedrohten Pres­se­frei­heit – das war noch vor Corona.

In diesen Tagen kann es lebens­ge­fähr­lich sein, auf seinen Präsi­denten zu hören statt auf Jour­na­listen, die das beste gerade verfüg­bare Exper­ten­wissen zusam­men­tragen. Zum Glück spüren dies viele. Bürge­rinnen und Bürger haben den Wert des unab­hän­gigen Jour­na­lismus wieder neu schätzen gelernt. Zumindest in den ersten Krisen­wo­chen ist das Vertrauen in tradi­tio­nelle Medien gewachsen wie seit langem nicht, sogar junge Menschen schauen wieder vermehrt nach Nach­richten-Marken, denen schon ihre Eltern trauten.

Auch Medien sind systemrelevant

Aber die Freude in den Redak­tionen könnte kurzlebig sein. Vor lauter Ungeduld mögen manche Menschen lieber „Experten“ glauben, deren Aussagen ihre eigenen Hoff­nungen spiegeln. Und es gibt Anzeichen für einen massiven Überdruss an Nach­richten, zumal allem, was mit Covid-19 zusam­men­hängt. Eine neue Studie des Reuters Insti­tutes belegt das für Großbritannien.

Es geht deshalb um viel. Redak­tionen müssen am Vertrauen zu ihrem Publikum arbeiten: erklären, beob­achten, abbilden, versuchen, Fragen zu beant­worten, trans­pa­rent mit Fehlern umgehen. Lese­rinnen, Zuschauer und Zuhö­re­rinnen schätzen das mehr als das übliche Ratten­rennen um den besten Scoop, das inter­es­san­teste Zitat. Jour­na­lismus nahe an den Menschen zu produ­zieren – selten war das wichtiger und selten schwerer als dieser Tage, wenn man Nähe physisch versteht.

Regie­rungen müssen zur Insti­tu­tion der freien Presse stehen, und zwar in Worten und Tat. Nicht nur die Lufthansa, auch Medi­en­viel­falt ist system­re­le­vant für die Demo­kratie. Plattform-Konzerne wie Google und Facebook können Quali­täts­jour­na­lismus fördern, nicht nur mit den in der Branche will­kom­menen Millionen, sondern auch, indem sie ihn auf ihren Seiten und in ihren Feeds sichtbar machen. Und Bürge­rinnen und Bürger können zeigen, was ihnen unab­hän­giger Jour­na­lismus wert ist, indem sie zum Beispiel ein Abo abschließen. Sie sichern damit mehr als Arbeits­plätze. Es geht um die Qualität der Gesell­schaft, in der sie leben. Und manchmal auch ums Überleben.

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