Das Ende des Autos, wie wir es kannten

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Der Verbren­nungs­motor weicht der Batterie, der Fahrersitz wird zur Fernseh­couch: Das Zeitalter des brummenden, analogen und privaten Autos neigt sich dem Ende zu. Die deutsche Automo­bil­branche hat jahrzehn­telang den Markt dominiert. Aber sie droht den Anschluss zu verlieren.

Abgas­grenz­werte, Diesel­krise, Fahrverbote: Kaum ein Tag vergeht, in der die Automo­bil­in­dustrie keine Schlag­zeilen macht. Und das völlig zu Recht: Die Autoher­steller haben tiefe Kratzer im Quali­täts­siegel „Made in Germany“ hinter­lassen. Das Vertrauen in die Branche ist erschüttert, Absatz­zahlen beim Diesel sinken – und die Bundes­re­gierung ist planlos. Maßnahmen wie eine „Blaue Plakette“ oder Hardware-Nachrüs­tungen wurden immer verweigert. Erst jetzt, wo zahlreiche Städte zu Fahrver­boten verdonnert werden, merkt sie: der politische Mummen­schanz ist nicht länger tragbar. Es müssen Lösungen her. Dementspre­chend werden jetzt Hardware-Lösungen diskutiert. 

Portrait von Roderick Kefferpütz

Roderick Kefferpütz ist stell­ver­tre­tender Leiter des Grund­satz­re­ferats im Staats­mi­nis­terium Baden-Württemberg.

Zu viel Zeit wurde schon verspielt. Seit  Jahren steht die deutsche Automo­bil­po­litik im Schatten der Diesel­krise. Sie schafft es nicht, sich von dieser Proble­matik zu lösen. Der Blick in den Rückspiegel dominiert die Diskussion. Das ist politisch fahrlässig. Denn die größte Heraus­for­derung der deutschen Automo­bil­in­dustrie liegt nicht in der Vergan­genheit, sondern unmit­telbar vor ihr.

Die Automo­bil­in­dustrie steht vor einer techno­lo­gi­schen Zäsur. Das Zeitalter des brummenden, analogen und privaten Autos als isoliertes Fortbe­we­gungs­mittel neigt sich dem Ende zu. Es wird ersetzt durch das summende, digitale und vernetzte Auto. Der Verbren­nungs­motor weicht alter­na­tiven Antriebs­formen, wie der Elektro­mo­bi­lität und Brenn­stoff­zelle. Das Autoblech wird intel­ligent – ausge­stattet mit zahlreichen Sensoren, Kameras und Bordelek­tronik wird es zum selbst­fah­renden Iphone auf Rädern. Durch carsharing-Modelle werden Autos zudem künftig geteilt.

Fahrzeit wird zur Freizeit

Zahlreiche techno­lo­gische Durch­brüche und Innova­tionen verändern das Auto. Sie werden getrieben von umwelt­po­li­ti­schen, wirtschaft­lichen und kultu­rellen Gegeben­heiten. Immer mehr Städte, etwa Paris und Madrid, planen Verbote für Verbren­nungs­mo­toren. Immer mehr Staaten, von China über Frank­reich bis hin zu Großbri­tannien, verhängen Elektro­quoten, schärfere Emissi­ons­grenz­werte oder Auslauf­daten für den Verbren­nungs­motor. Die Wende zum post-fossilen Auto ist ökolo­gisch geboten. Wer hier zu spät kommt, den bestraft der Markt.

Immer mehr junge Menschen zahlen lieber für gefahrene Kilometer als für ein Auto, dass den Großteil der Zeit rumsteht. Es geht darum, Autos zu nutzen, nicht zu besitzen. Zukunftig wird es wahrscheinlich nicht mehr um das Fahrver­gnügen gehen, sondern um das Vergnügen beim Fahren – und um die Frage, welche Enter­tainment-Programme im Auto zur Verfü­gungen stehen. Wenn im Zeitalter des autonomen Fahrens die Fahrzeit zur Freizeit wird, dann wird der Fahrersitz zur Fernseh­couch, sagt der Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter.

Die Automo­bil­märkte verändern sich rasant. Jahrzehn­telang hat die deutsche Automo­bil­in­dustrie den Markt dominiert und die Spiel­regeln bestimmt. Aber das Spiel hat sich geändert. Nun droht der deutschen Automo­bil­branche der Rückstand. Sie haben neue techno­lo­gische Entwick­lungen und Vermark­tungen an sich vorbei­ziehen lassen. Mit ihren Innova­tionen beim Verbren­nungs­motor hat sie sich in den letzten 15 Jahren in eine Richtung entwi­ckelt, die sich nun als techno­lo­gische Sackgasse entpuppt. Mit den Techno­logien des 20. Jahrhun­derts erobert man nicht die neuen Märkte des 21. Jahrhun­derts. Die Strategie der deutschen Autobauer ist in sich zusam­men­ge­brochen. Benötigt werden nun neue Strategien und ein konse­quentes Umsteuern.

Die deutschen Autobauer sind Opfer ihres eigenen Erfolgs

Das wird nicht einfach. Denn die Automo­bil­branche befindet sich im Kodak-Paradox. Das Fotofilm­un­ter­nehmen Kodak besaß die Kompetenz, sich der digitalen Kamera zu stellen – aber das Management entschloss sich dagegen. Eine konse­quente Verfolgung der Digita­li­sierung hätte schließlich das bestehende, analoge Geschäft in Gefahr bringen können. Ähnlich ist es bei den deutschen Automo­bil­her­stellern. Ihre Bilanzen sind abhängig vom Diesel. Verkaufen sie mehr Elektro­autos, geht dies mögli­cher­weise auf Kosten ihres Diesel-Absatzes. Sie kanni­ba­li­sieren ihr eigenes Geschäft und sind Opfer ihres Erfolges. Trotzdem darf die Autoin­dustrie nicht in ihren einge­fah­renen Spuren weiterrollen.

Der Wandel ist unumgänglich. Die Konkurrenz schläft nicht. Neue Hersteller, Fahrzeug­dienst­leister, Start-ups und IT-Unter­nehmen treten in den Markt ein, um mit Mobilität Geld zu verdienen. Tesla hat das Elektroauto zum Kultartikel gemacht. Die Deutsche Post ist mit ihrem Elektro­trans­porter auf eine Goldader gestoßen. Ameri­ka­nische und chine­sische Techno­logie-Titanen wollen das Auto neu erfinden, während Platt­formen wie Uber und Didi Chuxing mit ihren Geschäfts­mo­dellen Mobilität per Touch­screen verkaufen.

Bei den drei großen Trends – Elektri­fi­zierung, Digita­li­sierung und Vernetzung – hängt Europa hinterher. Die Batterie ist unsere Achil­les­ferse. Asien hat die Nase bei der strate­gi­schen Batte­rie­ent­wicklung und damit der Elektro­mo­bi­lität vorne. China baut sich gerade eine strate­gische Kernrolle bei der Batte­rie­pro­duktion auf. Asiatische Batte­rie­her­steller erhöhen die Preise. Und bei der Digita­li­sierung und Vernetzung haben die IT-Giganten und Mobili­täts­dienst­leister aus Ost und West einen Erfahrungsvorsprung.

Baden-Württemberg ist die deutsche Vorzeigeregion

Die Wettbe­werb­ver­hält­nisse auf den Straßen verschieben sich. Es steht viel auf dem Spiel – es geht um Techno­lo­gie­füh­rer­schaft, Wirtschafts­kraft, Arbeits­kräfte und Klima­schutz. Der Ausgang dieses inter­na­tio­nalen Rennens ist aber noch offen. Ein Comeback der deutschen Autobauer ist nötig, um den verspielten Vorsprung zurück­zu­ge­winnen. In der deutschen Automo­bil­branche hat langsam der notwendige Sinnes­wandel statt­ge­funden. Sie verlässt allmählich ihre Starrheit. Volks­wagen will bis zum Jahre 2020 150.000 Elektro­fahr­zeuge produ­zieren. Porsche und Audi wollen bis zum Jahre 2030 rund 72 Milli­arden in die Elektro­mo­bi­lität investieren.

Aber dieser gewaltige Umbruch in der Automo­bil­in­dustrie kann nicht im Alleingang überstanden werden. Der Wandel beschäftigt alle: Politik, Wirtschaft, Wissen­schaft, Arbeit­nehmer und Zivil­ge­sell­schaft. Die Größe der Aufgabe und die Komple­xität der Heraus­for­derung verlangen übergrei­fendes Denken und gemeinsame Anstren­gungen. Dafür sind neue Formate notwendig, um die relevanten Akteure zusammenzubringen.

Baden-Württemberg ist hier Vorzei­ge­region. Die grün-schwarze Koalition hat als erste Landes­re­gierung überhaupt einen insti­tu­tio­na­li­sierten Strate­gie­dialog zur Automo­bil­wirt­schaft etabliert, der alle Player an einen Tisch bringt. In sechs Handlungs­feldern, von der Produktion und Forschung über die Digita­li­sierung bis hin zu energie­po­li­ti­schen Fragen, wird die Trans­for­mation der Automo­bil­wirt­schaft gemeinsam disku­tiert. Erste strate­gische Weichen­stel­lungen, etwa bei der Batte­rie­pro­duktion, wurden bereits mit konkreten Initia­tiven unternommen.

Die Bundes­re­gierung zieht nun auch nach. Sie hat eine „Nationale Plattform zur Zukunft der Mobilität“ (NPM) gegründet, um Strategien zur Zukunft der bezahl­baren und nachhal­tigen Mobilität zu erarbeiten. Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier will außerdem Europas Batte­rie­problem lösen. Erst vor Kurzem hat er bis 2021 eine Milliarde Euro für eine Batte­rie­zel­len­pro­duktion in Deutschland zur Verfügung gestellt. Erste Konsortien für dieses strate­gische Vorhaben bilden sich. Nach langer Zeit fängt man endlich an, die Zukunft der Industrie zu gestalten – anstatt nur die Vergan­genheit zu bewäl­tigen. Die Chancen, dass die deutsche Autoin­dustrie in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehört, stehen bei 50 Prozent, sagt VW-Chef Herbert Diess. Es gibt keine Zeit zu verlieren.

Der Text gibt die per­sön­li­che Meinung des Autors wieder.

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