Zukunft des Fliegens – Wege zu einem nachhal­tigen Luftverkehr

Foto: Dirk Michael Deckbar

„Angesichts der globalen Wachs­tums­dy­namik bleibt uns nur die Flucht nach vorn – mit synthe­ti­schen Kraft­stoffen und einer neuen Generation von Flugzeugen den Sprung zum klima­neu­tralen Fliegen zu schaffen.“ Impuls­vortrag von Ralf Fücks auf der 3. Natio­nalen Luftfahrt­kon­ferenz am 25.9. in Hamburg.

Impuls­vortrag von Ralf Fücks: „Zukunft des Fliegens – Wege zu einem nachhal­tigen Flugverkehr“ bei der 3. Nationale Luftfahrt­kon­ferenz unter dem Titel „Luftfahrt: innovativ und klimaneutral“.

Die Konferenz fand am 25.09. in Hamburg statt, eröffnet von Bundes­kanzler Olaf Scholz, Keynotes von Robert Habeck und Volker Wissing und Diskus­sionen mit Spitzen­ver­tre­te­rinnen und ‑vertretern der Luftfahrt­branche und Umweltverbänden.

 

Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, lieber Robert, sehr geehrter Minister Wissing, meine Damen und Herren,

Vielen Dank für die Einladung, hier zu sprechen. Ich vermute, das verdanke ich vor allem unserem Projekt „Wege zum klima­neu­tralen Fliegen“, das wir – das Zentrum Liberale Moderne – gemeinsam mit dem BDL und dem BDLI aufgelegt haben.

Vielleicht wollten Sie auch einen weißen Raben bestaunen – einen Urgrünen, der die Fliegerei immer noch für eine großartige Erfindung hält, obwohl man den Eindruck gewinnen kann, dass Flughäfen und Airlines einiges tun, um einem die Freude am Fliegen zu verleiden.

Dennoch: Fliegen ist ein uralter Traum der Menschheit – die Schwer­kraft überwinden, fremde Konti­nente bereisen und sich frei wie ein Vogel im Raum bewegen. Fliegen, das war Triumph der Technik, Kühnheit und Eleganz.

Fliegen öffnet den Zugang zur Welt. Erst das Flugzeug hat die Begegnung von Menschen unter­schied­licher Kultur­kreise in großer Zahl ermög­licht, die zuvor wenigen Forschern, Kaufleuten und Abenteurern vorbe­halten war. In einem Satz: Ohne Luftverkehr keine Weltgesellschaft.

Wie fast aller techni­scher Fortschritt hat auch die Luftfahrt eine dunkle, destruktive Seite. Sie zeigte ihr furcht­bares Gesicht im Bomben­hagel des zweiten Weltkriegs. Das ist übrigens kein Argument gegen eine starke Luftwaffe. Wer einen gewalt­be­reiten Gegner abschrecken will, muss vertei­di­gungs­fähig sein. Das ist auch eine Lektion des russi­schen Überfalls auf die Ukraine.

Eine zweite Kehrseite fossiler Mobilität ist der Klima­wandel, zu dem das Fliegen erheblich beiträgt.

Rechnet man die Nicht-CO2-Emissionen wie Wasser­dampf und Stick­oxide ein, kommt man auf einen Anteil von 4–5 Prozent am Treib­haus­effekt, Tendenz steigend. Das ist auch eine Folge des Massen­tou­rismus – Fliegen ist ja längst kein Privileg der Reichen und Schönen mehr.

Müssen wir also unter dem Damokles­schwert der Klima­krise die Fliegerei drastisch einschränken?

Machen wir uns nichts vor: Der globale Luftverkehr wird weiter wachsen, auch wenn wir künftig mehr Bahn fahren und die eine oder andere Flugreise durch Online-Konfe­renzen ersetzen. Auch wenn der Flugverkehr in Deutschland lahmt, sind wir inter­na­tional bereits wieder knapp unter dem Allzeithoch von 4,5 Milli­arden Passa­gieren im Jahr 2019.

Jede freiwillige oder verordnete Beschränkung des Fliegens in Europa wird übertroffen durch die Zunahme des Flugver­kehrs in den Schwel­len­ländern. Dort wird auch die Luftverkehr-Infra­struktur massiv ausgebaut.  Die Türkei und die Golfstaaten machen den europäi­schen Flughäfen ihre Rolle als Drehkreuz im Asien­verkehr streitig. China stellt inzwi­schen die größte Zahl von Auslandstouristen.

Ob es uns gefällt oder nicht: Fliegen wird auch künftig ein elemen­tarer Bestandteil moderner Mobilität sein. Circa 60 Prozent der Treib­hausgas-Emissionen des Luftver­kehrs entstehen auf der Langstrecke. Dazu gibt es in einer vernetzten Welt kaum Alternativen.

Treibende Kraft für die Expansion des Luftver­kehrs sind zwei Faktoren:

  •  Erstens die Globa­li­sierung fast aller Sphären des modernen Lebens. Es gibt keine moderne Wirtschaft, Wissen­schaft, Politik, Kultur, Sport, Tourismus ohne Austausch und Koope­ration über die natio­nalen Grenzen hinweg. Auch viele Familien sind über Länder und Konti­nente verstreut. Mehr Migration bedeutet auch mehr Luftverkehr. Fliegen ist das physische World Wide Web der Moderne.
  • Trieb­kraft Nummer zwei ist das Wachstum der globalen Mittel­klasse. Seit den 90er-Jahren rücken pro Jahr zig Millionen Menschen in die Mittel­schicht auf und werden damit zu poten­ti­ellen Flugpas­sa­gieren, sei es als Touristen oder als Geschäfts­rei­sende. Die Schät­zungen, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die jemals geflogen sind, liegen zwischen 10 und 20 Prozent. Es besteht also noch viel Luft nach oben.

„Weniger Fliegen“ kann für europäische Wohlstands­bürger durchaus eine sinnvolle Maxime sein. Man muss nicht unbedingt zum verlän­gerten Wochen­end­urlaub nach Mallorca oder zum Shopping nach London düsen.

Aber der Aufruf zum Maßhalten ist keine hinrei­chende Antwort auf den Klima­wandel. Er verfehlt den sprin­genden Punkt: Angesichts der globalen Wachs­tums­dy­namik bleibt uns nur die Flucht nach vorn – mit synthe­ti­schen Kraft­stoffen und einer neuen Generation von Flugzeugen den Sprung zum klima­neu­tralen Fliegen zu schaffen.

Das ist keine Fata Morgana.

  • Zu den kurzfristig umsetz­baren Maßnahmen zählt eine optimierte Strecken­führung und Flughöhe. Durch ein smartes europäi­sches Flugma­nagement ließen sich 5–10 Prozent der Klima­ef­fekte (CO2, Stick­oxyde, Kondens­streifen, Wolken­bildung) vermeiden. Das erfordert keine bahnbre­chenden techni­schen Fortschritte, sondern die Bereit­schaft, nationale Egoismen durch eine europäische Lösung zu ersetzen.
  • Ein zweiter Hebel ist die technische Optimierung der aktuellen Luftflotte, etwa durch die Instal­lation von „Winglets“ an den Flügelenden.
  • Eine dritte Option ist der forcierte Austausch alter durch neue Maschinen. Mit jeder neuen Flugzeug­ge­ne­ration sinken die CO2-Emissionen pro Meile und Passagier um 20–25 Prozent aufgrund optimierter Turbinen, verbes­serter Aerody­namik und leich­teren Materialien.
  • Die vierte und wirkungs­vollste Möglichkeit ist die Substi­tution fossiler durch klima­neu­trale Kraft­stoffe. Dazu kommt fünftens der klima­neu­trale Betrieb von Flughäfen.

Wir müssen also nicht warten, bis in 10 oder 15 Jahren eine komplett neue Generation von Wasser­stoff-Flugzeugen in der Luft ist. Bis sie die bestehende Flotte ersetzt haben, vergehen dann noch einmal 20–30 Jahre. Wir können und müssen schon in der Zwischenzeit drastische Fortschritte bei der Reduktion der Treibhaus-Effekte des Fliegens erzielen.

Die Einbe­ziehung des Flugver­kehrs in den CO2-Emissi­ons­handel und die Anlastung der Umwelt­kosten des Fliegens ist hier wie in anderen Sektoren ein zentraler Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Zu diesem Paket gehört auch die Verla­gerung von Kurzstre­cken­flüge auf die Schiene. Entgegen landläu­figer Vorur­teile liegt das durchaus im Interesse der Airlines. So soll die Koope­ration zwischen der Star Alliance und der Deutschen Bahn mehr Passa­giere vom Flugzeug auf die Schiene locken. Wenn wir das Angebot im Schie­nen­verkehr verbessern, werden sich noch mehr Reisende für den Zug entscheiden.

Strittig bleibt die wettbe­werbs­neu­trale Ausge­staltung des Europäi­schen Klima­re­gimes. Das ist ein durchaus berech­tigtes Anliegen, wenn man auch in Zukunft leistungs­fähige, global operie­rende europäische Airlines haben will.

Regulie­rungen sollten darauf abzielen, die ökolo­gische Moder­ni­sierung des Luftver­kehrs zu beschleu­nigen, statt Markt­an­teile auf außer­eu­ro­päische Fluglinien zu verlagern.

Wohlge­merkt – es geht nicht darum, die klima­po­li­ti­schen Ambitionen für den Flugverkehr herun­ter­zu­schrauben. Die kritische Frage ist, wie sie möglichst wettbe­werbs­neutral ausge­staltet werden können.

Von Seiten der Luftfahrt­ver­bände gibt es dazu einen bemer­kens­werten Vorschlag: die Einführung einer auf das Endziel der Flugreise bezogenen „Klima­schutz­abgabe“ als Zuschlag zu den Tickets. Aus den Einnahmen könnten die Mehrkosten für die Umstellung auf klima­neu­trale Kraft­stoffe finan­ziert werden.

Solange eine entspre­chende europäische Regelung ausbleibt, könnten die Einnahmen aus der Luftver­kehrs­steuer verwendet werden, um den Hochlauf von Sustainable Aviation Fuels zu finanzieren.

Der zügige Ausbau von Produk­ti­ons­ka­pa­zi­täten und Infra­struktur für diese alter­na­tiven Kraft­stoffe zählt zu den großen, klima­po­li­tisch wie indus­trie­po­li­tisch aussichts­reichen Heraus­for­de­rungen der nächsten Jahre. Wir sollten damit nicht warten, bis China und die USA auch diesen Markt dominieren.

Der große Vorteil dieser Treib­stoffe liegt darin, dass sie von der vorhan­denen Flugzeug­flotte genutzt werden können. Neben Biokraft­stoffen aus organi­schen Reststoffen geht es vor allem um Kraft­stoffe, die aus der Synthese von klima­neu­tralem Wasser­stoff und CO2 gewonnen werden.

Die dafür notwen­digen chemo­tech­ni­schen Anlagen könnten zu einem Export­modell der deutschen Industrie werden. Aller­dings erfordert die Produktion von Sustainable Aviation Fuels gewaltige Mengen erneu­er­barer Energien. Ohne den Import von klima­neu­tralem Wasser­stoff aus Regionen, in denen er kosten­günstig erzeugt werden kann, wird das nicht funktionieren.

Eine SAF-Beimi­schungs­quote von sechs Prozent bis zum Jahr 2030, wie sie gegen­wärtig in der EU zur Debatte steht, ist nicht ambitio­niert genug, um die Innova­tions- und Inves­ti­ti­ons­dy­namik in diesem Sektor zu beschleunigen.

Noch fehlen die politi­schen und finan­zi­ellen Rahmen­be­din­gungen für den Take Off klima­neu­traler Kraft­stoffe. In der Luftfahrt sind sie besser einge­setzt als im Autoverkehr, weil die Elektri­fi­zierung des Fliegens wohl nur für kurze Strecken und kleine Maschinen eine realis­tische Option ist.

Wie man es auch dreht und wendet: Die moralische Verteu­felung des Fliegens und die Rufe nach einer drasti­schen Einschränkung des Flugver­kehrs tragen zur Lösung des Klima­pro­blems nichts bei. Statt­dessen feuern sie einen Kultur­kampf an, der die große Mehrheit der Bevöl­kerung vor den Kopf stößt.

Uns bleibt nur eine realis­tische Alter­native: der möglichst rasche Übergang zu klima­neu­tralem Fliegen. Wir müssen jetzt alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Treib­haus­ef­fekte des Luftver­kehrs zu senken und spätestens zur Jahrhun­dert­mitte klima­neutral zu fliegen.

Die ökolo­gische Trans­for­mation der Luftfahrt umfasst alle Elemente einer grünen indus­tri­ellen Revolution: konti­nu­ierlich steigende Energie-effizienz, die Substi­tution fossiler durch erneu­erbare Kraft­stoffe, neue Antriebe, neue Werkstoffe und neue Designs.

Noch ist die Luftfahrt eine der wenigen Zukunfts­in­dus­trien, bei denen wir die Nase vorn haben. Diesen Vorteil sollten wir nicht verspielen. Wie auf kaum einem anderen Feld gilt für den Luftverkehr: wir verur­sachen zwei Prozent der globalen Emissionen – aber wir können sehr viel mehr zur Eindämmung der Klima­krise beitragen, indem wir zukunfts­fähige Lösungen für die Welt entwickeln.

Wer bei den klima­freund­lichen Techniken vorn ist, sichert zugleich die Jobs und den Wohlstand von morgen.

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