Truppen sammeln: Die AfD als Soldaten-Partei?

Shutter­stock /​ Joerg Huettenhoelscher

Die Alter­native für Deutschland (AfD) will sich als Solda­ten­partei profi­lieren. Auffallend ist, dass viele Mandats­träger ehemalige Berufs- oder Zeitsol­daten sind. Ziehen die Radikalen die Bundeswehr nach Rechts? Oder sind die Solda­tinnen und Soldaten in Wahrheit liberaler, als die Partei­stra­tegen denken? Der Beitrag erschien zunächst im Sammelband „Extreme Sicherheit – Rechts­ra­dikale in Polizei, Verfas­sungs­schutz, Bundeswehr und Justiz“.

Als Jens Kestner an einem Donnerstag im März 2019 im Bundestag ans Rednerpult tritt, inter­es­sieren ihn die anderen Abgeord­neten im Saal wenig. Gleich zu Beginn seiner Rede grüßt der grauhaarige AfD-Abgeordnete sein eigent­liches Publikum: die „Kameraden in der Heimat und vor allen Dingen in der Ferne“. Es geht um den deutschen Auslands­einsatz in Afgha­nistan. Die AfD fordert: Abzug. Kestner nennt Namen von Gefal­lenen, setzt zum Rundum­schlag an. Er attackiert die Generäle bei der Bundeswehr, denen nur die eigene Karriere wichtig sei. „Wir brauchen mehr aufrichtige Offiziere als willenlose Paladine, die jeden Auftrag ihrer unfähigen Minis­terin ohne Murren ausführen“, ruft er. 

Portrait von Maria Fiedler

Maria Fiedler ist politische Korre­spon­dentin des Tagesspiegels

Ausrüs­tungs­mängel, Berater­affäre, Bürokratie: In Zeiten, in denen in der Truppe Unzufrie­denheit herrscht, versucht sich die AfD als neue Bundes­wehr­partei zu positio­nieren – eine Rolle, die bislang CDU und CSU zukam. Funktionäre mit langer Militär­kar­riere wie der Berliner AfD-Frakti­onschef Georg Pazderski dienen den Rechts­po­pu­listen als Aushän­ge­schilder. Redner wie der Abgeordnete Kestner, einst Oberfeld­webel bei der Panzer­truppe, sollen für Glaub­wür­digkeit sorgen.

Warnung vor Rechtsruck in der Bundeswehr

Die Bild-Zeitung berichtete Anfang 2019 über eine Schätzung, wonach 2100 der 35 000 AfD-Mitglieder Berufs­sol­daten seien. Auf der Münchner Sicher­heits­kon­ferenz machten Gerüchte über Partei-Eintritte von Militärs die Runde. CSU-Chef Markus Söder erklärte seine Sorge darüber, „dass der eine oder andere Soldat bei der AfD gelandet“ sei, weil er sich vielleicht nicht wertge­schätzt und unter­stützt fühle. Und auch Ex-Unions­frak­ti­onschef Friedrich Merz warnte vor einem Rechtsruck in der Bundeswehr.

Im Bundestag nutzt die AfD ihre Ressourcen, um sich als Solda­ten­partei zu profi­lieren. Um die 40 Anfragen in Verbindung mit der Bundeswehr hat sie in ihren ersten anderthalb Jahren im Parlament gestellt. Sie trugen Titel wie „Vetera­nen­po­litik für die Bundeswehr“, „Beschaffung eines neuen Sturm­ge­wehrs für die Bundeswehr“ oder „Ausstattung der Bundeswehr mit Schutz­westen“. Die AfD-Fraktion teilte per Presse­mit­teilung mit: „Versehrte deutsche Bundes­wehr­sol­daten sind Helden!“ Und als die Berater­affäre im Vertei­di­gungs­mi­nis­terium öffentlich wurde, forderte der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen einen Unter­su­chungs­aus­schuss. Auch er war früher Oberst bei der Bundeswehr.

Ehemalige Soldaten in der AfD

Den anderen Fraktionen im Bundestag fällt das durchaus als Taktik auf. „Die AfD spielt sich auf, als sei sie die Fraktion, der die Bundeswehr am Herzen liegt“, sagt die Grünen-Vertei­di­gungs­po­li­ti­kerin Agnieszka Brugger. „Ich kenne aber genug Leute in der Bundeswehr, die es ablehnen, dass sich die AfD als ihr Fürsprecher geriert.“ Aus ihrer Sicht haben die Rechts­po­pu­listen ein „extrem verstaubtes Bild“ von der Bundeswehr, das mit der Lebens­rea­lität junger Soldaten wenig gemein habe. Ihnen sei etwa die Verein­barkeit von Beruf und Familie wichtig. Von der AfD wird die Einrichtung von Bundes­wehr­kitas dagegen oft belächelt.

Auffällig viele Mandats­träger der AfD waren früher Berufs- oder Zeitsol­daten. Da ist etwa der Ex-Fallschirm­jäger Andreas Kalbitz, der die AfD-Fraktion im Branden­burger Landtag führt. Der Stabs­of­fizier Uwe Junge, der Frakti­onschef in Rheinland-Pfalz ist. Oder der Bundes­tags­ab­ge­ordnete Peter Felser, der früher Offizier und im Auslands­einsatz in Bosnien war – übrigens zusammen mit dem rechts­in­tel­lek­tu­ellen Strip­pen­zieher Götz Kubit­schek. Die Liste der Funktionäre mit Armee­ver­gan­genheit ließe sich beliebig fortsetzen. Hierin begründen sich die Verbin­dungen der AfD in die Truppe. Und so fließen auch immer wieder Infor­ma­tionen aus der Bundeswehr an die AfD, die sie politisch verwertet.

Was treibt Soldaten nach Rechts?

Beunru­higend finden viele Abgeordnete mögliche Verbin­dungen der AfD zu extremen Rechten in der Bundeswehr. Sie beziehen das auf einen Mitar­beiter des AfD-Bundes­tags­ab­ge­ord­neten Jan Nolte. Der Mitar­beiter wurde verdächtigt, an den rechten Anschlags­plänen des Ex-Bundes­wehr­sol­daten Franco A. beteiligt gewesen zu sein. Die Ermitt­lungen gegen ihn wurden schließlich einge­stellt. Der Bundestag gewährte dem Mann einen Hausausweis. Abgeordnete befürch­teten in der Folge, dass er Infor­ma­tionen, etwa aus dem Vertei­di­gungs­aus­schuss, nach außen tragen könnte.

Was aber treibt Soldaten zur AfD? „Mit der Abschaffung der Wehrpflicht war die Union für mich gestorben“, sagt ein 25-jähriger Offizier, der AfD-Mitglied ist und lieber anonym bleiben möchte. „Anfangs war die AfD noch ein wenig wie eine verstaubte FDP. Das, was von außen als Rechtsruck wahrge­nommen wurde, hat sie dann zu meiner politi­schen Heimat gemacht.“ Die vielen Mandats­träger in der AfD mit Militär­ver­gan­genheit hätten sein Interesse geweckt. In der Bundeswehr kriti­siert der junge Offizier etwa den starren Verwal­tungs­ap­parat und den Ausrüs­tungs­mangel. „Es ist in den letzten Jahren keine Besserung einge­treten – im Gegenteil.“ Zu jedem Fahrzeug gebe es „gefühlt zehn Vorschriften“. Oft dürfe man wegen Wartungs­ver­trägen das Material nicht einmal selbst reparieren. Und während Bundes­wehr­sol­daten ihr Leben in Afgha­nistan aufs Spiel setzten, würden junge Afghanen ins Ausland abwandern. „Dabei müssten die doch eigentlich ihr Land aufbauen.“ Mit seinen Ansichten findet er sich bei der AfD wieder.

Half Tradi­ti­ons­erlass von der Leyens der AfD?

Der Berliner AfD-Frakti­onschef Pazderski, der 41 Jahre bei der Bundeswehr war, sagt beispiels­weise Sätze wie: „Viele glauben, wir müssten nicht wehrhaft sein und Deutschland brauche keine starke Bundeswehr. Wir sehen das anders.“ Oder: „Soldaten haben einen Beruf, der sie in letzter Konse­quenz das Leben kosten kann. Dafür erwarten sie Wertschätzung und Anerkennung.“

Dass die Rechts­po­pu­listen versuchten, sich als Fürsprecher der Soldaten zu profi­lieren, nutze ihnen nicht nur in der Truppe selbst, sagt der Sozial­wis­sen­schaftler Jan Schedler von der Ruhr-Univer­sität Bochum. Er forscht zu extremen Rechten. „Innerhalb des rechten Spektrums gibt es insgesamt eine positive Einstellung zum Militär.“ Für diese Klientel sei es selbst­ver­ständlich, dass eine Nation vorbe­reitet sein müsse, sich militä­risch zu vertei­digen. Bei ihnen komme die Forderung der AfD nach der Wieder­ein­führung der Wehrpflicht und nach deutlich höheren Inves­ti­tionen bei der Bundeswehr gut an. Auch mit ihrer Kritik am „Tradi­ti­ons­erlass“ der damaligen Vertei­di­gungs­mi­nis­terin Ursula von der Leyen habe die AfD sowohl bei Bundes­wehr­an­ge­hö­rigen als auch bei ihren Anhängern punkten können.

2017 hatte von der Leyen Wehrmachts­de­vo­tio­nalien aus Kasernen entfernen lassen. Dabei waren auch Spinde von Soldaten durch­sucht worden. Von der Leyen hatte Lieder wie das „Panzerlied“ aus dem Solda­ten­lie­derbuch gestrichen und wollte mehrere Kasernen umbenennen lassen, die noch die Namen von Wehrmachts­of­fi­zieren trugen. AfD-Funktionär Pazderski sieht das Vorgehen als einen „Schlag ins Gesicht aller Soldaten“. So zerstöre man die Tradition einer Armee. „Unsere Soldaten brauchen Vorbilder.“

Andere Fraktionen sehen Handlungsbedarf

Sozial­wis­sen­schaftler Schedler sagt, lange seien militä­rische Vorbilder aus der Wehrmacht in Deutschland kein Problem gewesen. Die Rolle der Wehrmacht im Holocaust sei nicht groß thema­ti­siert worden. Mittler­weile werde die Tradi­ti­ons­linie von der Wehrmacht zur Bundeswehr aber sehr kritisch beleuchtet. Das stoße der AfD und vielen ihrer Anhänger übel auf. 2017 hatte der heutige AfD-Frakti­onschef Alexander Gauland sogar gefordert, man müsse stolz sein „auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“.

Im Bundestag erkennen Politiker anderer Fraktionen Handlungs­bedarf. Die Grünen-Politi­kerin Agniezska Brugger sagt: „Alle Parteien müssen sich mehr um die Menschen bemühen, die in den Sicher­heits­kräften ihren Dienst leisten.“ So hätten die Grünen sich über Frakti­ons­grenzen hinweg für bessere Versorgung bei posttrau­ma­ti­scher Belas­tungs­störung einge­setzt – ein wichtiges Thema etwa wegen des Einsatzes in Afgha­nistan. Der CSU-Vertei­di­gungs­po­li­tiker Florian Hahn, stell­ver­tre­tender General­se­kretär seiner Partei, sagt: „Die Truppe wünscht sich mehr Anerkennung, nicht nur materiell. Darauf müssen wir reagieren.“ Durch massives Sparen über fast 30 Jahre hinweg habe die Attrak­ti­vität der Bundeswehr gelitten. Dass die ehemalige Minis­terin von der Leyen der Bundeswehr ein Haltungs­problem unter­stellt habe, sei zudem sehr unglücklich gewesen. Hahn sagt aber auch: „Für die AfD ist es einfach, markige Forde­rungen zu stellen, weil sie sie nicht umsetzen muss.“


Der Beitrag erschien zunächst im Sammelband „Extreme Sicherheit – Rechts­ra­dikale in Polizei, Verfas­sungs­schutz, Bundeswehr und Justiz“.

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