Der Chaos­flug­hafen: TLV – Tel Aviv Ben Gurion

Foto: Shutterstock, Gil Cohen Magen
Foto: Shutter­stock, Gil Cohen Magen

Politi­sches Chaos um einen Flughafen gibt es jetzt auch in der einzigen Demokratie des Nahen Ostens. Der Impfwelt­meister zeigt hier, dass andere Aspekte des Pande­mie­ma­nage­ments vollkommen außer Kontrolle geraten sind – und pragma­tische Lösungen schwer zu finden.

Wer begreifen will, in was für einem Zustand sich der Staat Israel befindet, der muss sich einen einzigen Aspekt heraus­picken, um einen Einblick zu erhalten: die Schließung, bezie­hungs­weise Öffnung des Flughafens Ben Gurion. Es ist der einzige inter­na­tionale Flughafen, den das kleine Land hat. Nur über ihn kommen Israelis hinein oder hinaus. Wenn er zu ist – dann ist man isoliert, einge­sperrt. Oder – ausge­sperrt. Am 24. Januar entschied die israe­lische Regierung den Flughafen zu schließen, um so die Einschleppung von Covid-19-Mutanten zu unter­binden. So weit, so gut. Dass man Ausländern die Einreise verwei­gerte, ist verständlich und das ist ja schon seit knapp einem Jahr so. Aller­dings kam die aktuelle Ankün­digung gerade mal 24 Stunden vor der Schließung. Und damit steckten Zehntau­sende Israelis, die sich im Ausland befanden, plötzlich fest. Sie konnten nicht mehr heim. Eine mehr als fragwürdige Entscheidung einer Regierung. Es gibt kein einziges Land auf der Welt, dass seinen eigenen Staats­bürger die Einreise verwehrt. Das macht nur Israel. Damit ist die Schutz­funktion des Staates für seine Bürger im Grunde aufgehoben.

Tausende gestrandet ohne Visum

In der Praxis standen die festsit­zenden Israelis vor einer Reihe von Problemen: Sie mussten plötzlich länger in einem Land bleiben als ihr Visum es ihnen eigentlich erlaubte. Sie wussten nicht, wo sie unter­kommen sollten, weil sie Hotels, Airbnb etc. nicht auf unbegrenzte Zeit finan­zieren konnten. Von persön­lichen Tragödien (Famili­en­trennung, Rückkehr zum Job, Krank­heiten und vieles mehr) gar nicht zu reden.

Als die israe­lische Regierung begriff, dass man da mal wieder unnöti­ger­weise ein Problem kreiert hatte, entschied man sich für neue Richt­linien und Regelungen. Ein Komitee wurde einge­richtet, das Anträge zur Ein- und Ausreise prüfen und nach fragwür­digen Kriterien geneh­migen sollte. Man führte „Rückfüh­rungs­flüge“ ein. So gibt es eine Maschine nach Frankfurt und zurück, über die Israelis in Europa heim können – wenn ihnen das Komitee grünes Licht gibt. Und wenn diese Israelis eine Lösung finden, wie sie nach Frankfurt kommen. Denn sie können ja nicht normal in Deutschland einreisen, sie müssten ja zunächst in Quarantäne. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig als von wo auch immer per Flugzeug einzu­reisen und im Transit zu verweilen. Und so sah man Bilder von Israelis, die ein, zwei Tage auf dem Flughafen Frankfurt verbringen und übernachten mussten, bis sie endlich ihren Flug hatten. Egal wie unangenehm diese Situation sein mag, dieje­nigen, die überhaupt nach Hause kamen, konnten sich privi­le­giert schätzen. Denn Tausende Israelis hatten weiterhin keine Chance auf einen Rückflug. Es hieß zwar stets, dass man in ein, zwei Wochen den Flughafen wieder aufmachen würde, doch dann wurde jeweils die Verlän­gerung der Schließung beschlossen, eine Salami­taktik, die die Regierung auch in vielen anderen Bereichen anwendet.

Elektro­nische Fußfesseln und Quarantäne-Hotels

Wie unnötig sich die israe­lische Regierung Probleme aufhalst, konnte man am Beispiel USA sehen. Für die „Rückfüh­rungs­flüge“ aus den USA war zunächst allein die israe­lische EL AL zuständig. Doch dann protes­tierten ameri­ka­nische Airlines, dass sie solche Flüge nicht auch durch­führen durften, das wider­spräche bestimmten Flugab­kommen, die es zwischen den USA und Israel gibt. Selbst Präsident Biden mischte sich ein – und schon machte Jerusalem einen Rückzug und gab den Ameri­kanern die Erlaubnis in Tel Aviv landen zu dürfen.

Das Chaos und Durch­ein­ander geht aber noch weiter. Das Land war nicht in der Lage, die Ankunft und die Quarantäne- und Testpläne vernünftig zu gestalten. Mehrmals in der Vergan­genheit hatte die Regierung verfügt, dass Einrei­sende in staatlich geführte Quarantäne-Hotels müssen, dann wurde das wieder geändert, die Menschen durften doch nach Hause gehen, dann doch wieder Hotels und so ging das nonstop hin und her. Jetzt, mit der Schließung des Flughafens und den allmählich doch eintru­delnden Israelis, wurde wieder die Hotel-Regelung einge­führt. Mit etlichen Ausnahmen, so dass nur ein kleiner Teil der Ankömm­linge tatsächlich ihre Quarantäne im Hotel und nicht daheim absitzen mussten. Inzwi­schen hat die Regierung ein neues Tool gefunden, das sich derzeit in einer Testphase befindet: elektro­nische Fußfesseln, so dass man zwar nach Hause darf, aber überwacht wird, ob man die Quarantäne auch wirklich einhält. Ob daraus eine konstante Regelung wird, weiß kein Mensch, mögli­cher­weise wird das Ganze gerichtlich kassiert, falls sich heraus­stellt, dass es nicht rechtens ist. Aber das wäre typisch für Entschei­dungs­findung der Regierung: erst hekti­scher Aktio­nismus, dann ungeord­neter Rückzug...

Manche sind kurz vor der Wahl gleiche als andere

Der eigent­liche Skandal brach dann vor einigen Tagen aus. Ein israe­li­scher Fernseh­sender zeigte, dass das oben erwähnte Komitee überwiegend ultra­or­tho­doxen Israelis die Geneh­migung zur Einreise erteilt hatte. Damit schien der israe­li­schen Öffent­lichkeit schlag­artig klar zu werden, was tatsächlich am „geschlos­senen“ Flughafen abläuft: kommen dürfen Israelis, die dem Pro-Netanyahu Lager zugerechnet werden können. Denn am 23. März wird in Israel mal wieder gewählt, die ortho­doxen Parteien stehen fest zum israe­li­schen Premier Benjamin Netanjahu. Man braucht jede Wähler­stimme! Die poten­tiell „Linken“ läßt man draußen. Der Bericht entfachte soviel Empörung, dass sich die Regierung nun zum schnellen Handeln gezwungen sah. Seit Anfang März ist der Flughafen wieder offen, es können jetzt alle wieder bis zur Wahl zurück­kommen, wenngleich eine Quote festgelegt wurde, wie viele pro Tag maximal einreisen dürfen. Plötzlich war man auch in der Lage halbwegs vernünftige Quarantäne- und Testre­gu­larien festzu­legen und Geimpfte davon auszunehmen.

Chag Pessach Sameach!

Wie es weitergeht? Das weiß im Augen­blick kein Mensch. Sicher ist: zum jüdischen Pessachfest, das am 27. März beginnt, wird der Flughafen sicherlich wieder für sieben Tage geschlossen. Und ob danach alles wieder normal weitergeht oder ob die Regierung die eigene Bevöl­kerung in ihren bürger­lichen Freiheiten weiter willkürlich einschränken wird, bleibt abzuwarten. Doch es ist großartig, dass es das Virus gibt. Damit lässt sich mutwillige oder dümmliche Fehlplanung bestens entschuldigen.

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