Der Klima­wandel und die fossile Großmacht Russland

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Die Indus­trie­stadt Magni­to­gorsk im südlichen Ural, Shut­ter­stock Nr 1843492429 /​​ Serkant Hekimci

Russland ist heute ein fossiles Energie­im­perium. Öl, Gas und Kohle bilden das Fundament der russi­schen Ökonomie und machen den Löwen­anteil der Exporte aus. Macht­ap­pa­rat und Ener­gie­wirt­schaft sind eng ver­floch­ten. Zugleich ist die Ener­gie­po­li­tik ein Instru­ment rus­si­scher Groß­macht­po­li­tik; sie wird gezielt ein­ge­setzt, um Ein­fluss zu gewin­nen. Dazu zählt die Vergabe lukra­tiver Posten an europäische Ex-Politiker, der Aufbau ökono­mi­scher Netzwerke, die Finan­zierung kreml­freund­licher Institute im Westen und die klassische Energie-Geopo­litik wie im Fall von Nord Stream 2.

Das CO2-intensive Geschäfts­modell gerät zuneh­mend in Kon­flikt mit dem Pariser Klima­schutz­ab­kommen und den neuen, ambitio­nierten Klima­zielen der EU. Zugleich blo­ckiert es die über­fäl­lige Moder­ni­sie­rung und Diver­si­fi­zie­rung der rus­si­schen Wirt­schaft. Schon die letzten 10 Jahre waren im Hin­blick auf Refor­men und Wachs­tum ein ver­lo­re­nes Jahr­zehnt. Mit einer Fort­schrei­bung der fos­si­len Ren­ten­öko­no­mie droht Russ­land den Anschluss an die post­fos­sile Öko­no­mie des 21. Jahr­hun­derts zu verlieren. 

Portrait von Ralf Fücks

Ralf Fücks ist geschäfts­füh­render Gesell­schafter des Zentrums Liberale Moderne.

Umge­kehrt könnte eine schritt­weise Redu­zie­rung der Abhän­gig­keit von fos­si­len Ener­gie­trä­gern einen Moder­ni­sie­rungs­schub aus­lö­sen. Das wäre aller­dings mehr als ein bloßer Wechsel von fos­si­len zu erneu­er­ba­ren Ener­gien. Ein kli­ma­po­li­ti­scher Kurs­wech­sel Russ­lands erfor­dert tief­grei­fende struk­tu­relle Refor­men in Staat und Wirt­schaft: Rechts­si­cher­heit für Inves­ti­tionen und Unter­neh­men, mehr Selbst­ver­ant­wor­tung für Kom­mu­nen und Regio­nen, das Auf­bre­chen mono­po­lis­ti­scher Struk­tu­ren, unab­hän­gige Medien und eine starke Zivil­ge­sell­schaft als Gegen­ge­wicht zur Kohlenstoff-Fraktion.

Ein solcher Wechsel wird ver­mut­lich erst dann ein­tre­ten, wenn es zu neuen Alli­an­zen zwi­schen Refor­mern inner­halb des Systems und der demo­kra­ti­schen Oppo­si­tion kommt. Eine ökolo­gische Moder­ni­sierung Russlands könnte ein gemein­sa­mer Nenner für eine solche Allianz werden.

Russ­land als Kohlenstoff-Imperium

Der Anteil der Ener­gie­wirt­schaft an der Wirt­schafts­leis­tung Russ­lands liegt aktuell bei rund 20 Prozent.[1] Im Jahr 2014 waren es noch 29 Prozent. Die Differenz geht auf sinkende Weltmarkt­preise für Öl und Gas zurück. Inves­ti­tionen im fossilen Brenn­stoff­sektor machen mehr als ein Viertel der inlän­di­schen Gesamt­in­ves­ti­tionen aus. Bei den Expor­ten ist der Anteil fos­si­ler Ener­gie­trä­ger deut­lich höher. Er beträgt rund zwei Drittel der gesam­ten Export­erlöse. Nimmt man Kohle, Öl und Erdgas zusammen, ist Russland mit Abstand der größte Exporteur fossiler Energie­träger. Es heizt damit buchstäblich den globalen Klima­wandel an.

Dabei liegen die Erlöse aus dem Ölge­schäft etwa vier Mal höher als die Gas­ex­porte. 2019 expor­tierte Russ­land für 181 Mrd. Dollar Erdöl und Mineral­öl­pro­dukte, die Ein­nah­men aus dem Export von Erdgas (inklu­sive LNG) belie­fen sich auf 41,6 Mil­li­ar­den Dollar. Der Beitrag des Ener­gie­sek­tors zum rus­si­schen Staats­haus­halt (Steuern, Abgaben) beträgt rund ein Drittel. Er schwankt mit dem Ölpreis.

Bei der Strom­erzeu­gung domi­niert Erdgas mit rund 50 Prozent, gefolgt von Kern­ener­gie (18,6 Prozent), Was­ser­kraft (16,8 Prozent) und Kohle (14 Prozent). Öl spielt im Strom­sek­tor nur eine mar­gi­nale Rolle, deckt aber etwa 22 Prozent des Pri­mär­ener­gie­be­darfs (Zahlen für 2017) und ist von überra­gender Bedeutung für den russi­schen Export.

Erdöl

Mit einer För­der­menge von 563 Mil­lio­nen Tonnen Öl lag Russ­land im Jahr 2018 auf Platz drei in der glo­ba­len Rang­liste – deut­lich hinter den USA und knapp hinter Saudi-Arabien. Beim Ex­port lag das Land im Jahr 2017 mit 256 Mil­lio­nen Tonnen auf Rang 2 hinter Saudi-Arabien. Da die bis­he­ri­gen Haupt-För­der­­ge­­biete für Öl und Gas in West­si­bi­rien den Höhe­punkt ihrer Kapa­zi­tät über­schrit­ten haben, werden neue Vor­kom­men in kli­ma­tisch und geo­lo­gisch pro­ble­ma­ti­schen Regio­nen erschlos­sen (Halb­in­sel Yamal, Ost­si­bi­rien, Barents-See, Sachalin).

Erdgas

Bei der För­de­rung von Erdgas lag Russ­land im Jahr 2017 mit 635 Mil­li­ar­den Kubik­me­tern hinter den USA auf Platz zwei; bei den Gas­ex­por­ten ist Russ­land die unan­ge­foch­tene Nr. eins mit rund 20 Prozent am Welt­markt. Europa ist mit rund 200 Mil­li­ar­den Kubik­me­tern mit Abstand der wich­tigste Export­markt. Der rus­si­sche Anteil an den Gas­im­por­ten der EU lag im 1. Halb­jahr 2018 bei 40,6 Prozent (Nor­we­gen 38,8 Prozent). Mit China wurden jähr­li­che Lie­fe­run­gen von 38 Mil­li­ar­den Kubik­me­tern ver­ein­bart, eine neue Pipe­line ging 2019 in Betrieb.

Inzwi­schen ist Russ­land auch in das Flüs­­si­g­gas-Geschäft (LNG) ein­ge­stie­gen. Die größte Anlage befin­det sich auf der Jamal-Halb­in­sel in Nord­si­bi­rien. Sie ist v.a. für den Export nach Asien vor­ge­se­hen, belie­fert aber auch den euro­päi­schen Markt. Auch die Erdgas-Liefe­rungen für Nord Stream 2 sollen aus den ökolo­gisch besonders sensiblen neuen Förder­ge­bieten im arkti­schen Norden kommen. Schon deshalb ist es frivol, von „umwelt­freund­lichem Erdgas“ zu sprechen. Dazu kommt die Freisetzung von Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas auf dem langen Weg nach Europa. Auf einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet weist Methan die 86-fache Klima­wirkung von Kohlen­dioxid auf.

Kohle

Russ­land gehört mit einer För­de­rung von rd. 440 Mil­lio­nen Tonnen (Braun­kohle und Stein­kohle) zu den weltgrößten Kohle­pro­du­zenten. Davon geht etwa die Hälfte in den Export (vor­nehm­lich Asien und Europa). Bei den Kohle-Expor­t­län­dern liegt Russ­land auf Rang drei. Deutsch­land ist bisher der wich­tigste Absatz­markt in Europa. Die Inves­ti­tio­nen in den Koh­le­sek­tor stiegen in den letzten 10 Jahren um 150 Prozent. Die offi­zi­el­len Pläne der Regie­rung sehen eine noch­ma­lige Stei­ge­rung der För­de­rung auf 670 Mil­li­onen Tonnen (!) bis zum Jahr 2035 vor, Kli­ma­wan­del hin oder her. Der Anteil am Kohle-Welt­­markt soll von heute neun auf zwanzig Prozent steigen.

Der größte Teil der rus­si­schen Kohle wird mitt­ler­weile im Tagebau unter unzu­rei­chen­den Vor­keh­run­gen für den Umwelt- und Gesund­heits­schutz geför­dert. Zum Teil beträgt der Abstand zu Wohn­sied­lun­gen weniger als 1000 Meter. Es kommt zu groß­flä­chi­gen Ver­we­hun­gen von Koh­le­staub. Erkran­kun­gen der Atem­wege und des Immun­sys­tems sind weit verbreitet.

Erneu­er­bare Energien

Der Anteil erneu­er­barer Energien (ohne große Was­ser­kraft­werke) am rus­si­schen Strom­mix liegt bei rund einem Prozent – trotz der großen Poten­tiale für Solar­ener­gie in den süd­li­chen Regio­nen, Wind­ener­gie an den Küsten und für den Einsatz von Bio­masse aus nach­hal­ti­ger Land- und Forst­wirt­schaft.[2] In der EU tragen erneu­erbare Energien inzwi­schen zu 40 Prozent zur Strom­erzeugung bei. Der Kontrast könnte größer kaum sein.

Man­gelnde Energieeffizienz

Die Ener­gie­in­ten­si­tät des BIP (= die Ener­gie­menge, die zur Erzeu­gung einer bestimm­ten Wert­größe benö­tigt wird) ist in Russ­land etwa dreimal so hoch wie im Durch­schnitt der EU. Dem­entspre­chend bestehen noch enorme Reser­ven bei der Ver­bes­se­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz, ins­be­son­dere im Gebäu­de­be­stand, aber auch in Ener­gie­wirt­schaft und Indus­trie. Kurz­fris­tig liegt hier das größte Poten­tial zur Redu­zie­rung von CO2-Emis­­sio­nen zu den güns­tigs­ten Kosten.

Das setzt aller­dings voraus, dass die Inlands­preise für fossile Ener­gien, ins­be­son­dere für Gas und Kohle, nicht weiter sub­ven­tio­niert werden. Es fehlt sonst jeder wirt­schaft­li­che Anreiz, in mehr Ener­gie­ef­fi­zi­enz zu inves­tie­ren. Von höheren Ener­gie­steu­ern oder der Besteue­rung von CO2-Emis­­sio­nen scheint Russ­land noch weit entfernt.

Beherr­schende Rolle des Staates

Unter der Regie Putins wurde die Rück­ver­staat­li­chung des Ener­gie­sek­tors vor­an­ge­trie­ben. Eine Schlüs­sel­rolle spielte dabei die Zer­schla­gung des pri­va­ten Yukos-Kon­zerns, dem bis dahin füh­ren­den rus­si­schen Ölun­ter­neh­men, in den Jahren 2003–2006. Inzwi­schen domi­nie­ren die Staats­kon­zerne Gazprom und Rosneft das Gas- und Ölge­schäft. Es bestehen enge per­so­nelle und finan­zi­elle Ver­flech­tun­gen zwi­schen Macht­ap­pa­rat und Ener­gie­wirt­schaft. Etwa zwei Drittel der umsatz­stärksten Öl- und Gasun­ter­nehmen sind in Staatshand. Ener­gie­po­li­tik ist Instru­ment rus­si­scher Groß­macht­po­li­tik; sie wird gezielt ein­ge­setzt, um Ein­fluss zu gewin­nen, inter­na­tio­nale Netz­werke aus­zu­bauen und unbot­mä­ßige Staaten unter Druck zu setzen. Auch die Gaspipeline Nord Stream 2 ist primär ein geopo­li­ti­sches Projekt: Sie zielt vor allem darauf, die Ukraine aus dem europäi­schen Gastransit auszu­schalten. Damit würden dem Land nicht nur Transit­ge­bühren in Milli­ar­denhöhe entzogen; die Ukraine würde zugleich verwund­barer für politi­schen und militä­ri­schen Druck des Kremls. Putin könnte den unerklärten Krieg gegen den abtrün­nigen „Bruder­staat“ eskalieren, ohne damit die Einnahmen aus dem Gasge­schäft mit Westeuropa zu gefährden.

Der Kli­ma­wan­del ist in Russland angekommen

Bis in die jüngste Zeit wurde der Klima­wandel von russi­schen Offizi­ellen und den Staats­medien eher her­un­ter­ge­spielt und als wis­sen­schaft­lich umstrit­ten dar­ge­stellt. Regie­rungsnahe Experten warnten vor „Klima­hys­terie“ und schürten die trüge­rische Hoffnung, dass Russland vom Klima­wandel sogar profi­tieren könne, etwa durch den Rohstoff­abbau in den arkti­schen Regionen oder die ganzjährige Befahr­barkeit des nördlichen Seewegs zwischen Europa und Asien im Polarmeer.

Inzwi­schen hat sich die Tonlage geändert. Dazu haben die sintflut­ar­tigen Überschwem­mungen des Jahres 2019 in der Region Irkutsk ebenso beigetragen wie die verhee­renden sibiri­schen Waldbrände des letzten Jahres und die zuneh­menden Anzeichen eines Auftauens der Perma­f­rost­böden.[3] Nahezu zwei Drittel der Landmasse Russlands sind gefroren. Werden die darin gespei­cherten Mengen an CO2 und Methan nach und nach freige­setzt, wäre das der Super-Gau für das Erdklima. Gleich­zeitig würde ein Großteil der Infra­struktur der nördlichen Regionen Russlands im Schlamm versinken. Auch die großen Städte Sibiriens, die auf Perma­f­rost­boden errichtet wurden, wären gefährdet.[4] In den süd­li­chen Regio­nen Russ­lands muss mit Dürre­pe­rioden und sin­ken­den land­wirt­schaft­li­chen Erträ­gen gerech­net werden. Stei­gende Tem­pe­ra­tu­ren und Tro­cken­heit ver­grö­ßern die Waldbrandgefahr.

Tatsächlich steigen die Tempe­ra­turen in Russland mehr als doppelt so schnell wie im globalen Durch­schnitt, besonders stark in den arkti­schen Regionen. Der Klima­wandel ist buchstäblich in Russland angekommen, auch wenn er bisher weder im Bewusstsein der breiten Mehrheit der Bevöl­kerung noch in der Politik des Kremls eine große Rolle spielt.[5]

Weiter so?

Rhe­to­risch hat Prä­si­dent Putin nach Jahren der demons­tra­ti­ven Igno­ranz inzwi­schen eine Wendung voll­zo­gen. Wenn es opportun erscheint, warnt er vor den Folgen eines ungebremsten Klima­wandels. Nach Jahren des Zögerns ist die Regierung im September 2019 dem Pariser Klima­ab­kommen beigetreten.[6] Der Kreml setzte sich damit demons­trativ vom Obstruk­ti­ons­kurs der Trump-Admi­­nis­­tra­tion ab. Bislang verfolgt die russische Führung aller­dings keine ambi­tio­nier­ten kli­ma­po­li­ti­schen Ziele. Die im April 2020 verab­schiedete „Energie­stra­tegie 2035“ geht davon aus, dass fossile Energie­träger nach wie vor einen Anteil von 92 Prozent an der Primär­energie-Erzeugung haben werden.[7] Die Regie­rungs­pläne sehen sogar noch eine Steigerung des Exports von Öl, Gas und Kohle vor. Falls die europäische Nach­frage als Folge kli­ma­po­li­ti­scher Maß­nah­men sinkt, sollen v.a. die Exporte nach Asien aus­ge­wei­tet werden. Man speku­liert darauf, einen tenden­ziell schrump­fenden Markt für fossile Energie­träger durch die Vergrö­ßerung des russi­schen Markt­an­teils zu kompensieren.

Folgt man den selbst gesetzten Zielen, besteht kein politi­scher Hand­lungs­druck. Die CO2-Emis­­sio­nen Russ­lands liegen heute etwa 26 Prozent unter dem Stand von 1990 und damit bereits in dem Ziel­kor­ri­dor von minus 30 Prozent, zu dem sich die Regie­rung für das Jahr 2030 ver­pflich­tet hat. Zudem wird immer wieder auf die Bindung von CO2 durch die großen Waldflächen ver­wie­sen. Dabei fallen die enormen Mengen an CO2 unter den Tisch, die durch die regel­mä­ßigen Waldbrände freige­setzt werden.[8]

Klima­schutz kolli­diert mit dem System Putin

Eine dras­ti­sche Redu­zie­rung der rus­si­schen Treib­haus­gas-Emis­­sio­nen erfor­dert eine Abkehr von Öl, Gas und Kohle als Rück­grat der rus­si­schen Öko­no­mie. Sie steht damit im Kon­flikt mit dem fos­si­len Geschäfts­mo­dell, das die Basis des „System Putin“ bildet. Ernst­ge­mein­ter Kli­ma­schutz läuft auf einen wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Sys­tem­wan­del hinaus. Es wäre naiv zu glauben, dass die herr­schende Macht­elite frei­wil­lig das Fun­da­ment ihrer Herr­schaft und ihres Reich­tums demon­tiert, zumal Öl und Gas neben dem Militär auch inter­na­tio­nal das wich­tigste Macht­in­stru­ment des Regimes bildet.

Folge­richtig wird eine ambi­tio­nier­te Kli­ma­po­li­tik der EU von den Macht­eli­ten als Angriff auf das rus­si­sche Geschäfts­mo­dell betrach­tet. Vor allem die ange­kün­digte Ein­füh­rung von CO2-Grenz­ab­ga­ben durch die EU erregt die Gemüter. Sie werden von rus­si­schen Offi­zi­el­len als Attacke gegen die rus­si­sche Export­wirt­schaft gewertet.[9]

Für Russland wie für die EU stellt sich die Frage, was an die Stelle der bishe­rigen fossilen Energie­ex­porte treten kann, um die russi­schen Importe zu finan­zieren. Gazprom speku­liert auf den Export von Was­ser­stoff auf Erd­gas­ba­sis, bei dem das frei­wer­dende CO2 auf­ge­fan­gen und unter­ir­disch gela­gert wird. Ent­spre­chende Koope­ra­ti­ons­pro­jekte mit euro­päi­schen Part­nern werden bereits vor­be­rei­tet. Ein anspruchs­vol­le­res Ver­fah­ren ist die Methan-Pyro­lyse, bei der Koh­len­stoff in fester Form ent­steht, der wei­ter­ver­ar­bei­tet werden kann. Ohne strikte Nach­hal­­ti­g­keits-Kri­te­rien und ein ent­spre­chen­des Moni­to­ring (insbe­sondere mit Blick auf Methan­emis­sionen und den Schutz ökolo­gisch sensibler Regionen) wäre „klima­freund­licher Was­ser­stoff“ aus Erdgas nur ein Etikettenschwindel.

Es bleibt frag­lich, wieweit die gegen­wär­tige rus­si­sche Führung bereit und in der Lage ist, einen öko­lo­gi­schen Kurs­wech­sel ein­zu­lei­ten, der das bis­he­rige System infrage stellt. Dagegen sehen reform­ori­en­tierte Kräfte Russ­lands in Kli­ma­po­li­tik und öko­lo­gi­scher Moder­ni­sie­rung eines der wenigen Felder, auf denen eine kon­struk­tive Zusam­men­ar­beit trotz fort­be­stehen­der poli­ti­scher Span­nun­gen möglich scheint. Eine öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­tion Russlands könnte der Motor für überfällige ökono­mische und politische Reformen werden.

Rolle der Zivilgesellschaft

Eine öko­lo­gi­sche Moder­ni­sie­rung Russ­lands wird nicht allein „top down“ erfol­gen. Sie erfordert eine kri­ti­sche Öffent­lich­keit, poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­tion und unabhängige Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die Druck auf Regierung und Konzerne entfalten können. Aller­dings werden der rus­si­schen Zivil­ge­sell­schaft durch die repres­sive Gesetz­ge­bung und die Ein­engung legaler Spiel­räume für NGO’s enge Schranken gesetzt. Auch dies ist ein Thema, das im Rahmen eines EU-Russ­land-Kli­ma­­dia­logs auf­ge­grif­fen werden muss.

Umwelt­pro­teste in Russ­land sind bislang kom­mu­nal oder regio­nal, sie zielen auf kon­krete Pro­bleme wie Müll­de­po­nien und Luft­ver­schmut­zung. Eine offene Aus­ein­an­der­set­zung mit der Politik des Kremls wird ver­mie­den. Zugleich tragen die lokalen Initia­ti­ven zur Auf­klä­rung der Gesell­schaft bei und stärken das zivile Selbst­be­wusst­sein. Neben modernen russi­schen Unter­nehmen ist die Zivil­ge­sell­schaft ein poten­zi­el­ler Treiber einer öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­tion des Landes. Sie gilt es zu unterstützen.

 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Zeitschrift „Inter­na­tionale Politik“, Ausgabe 2/​2021.

 

[1] Zur wirtschaft­lichen Bedeutung des fossilen Energie­sektors für Russland siehe die gleich­namige Studie von „Berlin Economics“ im Auftrag des Zentrums Liberale Moderne.

[2] https://www.laenderdaten.info/Europa/Russland/energiehaushalt.php

[3] https://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/permafrost-sibirien-taut-100.html

[4] https://www.deutschlandfunk.de/die-moeglichen-folgen-einer-klimaerwaermung-am-beispiel-von.697.de.html?dram:article_id=72458

[5] Siehe https://www.dw.com/de/kommentar-leiden-und-leugnen-die-russen-und-der-klimawandel/a‑49490152

[6] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/putin-und-greta-warum-russland-den-klimawandel-nun-als-risiko-erkennt-16416969.html

[7] https://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/308763/analyse-russlands-energiestrategie-bis-zum-jahr-2035-business-as-usual

[8] Zu den verhee­renden Waldbränden im Sommer 2020 siehe https://www.dekoder.org/de/article/sibirien-waldbraende-behoerden-katastrophe

[9] https://www.euractiv.com/section/economy-jobs/news/moscow-cries-foul-over-eus-planned-carbon-border-tax/

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