„Ein großes Geschenk an China“

Chine­sische Medien präsen­tieren den umstrit­tenen Cosco-Deal am Hamburger Hafen und den Besuch des Kanzlers als Zeichen einer verän­derten Haltung Europas – ein Propa­gan­da­gewinn für China, analy­siert Christina zur Nedden.

Das Gesicht von Olaf Scholz ist derzeit überall in den chine­si­schen Staats­medien zu sehen. Sein Besuch in Peking am Freitag wird freudig erwartet, genauso wie das „große Geschenk an China“, das er mitbringt. Damit ist der umstrittene Cosco-Deal am Hamburger Hafen gemeint. Der deutsche Bundes­kanzler gilt, genauso wie schon Angela Merkel, als „guter Freund“ Chinas. Er soll, wenn es nach Peking geht, auch das zerrüttete Verhältnis zwischen China und der EU kitten.

In den chine­si­schen Staats­medien wird durchweg positiv über den anste­henden Besuch von Kanzler Scholz berichtet. Neben Staats­chefs aus Vietnam, Tansania und Pakistan ist Scholz einer der ersten hochran­gigen Gäste Xis nach fast drei Jahren chine­si­scher COVID-Abrie­gelung. Während die Ampel-Koalition in Deutschland den Besuch kritisch sieht, ist er für China ein riesiger Propa­ganda-Gewinn, der zu keinem besseren Zeitpunkt kommen könnte.

„Scholz blockiert hartnäckig das Veto. Chine­sische Firma beteiligt sich am Hamburger Hafen“, ist ein Bericht über Olaf Scholz und den erfolg­reichen Deal um den Hamburger Hafen auf dem chine­si­schen Online-Video-Kanal „HNR“ betitelt. Darin wird ausführlich über das Geschäft berichtet und auch über den vorher­ge­henden politi­schen Wider­stand diesbe­züglich. Der grüne Wirtschafts­mi­nister Deutsch­lands verbreite „Gerüchte“. Es sei nicht ratsam sich von China „abkoppeln“ zu wollen. Auch die Betei­li­gungen Chinas an europäi­schen Häfen, wie Piräus in Griechenland und dem Rotter­damer Hafen werden besprochen. Am Ende heißt es in Bezug auf den Cosco-Deal selbst­sicher: „Dies ist kein großes Geschenk Deutsch­lands an China, sondern Chinas an Deutschland“.

Der Besuch des Bundes­kanzlers und seiner Wirtschafts­de­le­gation könnte in China zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. Nachdem Xi Jinping am 22. Oktober in seiner dritten histo­ri­schen Amtszeit bestätigt wurde, leitet er diese mit einer Reihe hoher Besuche ein. Zuerst reiste am Montag der vietna­me­sische Staatschef, Nguyen Phu Trong, nach Peking. Sein Land gilt trotz einiger terri­to­rialer Dispute als verläss­licher, kommu­nis­ti­scher Partner der Volks­re­publik. Von Dienstag bis Donnerstag ist die Präsi­dentin von Tansania, Samia Suluhu Hassan, in Peking. Dabei soll auch über den großen Hafen in ihrem Land gesprochen werden, dessen Bau China mit 10 Millionen Dollar finan­ziert. Am Mittwoch wird der pakista­nische Premier Shehbaz Sharif in China erwartet. Pakistan gilt als treuer Partner Chinas und empfängt chine­sische Entwick­lungs­hilfe und Darlehen, die es derzeit jedoch nicht zurück­zahlen kann. Vietnam, Pakistan und Tansania sind Chinas Partner in der „Belt and Road Initiative“, die weltweit in Infra­struk­tur­pro­jekte inves­tiert. Am Freitag schließlich folgt Bundes­kanzler Scholz als erster G‑7-Staatschef der Einladung Xis. Dass er kurz zuvor gegen alle internen Wider­stände den Hamburger-Hafen-Deal genehmigt hat, wird als großer Gewinn und als „Geschenk“ an China gesehen.

In den chine­si­schen Medien wird auch die Hoffnung geäußert, Scholz könne durch seinen Besuch die Bezie­hungen zwischen der EU und China stabi­li­sieren. China sei Deutsch­lands wichtigster Handels­partner, das größte Land der EU und hätte dementspre­chenden Einfluss. Scholz‘ Reise wird „als große Verän­derung der europäi­schen Haltung gegenüber China gesehen“ heißt es in einem Fernseh­be­richt. „In der Merkel-Ära spielten die chine­sisch-deutschen Bezie­hungen auch eine große Rolle in den Bezie­hungen zwischen China und der EU“ wird ein Experte in der Staats­zeitung „Global Times“ zitiert. „Wenn beide Seiten ihre Bezie­hungen stabi­li­sieren und weiter verbessern können, wird dies nicht nur Europa, sondern auch den USA als gutes Beispiel dienen“. Die diplo­ma­ti­schen Besuche würden „verdeut­lichen, dass immer mehr Länder die zukünftige Entwicklung Chinas positiv sehen und die Außen­po­litik des Landes begrüßen“, schreibt die Global Times weiter. Dies stünde in „scharfem Kontrast zur US-geführten westlichen Hegemonie“.

China hat sich seit Beginn der Pandemie immer mehr vom Westen isoliert. Der Handels­streit mit den USA zieht Produk­tionen aus dem Land, Frank­reich ist schon länger auf Konfron­ta­ti­onskurs, in England und Italien sind die Regie­rungen zu neu, um sie als Partner oder Gegner einzu­ordnen. Dass Deutschland weiterhin als starker Wirtschafts­partner gilt, verleiht der Regierung Xis Glaub­wür­digkeit, auch weil die chine­sische Wirtschaft leidet. Die strengen COVID-Maßnahmen, die immer noch nicht abgeschafft wurden, lassen Fabriken still­stehen. Der Immobi­li­en­markt erlebt eine Krise, die Jugend­ar­beits­lo­sigkeit steigt. Dabei verspricht Xi seinen Lands­leuten „common prosperity“, eine starke Wirtschaft, die den Wohlstand gleich­mäßig verteilt.

Wenn Scholz am Freitag in Peking ist, wird Xi ihn auch nach dem Inhalt China-Strategie der Ampel-Koalition fragen, die aller­dings erst nächstes Jahr fertig werden soll. Peking weiß, dass es in Deutschland viele China-kritische Stimmen gibt. So kündigt auch Scholz an, er wolle während des Kurztrips, der keine Übernachtung beinhaltet, über Menschen­rechte, Klima­wandel, Spannung in Ostasien und den Ukraine-Krieg sprechen – alles Themen, die für Peking eher unangenehm sind. Wenn Scholz es gelingen würde, China im Ukraine-Krieg weg von Russland und auf die Seite des Westens zu ziehen oder für den Kampf gegen den Klima­wandel zu gewinnen, wäre das gut für die ganze Welt. China hat es jedoch nicht nötig seine politi­schen Positionen zu ändern, wenn die Wirtschafts­be­zie­hungen florieren. Eine „Entkopplung“ der deutschen Wirtschaft von China hätte schwer­wie­gende Folgen für die deutsche Volks­wirt­schaft. Allein Volks­wagen macht 40 Prozent seines Umsatzes in China, BASF eröffnete im September ein milli­ar­den­schweres Werk in Südchina.

Der Chef des Chemie­kon­zerns, Martin Bruder­müller, beklagte zuletzt das „China-Bashing“. Er wolle in China weiter wachsen und weiter inves­tieren. „Wandel durch Handel“ ist in einem stark autori­tären China jedoch längst vorbei.

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