Im Schatten von Carl Schmitt: Putins und Trumps Ideen zur Aufteilung Europas

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Über die Köpfe der Europäer hinweg versuchen Trump und Putin derzeit nicht nur die Ukraine, sondern auch die Vorherr­schaft über den „Großraum Europa“ unter sich aufzu­teilen. Deutschland muss an der Seite Frank­reichs und Polens zukünftig eine promi­nente Rolle spielen, auch militä­risch, fordert der ehemalige Diplomat Johannes Regen­brecht. Er analy­siert die Denktra­di­tionen, die Trump und Putin leiten und die es zu verstehen gilt, um ihrem Plan entschieden entgegenzutreten.

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1. Was verbindet Carl Schmitt, Wladimir Putin und Donald Trump?

Zwei Großmächte, die USA und Russland, verhandeln in Riad über die Zukunft der Ukraine. Die Ukraine sitzt nicht mit am Tisch. Europa bleibt außen vor. Erleben wir eine Rückkehr der Politik der großen Mächte wie im 19. Jahrhundert? Einschlä­giger als die Kabinetts­po­litik der Fürsten Europas erscheint ein Vergleich mit den alliierten drei Sieger­mächten Russland, USA und Großbri­tannien, die im Februar 1945 in Jalta Einfluss- und Inter­es­sens­sphären vonein­ander abgrenzten.[1] Aller­dings mit dem Unter­schied, dass es gegen­wärtig (noch) keine „Sieger­macht“ gibt – angesichts von Hundert­tau­senden Toten und Verletzten, verwüs­teten Städten und Landschaften, einer demolierten Sicher­heits­ordnung in Europa und der Tatsache, dass Putin trotz seiner gigan­ti­schen Militär­ma­schine bisher keines seiner Kriegs­ziele erreicht hat. Aller­dings ist das Vorgehen von Präsident Trump dazu geeignet, Putin auf das Sieges­podest zu heben.

Wichtiger ideolo­gi­scher Impuls­geber und Wegbe­reiter für Putins geopo­li­ti­sches Denken in Großräumen und Einfluss­sphären ist der deutsche Staats­rechts­lehrer und völker­recht­liche Apologet des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­lands, Carl Schmitt (1888–1985).

„Der liberale Freiheits­ge­danke der westlichen Demokratie ist heute geschichtlich überholt.“ (Carl Schmitt 1939)[2]

Schmitt gilt als reaktio­närer Lehrmeister für Autokraten, aber auch als origi­neller staats­phi­lo­so­phi­scher Denker und Kultur­kri­tiker.[3] Im Zuge einer „Schmitt-Renais­sance“ angesichts weltweit gestei­gerter Empfäng­lichkeit für konser­va­tives Denken und des Erstarkens rechts­po­pu­lis­ti­scher Bewegungen wird er vor allem in Russland[4], aber auch in den USA[5] intensiv rezipiert. Rheto­rische Versatz­stücke und Denkmuster lassen sich bei Putin wie Trump auf Schmitt zurückführen.

„… die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht.“ (Carl Schmitt 1922)[6]

„Judges aren’t allowed to control the executive’s legitimate power.” (JD Vance)[7]

Die Ähnlich­keiten sind frappierend, verblüffen aber schon deswegen nicht, weil sich die Thesen Schmitts aufgrund ihrer polemi­schen Zuspitzung bestens für populis­tische Narrative eignen.[8]

„…die ‚Herrschaft des Rechts‘ … bedeutet nichts anderes als die Legiti­mierung eines bestimmten status quo…“ (Carl Schmitt 1932)[9]

“He who saves his Country does not violate any Law.” (Donald Trump über Elon Musk)[10]

Im Wesent­lichen sind es fünf Kernthesen aus dem Œuvre Schmitts, die sich bei Trump wie Putin widerspiegeln:

  • Der Gegensatz von Freund und Feind als Wesenskern des Politischen.
  • „Souverän ist, wer über den Ausnah­me­zu­stand entscheidet“[11]: Der Ausnah­me­zu­stand ist die Stern­stunde für disruptive Regel­brecher und Protago­nisten einer „Revolution von oben“, in den USA Trump mit den Verfechtern der „unitary executive theory“, in Russland Putin und die Archi­tekten seiner Diktatur.
  • Antili­be­rales, gegen Multi­la­te­ra­lismus und eine regel­ba­sierte inter­na­tionale Ordnung, die als „Tyrannei der Werte“[12]diffa­miert wird, gerich­tetes Denken.
  • Definition von geopo­li­ti­schen „Großräumen“ anstelle einer univer­sellen, völker­recht­lichen Ordnung mit Etablierung strate­gi­schen Gleich­ge­wichts von wenigen Großmächten, welche die Welt unter sich aufteilen, laut Schmitt eine „völker­recht­liche Großraum­ordnung mit Inter­ven­ti­ons­verbot für raumfremde Mächte“[13]. Den Grund­ge­danken dürften Trump und Putin teilen, weichen aber in der Auslegung vonein­ander ab. Natur­gemäß rückt Putin das Konzept einer „multi­po­laren“ Welt mit Russland als Großmacht in den Vorder­grund[14]. Trump umgeht mit seinen Ansprüchen auf Gaza und Grönland die reine Schmitt’sche Lehre vom „Inter­ven­ti­ons­verbot für raumfremde Mächte“[15].
  • wenige Großmächte (Schmitt: „Reiche“, Putin „Zivili­sa­tionen“) als Kern der von ihnen dominierten Großräume. Sie sind die einzig relevanten Völker­rechts­sub­jekte mit exklu­sivem Recht auf Freund-Feind-Definition und Bestimmung von Krieg und Frieden, Kontrolle außen- und sicher­heits­po­li­ti­scher Bündnisse der Staaten in ihrem Macht­be­reich, und Träger einer die eigene geopo­li­tische Hemisphäre durch­wir­kenden politi­schen Idee.[16]

Bei Putin ist eine Vielzahl von Äußerungen und Handlungen über den langen Zeitraum seit Macht­über­nahme vor einem Viertel­jahr­hundert nachweisbar, die Schmitts Thesen aufgreifen, aller­dings situativ und kontext­be­zogen sind und auch auf eine Fülle weiterer Quellen und Vorbilder rekur­rieren.[17] Bei Trump ist anders als bei Putin „keine wirklich zusam­men­hän­gende geopo­li­tische Strategie“ erkennbar. Er ist noch im „Disrup­ti­ons­modus“ ohne syste­ma­tische Agenda[18]. Wahr ist aber auch: Trump ist in der frühen Phase seiner zweiten Amtszeit als Präsident „vorbe­reitet, aggressiv, strate­gisch“, er will eine „brachiale Revision der inneren Verfassung Amerikas, seiner Feind- und Freund­schaften“.[19] Gerade, wenn Disruption den Modus und perma­nente Polari­sierung das Skript für Trumps tägliches Handeln bilden, kommen Schmitts „Ausnah­me­zu­stand“ und sein Freund-Feind-Gegensatz als Wesenskern des Politi­schen als Erklä­rungs­muster wie gerufen.

Es lohnt sich daher, mögliche Schnitt­mengen, aber auch Unter­schiede in der außen­po­li­ti­schen Konzeption Putins und Trumps mit Hilfe der Begriff­lichkeit Schmitts mit Blick auf eine Waffen­still­stands­re­gelung für die Ukraine zu disku­tieren. Inwiefern reflek­tieren Putins Kriegs­ziele und sein im Dezember 2021 vorge­legtes Konzept zur „Neuordnung Europas“[20] die Ideen Schmitts? Welche Elemente sind mit Blick auf Abgrenzung und Gestaltung des russi­schen „Großraums“ für ihn verhan­delbar, welche nicht? Wie verhalten sich die Vorstel­lungen Trumps dazu? Hilft ein Blick durch das Prisma der „Großraum­theorie“, die Abwendung Trumps vom zunächst anvisierten „Peace through Strength“-Ansatz[21]und sein skanda­löses Einschwenken auf Putins Position noch vor Verhand­lungs­beginn zu erklären?

2. Russland und die „Großraum­ordnung“

Am 1. April 1939 hielt Schmitt einen Vortrag in Kiel, veröf­fent­licht unter dem sperrigen Titel „Völker­recht­liche Großraum­ordnung mit Inter­ven­ti­ons­verbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichs­be­griff im Völker­recht“. Anlass war das 25jährigen Bestehen des Instituts für Politik und Inter­na­tio­nales Recht an der dortigen Univer­sität. Wenige Tage vor der Rede, am 15. März, war die Wehrmacht unter Bruch des erst wenige Monate zuvor, am 29.9. 1938, geschlos­senen Münchener Abkommens[22] in die Tsche­cho­slo­wakei einmar­schiert. NSDAP-Mitglied und Antisemit Schmitt nutzte den Anlass, um in Kiel für das von Hitler als Vorwand für die völker­rechts­widrige Besetzung unabhän­giger Staaten erfundene deutsche „Schutz­recht für die deutschen Volks­gruppen fremder Staats­an­ge­hö­rigkeit“[23] zu werben. Die von Hitler so genannte „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ legte die Appeasement-Politik Großbri­tan­niens und Frank­reichs in Trümmer und begrub die europäische Nachkriegs­ordnung seit 1918/​19 endgültig. Die Einver­leibung des Nachbar­lands im Südosten war letzte militä­rische Wegmarke vor dem Erobe­rungs- und Vernich­tungs­feldzug Nazi-Deutsch­lands, der mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann.

Kurz zuvor, am 24. August 1939, hatten Deutschland und die Sowjet­union einen Nicht­an­griffs­vertrag geschlossen. Zur Erinnerung: Im geheimen Zusatz­pro­tokoll zum Hitler-Stalin-Pakt hatten beide Dikta­toren die Aufteilung Polens, des Baltikums und Bessa­ra­biens in deutsche und sowje­tische Inter­es­sens­sphären für den Fall „terri­torial-politi­scher Umgestal­tungen“ vereinbart. Heute leugnet Russland, anders als früher die Sowjet­union, die Verein­barung mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutschland mit dem Ziel völker­rechts­wid­riger Zerstü­ckelung und Aufteilung souve­räner Staaten nicht mehr. Putin recht­fertigt sie aber als Akt legitimen Schutzes einer „umzin­gelten“ Sowjet­union, gibt Polen Mitschuld am Zweiten Weltkrieg und versteigt sich sogar zu der Behauptung, die balti­schen Staaten seien im Herbst 1939 freiwillig der Sowjet­union beigetreten.[24]

Von dieser Geschichts­klit­terung am 75. Jahrestag des Siegs im „Großen Vater­län­di­schen Krieg“ im Jahr 2020 führt eine gerade Linie zu Putins Aufsatz „Über die histo­rische Einheit der Russen und Ukrainer 2021“[25], worin er der Ukraine eine eigen­ständige histo­risch-kultu­relle Identität abspricht und sie auf eine Funktion Russlands reduziert, bis hin zur TV-Ansprache des russi­schen Präsi­denten an Tag 1 des russi­schen Großan­griffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Darin beschuldigt er den Westen des aggres­siven und einsei­tigen Vorgehens gegen Russland vor allem auch mittels Osterwei­terung der NATO (trotz des Verspre­chens, die Allianz „nicht um einen Zoll“ nach Osten zu verschieben) und wirft ihm vor, in der Ukraine, auf „histo­ri­schem Land Russlands“, ein „uns feindlich gesinntes Anti-Russland“ zu schaffen. Dazu komme der Versuch des Westens, „unsere tradi­tio­nellen Werte zu zerstören und uns seine Pseudo­werte aufzu­drängen“, die zu „Verfall und Entartung führen“. Damit stili­siert Putin den Angriffs­krieg gegen die Ukraine zu einem Akt legitimer Selbst­ver­tei­digung gegen eine Bedrohung, die „unsere Zukunft als Nation“, ja „die Existenz des Staats und seiner Souve­rä­nität“ aufs Spiel setze. Moskau habe kein Recht, seinen schweren histo­ri­schen Fehler zu wieder­holen, der darin bestanden habe, den deutschen Überfall auf die Sowjet­union am 22. Juni 1941 mit einer Politik des Appeasement abzuwarten.[26]

Hier kommt Carl Schmitt wieder ins Spiel, einer der wichtigsten intel­lek­tu­ellen Paten des Putin’schen Denkens in geopo­li­ti­schen Räumen und Inter­es­sens­sphären. Schmitts Denken beruht dabei auf drei Prämissen:

  • Die alte europäische Ordnung, basierend auf souve­ränen gleich­be­rech­tigten Staaten und regel­ba­sierter Ordnung, ist endgültig am Ende;
  • der Natio­nal­staat als alleinige Verkör­perung politi­scher Einheit und Inhaber des Monopols über politische Entscheidung hat ausgedient;
  • jede „kosmopolitisch“-universalistische Alter­native zum Natio­nal­staat („Weltre­gierung“) würde indessen nur die tatsäch­liche Macht­po­litik eines Hegemonen verschleiern.[27]

Als „neue Raumordnung“ postu­liert Schmitt eine multi­polare Welt, die von hegemo­nialen Großmächten dominiert wird. Er spricht sich gegen die Globa­li­sierung US-ameri­ka­ni­scher Ideale und Normen aus. Diese führe zum Zusam­men­bruch von Raumgrenzen und wider­spreche dem „Raumab­gren­zungs­ge­danken“.[28] Anders ausge­drückt: Die post-politische Idee einer kosmo­po­li­ti­schen global gover­nance ist für Schmitt das Gegenteil von inter­na­tio­naler Ordnung, die von zwischen Großmächten aufge­teilten und vonein­ander getrennten völker­recht­lichen Großräumen konsti­tuiert wird.[29]

Schmitts Thesen bilden den Nährboden für die seit Anfang der Nuller­jahre in Russland aufkom­mende Wahrnehmung der USA als unila­teral vorge­hende, monopo­lis­tische Großmacht mit einer heuch­le­ri­schen Fassade als Vorkämpfer für Menschen­rechte und eine regel­ba­sierte Ordnung. Seine Großraum­theorie wird mit Beginn der dritten Amtszeit Putins 2012 zum mainstream außen- und sicher­heits­po­li­ti­schen Denkens in Moskau. Wichtigster Trans­mis­si­ons­riemen für das Denken Schmitts ist Alexander Dugin, ultra­na­tio­na­lis­ti­scher politi­scher Philosoph, Chefideologe der russi­schen Neuen Rechten und Verfechter eines „eurasi­schen Imperia­lismus“. Er gilt als „Vordenker“ oder auch „Einflüs­terer“ Putins – mit hochran­gigen Verbin­dungen nach Washington bis in das enge Umfeld von Trump hinein.[30] Dugin, für den Schmitts Großraum­theorie die „zuver­läs­sigste Plattform für eine multi­polare Welt, für Antiglo­ba­lismus und den natio­nalen Befrei­ungs­kampf gegen globale ameri­ka­nische Dominanz“[31] ist, ruft zur Schaffung eines „neuen Eurasi­schen Imperiums“ auf. Begründung: Die „Existenz des russi­schen Volks als organi­sches, histo­ri­sches Wesen“ sei ohne „Aufbau eines Imperiums“ undenkbar. Jeder Versuch, Russland auf den Status einer Regio­nal­macht oder eines europäi­schen Natio­nal­staats zu reduzieren, würde Selbstmord für das russische Volk bedeuten.[32] Damit wendet Dugin für Russland das Konzept des Reichs an, das Schmitt so definiert:

„Reiche in diesem Sinne sind die führenden und tragenden Mächte, deren politische Idee in einen bestimmten Großraum ausstrahlt und die für diesen Großraum die Inter­ven­tionen fremd­räu­miger Mächte grund­sätzlich ausschließen.“ (Carl Schmitt)[33]

Die Kernbe­deutung der Monroe-Doktrin für den „Großraum Amerika“ sei

„…ein echtes Großraum­prinzip, nämlich die Verbindung von politisch erwachtem Volk, politi­scher Idee und politisch von dieser Idee beherrschten, fremde Inter­ven­tionen ausschlie­ßenden Großraum…dieser Kern, der Gedanke einer völker­recht­lichen Großraum­ordnung, ist auf andere Räume, andere geschicht­liche Situa­tionen und andere Freund-Feind-Gruppie­rungen übertragbar.“ (Carl Schmitt)[34]

Vor diesem Hinter­grund identi­fi­ziert Dugin weltweit vier Großräume bzw. „Imperien“ (in der Diktion Schmitts „Reiche“): Den atlan­ti­schen Großraum um die USA, den asiati­schen um China, den europäi­schen Raum, schließlich den eurasi­schen Raum um Russland. Die drei letzt­ge­nannten Großräume sollten expan­dieren, während sich das ameri­ka­nische „Imperium“ mit seinen Globa­li­sie­rungs­an­sprüchen zurück­ziehen solle.[35] Russland müsse in seiner eigenen Hemisphäre Kraft­zentrum sein und ein starkes Gegen­ge­wicht gegenüber den anderen Großräumen um die USA und China bilden. Der Abtei­lungs­leiter für außen­po­li­tische Planung im russi­schen Außen­mi­nis­terium, Alexej Drobinin, zieht den Kreis der Großmächte bzw. der von ihm so genannten „Zivili­sa­tionen“ weiter als Dugin, er bezieht den globalen Süden ein. Eine „Zivili­sation“ muss ihm zufolge drei Kriterien erfüllen: erstens Fähigkeit und Wille für eine souveräne und unabhängige Innen- und Außen­po­litik, zweitens umfas­sende wirtschaft­liche, militä­rische, demogra­phische, wissen­schaft­liche und techno­lo­gische Potenz, drittens eine „authen­tische Philo­sophie“ mit eigenem kultu­rellen und spiri­tu­ellen Potenzial und origi­nellem Konzept für inter­na­tionale Politik. Diese Kriterien erfüllten „civilization-states“ bzw. „civiliza­tional common­wealths“ wie Russland, China, Indien, ASEAN, die arabische Welt, Afrika, Lateinamerika/​Karibik sowie die „Western civilization“ mit ihrem anglo-ameri­ka­ni­schen bzw. europäi­schen Kompo­nenten.[36]

Im Schatten von Reichen stehende, in deren Großräumen angesie­delte Staaten definiert Schmitt als Gebilde mit einge­schränkter Souve­rä­nität und fehlender Völker­rechts­sub­jek­ti­vität sowie ohne Befugnis zu Freund-Feind-Unter­scheidung (dementspre­chend ohne Fähigkeit zur Gestaltung eigener Politik) und ohne Recht auf Beitritt zu inter­na­tio­nalen Bündnissen. Dazu passt die Behauptung Wladislaw Surkows, seinerzeit stell­ver­tre­tender Leiter der Kreml-Adminis­tration und von 2013–2020 Ukraine-Beauf­tragter Putins, Staaten wie die Ukraine seien an keinem einzigen Tag ihrer Existenz je souverän gewesen.[37]

Zusam­men­ge­fasst ist sich die russische politische Elite um Putin über folgende vier Kernele­mente einig, die Russland als Großmacht ausmachen:

  • Russland definiert sich nicht in seinen Grenzen als Natio­nal­staat, sondern bezieht seine Identität als Hegemo­ni­al­macht aus einem größeren, die eigenen Grenzen überschrei­tenden Raum;
  • Russland übt damit Macht über Staaten mit einge­schränkter Souve­rä­nität innerhalb seines Großraums aus;
  • Russland ist Protagonist einer politi­schen „Idee“, welche die Völker in seinem Großraum „eint“;
  • der russische Großraum ist exklusiv, eine militä­rische Präsenz dritter Mächte ist unzulässig.[38]

Dieser Struktur wohnt aller­dings ein innerer Wider­spruch inne, der konzep­tionell schon bei Schmitt angelegt ist.[39] Es geht um die Wirkmäch­tigkeit bzw. Reich­weite der „politi­schen Idee“, die ja Schmitt zufolge immer an ihren jewei­ligen Raum „gebunden“ bleiben und nicht universell werden darf. Der Anspruch von Univer­sa­lität etwa von Menschen­rechten sei ein Ausdruck von „Imperia­lismus“ und könne in eine globale „Tyrannei der Werte“ umschlagen, die zum Durch­brechen der Raumgrenzen und damit zum Kollaps der völker­recht­lichen Großraum­ordnung führen würde.[40]

Genau auf dieser Linie argumen­tierte Putin bei seiner denkwür­digen Rede auf der Münchener Sicher­heits­kon­ferenz am 10. Februar 2007 mit dem Vorwurf, der Westen missbrauche die OSZE, um sich unter dem Vorwand des Schutzes von Menschen­rechten in die inneren Angele­gen­heiten Russlands und anderer Länder einzu­mi­schen, „um diesen Staaten aufzu­drängen, wie sie zu leben und sich zu entwi­ckeln haben.“[41] Dieses Narrativ, oft gekoppelt an den Vorwurf der Anwendung von „Doppel­stan­dards“ (wie „selek­tiver“ Prüfung der Einhaltung von Menschen­rechten und Grund­frei­heiten nur „östlich von Wien“), zieht sich seit Langem wie ein roter Faden durch die Diskus­sionen im Ständigen Rat der OSZE in Wien oder anderen einschlä­gigen Dialog­foren mit Russland.

Gleich­zeitig setzt Russland aber die unter Putin wieder­be­lebten „russi­schen Werte“, eine Kombi­nation von christlich-tradi­tio­nellem Famili­enbild, Symbiose von Staat und russisch-ortho­doxer Kirche[42] und dem Konzept eines „starken“, autoritär geführten Staats als Bollwerk gegen regime change und „Farben­re­vo­lu­tionen“, gezielt als Instru­mente der Kritik am „Westen“ und dessen angeb­licher „morali­scher Dekadenz“ ein. Dies auch unter massivem Einsatz sozialer Medien, um westliche Gesell­schaften zu spalten, rechts­po­pu­lis­tische Bewegungen zu stärken[43] und die politi­schen Systeme im Westen zu unter­mi­nieren. Somit wider­spricht Russland sich selbst, wenn es einer­seits alles daran­setzt, „russische Werte“ auch global durch­zu­setzen, anderer­seits aber die Geltung univer­seller Werte wie Menschen­rechte und Grund­frei­heiten mit Hinweis auf die angeb­liche histo­risch-kultu­relle Sonder­stellung Russlands und seiner Inter­es­sens­sphäre infrage stellt. Daher fehlt auch Putins Begründung für die Inanspruch­nahme eines exklu­siven Bestim­mungs­rechts Moskaus bezüglich innerer Verfasstheit und außen­po­li­ti­scher Orien­tierung der Ukraine (Schutz der „russi­schen Idee“ vor dem negativen Einfluss „feind­licher Mächte“) jede Glaubwürdigkeit.

3. Putin, Trump und die Ukraine-Verhandlungen

Vor dem Hinter­grund der Großraum­theorie Schmitts wird glasklar, was Putin will:

  • Die „Wieder­her­stellung“ bzw. „Vervoll­stän­digung“ des „russi­schen Großraums“ auf dem Gebiet der Sowjetunion.
  • Einge­schränkte Souve­rä­nität für die Ukraine als Teil des „russi­schen Großraums“. Vetorecht für Russland bei der Wahl außen­po­li­ti­scher Bündnisse und der Anwendung externer Sicher­heits­ga­rantien durch die Ukraine. Einfluss oder gar militä­rische Präsenz „raumfremder Mächte“ sind unerwünscht. Daher ist aus Sicht Moskaus eine NATO-Mitglied­schaft ausge­schlossen. Über einen EU-Beitritts­prozess hingegen kann verhandelt werden.
  • Neutraler, block­freier Status mit dauer­haftem Verzicht auf nukleare Bewaffnung. Das Militär ist allen­falls auf ein Minimum zu reduzieren, das Russland keinen ernst­haften Wider­stand entge­gen­setzen könnte.
  • Mutation der Ukraine von einem „Anti-Russland“ in einen Vasallen Moskaus. Rücktritt Selen­skyjs als „illegi­timer Anführer“ zugunsten eines russland­freund­lichen Präsi­denten noch vor Unter­zeichnung eines Waffenstillstandsabkommens.
  • Überwindung des Schismas der russi­schen Ortho­doxie, um die Ukraine auch religi­ons­po­li­tisch zu einem treuen Anhänger und Träger der den Großraum Russlands durch­wir­kenden „russi­schen Idee“ zu machen. Dies ist ein zentrales politi­sches Anliegen Putins. „Wieder­ver­ei­nigung“ der (seit 2019 unabhän­gigen) Ortho­doxen Kirche der Ukraine (OKU) mit der russisch-ortho­doxen Kirche, wobei die OKU dem Moskauer Patri­archat zu unter­stellen ist.
  • Die Ukraine ist in Putins imperialer Sicht­weise als Wiege der Kyjiwer Rus wichtigstes Glied des russi­schen Großraums (Russkij Mir), ohne – mit Ausnahme der Krim – Teil des Staats­ge­biets der Russi­schen Föderation sein zu müssen. Solange sich die gesamte Ukraine allen vorge­nannten Forde­rungen beugt, spielen terri­to­riale Ansprüche auf Teile ihres Staats­ge­biets keine ausschlag­ge­bende Rolle.
  • Bildung eines Cordon sanitaire von Staaten ohne Präsenz von Truppen aus NATO-Dritt­ländern zur Garantie der Integrität des russi­schen Großraums. Der an die NATO übersandte russische Verein­ba­rungs­entwurf vom 17. Dezember 2021 sieht vor, dass die „alten“ NATO-Staaten (zum Stand vom 27.5. 1997, dem Datum der NATO-Russland-Grundakte) sich dazu verpflichten, in anderen europäi­schen Staaten, darunter den 16 „neuen“ NATO-Mitglied­staaten, keine Streit­kräfte und Rüstungs­güter zu statio­nieren (Art. 4). Das würde z.B. den Abzug der Bundeswehr-Brigade aus Litauen bedeuten. Zusätz­liche Erwei­terung der NATO ist zu stoppen (Art. 6). NATO-Staaten dürfen auf dem Gebiet der Ukraine, anderen Staaten Osteu­ropas, des südlichen Kaukasus und Zentral­asiens keine militä­ri­schen Aktivi­täten durch­führen (Art. 7).[44]

Nicht verhan­delbar für Russland sind demnach

  • Ausschluss des NATO-Beitritts und „Neutra­li­sierung“ der Ukraine,
  • Unter­ordnung der ukrai­ni­schen Innen- und Außen­po­litik unter Russland, Mitsprache Moskaus bei externen Sicherheitsgarantien,
  • Beendigung oder zumindest substan­zielle Reduzie­rungen der NATO-Truppen­präsenz in Osteuropa.

Dies sind Putins zentrale Kriegs­ziele. Die Statio­nierung auslän­di­scher Truppen auch aus EU-Staaten als Sicher­heits­ga­rantie für die Ukraine lehnt Putin derzeit ab. Nicht auszu­schließen ist aber, dass er einer „überschau­baren“ militä­ri­schen EU-Präsenz (nicht aber US-Truppen!) westlich des Dnipro und gegebe­nen­falls chine­si­schen Truppen unweit vom Front­verlauf letztlich zustimmen könnte.

Seine Gebiets­an­sprüche dürfte Putin bei den jetzt anste­henden Verhand­lungen kaum zurück­stecken. Die ukrai­ni­schen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk hat Moskau per Gesetz im Oktober 2022 zum Staats­gebiet der Russi­schen Föderation erklärt, obwohl Russland bisher nur Teile dieser Gebiete völker­rechts­widrig besetzt hält. Russland „braucht“ seine Truppen dort, um den Konflikt auch nach einem Waffen­still­stand jederzeit wieder eskalieren zu können, um die Ukraine und Europa unter Druck zu halten. Dennoch ist ein Verhand­lungs­sze­nario vorstellbar, in dem sich Putin „flexibel“ bezüglich Cherson oder Saporischschja (oder Teilen davon) zeigen könnte, je nachdem, was er dafür „geboten“ bekommt. Voraus­setzung für jeden Abstrich an den terri­to­rialen Ansprüchen Moskaus ist, dass die Ukraine aus Putins Sicht unver­rückbar in den russi­schen Orbit „einge­bunden“ wird.

Was bedeutet vor diesem Hinter­grund Trumps Schwenk von einem „Peace through Strength“-Ansatz zu einer Politik der Beschwich­tigung, die fast alle Verhand­lungs­po­si­tionen ab initio preisgibt? Noch bis vor Kurzem galt der Ansatz seines Ukraine-Beauf­tragten Generals a.D. Keith Kellogg ja als gesetzt, vor allem:

  • Fortge­setzte militä­rische Unter­stützung der Ukraine durch die USA,
  • Betei­ligung der Ukraine an „peace talks“,
  • Aufschub („to put off“) einer NATO-Mitglied­schaft für längere Zeit („for an extended period“) im Austausch gegen eine umfas­sende und verifi­zierbare Friedens­re­gelung mit Sicherheitsgarantien,
  • Schaffung einer demili­ta­ri­sierten Zone zur Absicherung des Waffen­still­stands.[45]

Statt­dessen ist Trump nunmehr mit Ausnahme der von Moskau abgelehnten Statio­nierung europäi­scher Truppen in der Ukraine voll auf Putins Linie eingeschwenkt:

  • Friedens­ge­spräche bis auf Weiteres nur auf Ebene der „Großmächte“ USA und Russland, Verhand­lungen werden über den Kopf der Ukraine, aber auch der EU hinweg geführt.
  • Verwei­gerung des ukrai­ni­schen NATO-Beitritts.
  • Übernahme der Rhetorik Putins mit Diskre­di­tierung des Präsi­denten der Ukraine als „Diktator ohne Wahlen“ und Beschul­digung, dass er den Krieg „zugelassen“ (!) habe.
  • Ausnutzung der Kriegsnot des Landes für einen „Rohstoffdeal“,
  • Unter­mi­nierung der bisher großen Mehrheit im UN-Rahmen bei Verur­teilung Russlands als Aggressor.
  • Umgehung der General­ver­sammlung und Verab­schiedung einer entkernten, moskauf­reund­lichen Ukraine-Resolution gemeinsam mit Russland im Sicher­heitsrat am 24. Februar d.J. [46]

Was erklärt diesen verhand­lungs­tak­tisch verhee­renden Schwenk mit Preisgabe fast aller unver­zicht­baren Verhand­lungs­po­si­tionen? Dass Trump sich – bei aller Sympathie für Carl Schmitts Freund-Feind-Dicho­tomie oder der Lehre vom Ausnah­me­zu­stand zwecks Aushe­belung von Gewal­ten­teilung – dessen Großraum­theorie als Agenda zu eigen machen wollte, wäre höchst unwahr­scheinlich. Beobachter sind sich einig, dass für ihn die geschäft­liche Trans­aktion, der „Deal“, im Vorder­grund steht und nicht, wie für Putin, Fragen der Souve­rä­nität und Sicherung von Großmacht­status. Letztere sind für Trump Mittel zum Zweck, aber kein Zweck an sich. Das erklärt, warum Trump gegen kostspielige Statio­nierung US-Truppen oder auch gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ist und einen „Rohstoffdeal“ betreibt, um zur Unter­stützung von Kyjiw ausge­gebene US-Haushalts­mittel wieder „herein­zu­holen“.  Dennoch: Verhand­lungs­tak­tisch bleibt nicht erklärbar, warum Trump zentrale Verhand­lungs­po­si­tionen von vornherein preisgibt und nicht als „bargaining chip“ einsetzt. Putin hätte sich auch mit deutlich gerin­geren Vorleis­tungen mit Trump an einen Tisch gesetzt.

Auch ein Blick auf das perso­nelle Tableau der bisher betei­ligten Unter­händler macht die Asymmetrie zu Lasten der Ukraine und europäi­scher Anliegen klar:

  • In Riad sitzen am 18. Februar auf Seiten der USA Außen­mi­nister Marco Rubio (geb. 1971), National Security Advisor Michael Waltz (*1974) sowie Trumps Nahost­be­auf­tragter Steve Witkoff (* 1957) am Tisch. Rubio, seit 2011 Senator für Florida, und Waltz, Berufs­soldat und von 2019 bis 2025 Abgeord­neter im Reprä­sen­tan­tenhaus, sind bis dato ohne außen­po­li­tische Erfahrung in der Exekutive, vor allem auch ohne erkennbare Russland- oder Ukraine-Expertise. Wichtigste Person in der US-Delegation ist Anwalt, Immobi­li­en­mogul und enger Trump-Vertrauter Witkoff mit guter Verbindung zum russi­schen Geschäftsmann und Leiter des staat­lichen Inves­ti­ti­ons­fonds Russlands[47], Kirill Dimit­rijew (*1975), in den USA studierter sowie bei Goldman Sachs und McKinsey tätig gewesener Finanz­ex­perte. Er verfügt seit langer Zeit über enge Arbeits­be­zie­hungen zu Putin.[48] Seinen Ukraine- und Russland-Beauf­tragten Ex-General Keith Kellogg (* 1944) hatte Trump für die Zeit des Treffens in Riad nach Kyjiw geschickt.
  • Dimit­rijew ist in Riad als Mitglied der russi­schen Delegation dabei – in der zweiten Reihe, hinter Außen­mi­nister Sergej Lawrow (*1950) und Putins außen- und sicher­heits­po­li­ti­schem Berater Jurij Uschakow (*1947). Lawrow ist mit allen Wassern gewaschener Diplomat (seit 1972) und Außen­mi­nister seit 2004 – mit guten Aussichten, mit der 28jährigen Amtszeit seines sowje­ti­schen Vorgängers Andrej Gromyko gleich­zu­ziehen. Uschakow war schon 1970, zwei Jahre vor Lawrow, in das russische Außen­mi­nis­terium eigetreten. Beide haben langjährige US-Erfahrung, Lawrow mit zwei Einsätzen an der UNO-Vertretung Russlands in New York (1994–2004 als Botschafter), Uschakow als Botschafter in Washington (1998–2008). Mit den Einzel­heiten des Ukraine-Dossiers sind beide intim vertraut, Uschakow unter anderem als Leiter des russi­schen Verhand­lungs­teams zum Minsk II-Abkommen.[49]

Klar ist: Mit Blick auf Zusam­men­setzung der Verhand­lungs­de­le­ga­tionen und außen­po­li­ti­scher Expertise nach jetzigem Stand dürfte die russische Seite die USA mit Leich­tigkeit ausstechen. Bände spricht, dass Trump den Akzent nicht auf Außen- und Sicher­heits­po­litik, sondern mit Einsatz des Schwer­ge­wichts Witkoff eher auf unter­neh­me­rische Erfahrung setzt.[50]

Es ist deshalb höchste Zeit, dass sich die EU hochrangig, kraftvoll und mit einem klaren Konzept in die Verhand­lungen einbringt und verhindert, dass ein ameri­ka­nisch-russi­scher Deal über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg abgeschlossen wird.  Die neue Bundes­re­gierung muss hier eine promi­nente Rolle spielen, und zwar so schnell wie möglich und eng an der Seite Frank­reichs und Polens. Dabei wird Europa beweisen müssen, dass es sich auch zu einem militä­ri­schen Power House entwi­ckeln will und wird – durchaus auch als „Großraum Europa“. Damit auch Putin diese Botschaft versteht. 

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Fußnoten

[1] So auch Ralf Fücks, der ebenfalls auf Trumps Schwenk zur Großraum-Politik verweist. In: DER SPIEGEL Online, 13.02.2025, https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-donald-trump-uebernimmt-die-sichtweise-aus-russland-und-china-gastbeitrag-a-1dc18d52-b486-4c40-b012-0de2b7d36442

[2] Carl Schmitt, Völker­recht­liche Großraum­ordnung mit Inter­ven­ti­ons­verbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichs­be­griff im Völker­recht (1939), Berlin 2022.

[3] Vgl. z.B. Paul Noack, Carl Schmitt: Eine Biographie. Berlin und Frankfurt/​Main 1993.

[4] Als wichtigster Vermittler des Denken Schmitts in Russland gilt Alexander Dugin, ultra­na­tio­na­lis­ti­scher politi­scher Philosoph, Chefideologe der russi­schen Neuen Rechten und Verfechter eines „eurasi­schen Imperia­lismus“, siehe auch unten S. 6.

[5] Vgl. Anm. 5 und 30. Der wichtigste Vermittler des Denkens Carl Schmitts in den USA ist der deutsch­ame­ri­ka­nische politische Philosoph Leo Strauss (1899–1973). 1949–1969 Professur an der Univer­sität Chicago, einer der wichtigsten theore­ti­schen Vordenker für die US-Neocons. Ging als jüdischer Wissen­schaftler noch vor Beginn der Nazi-Diktatur mit einem Rocke­feller-Stipendium (Gutachter Carl Schmitt) zunächst nach Frank­reich, dann nach Cambridge/​UK. Vgl. Stephan Steiner, Weimar in Amerika. Leo Strauss’ Politische Philo­sophie, Schrif­ten­reihe wissen­schaft­licher Abhand­lungen des Leo Baeck Instituts 76, Tübingen 2013. Zwischen dem konser­va­tiven Politik­wis­sen­schaftler Patrick Deneen (kathol. University of Notre Dame, Indiana), Strauss-Adept und Preis­träger des Leo Strauss Award for the Best Disser­tation in Political Philo­sophy, und Vizeprä­sident JD Vance bestehen enge Verbin­dungen (frdl. Hinweis von Botschafter a.D. Dr. Hans-Ulrich Seidt).

[6] Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souve­rä­nität (1922), Berlin 2021.

[7] US-Vizeprä­sident JD Vance, X vom 09.02.2025, 16:13. Vance steht dem rechts­extremen Monar­chisten Curtis Yarvin nahe, vgl. TAZ vom 18.02.2025, https://taz.de/Donald-Trump-gegen-den-Rechtsstaat/!6066964/. Siehe auch  https://www.theguardian.com/us-news/2024/dec/21/curtis-yarvin-trump. Yarvin sagte in einem Interview am 29.09.2024: “But there’s another problem with liber­ta­rianism, which we could call Carl Schmitt’s problem. There’s this very English and American idea of “the rule of law, not men.” In a place like Iran, they would talk about “the rule of God, not men,” or rather “the rule of Allah, not men.” But it’s always a person deciding what God thinks. When you examine the issue of the rule of law, you see that it’s always ultim­ately the rule of someone who claims to know how to interpret the law.https://rage-culture.com/en/conversation-with-curtis-yarvin/. Siehe auch Courtney Hodrick, From Neore­action to Alt-Right: A Schmittian Perspective. In: Telos 198 (Spring 2022), 90–112. http://journal.telospress.com/content/2022/198/90.full.pdf

[8] Schmitt war ein „Mann des polemi­schen Traktats, der Streit­schrift, des Pamphlets. Zu seiner eigent­lichen litera­ri­schen Form fand er in dem, was die Franzosen einen brûlot nennen: ein entflamm­barer Text, ein Boot mit hochent­zünd­licher Fracht, dazu bestimmt, das Schiff des Gegners in Brand zu setzen.“ Christoph Schön­berger, Werte als Gefahr für das Recht? Carl Schmitt und die Karls­ruher Republik. Nachwort zu Carl Schmitt, Die Tyrannei der Werte (1960), Berlin 2020, 57.

[9] Carl Schmitt, Der Begriff des Politi­schen (1932), Berlin 2015, 61.

[10] @realDonaldTrump, X vom 15.02.2025, 19:32

[11] Carl Schmitt (1922), 13.

[12] Carl Schmitt (1960).

[13] Carl Schmitt (1939).

[14]Im Gegensatz zu einer nur von den USA dominierten „unipo­laren“ Weltordnung. Aus Sicht von Trump wäre aber eine Wieder­her­stellung des „unipolar moment“ von Anfang der 1990er Jahre mit einer für die Verfasstheit der ganzen Welt „zustän­digen“ USA angesichts der seither radikal verän­derten geopo­li­ti­schen Reali­täten, vor allem des Aufstiegs Chinas, unrea­lis­tisch und darüber hinaus nicht wünschenswert.

[15] Und unter­läuft damit auch die Monroe-Doktrin von 1823, die für Schmitt den histo­ri­schen Anknüp­fungs­punkt für seine Großraum­theorie bietet.  Was aller­dings „unschädlich“ bleibt, solange Trump damit den Protago­nisten der anderen relevanten Großmächte Putin (Russkij Mir bzw. Eurasien) und Xi Jinping (Chine­si­scher Traum) nicht in die Quere kommt.

[16] In der Sprache Schmitts: „… die Verbindung von politisch erwachtem Volk, politi­scher Idee und politisch von dieser Idee beherrschten, fremde Inter­ven­tionen ausschlie­ßendem Großraum“.

[17] Vgl. Erik Piccoli, Carl Schmitt and the Putin Regime. Illibe­ralism Studies Program Working Papers. Institute for European, Russian and Eurasian Studies, The George Washington University, January 2024, 17.

[18] DER SPIEGEL 9/​2025, 16.

[19] Constanze Stelzen­müller, Die Lage ist ernst, nehmen Sie sie auch ernst! In: Inter­na­tionale Politik Nr. 2 (März/​April 2025), 61.

[20] Vgl. den russi­schen Entwurf eines  Agreement on Measures to ensure the Security of the Russian Federation and Member States of the North Atlantic Treaty Organization, 17.12.2021. https://mid.ru/ru/foreign_policy/rso/nato/1790803/?lang=en

[21] Vgl. Keith Kellogg & Fred Fleitz, America First, Russia and Ukraine. Research Report/​Center for American Security, AFPI (America First Policy Institute), 09.04.2024. https://americafirstpolicy.com/assets/uploads/files/Research_Report_-_America_First%2C_Russia%2C___Ukraine.pdf

[22] In München saßen nur Adolf Hitler (NS-Deutschland), Neville Chamberlain (Verei­nigtes König­reich), Édouard Daladier (Frank­reich) und Benito Mussolini (Italien) am Tisch. Der Präsident der Tsche­cho­slo­wakei, Edvard Beneš, war nicht einge­laden. Das Abkommen diktierte der Regierung der Tsche­cho­slo­wakei die „Räumung“ des tsche­cho­slo­wa­ki­schen Sudeten­landes im Zeitraum vom 1.–10. Oktober 1939. Einschlägig u.a. Jürgen Zarusky/​Martin Zückert (Hg.), Das Münchener Abkommen von 1938 in europäi­scher Perspektive, München 2013.

[23] Carl Schmitt (1939), a.a.O., 46.

[24] Vladimir Putin, 75th Anniversary of the Great Victory: Shared Respon­si­bility to History and Our Future, Moskau 2020. http://static.kremlin.ru/media/events/files/en/VlMXXg4uCU1WOilGCMNzd8sPyIujZg3y.pdf. Der Histo­riker Karl Schlögel dazu in einem Gespräch mit der Deutschen Welle im Juni 2020 laut DW-Website: „Es hat etwas mit der Gegenwart zu tun. Er (Putin, d. Verf.) instru­men­ta­li­siert die Geschichts­in­ter­pre­tation für seine gegen­wärtige Politik. Es ist der Versuch, Polen und die Ukraine und die balti­schen Staaten als reaktionär, natio­na­lis­tisch und zum großen Teil auch antise­mi­tisch hinzu­stellen. Es ist der Versuch einer Isolierung dieser Länder.“ https://www.dw.com/de/hitler-stalin-pakt-putins-geschichtsklitterung/a‑53878252

[25] (Об историческом единстве русских и украинцев), veröf­fent­licht am 12.07.2021. http://kremlin.ru/events/president/news/66181.

[26] Kriegs­er­klärung. Die Ansprache des russlän­di­schen Präsi­denten am Morgen des 24.02.2022. https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/vladimir-putin-ansprache-am-fruehen-morgen-des-24.2.2022/.

[27] Zusam­men­fassung nach David G. Lewis, Russia’s New Autho­ri­ta­rianism. Putin and the Politics of Order, Edinburgh University Press 2020, 163.

[28] Carl Schmitt (1939), ‘Großraum versus Univer­salism: The inter­na­tional legal Struggle over the Monroe Doctrine’, trans. by M. Hannah, in S. Legg (Hg.), Spatiality, Sovereignty and Carl Schmitt: Geogra­phies of the Nomos, Abingdon:Routledge 2011, 46–54.

[29] David G. Lewis, a.a.O., 164.

[30] Unter anderem zu Steve Bannon, Stephen Miller (jetzt Deputy Chief of Staff for Policy and Homeland Security Adviser) sowie Trump selbst, so Brandon Hawk, Why far-right natio­na­lists like Steve Bannon have embraced a Russian ideologue. In: The Washington Post, 16.04.2019.

[31] A. Dugin, Четвертая политическая теория. Россия и политические идеи XXI века (Die vierte politische Theorie. Russland und die politi­schen Ideen des 21. Jahrhun­derts), St. Petersburg 2009, 214.

[32] A. Dugin, Основы геополитики. Геополитическое будущее России (Grund­lagen der Geopo­litik. Die geopo­li­tische Zukunft Russlands), Moskau 1997, 121f., 109f., 113.

[33] Carl Schmitt (1939), a.a.O., 49.

[34] A.a.O., 30.

[35] Darstellung nach David G. Lewis, a.a.O., 186f.

[36] Alexej Drobinin, The Vision of a Multi­polar World: The Civiliza­tional Factor and Russia’s Place in the Emerging World Order. In: Russia in Global Affairs, 20.02.2023, https://eng.globalaffairs.ru/articles/the-vision-of-a-multipolar-world/

[37] Wladislaw Surkow, Суверенитет – это политический синоним конкурентоспособности (Souve­rä­nität ist das politische Synonym von Konkur­renz­fä­higkeit). Vortrag im Zentrum für Partei­studien und Ausbildung von Führungs­kräften der Partei „Einheit­liches Russland“ am 09.06.2006. https://www.newkaliningrad.ru/news/politics/99871-.html

[38] Diese prägnante Zusam­men­fassung stammt von David G. Lewis, a.a.O., 171.

[39] So David G. Lewis, a.a.O., 180ff.

[40] Vgl. Schmitt (1939), a.a.O., passim, z.B. die Kritik an Wilsons 14 Punkten vom 22. Januar 2017 als Ausdruck eines „grenzen­losen Inter­ven­tio­nismus“ und Stelle, „an der sich die Politik der Verei­nigten Staaten von ihrem Heimat­boden abwendet und mit dem Welt- und Mensch­heits­im­pe­ria­lismus des briti­schen Empire ein Bündnis eingeht“ (41). Oder seine Kritik an der Praxis von Minder­hei­ten­schutz beim Völkerbund: „Die zugrunde liegende liberal-indivi­dua­lis­tische und daher univer­sa­lis­tische Konstruktion des Minder­hei­ten­schutzes war die Grundlage einer auf dem Weg über den univer­sa­lis­ti­schen Genfer Völkerbund ausge­übten Kontrolle und Inter­vention der fremd­räu­migen Westmächte in den europäi­schen Ostraum.“ (a.a.O., 45f.)

[41] Rede des russi­schen Präsi­denten Wladimir Putin auf der 43. Münchener Sicher­heits­kon­ferenz. Speech and the Following Discussion at the Munich Confe­rence on Security Policy, February 10, 2007. http://en.kremlin.ru/events/president/transcripts/24034

[42] Vgl. Regina Elsner, Identität, Werte und die Russische Orthodoxe Kirche. In: Christian Ströbele u.a. (Hg.), Rechts­po­pu­lismus und Religion: Heraus­for­de­rungen für Chris­tentum und Islam, Regensburg 2023, 281–290.

[43] Vgl. Arndt Freytag von Loringhoven/​Leon Erlen­horst, Putins Angriff auf Deutschland. Desin­for­mation, Propa­ganda, Cyber­at­tacken, Berlin 2024.

[44] Vgl. Anm. 19.

[45] Lt. General (Ret.) Keith Kellogg & Fred Fleitz, America First, Russia and Ukraine. America First Policy Institute (AFPI) Research Report, 09.04.2024.

[46] VN-SR 2774 (2025). https://docs.un.org/en/S/RES/2774(2025)

[47] Russian Direct Investment Fund (RDIF), Российский фонд прямых инвестиций. https://www.rdif.ru/Eng_Index/

[48] Vgl. z.B. Newsweek vom 13.02.2025, https://www.newsweek.com/kirill-dmitriev-putin-trump-talks-russia-2030494

[49] Vgl. Johannes Regen­brecht, The Minsk Agree­ments 10 Years After: 10 Lessons learned for future Negotia­tions with Moscow. Policy Paper, Zentrum Liberale Moderne, Januar 2025. https://libmod.de/en/the-minsk-agreements-10-years-after-10-lessons-learned-for-future-negotiations-with-moscow/

[50] W. hatte sich kurz zuvor schon als Kontaktmann zu Dimit­rijew, Unter­händler für die Freilassung des in Russland inhaf­tierten US-Staats­an­ge­hö­rigen Marc Fogel am 11.2. 2025 und Anbahnung der Gesprächs­runde in Riad verdient gemacht.

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