China hat Gewählt – John Lee ist neuer Chief Executive von Hongkong

Foto: Xie Huanchi /​ Imago Images

Am 1. Juli wird der frühere Sicher­heits­chef John Lee Chief Executive von Hongkong. Mit seinem „Sicher­heits­ge­setze“ soll nun weiter auf Geheiß Pekings alles Frei­heit­liche und Demo­kra­ti­sche in Hongkong zu unter­drückt werden.

Der 1. Juli ist für Hongkong kein Jubeltag: An diesem Tag wird der neue Chief Executive der Stadt in sein Amt einge­führt. John Lee, der bis dato der Sicher­heits­chef der einstmals autonomen und freien Handels­me­tro­pole war, wird von da an die Geschicke der Stadt für mindes­tens fünf Jahre lenken. Für dieses Ereignis reist extra aus Peking der Führer der Volks­re­pu­blik, Xi Jinping, an. Lee war Xis Mann für das Amt. Deshalb war er auch der einzige Kandidat, der zur „Wahl“ stand. Mit knapp 98 Prozent der Stimmen wählte ihn ein 1461 Menschen starkes „Wahl­ko­mitee“, dessen Mitglieder, im Jahr zuvor von keinem gerin­geren als eben jenem John Lee selbst berufen wurden. Die Geschichte, wie wir bei Marx nachlesen können, ereignet sich als Tragödie und wieder­holt sich als Farce.

John Lee löst Charrie Lam ab, die eigent­lich eine zweite Amtszeit hätte regieren können. Peking aber war mit ihr unzu­frieden: Lam hatte die Proteste, die sich gegen sie und ein von ihr auf den Weg gebrachtes Auslie­fe­rungs­de­kret richten würden, völlig unter­schätzt. Dieses Dekret hätte es erlaubt, Menschen aus Hongkong, das eine eigene Gerichts­bar­keit hat, in das benach­barte China zu über­führen und ihnen dort den Prozess zu machen. Die Volks­re­pu­blik hat in regel­mä­ßigen Abständen seit der Rückgabe der Stadt durch Groß­bri­tan­nien versucht, das Eigen­stän­dige und Demo­kra­ti­sche der Stadt zu zerstören. Gegen Lam machten sich über eine Million Menschen auf und demons­trierten. Bei der Regio­nal­wahl im November 2019 dann verlor sie und mit ihr Xi Jinping das Gesicht, als 17 der 19 Distrikte vom Demo­kra­tiel­ager über­nommen wurden.

Ein soge­nanntes „Sicher­heits­ge­setz“, das im Inhalt dem „Auslie­fe­rungs­de­kret“ in nichts nachstand, konnte sie dann nicht mehr durch­setzen. Covid machte dann aller­dings den Demons­tra­tionen ein Ende, der öffent­liche Druck war von der Straße verbannt. Dann war John Lees Stunde gekommen: Er drückte das Sicher­heits­ge­setz durch, das am 1. Juli 2020, zwei Jahre vor seinem Amts­an­tritt als höchster Verwalter Pekings, in Kraft trat. John Lee aller­dings war von diesem Augen­blick an als neuer Chief Executive gesetzt, denn ihm gelang, woran seine Vorgän­ge­rinnen seit fast einem Vier­tel­jahr­hun­dert geschei­tert waren.

Die Umsetzung und Weiter­ent­wick­lung dieses „Sicher­heits­ge­setzes“ soll nun auch im Zentrum seiner Arbeit stehen, sagte Lee. Und um zu unter­strei­chen, wie wichtig es ihm ist, weiter auf Geheiß Pekings alles Frei­heit­liche und Demo­kra­ti­sche in Hongkong zu unter­drü­cken, hat er gleich vier Personen in sein Kabinett berufen, die aufgrund der Menschen­rechts­ver­let­zungen, die an den fried­li­chen für Demo­kratie Demons­trie­renden im Jahr 2019 verübt wurden, auf einer Sank­ti­ons­liste der USA stehen.

Mit den Verei­nigten Staaten ist und bleibt Lees Dienst­herr Xi Jinping auf Kriegsfuß. In der vergan­genen Woche ließ er erklären, dass die Taiwan­straße, ein inter­na­tio­nales Gewässer, von nun an ein chine­si­sches sei. Die Volks­re­pu­blik behauptet, das gegen­über­lie­gende demo­kra­ti­sche Taiwan sei eine abtrün­nige Provinz Chinas. Deshalb sei die Taiwan­straße ein Binnen­ge­wässer. Tatsäch­lich stimmt diese Behaup­tung nicht. China hatte ähnliches schon einmal in Bezug auf einige zu den Phil­ip­pinen gehö­renden Spratley-Inseln behauptet und war vor dem Inter­na­tio­nalen Gerichtshof geschei­tert. Das hat Xi nicht weiter gekümmert: Er ließ die Inseln von chine­si­schen Söldnern besetzen.

An der Peri­pherie zu China, in Hongkong und in Taiwan, zieht Xi die Daumen­schrauben weiter enger an. Da Hongkong, anders als Taiwan, zu China gehört, kann er dort schalten und walten wie er will. Die Menschen auf Taiwan leben zwar weiterhin in Freiheit, müssen aber tagtäg­lich über sich ergehen lassen, dass Peking Kampfjets zur Provo­ka­tion in den Luftraum der Insel fliegen lässt. Xi wird bei seiner Rede am 1. Juli wiederum keinen Zweifel daran lassen: Wer sich China in Asien in den Weg stellt, der wird geschleift: erst Hongkong, dann Taiwan. Am Ende soll die ganze Region unter der Knute Pekings sein.

Durch Hand­langer wie John Lee erhofft sich Xi weitere Erfolge auf diesem Kurs. 116.000 Menschen haben unter­dessen Hongkong in den Jahren 2020 und 2021 verlassen. Beob­achter rechnen damit, dass es in diesem Jahr noch einmal deutlich mehr werden. Bis zum Jahr 2019 war die Stadt­be­völ­ke­rung indessen jedes Jahr gewachsen. Dieje­nigen, die können, verlassen also die Stadt. Zustim­mung sieht anders aus.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spen­den­tool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­ti­sche Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steu­er­lich absetzbar. Für eine Spen­den­be­schei­ni­gung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

News­letter bestellen

Mit dem LibMod-News­letter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.