Boris Johnsons Kampf gegen die BBC
Die konservative Regierung in Großbritannien macht Kampfansagen gegen die BBC. Der neue Kulturminister stellt die Unparteilichkeit des Senders in Frage. Und der Regierungsberater Dominic Cummings würde am liebsten die Rundfunkgebühren abschaffen.
Die britische Rundfunkanstalt BBC wird in letzten Monaten von allen Seiten angefeindet. Die Labour-Partei warf nach der Wahlniederlage im vergangenen Jahr der BBC vor, voreingenommen zu sein und viel zu kritisch über die Partei und deren Chef Jeremy Corbyn zu berichten. Doch ein noch größerer Angriff kommt von der Konservativen Partei, die die Wahlen gewonnen hat.
Auch die Tories sind mit der BBC-Berichterstattung unzufrieden. Der neue Kulturminister Oliver Dowden stellte die Unparteilichkeit der Rundfunkanstalt in Frage. Die BBC soll „die Perspektive des ganzen Vereinigten Königreichs verstehen und nicht die enge urbane Sicht bieten“, sagte Dowden in seiner ersten Rede als Minister. Er warf der BBC vor, die politischen und sozialen Veränderungen der letzten Jahre wie den Brexit viel zu spät gemerkt zu haben.
Der Premierminister Boris Johnson hat schon während der Wahlkampagne versprochen, über die Abschaffung von Rundfunkgebühren nachzudenken. Die BBC nannte er „Brexit Bashing Corporation“. Vor den Wahlen mied er ein Gespräch mit dem BBC-Interviewer Andrew Neil, der als besonders kritisch gilt.
Der wohl härteste Gegner der BBC ist der Regierungsberater Dominic Cummings. Er wird hinter einem Bericht der Zeitung „Sunday Times“ vermutet, der im Februar veröffentlicht wurde. Im Bericht wird eine anonyme Quelle in der britischen Regierung zitiert, die drohte, die Rundfunkgebühren komplett abzuschaffen und die BBC zu „zerschlagen“.
Der Bericht wurde gleich zurückgepfiffen und insbesondere die Sprache der anonymen Quelle wurde auch von den konservativen Abgeordneten kritisiert. Der Tory-Parlamentarier Huw Merriman nannte das Versprechen, die geliebte britische Institution zu zerschlagen „bizarr“ und erinnerte daran, dass die BBC „eine Zustimmungsquote von 80 Prozent beim gleichen Publikum hat, das diese Regierung gewählt hat“.
Doch es heißt nicht, dass die Regierung ihre Pläne komplett verworfen hat. Anfang Februar wurde bereits eine öffentliche Konsultation darüber gestartet, ob die Nichtzahlung von Rundfunkgebühren entkriminalisiert werden soll. Derzeit drohen denjenigen TV-Zuschauern, die einen Betrag von 154,50 Pfund (178 Euro) im Jahr nicht zahlen, Geld- oder in einigen seltenen Fällen auch Haftstrafen. Die BBC rechnet damit, dass sie nach einer Entkriminalisierung etwa 200 Millionen Pfund pro Jahr an Gebühren weniger sammeln würde.
Die Rundfunkbeiträge, die etwa drei Viertel des BBC-Budgets ausmachen, werden nicht wie in Deutschland für eine unbestimmte Zeit festgelegt. In Großbritannien werden die Finanzierungsgrundlagen in der „Royal Charter“ bestimmt, die alle zehn Jahre neu verhandelt wird. Die jetzige Charter gilt bis 2027, und 2022 steht die sogenannte „Mid-term review“ an. Der Kulturminister Dowden sagte in seiner Rede, bei der Neuverhandlung der Charter solle man sich fragen, ob die BBC „wirklich die ganze Nation wiederspielt“ und ob sie in der Berichterstattung überparteilich sei.
Die Vorwürfe der Voreingenommenheit an die BBC vor allem aus der rechten pro-Brexit Ecke sind seit dem Referendum besonders laut geworden, obwohl die Rundfunkanstalt immer die beiden Seiten zu Wort gelassen und gleich kritisch befragt hat. In Augen der Brexiteer ist die BBC ein Teil des pro-europäischen Establishments, der urbanen Elite.
Dem Regierungsberater Cummings ist die BBC noch länger ein Dorn im Auge. Schon 2004 wurde die Institution in mehreren Texten auf der Seite des vom Cummings mitgegründeten Think Tank „New Frontiers Foundation“ kritisiert. Die BBC sei ein „Todesfeind“ der Konservativen Partei hieß es dort. Der rechte politische Flügel solle daran arbeiten, das Vertrauen in die BBC zu unterminieren, unter anderem mit Hilfe von Netzwerken im Internet. Und man solle in Großbritannien ein Pendant zum rechtskonservativen amerikanischen TV-Sender Fox News gründen. „Die BBC ist ein entschlossener Propagandist mit einer kohärenten Ideologie. Wir zahlen dafür. Das sollen wir nicht tun. Wir sollen das Spiel verändern“, hieß es in einem weiteren Post.
Die öffentlich-rechtlichen Sender werden derzeit gleich in mehreren europäischen Ländern von Rechtspopulisten angegriffen. Das Narrativ, die Öffentlich-Rechtlichen würden die linke progressistische politische Agenda durchsetzen, ist auch in Österreich oder Deutschland bekannt. Und noch nie war es für Politiker einfacher gewesen, über soziale Netzwerke ihre eigenen Ansichten und die angeblichen „Lügen“ der Medien zu verbreiten, wie der US-Präsident Donald Trump es tut. Gleichzeitig stehen die öffentlich-rechtlichen Sender unter Druck, weil sich mit neuen Technologien auch Nutzergewohnheiten verändern.
Vertreter der britischen Regierung ziehen immer wieder Vergleiche zwischen der BBC und den Internetriesen Netflix, Amazon oder YouTube. „Die Welt, in der die BBC gegründet und die Rundfunkgebühren eingeführt wurden, hat sich bis zu Unkenntlichkeit geändert“, sagte Nicky Morgan, bis vor kurzem Kulturministerin.
Doch die BBC warnt vor möglichen Folgen eines Übergangs zum Netflix-ähnlichen Abo-Modell für die ganze Gesellschaft. „Mit einer Paywall wird es nicht ein Ort sein, auf dem das ganze Lang zusammenkommt“, sagte der BBC-Vorsitzende David Clementi.
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