Boris Johnsons Kampf gegen die BBC

Hochrechnung Wahl BBC Boris Johnson
Projektion der Wahl-Hochrech­nungen am 12.12.2019 auf das BBC-Broad­casting House in London, Photo: Shutterstock/​PhilGatesPhotography

Die konser­vative Regierung in Großbri­tannien macht Kampf­an­sagen gegen die BBC. Der neue Kultur­mi­nister stellt die Unpar­tei­lichkeit des Senders in Frage. Und der Regie­rungs­be­rater Dominic Cummings würde am liebsten die Rundfunk­ge­bühren abschaffen.

Die britische Rundfunk­an­stalt BBC wird in letzten Monaten von allen Seiten angefeindet. Die Labour-Partei warf nach der Wahlnie­derlage im vergan­genen Jahr der BBC vor, vorein­ge­nommen zu sein und viel zu kritisch über die Partei und deren Chef Jeremy Corbyn zu berichten. Doch ein noch größerer Angriff kommt von der Konser­va­tiven Partei, die die Wahlen gewonnen hat.

Auch die Tories sind mit der BBC-Bericht­erstattung unzufrieden. Der neue Kultur­mi­nister Oliver Dowden stellte die Unpar­tei­lichkeit der Rundfunk­an­stalt in Frage. Die BBC soll „die Perspektive des ganzen Verei­nigten König­reichs verstehen und nicht die enge urbane Sicht bieten“, sagte Dowden in seiner ersten Rede als Minister. Er warf der BBC vor, die politi­schen und sozialen Verän­de­rungen der letzten Jahre wie den Brexit viel zu spät gemerkt zu haben.

Der Premier­mi­nister Boris Johnson hat schon während der Wahlkam­pagne versprochen, über die Abschaffung von Rundfunk­ge­bühren nachzu­denken. Die BBC nannte er „Brexit Bashing Corpo­ration“. Vor den Wahlen mied er ein Gespräch mit dem BBC-Inter­viewer Andrew Neil, der als besonders kritisch gilt.

Der wohl härteste Gegner der BBC ist der Regie­rungs­be­rater Dominic Cummings. Er wird hinter einem Bericht der Zeitung „Sunday Times“ vermutet, der im Februar veröf­fent­licht wurde. Im Bericht wird eine anonyme Quelle in der briti­schen Regierung zitiert, die drohte, die Rundfunk­ge­bühren komplett abzuschaffen und die BBC zu „zerschlagen“.

Der Bericht wurde gleich zurück­ge­pfiffen und insbe­sondere die Sprache der anonymen Quelle wurde auch von den konser­va­tiven Abgeord­neten kriti­siert. Der Tory-Parla­men­tarier Huw Merriman nannte das Versprechen, die geliebte britische Insti­tution zu zerschlagen „bizarr“ und erinnerte daran, dass die BBC „eine Zustim­mungs­quote von 80 Prozent beim gleichen Publikum hat, das diese Regierung gewählt hat“.

Doch es heißt nicht, dass die Regierung ihre Pläne komplett verworfen hat. Anfang Februar wurde bereits eine öffent­liche Konsul­tation darüber gestartet, ob die Nicht­zahlung von Rundfunk­ge­bühren entkri­mi­na­li­siert werden soll. Derzeit drohen denje­nigen TV-Zuschauern, die einen Betrag von 154,50 Pfund (178 Euro) im Jahr nicht zahlen, Geld- oder in einigen seltenen Fällen auch Haftstrafen. Die BBC rechnet damit, dass sie nach einer Entkri­mi­na­li­sierung etwa 200 Millionen Pfund pro Jahr an Gebühren weniger sammeln würde.

Die Rundfunk­bei­träge, die etwa drei Viertel des BBC-Budgets ausmachen, werden nicht wie in Deutschland für eine unbestimmte Zeit festgelegt. In Großbri­tannien werden die Finan­zie­rungs­grund­lagen in der „Royal Charter“ bestimmt, die alle zehn Jahre neu verhandelt wird. Die jetzige Charter gilt bis 2027, und 2022 steht die sogenannte „Mid-term review“ an. Der Kultur­mi­nister Dowden sagte in seiner Rede, bei der Neuver­handlung der Charter solle man sich fragen, ob die BBC „wirklich die ganze Nation wieder­spielt“ und ob sie in der Bericht­erstattung überpar­teilich sei.

Die Vorwürfe der Vorein­ge­nom­menheit an die BBC vor allem aus der rechten pro-Brexit Ecke sind seit dem Referendum besonders laut geworden, obwohl die Rundfunk­an­stalt immer die beiden Seiten zu Wort gelassen und gleich kritisch befragt hat. In Augen der Brexiteer ist die BBC ein Teil des pro-europäi­schen Estab­lish­ments, der urbanen Elite.

Dem Regie­rungs­be­rater Cummings ist die BBC noch länger ein Dorn im Auge. Schon 2004 wurde die Insti­tution in mehreren Texten auf der Seite des vom Cummings mitge­grün­deten Think Tank „New Frontiers Foundation“ kriti­siert. Die BBC sei ein „Todes­feind“ der Konser­va­tiven Partei hieß es dort. Der rechte politische Flügel solle daran arbeiten, das Vertrauen in die BBC zu unter­mi­nieren, unter anderem mit Hilfe von Netzwerken im Internet. Und man solle in Großbri­tannien ein Pendant zum rechts­kon­ser­va­tiven ameri­ka­ni­schen TV-Sender Fox News gründen. „Die BBC ist ein entschlos­sener Propa­gandist mit einer kohärenten Ideologie. Wir zahlen dafür. Das sollen wir nicht tun. Wir sollen das Spiel verändern“, hieß es in einem weiteren Post.

Die öffentlich-recht­lichen Sender werden derzeit gleich in mehreren europäi­schen Ländern von Rechts­po­pu­listen angegriffen. Das Narrativ, die Öffentlich-Recht­lichen würden die linke progres­sis­tische politische Agenda durch­setzen, ist auch in Öster­reich oder Deutschland bekannt. Und noch nie war es für Politiker einfacher gewesen, über soziale Netzwerke ihre eigenen Ansichten und die angeb­lichen „Lügen“ der Medien zu verbreiten, wie der US-Präsident Donald Trump es tut. Gleich­zeitig stehen die öffentlich-recht­lichen Sender unter Druck, weil sich mit neuen Techno­logien auch Nutzer­ge­wohn­heiten verändern.

Vertreter der briti­schen Regierung ziehen immer wieder Vergleiche zwischen der BBC und den Inter­net­riesen Netflix, Amazon oder YouTube. „Die Welt, in der die BBC gegründet und die Rundfunk­ge­bühren einge­führt wurden, hat sich bis zu Unkennt­lichkeit geändert“, sagte Nicky Morgan, bis vor kurzem Kulturministerin.

Doch die BBC warnt vor möglichen Folgen eines Übergangs zum Netflix-ähnlichen Abo-Modell für die ganze Gesell­schaft. „Mit einer Paywall wird es nicht ein Ort sein, auf dem das ganze Lang zusam­men­kommt“, sagte der BBC-Vorsit­zende David Clementi.

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