Radikale Juristen: Die Unab­hän­gig­keit der Justiz und ihre Grenzen

PantheraLeo1359531 /​ CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

Für einen Dresdner Richter wird die Brandrede Björn Höckes im Ballhaus Watzke zum Fanal seiner Partei­kar­riere. Matthias Meisner, Korre­spon­dent des Tages­spie­gels, zeichnet dessen Werdegang entlang zahl­rei­cher Zitate nach und fragt: darf ein Mann mit einer solchen radikal rechten Gesinnung noch als Richter arbeiten? Der Beitrag erschien zunächst im Sam­mel­band „Extreme Sicher­heit – Rechts­ra­di­kale in Polizei, Ver­fas­sungs­schutz, Bun­des­wehr und Justiz“.

Zwei Juristen, beide stammen aus dem Westen, beide radikal rechts. Und beide suchten sich vor Jahren neue Jobs im Osten der Republik. Den einen, Martin Zschächner, nannten seine Kommi­li­tonen in Heidel­berg den „Jura-Nazi“. Er ist heute Staats­an­walt in Gera. Der andere, Jens Maier, seit 2017 Bundes­tags­ab­ge­ord­neter der AfD, gehört zum völki­schen Flügel der Partei. Er stammt aus Bremen. Maier, früher mal SPD-Mitglied, zog bereits kurz nach der Wieder­ver­ei­ni­gung nach Dresden, wurde dort 1997 Richter am Landgericht. 

Portrait von Matthias Meisner

Matthias Meisner ist freier Journalist

Es gibt einen Tag, der – über kurz oder lang – die Lauf­bahnen sowohl von Maier als auch von Zschächner beein­flussen sollte: den 17. Januar 2017, die Brandrede des thürin­gi­schen AfD-Vorsit­zenden Björn Höcke im Dresdner Ball- und Brauhaus Watzke. Höcke bezeich­nete in seiner Rede das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ und forderte eine „erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Wende um 180 Grad“.1 Die AfD-Jugend Junge Alter­na­tive hatte die Veran­stal­tung orga­ni­siert, Pegida stellte den Saal­schutz. Höcke erschien in Beglei­tung des neurechten Ideologen Götz Kubit­schek. Auch Maxi­mi­lian Krah war im Saal, erst vor kurzem von der CDU zur AfD über­ge­treten. 2019 sollte er für seine neue Partei ins Euro­pa­par­la­ment einziehen.

Medi­enstra­tegie der AfD

Eine blau-braune Gesell­schaft, und Maier war an diesem Tag einer der Vorredner von Höcke. Auch die Rede des Richters, der damals im Januar 2017 bereits in Dresden als Direkt­kan­didat der AfD für den Bundestag nominiert war, hatte es in sich. Er bot die AfD als Sammel­be­cken für enttäuschte NPD-Anhänger an. „Wir sind dieje­nigen, die den Patrioten in diesem Land eine echte Heimat bieten können. (...) Wir sind die neue Rechte.“ Zum Thema Aufar­bei­tung prokla­mierte er: „Ich erkläre hiermit diesen Schuld­kult für beendet, für endgültig beendet.“ Aktuell im Land zu beob­achten sei eine „Herstel­lung von Misch­völ­kern, um die natio­nalen Iden­ti­täten auszulöschen“.2 Von Höcke wurde Maier für seine Rede als „aufrechter Patriot“ gelobt.

Von Maier hatten bis zum 17. Januar 2017 die wenigsten gehört. Zwar spielte sein Name in einem Rechts­streit aus dem Jahre 2016 eine gewisse Rolle. Der Dresdner Poli­to­loge Steffen Kailitz hatte in einer Forschungs­ar­beit geschrieben, die NPD plane „rassis­tisch moti­vierte Staats­ver­bre­chen“. Maier verbot Kailitz in einer umstrit­tenen Entschei­dung seine Aussagen.

Nach dem Abend im Ball- und Brauhaus Watzke änderte sich der Bekannt­heits­grad des rechten Richters schlag­artig. Maier bekam indirekt eine Rolle im Zusam­men­hang mit den Medi­enstra­tegie-Plänen des AfD-Bundes­vor­standes, auch mit „sorg­fältig geplanten Provo­ka­tionen“ auf sich aufmerksam zu machen.

In einer aufwen­digen Recherche analy­sierte die Säch­si­sche Zeitung mehr als 100 Facebook-Einträge von Maier.3 Er sympa­thi­sierte in dem Netzwerk mit christ­li­chen Funda­men­ta­listen, Schamanen und Kampf­sport­lern. Maier verband sich auf Facebook mit Nutzern, die sich von einem „illegalen Regime“ bedroht sehen oder den Rechts­staat schlicht für einen „Scheiß­staat“ halten. Er zeigte Sympathie für die Reichs­bürger-Ideologie und schrieb im Mai 2015, die Rote Armee könne nicht wirklich als Befreier angesehen werden: „Was die Ameri­kaner mit dem Sieg verbanden, kann man heute sehen. Wir sind nicht souverän und werden es nicht werden.“ Über Pegida schrieb er im Januar 2015, die Bewegung werde etwas bewirken, „wenn sich in den vom Alltags-Dschihad wirklich betrof­fenen Städten nennens­werter Wider­stand formiert und sich die Leute auf die Straße trauen. Durchhalten!“

Immer wieder mischte sich Maier auf Facebook auch in die Debatten um Themen wie Flücht­linge und Islam ein. Im August 2014 schrieb er: „Gestern lief mir an der Ampel so eine Schlei­er­eule am Wagen vorbei. Ich war kurz davor, die Hupe zu betätigen. Ich kann nur noch Wut und Zorn für dieses Gesinde empfinden.“ Im September 2014 schrieb er: „Was der Natio­nal­so­zia­lismus auf der poli­ti­schen Strecke war, ist heute der Islam auf der religiösen.“4

Sympathie für Breivik?

Noch vor seiner Wahl in den Bundestag, wenige Monate nach dem Brauhaus-Auftritt, machte Maier dann erneut von sich reden – bei einer Veran­stal­tung des extrem rechten Compact-Magazins im April 2017 im Gasthof Heidekrug in Cotta bei Pirna. Dort rela­ti­vierte er, wie Jour­na­listen von Zeit online und Vorwärts im Live­stream verfolgten, die Mordserie des norwe­gi­schen Rechts­ter­ro­risten Anders Breivik. „Breivik ist aus Verzweif­lung heraus zum Massen­mörder“ geworden“, zitierte der Vorwärts den AfD-Politiker.5

Was Maier wörtlich gesagt hat, ist heute nicht mehr zu belegen. Compact hat das Video der Veran­stal­tung unmit­telbar nach dem Maier-Auftritt vom Netz genommen. Der AfD-Politiker, der sich selbst den Spitz­namen „kleiner Höcke“ gab, verfügt zwar nach eigenen Worten über ein Manu­skript seiner Rede, will das aber nicht heraus­geben. Er beteuert, die Taten von Breivik weder entschul­digt noch verharm­lost zu haben. Dass er den Rechts­ter­ro­risten überhaupt erwähnt habe, sei ein „poli­ti­scher Fehler“ gewesen.

Darf jemand mit einer solch rechten Gesinnung wie Maier als Richter arbeiten? In einem einzigen Fall erklärte sich Maier im Januar 2017 tatsäch­lich für befangen. Es ging um einen Rechts­streit zwischen dem damaligen AfD-Land­tags­ab­ge­ord­neten Detlev Span­gen­berg und dem Kultur­büro Sachsen. Das hatte 2009 eine Broschüre heraus­ge­bracht: „Rechts­po­pu­listen auf Sach­sen­tour?“. Ein Foto in der Broschüre zeigte Span­gen­berg gemeinsam mit Neonazis der NPD und der „Freien Kräfte“, die auf dem Dresdner Heide­friedhof Kränze zum 13. Februar – dem Jahrestag der Bombar­die­rung Dresdens – ablegen. Span­gen­berg argu­men­tierte, er habe mit den Neonazis nichts gemeinsam gemacht und stehe auf dem Foto nur zufällig neben ihnen. Maier hätte in dem Verfahren urteilen sollen, aber er nahm sich selbst aus dem Rennen. Und schrieb in einer dienst­li­chen Erklärung: „Ich sehe mitt­ler­weile durch neu einge­tre­tene Umstände auf dieses Verfahren bezogen Gründe, die die Besorgnis der Befan­gen­heit begründen.“

Im August 2017, wenige Wochen vor seiner Wahl in den Bundestag über einen aussichts­rei­chen Platz auf der Landes­liste, erteilte das Land­ge­richt Dresden Maier einen Verweis. Zuvor schon war ihm die Zustän­dig­keit für Medien- und Pres­se­recht entzogen worden. Nach Auffas­sung des Gerichts hat Maier mit seinen Äuße­rungen im Ball- und Brauhaus Watzke dem Ansehen der Justiz allgemein und dem Land­ge­richt Dresden Schaden zugefügt. Land­ge­richts­prä­si­dent Gilbert Häfner sagte, Maier habe gegen das Mäßi­gungs­gebot nach dem Deutschen Rich­ter­ge­setz verstoßen. Demnach müssen sich Richter außerhalb des Amtes bei poli­ti­scher Betä­ti­gung so verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unab­hän­gig­keit nicht gefährdet wird. Die Äuße­rungen über Breivik wurden bei den diszi­pli­nar­recht­li­chen Ermitt­lungen nicht einbe­zogen. Sie haben sich laut Sachsens Justiz­mi­nister Sebastian Gemkow (CDU) als „nicht recher­chierbar“ erwiesen. Die Justiz verzich­tete darauf, die Video­auf­zeich­nung von Compact einzu­for­dern.

Ermitt­lungen in Sachsen gegen Maier wegen des Verdachts der Volks­ver­het­zung wurden einge­stellt. Ebenso schei­terte ein 2017 noch unter der damaligen säch­si­schen AfD-Landes- und Bundes­chefin Frauke Petry einge­lei­tetes Partei­aus­schluss­ver­fahren gegen Maier. Nach dem Austritt von Petry aus der AfD stoppte der säch­si­sche AfD-Landes­vor­stand das Verfahren Ende November 2017.

Im selben Monat ließ sich Maier von seiner Partei in den Beirat des Bünd­nisses für Demo­kratie und Toleranz entsenden. Noch vor der ersten Sitzung des Gremiums kündigte er an, dass er dort „spezi­fisch deutsche Kultur“ erörtern wolle und die Chance sehe, „Licht in die dunkle Höhle linker und links­extremer Finanz- und Vereins­struk­turen zu bringen“.

Im April 2018 machte sich Maier zum Wort­führer eines Vorstoßes der AfD im Bundestag mit dem Ziel, den Volks­ver­het­zungs-Para­grafen zu ändern. Auch die Volks­ver­het­zung gegen Deutsche solle demnach strafbar sein. Juristen halten das für verfas­sungs­recht­lich bedenk­lich. Die Jenaer Rechts­an­wältin Kristin Pietrzyk beispiels­weise sagt: „Dieser Antrag versucht, den Wahn eines Abwehr­kampfes des deutschen Volkes gegen Migranten in Geset­zes­form zu gießen.“ Die AfD versuche, durch langsame Aufwei­chung den Volks­ver­het­zungs-Para­grafen am Ende ganz zu kippen. „Wenn diese Büchse der Pandora erst einmal geöffnet wird, dann steht demnächst Holocaust-Leugnung nicht mehr unter Strafe.“

Laut Abge­ord­ne­ten­ge­setz hat Maier bei einem Ausscheiden aus dem Bundestag ein Rück­kehr­recht auf seinen Posten als Richter am Land­ge­richt. Ob dann Äuße­rungen des AfD-Poli­ti­kers in seiner Zeit als Bundes­tags­ab­ge­ord­neter oder zuvor noch einmal geprüft werden, ist unklar. Im Juni 2019 sagte ein Sprecher des Dresdner Land­ge­richts auf Anfrage, aktuell sei dazu kein Verfahren anhängig.

Verfahren gegen das Zentrum für poli­ti­sche Schönheit

Im November 2017 betritt mit Martin Zschächner der zweite rechte Jurist die bundes­weite Bühne. Der Brauhaus-Auftritt von Höcke und seinen Partei­freunden ist der indirekte Auslöser dafür. Denn die Akti­ons­künstler des Zentrums für poli­ti­sche Schönheit (ZPS) errich­teten in diesem Monat im Höcke-Wohnort Bornhagen im Eichsfeld, auf dem Nach­bar­grund­stück des AfD-Poli­ti­kers, eine Kopie des Holocaust-Mahnmals, um gegen dessen Dresdner Brandrede im Januar 2017 zu protes­tieren. Bestand­teil der Aktion war ein vom ZPS um Philipp Ruch initi­ierter „Zivil­ge­sell­schaft­li­cher Verfas­sungs­schutz Thüringen“, die „aufwen­digste Lang­zeit­be­ob­ach­tung des Rechts­ra­di­ka­lismus in Deutschland“.

Was genau mit dieser „Lang­zeit­be­ob­ach­tung“ gemeint ist und ob Höcke überhaupt überwacht werden sollte, war unklar. Doch nur eine Woche nach der Eröffnung des „Denkmals der Schande“ vor der Haustür des AfD-Poli­ti­kers holte der Geraer Staats­an­walt Zschächner mit der großen Keule aus. Ausweis­lich eines von ihm am 29. November 2017 gefer­tigten Vermerks ermit­telte er – Akten­zei­chen 173 Js 39497/​17 – gegen Philipp Ruch als „Kopf“ des ZPS „und weitere noch nicht nament­lich bekannte Mitglieder“ der Grup­pie­rung nach § 129 StGB. Der Vorwurf: Bildung einer krimi­nellen Vereinigung.6

Zschächner schrieb, durch die Verwen­dung des Begriffs „zivil­ge­sell­schaft­li­cher Verfas­sungs­schutz“ werde deutlich, dass den Initia­toren daran gelegen sei, „geheim­dienst­liche Tätig­keiten in eigener Regie auszu­führen“. Der Staats­an­walt unter­stellte Ruch und seinen Mitstrei­tern eine geplante „optische Total­über­wa­chung“ des AfD-Poli­ti­kers „vermit­tels leis­tungs­starker Bild- und Fototechnik“.

Belege für diesen Verdacht fand Zschächner in den 16 Monate lang dauernden Ermitt­lungen nicht. Eher zufällig wurden die Ermitt­lungen erst Anfang April 2019 publik, durch eine parla­men­ta­ri­sche Anfrage eines Linken-Land­tags­ab­ge­ord­neten. Zschächner geriet in den Mittel­punkt einer lebhaften Debatte. Thürin­gens Justiz­mi­nister Dieter Lauinger (Grüne) vertei­digte ihn zunächst noch, schließ­lich beruhe die Einlei­tung des Ermitt­lungs­ver­fah­rens auf eigenem Verhalten des Zentrums für poli­ti­sche Schönheit und sei „nicht politisch motiviert“. Lauinger fragte lediglich: „Kann man ein solches Ermitt­lungs­ver­fahren nicht schneller als in 16 Monaten zum Abschluss bringen?“ Thürin­gens Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich irritiert, schrieb auf Twitter: „Alle zivilen Verfahren gegen das ZPS blieben erfolglos und nun Straf­recht als krimi­nelle Verei­ni­gung? Seltsam!“ Er betonte aber auch: „Ein Rechts­staat zeichnet sich aber gerade dadurch aus, genau keine poli­ti­schen Weisungen zu erteilen.“

Der Fall Maier und der Fall Zschächner unter­scheiden sich, nicht nur weil der eine Richter und der andere Staats­an­walt ist. Sondern vor allem, weil sich Maier besonders außer­dienst­lich politisch posi­tio­niert hat, Zschächner dagegen eine Nähe zur AfD in erster Linie in seinen juris­ti­schen Entschei­dungen doku­men­tierte. Denn es gab nicht nur die ZPS-Entschei­dung: Das Verfahren wurde nach seinem Bekannt­werden nach wenigen Tagen im April 2019 eingestellt.

Darf jemand wie Zschächner Staats­an­walt sein?

Zwar hatte Zschächner, der in der Ermitt­lungs­be­hörde für politisch moti­vierte Krimi­na­lität zuständig war, auch harte Neonazis angeklagt. Es wurden aber von April 2019 an zahl­reiche frag­wür­dige Entschei­dungen bekannt, in denen er rechts­ra­di­kale Akti­visten davon­kommen ließ. Die thürin­gi­sche Linken-Land­tags­ab­ge­ord­nete Katharina König-Preuss und die Linken-Bundes­vor­sit­zende Katja Kipping doku­men­tierten eine ganze Reihe von Fällen. Kipping nannte Zschächner einen „Staats­an­walt, der‘s Rechten recht macht“.7

Auch die FAZ berich­tete damals unter der Über­schrift „Ein Waterloo von einer Begrün­dung“ über ein von Zschächner einge­stelltes Ermitt­lungs­ver­fahren im Zusam­men­hang mit einer AfD-Demons­tra­tion 2017 in Jena.8 Es hatte damals einen Gegen­aufzug der Jungen Gemeinde Stadt­mitte gegeben, die AfD-Demons­tranten wollten für die Gegen­de­mons­tranten, wie sie in Sprech­chören kundtaten, eine U‑Bahn „bis nach Auschwitz“ bauen. Zschächner lehnte eine Anklage wegen Volks­ver­het­zung ab. Das Wort „Auschwitz“ sei inhalt­lich im Sinne einer Metapher „nicht wesent­lich anders“ verwendet worden als das Wort „Waterloo“, das als „sinn­bild­liche Bezeich­nung einer vernich­tenden Nieder­lage“ geläufig sei. Die Jenaer Anwältin Pietrzyk konnte mit einer Beschwerde erreichen, dass die Ermitt­lungen in diesem Fall wieder aufge­nommen werden. Pietrzyk sagt, Linke seien durch Zschäch­ners Entschei­dungen einge­schüch­tert worden.

Das betrifft auch einen Überfall von mindes­tens 40 Tatver­däch­tigen aus der Neona­zi­szene auf drei Punks am 1. Mai 2015 in Saalfeld.9 Die kleine Gruppe hatte an der Veran­stal­tung gegen den Aufmarsch der rechts­extremen Klein­partei Der III. Weg teil­ge­nommen. Sie war auf dem Heimweg, als sie von den Neonazis völlig grundlos ange­griffen wurde. MDR Thüringen recher­chierte schnell, dass einer der mutmaß­li­chen Haupt­tat­ver­däch­tigen bereits wegen Körper­ver­let­zung polizei- und gerichts­be­kannt und im Security-Bereich tätig gewesen sei. Mehrere Tatbe­tei­ligte an dem Angriff auf die drei Punks waren in der rechts­extremen „Freien Kame­rad­schaft Dresden“ aktiv. Und die Ermittler in Thüringen erhielten schon ein halbes Jahr nach dem Angriff von den säch­si­schen Behörden konkrete Hinweise auf die Kame­rad­schaft. Die Thüringer Allge­meine zitierte einen Sprecher der Staats­an­walt­schaft Gera – zustän­diger Ermittler war Zschächner – im Dezember 2017, es sei „keine Relevanz für die hiesigen Ermitt­lungen ersicht­lich“. Die Neben­kla­ge­ver­tre­terin Pietrzyk warf der Justiz damals vor, sie verspielte in dem Saal­felder Fall die Möglich­keit, gefähr­liche Neona­zi­struk­turen aufzudecken.

Christina Büttner, Projekt­ko­or­di­na­torin bei der Bera­tungs­stelle Ezra für Betrof­fene von rechter, rassis­ti­scher und anti­se­mi­ti­scher Gewalt, sagt, unter anderem mit Hinweis auf den 1. Mai 2015 in Saalfeld: „Durch solche Erfah­rungen verlieren Betrof­fene und auch viele Menschen aus ihrem Umfeld das Vertrauen in den Rechts­staat.“ Und: „Zuge­spitzt formu­liert entsteht so das Bild, Neonazis können tun was sie wollen.“

Und so jemand wie Zschächner darf Staats­an­walt sein? Gleich­zeitig mit der Einstel­lung der Ermitt­lungen gegen das ZPS wurde Zschächner, bisher zuständig für politisch moti­vierte Krimi­na­lität, mit anderen Aufgaben in der Ermitt­lungs­be­hörde betraut, „auf eigenen Wunsch“, wie das Justiz­mi­nis­te­rium im April 2019 mitteilte. Er wurde – die Entschei­dung gilt bis zur abschlie­ßenden Unter­su­chung der Vorwürfe nur vorläufig – mit der Aufklä­rung von Brand­de­likten beauf­tragt. Ein Sprecher des Zentrums für poli­ti­sche Schönheit jubi­lierte: „An uns hat sich Zschächner jetzt verhoben.“

Anmer­kungen

1 Höcke-Rede im Wortlaut: „Gemüts­zu­stand eines total besiegten Volkes“, in: Tages­spiegel, 19.1.2017, abgerufen am 24.6.2019 www.tagesspiegel.de/19273518.html

2 Rede­bei­trag Jens Maier AfD bei der Jungen Alter­na­tive in Dresden, veröf­fent­licht am 18.1.2017 auf Youtube, abgerufen am 24.6.2019 www.youtube.com/watch?v=HnDXa8vIeXA

3 Karin Schlottmann/​Ulrich Wolf, Die Würde des Amtes, in: Säch­si­sche Zeitung, 20.1.2017, abgerufen am 19.6.2019 www.saechsische.de/die-wuerde-des-amtes-3592924.html

4 Matthias Meisner/​Ronja Ringel­stein, Der Richter von der AfD: Ein Demagoge in Robe, in: Tages­spiegel, 24.1.2017, abgerufen am 19.6.2019 www.tagesspiegel.de/19295504.html

5 Robert Kiesel, AfD-Politiker Jens Maier: Breivik handelte aus Verzweif­lung, in: Vorwärts, 20.4.2017, abgerufen am 19.6.2019 www.vorwaerts.de/artikel/afd-politiker-jens-maier-breivik-handelte-verzweiflung

6 Matthias Meisner, Die Geraer Ermitt­lungs­akte 173 Js 39497/​17, in: Tages­spiegel, 14.4.2019, abgerufen am 19.6.2019 www.tagesspiegel.de/24218208.html

7 Matthias Meisner, „Wir nannten ihn nur den ‚Jura-Nazi‘“, Ein Staats­an­walt und seine Nähe zur AfD, in: Tages­spiegel, 10.4.2019, abgerufen am 19.6.2019 www.tagesspiegel.de/24202498.html

8 Marlene Grunert, Ein Waterloo von einer Begrün­dung, in: FAZ, 9.4.2019, abgerufen am 19.6.2019 www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/zps-ermittlungen-bevorzugte-ein-staatsanwalt-afd-sympathisanten-16131301.html

9 Matthias Quent, Ausge­schla­gene Zähne, Gehirn­er­schüt­te­rungen, innere Blutungen, in: Zeit online Störungs­melder, 4.5.2015, abgerufen am 19.6.2019 blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/05/04/ausgeschlagene-zaehne-gehirnerschuetterungen-innere-blutungen_19297

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