Moldau: Russi­scher Einfluss in Gagausien

Yelizaveta Landen­berger

In Gagausien, einem autonomen Terri­torium im Süden der Republik Moldau, fällt russische Propa­ganda auf frucht­baren Boden – bei den Wahlen im Mai gewann die Kandi­datin der prorus­si­schen Șor-Partei. Was sind die Gründe und wie will die proeu­ro­päische Regierung Moldaus einer Desta­bi­li­sierung der Region entgegensteuern?

Bei den Wahlen zum höchsten politi­schen Amt des autonomen moldaui­schen Terri­to­riums Gagausien, dem sogenannten Başkan, ging im Mai Evghenia Guțul von der prorus­si­schen Șor-Partei als Wahlsie­gerin hervor. In Chișinău wurde ihr Wahlbetrug vorge­worfen, in Gagausien kam es jedoch zu Protesten für eine Anerkennung Guțuls als Wahlsie­gerin. Am 22. Mai bestä­tigte ein Berufungs­ge­richt in der gagausi­schen Haupt­stadt Comrat schließlich den umstrit­tenen Wahlsieg Guțuls.

Russische Bericht­erstattung über die Wahl

In russi­schen Staats­medien wurde extensiv über die Wahl – und auf sehr einseitige Art und Weise auch über die Wahlbe­trugs­vor­würfe – berichtet. Die die Grenze zur Desin­for­mation überschrei­tende Rhetorik erinnerte dabei stark an die Bericht­erstattung zur Ukraine: „Das Regime Maia Sandus“ unter­drücke die russisch­spra­chige Bevöl­kerung Gagau­siens, der Volks­wille des gagausi­schen Volkes werde missachtet. „Fatale Entscheidung. Moldau bewegt sich auf einen Bürger­krieg zu”, titelte gar die staat­liche russische Nachrich­t­agentur RIA Novosti.

Geleaktes Kreml-Dokument: Moldau als russi­scher Vasallenstaat

Dass der Kreml in der Tat Pläne verfolgt, die Republik Moldau bis zum Jahr 2030 mit hybriden Kriegs­stra­tegien zunächst zu desta­bi­li­sieren und schließlich in einen russi­schen Vasal­len­staat zu verwandeln, geht unter anderem aus einem am 15. März 2023 geleakten Dokument hervor. Es stammt aus der Abteilung für Bezie­hungen zu Nachbar­ländern des russi­schen Präsi­di­al­amtes. Darin wird beschrieben, dass eine „ableh­nende Haltung gegen die NATO in der moldaui­schen Gesell­schaft und in politi­schen Kreisen” erzeugt und im Gegenzug die Bezie­hungen zu Russland durch die orthodoxe Kirche und die russische Sprache in Moldau gestärkt werden sollen. Das Dokument erinnert stark an ein ähnliches Dokument vom Februar 2023, das Strategien für eine russische Kontrolle über Belarus bis 2030 beschreibt.

Die Pläne scheinen – wenigstens zum Teil – aufzu­gehen: Tatsächlich kommt es seit Herbst 2022 zu von der kreml­nahen Șor-Partei organi­sierten Kundge­bungen, die in regel­mä­ßigen Abständen in ganz Moldau statt­finden und sich gegen Maia Sandu und ihre liberale und proeu­ro­päische Partei der Aktion und Solida­rität richten.

Die russische Sprache als Vehikel für russische Propaganda

Von großer Bedeutung für die Popula­rität prorus­si­scher Positionen in Gagausien ist die russische Sprache: In fast allen Schulen Gagau­siens wird auf Russisch unter­richtet und auch im Alltag dominiert Russisch, während die gagausische Sprache von immer weniger Menschen beherrscht wird. Die mangelnden Kennt­nisse des Rumäni­schen, der Amtssprache der Republik Moldau, bestimmen auch, welche Medien Einfluss haben.

Eine vom Institut für öffent­liche Politik in Chișinău vor einigen Jahren durch­ge­führte Umfrage ergab, dass 90 % der gagausi­schen Bevöl­kerung Nachrichten aus russisch­spra­chigen Medien konsu­mierten, die entweder direkt vom Kreml oder von den kreml­nahen moldaui­schen Parteien wie der Partei der Sozia­listen oder der Șor-Partei kontrol­liert werden.

Es mangelt an quali­tativ hochwer­tigen medialen Alter­na­tiven für die russisch­spra­chige moldauische Bevöl­kerung, was die Unpopu­la­rität der Idee der europäi­schen Integration in der Region und die weite Verbreitung russi­scher propa­gan­dis­ti­scher Narrative erklärt.

Prorus­sische Kräfte schüren gezielt Ängste

Gagausien ist sehr arm, das durch­schnitt­liche Monats­ein­kommen betrug Ende 2022 gerade einmal 8322 Lei, umgerechnet etwa 438€ – das liegt noch deutlich unter dem gesamt­mol­daui­schen Durch­schnitt von 11539 Lei, einer ohnehin nicht gerade üppigen Summe. Russische Desin­for­mation ist in Gagausien nicht zuletzt auch aufgrund dieser widrigen ökono­mi­schen Umstände und der damit einher­ge­henden allge­meinen Unzufrie­denheit äußerst erfolg­reich. Prorus­sische Kräfte wie die Șor-Partei versuchen, die Unzufrie­denheit in Protest gegen den proeu­ro­päi­schen Kurs der moldaui­schen Regierung zu transformieren.

Maßnahmen zur Sicherung des Landes

Die moldauische Regierung zeigt sich immer wieder besorgt über den Einfluss des Kremls und hat seit dem Beginn der Großin­vasion in der Ukraine mehrere Maßnahmen zur Sicherung des Landes ergriffen. Die erste Maßnahme umfasst die Bekämpfung von Fake News und Propa­ganda, so etwa die Sperrung mehrerer propa­gan­dis­ti­scher Fernseh­sender.

PATRIOT-Zentrum soll russische Propa­ganda bekämpfen

Die Propa­ganda des Kremls soll zudem auch durch die Einrichtung eines sogenannten PATRIOT-Zentrums bekämpft werden, das Materialien und Strategien zur Bekämpfung von Propa­ganda entwi­ckeln, Fake News erkennen und über die ergrif­fenen Maßnahmen berichten soll. “Der Plan derje­nigen, die Unwahr­heiten streuen und zu ihrer Verbreitung beitragen, besteht darin, Angst zu schüren (…). Da sie uns nicht mit Panzern erreichen können, sponsern sie riesige Geldsummen, um Lügen in den Massen­medien und den sozialen Netzwerken zu verbreiten, und finan­zieren mit schmut­zigem Geld krimi­nelle Gruppen, die versuchen, uns von unserem Weg der Entwicklung des Landes abzuhalten“, äußerte sich Sandu Ende Mai.

Verschärfte Einrei­se­kon­trollen und Unabhän­gigkeit von russi­schem Gas

Die moldaui­schen Behörden haben außerdem in letzter Zeit die Einrei­se­kon­trollen verschärft. Beispiels­weise verhin­derte die moldauische Grenz­po­lizei im März die Einreise eines Vertreters der kreml­nahen privaten Militär­or­ga­ni­sation Wagner.

Die Regierung der Republik Modau hat inzwi­schen auch Alter­na­tiven zu russi­schem Gas gefunden. Moldau benötige kein Gas von Gazprom mehr, sondern sei nach Aussagen des Minis­ter­prä­si­denten Recean technisch und kommer­ziell in das europäische Energienetz integriert.

Wenn es um westliche Unter­stützung geht, braucht Moldau vor allem finan­zielle Hilfe. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Wirtschaft des ärmsten Landes Europas schwer getroffen. Die Behörden müssen Haushalts­gelder ausgeben, um den sozialen Bedarf zu decken. In dieser Situation bleibt wenig Geld für Infra­struk­tur­pro­jekte und Reformen, die für eine weitere Annäherung des Landes an die EU notwendig sind.

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