Neue Partei zur Euro­pa­wahl: Wer steckt hinter der DAVA?

Foto: Imago

Fatih Zingal (zweiter von rechts), Spit­zen­kan­didat der DAVA, zu Gast in der ZDF-Talkshow maybrit illner am 16.03.2017 in Berlin.

Als im Januar 2024 die „Demo­kra­ti­sche Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ ihre Gründung bekannt gab, setzte schnell Kritik ein: Die Partei sei ein verlän­gerter Arm Erdogans. Am 9. Juni tritt sie zu den Europa-Wahlen an. Was und wer steckt hinter DAVA?

DAVA gilt als neuer Versuch der Erdogan-Lobby, in der deutschen Partei­en­land­schaft Fuß zu fassen. Da es bei Euro­pa­wahlen in Deutsch­land bislang keine Sperr­klausel gibt, könnte DAVA durchaus ins Euro­pa­par­la­ment einziehen. „Gelingen könnte das vor allem über die Mobi­li­sie­rung von Nicht-Wählern“, so der Jour­na­list Erkan Pehlivan, der die Einfluss­nahme von Erdogans Regie­rungs­partei AKP in Deutsch­land und ihre über Jahr­zehnte etablierten Netzwerke seit langem begleitet.

Zu einem möglichen Wahl­er­folg dürfte vor allem die weit­ver­brei­tete Empörung über den aktuellen Krieg Israels gegen die Hamas beitragen. Im Wahl­pro­gramm bekennt sich DAVA zwar eindeutig zu einer Zwei­staa­ten­lö­sung in den Grenzen von 1967 und damit zum Exis­tenz­recht Israels.

Deutlich ist aber auch, dass vor allem der Spit­zen­kan­didat der DAVA, Fatih Zingal, bei den radikalen pro-paläs­ti­nen­si­schen Demons­tranten auf Stim­men­fang geht. Häufig demons­trativ in Kufiya gekleidet und auf Social Media in Szene gesetzt, instru­men­ta­li­siert Zingal immer wieder das Leid paläs­ti­nen­si­scher Zivi­listen, um sich als Stimme der weltweit Unter­drückten und Margi­na­li­sierten zu profilieren.

Popu­lis­ti­sche Rhetorik und Opfernarrativ

Insgesamt ähneln die rheto­ri­schen Stra­te­gien von DAVA den klas­si­schen Kommu­ni­ka­ti­ons­mus­tern des Popu­lismus. Mit einem mora­li­schen Allein­ver­tre­tungs­an­spruch wird sugge­riert, „das Volk“ gegenüber einer allmäch­tigen und korrupten „Elite“ zu vertreten. Zwar richtet sich DAVA vor allem an Muslime, doch in Wahl­pro­gramm und Bild­sprache der Video­clips wird bisweilen deutlich, dass die Partei versucht, auch andere von Rassismus Betrof­fene als gesell­schaft­lich Ausge­schlos­sene zu erreichen.

„Profes­sio­neller und breiter vernetzt“

Die Spit­zen­kan­di­daten der DAVA für die Europa-Wahl haben eine unüber­seh­bare Verbin­dung zum AKP-Netzwerk in Deutsch­land. Und im Vergleich zu ihren Vorgän­gern – dem „Bündnis für Inno­va­tion und Gerech­tig­keit“ und der „Allianz Deutscher Demo­kraten“ – agierten die DAVA-Funk­tio­näre „wesent­lich profes­sio­neller“ und seien „deutlich besser und breiter vernetzt“, meint Erkan Pehlivan.

Spit­zen­kan­di­daten mit Verbin­dungen zum AKP-Netzwerk in Deutschland

Zum AKP-Netzwerk gehört aktuell vor allem der Dach­ver­band DITIB, welcher der türki­schen Reli­gi­ons­be­hörde Diyanet direkt unter­steht. Dem Verband werden Verbin­dungen unter anderem zu den rechts­extremen Grauen Wölfenund dem türki­schen Geheim­dienst vorge­worfen. Dazu kommen die Union Inter­na­tio­naler Demo­kraten (UID) sowie Milli Görus, eine bundes­weit aktive Bewegung, die Verfas­sungs­schutz­ämter dem lega­lis­ti­schen Isla­mismus zurechnen und die ähnlich wie DITIB vieler­orts ein zentraler Akteur der lokalen Islam­po­litik ist.

Aus eben diesen drei Orga­ni­sa­tionen hat DAVA ihre Spit­zen­kan­di­taten für die Europa-Wahlen rekru­tiert: So war Spit­zen­kan­didat Fatih Zingal bis vor kurzem Pres­se­spre­cher der UID. Ali Ihsan Ünlü, Listen­platz zwei, hat den DITIB-Verband Nieder­sachsen mit aufgebaut und geleitet. Mustafa Yoldas, Listen­platz drei, war Funk­tionär von Milli Görus sowie Vorsit­zender der Inter­na­tio­nalen Huma­ni­tären Hilfs­or­ga­ni­sa­tion (IHH), die wegen finan­zi­eller Unter­stüt­zung der Hamas in Deutsch­land seit 2010 verboten ist.[1] Zudem hat der DAVA-Vorsit­zende Mehmet Teyfik Özcan bis August 2023 regel­mäßig apolo­ge­ti­sche Artikel bei TRT Deutsch publi­ziert, einem Ableger des türki­schen Staatssenders.

Verbin­dungen zum Iran?

Auch wenn DAVA die deutliche Hand­schrift des türki­schen Natio­na­lismus und Isla­mismus trägt, legt der Kandidat auf Listen­platz vier weitere Verbin­dungen nahe: Mohammed Ale Hosseini amtierte bis vor kurzem als Vorsit­zender der Isla­mi­schen Gemein­schaft der schii­ti­schen Gemeinden Deutsch­lands (IGS). Gegründet wurde die IGS auf Initia­tive des Isla­mi­schen Zentrum Hamburg (IZH), das der Bundes­ver­fas­sungs­schutz als „bedeu­tendes Propa­gan­da­zen­trum Irans in Europa“ einordnet. Nach wie vor fungiere die IGS als „wichtiges Element für die Steuerung der Inter­essen des IZH“, so der Bundesverfassungsschutz.

Vor diesem Hinter­grund ist die von der DAVA stets bemühte Rede von „Vielfalt“, „Respekt“ und „Toleranz“ ein Etiket­ten­schwindel. Den exis­tie­renden Rassismus in Deutsch­land erklärt DAVA zu einem reli­giösen Kultur­kampf, die weit­ver­brei­tete Feind­schaft von Muslim:innen gegenüber Kurd:innen, Alevit:innen oder Yezid:innen wird selbst­re­dend nicht problematisiert.

Europa-Wahl­pro­gramm mit unrea­lis­ti­schen Forderungen

Im Europa-Wahl­pro­gramm von DAVA findet sich viel Symbol­po­litik, so etwa die Einfüh­rung von Türkisch als zweite Fremd­sprache in Schulen oder die vage Ablehnung von „Gender-Ideologie“ zum „Schutz der Familie“. Rauf Ceylan sieht in den vielen unrea­lis­ti­schen Forde­rungen von DAVA nicht nur eine Strategie, sich emotional stark ausge­grenzt fühlende, konser­va­tive Muslime zu erreichen. „Mit Verweis auf ihr kompro­miss­loses Enga­ge­ment könnte es den DAVA-Funk­tio­nären bei einem Scheitern der Partei gelingen, später in der Türkei Karriere zu machen“, so der Reli­gi­ons­so­zio­loge an der Univer­sität Osnabrück.

Zudem fordert DAVA die Aner­ken­nung der in Deutsch­land von Isla­misten domi­nierten musli­mi­schen Verbände als Reli­gi­ons­ge­mein­schaften und ihre Umwand­lung in Körper­schaften des öffent­li­chen Rechts. DITIB, Milli Görus und Orga­ni­sa­tionen der Muslim­bru­der­schaft und der Grauen Wölfe würden so noch weiter aufge­wertet und privi­le­giert: etwa durch das Recht zur Erhebung von Steuern und das Recht auf eigene Beamte mit spezi­ellen Rege­lungen im Arbeits- und Sozi­al­recht. Zudem müssten die Verbände bei staat­li­chen Planungs­ver­fahren einbe­zogen werden und hätten das Recht, Melde­re­gister einzusehen.

Einfluss zukünftig auch auf kommu­naler Ebene?

Auch über die Europa-Wahlen hinaus stellt sich die Frage, welche Rolle DAVA zukünftig im Bund, den Ländern und in den Kommunen spielen wird. Der DAVA-Vorsit­zende Mehmet Teyfik Özcan hatte Anfang des Jahres das Ziel ange­kün­digt, sich bundes­weit zu etablieren und bei den Bundes­tags­wahlen 2025 anzu­treten. Die Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin Dastan Jasim hält es für möglich, dass DAVA in Zukunft vor allem in Kommunen und in Stadt­räten Erfolge erzielt. Auch so würde es der Erdogan-Lobby gelingen, stärker Teil des poli­ti­schen Prozesses zu werden und etwa bei bildungs- und reli­gi­ons­po­li­ti­schen Themen vor Ort mitzuentscheiden.

[1] https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/europawahl-2024/548033/demokratische-allianz-fuer-vielfalt-und-aufbruch/; https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ruecktritt-der-gesamten-ditib-fuehrung-in-niedersachsen-15910774.html

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spen­den­tool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­ti­sche Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steu­er­lich absetzbar. Für eine Spen­den­be­schei­ni­gung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

News­letter bestellen

Mit dem LibMod-News­letter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.