No country for old men! Woran Trumps Amerika scheitern könnte

Foto: Imago

Trump feiert in seiner Rede zur Lage der Nation vor allem sich selbst. Seine Exeku­tiv­ver­ord­nungen haben seit seinem Amtsan­tritt nicht nur das Land in Unsicherheit und Ungewissheit gestürzt. Während Trump und seine MAGA-Leute noch die Hochzeiten unmit­telbar nach den Wahlen erleben, wächst die Unzufrie­denheit mit seiner Politik. Wo ist die Opposition in den USA und woher kommt Wider­stand aus den Reihen der Liberalen, der Demokraten? Unser politi­scher Analyst Jackson Janes betrachtet die Stimmung in seinem Land von Washington aus. 

Le roi, c’est moi

Trump ist erst seit ein paar Wochen im Amt, doch seine „Rede zur Lage der Nation“ am 4. März war eine Werbung für den Tsunami der von ihm erlas­senen Exeku­tiv­ver­ord­nungen. Trump kündigte den Beginn eines „goldenen Zeitalters“, in das die USA angeblich eintreten würden, an; in erster Linie aber war seine Rede eine Feier seiner selbst. Sie bot ihm ein weiteres Mal eine Plattform, um seine Gegner zu verun­glimpfen. Die Demokraten saßen unter­dessen größten­teils in still­schwei­gendem Protest da, während die ihnen gegenüber positio­nierten Republi­kanern energie­ge­la­denen jedes Wort von Trump bejubelten.

Trump war die dominie­rende Kraft im Raum und er erklärte sich selbst zum Vollstrecker des Willens der ameri­ka­ni­schen Wähler: indem er die Politik und die Insti­tu­tionen verändere und umgestalte, illegale Einwan­derer mit hoher Geschwin­digkeit aus dem Land schaffe, überbe­zahlte und unter­be­schäf­tigte Bürokraten entließe, Behörden abschaffe oder andere Handels­partner mit Zöllen einschüchtere. Er kündigte außerdem an, den ameri­ka­ni­schen Einfluss und die ameri­ka­nische Dominanz auszu­weiten und anderswo zurück­zu­nehmen. Seine zerstö­re­rische Arbeit schreitet schnell voran und er verkündete stolz: „Wir fangen gerade erst an“. Hunderte von Exeku­tiv­maß­nahmen sind geplant, zusammen mit über 100 Verord­nungen. Die Lawine der Aktivi­täten zieht die gesamte Aufmerk­samkeit auf sich, es ist Steve Bannons Strategie des „Überflutens des Terrains“ („flooding the zone“) in Aktion.

Beleidigt und rachsüchtig

Die Rede enthielt wütende Angriffe auf die Demokraten und insbe­sondere auf den ehema­ligen Präsi­denten Joe Biden, den er als „den schlech­testen Präsi­denten in der ameri­ka­ni­schen Geschichte“ bezeichnete. Trump enthüllte damit ein grund­le­gendes Motiv seiner Präsi­dent­schaft: Rache. Rache an all jenen, die er für seine „Verfol­gungen“ in den letzten acht Jahren verant­wortlich macht – die Prozesse, die Anklagen, die von ihm allesamt als „Hexenjagd“ bezeichnet wurden.

In den letzten zehn Jahren konnte Trump die Missstände, die Millionen von Ameri­kanern empfanden, für sich nutzen, indem er sich zum Anwalt der Unzufrie­denen insze­nierte. Sein „Make America Great Again“ meint auch die Etablierung einer Präsi­dent­schaft, die die Macht­be­fug­nisse des Präsi­denten über die des Kongresses stellt und die er entspre­chend ausbauen will.

Schon jetzt verfügt er über weitaus mehr Macht als während seiner ersten Präsi­dent­schaft. Sie beinhaltet die Kontrolle über das Weiße Haus und sowohl den Senat als auch über das Reprä­sen­tan­tenhaus mit Mehrheiten der Republi­ka­ni­schen Partei  – zumindest für die nächsten zwei Jahre. In gewissem Umfang besitzt er auch Macht über die Zusam­men­setzung des Obersten Gerichtshofs, der aus drei liberalen und sechs konser­va­tiven Richtern besteht, von denen drei von Trump nominiert wurden.

Kultur­kampf

Aber nicht nur die Zusam­men­setzung der Insti­tu­tionen in Washington ist anders. Auch die der ameri­ka­ni­schen Gesell­schaft hat sich in eine konser­vative Richtung entwi­ckelt. Trump konnte dies in den letzten zehn Jahren nutzen und fördern. Die Reaktionen der Republi­kaner, die während Trumps Rede im Kapitol saßen, waren ein Abbild dieses Wandels. Die Kontrolle, die Trump über die Republi­ka­nische Partei ausübt, ist nicht nur unter den gewählten Vertretern in Washington, sondern im ganzen Land allge­gen­wärtig geworden.

Es ist dieser Wandel in der Gesell­schaft, auf den Trumps Rede abzielte. Es ging mehr um Gefühle als um Fakten, mehr um Versprechen als um konkrete politische Maßnahmen. Sie bezog sich auf den aktuellen Kultur­kampf, auf Themen wie „Wokeness“ und LGBTQI+, die MAGA ablehnt. Trump insze­nierte sich als Anführer radikaler Verän­de­rungen, die sich täglich, wenn nicht stündlich vollziehen: Entlas­sungen von Bundes­an­ge­stellten, Strei­chungen von Minis­terien, Schaffung des Amtes des DOGE, Einstellung inter­na­tio­naler Hilfs­pro­gramme, Verhängung von Zöllen gegen Verbündete, Einstellung der Hilfs­leis­tungen für die Ukraine, Rückfor­derung des Panama­kanals, Ankün­digung, dass Kanada Teil der USA werden soll, und Umbenennung des Golfs von Mexiko und so weiter...

Globale Folgen von Trumps errati­scher Politik

Ob seine Pläne reali­sierbar sind oder nicht: Viele dieser Bemühungen haben in Washington für große Unsicherheit gesorgt. Die Eskalation von Konflikten mit globalen Partnern in Form von Zöllen hat die Märkte desta­bi­li­siert, und die Unbere­chen­barkeit von Trump selbst mindert das Vertrauen in eine Regierung, die von den Launen eines einzelnen Mannes abhängig ist. Tatsächlich hat das Vertrauen in die ameri­ka­nische Führung, ganz zu schweigen vom Vertrauen in langjährige Partner­schaften, in einer Zeit abgenommen, in der die globale Arena immer gefähr­licher wird und die Zukunft des Kurses der USA auf der Weltbühne unvor­her­sehbar ist.

Das jüngste Drama um den Zusam­menstoß zwischen dem ukrai­ni­schen Präsi­denten Selenskyj und Trump im Oval Office war ein besonders schockie­rendes Beispiel dafür, wie man ein anderes Land und seinen Staatschef demütigen kann. Trump wollte ein Abkommen mit Wladimir Putin schließen, und Selenskyj war ihm dabei einfach im Weg, weil er nicht mitan­sehen wollte, wie sein Land von der Landkarte verschwindet. Trump hat eine Vorge­schichte darin, andere Staats­ober­häupter, die anderer Meinung sind als er, herab­zu­wür­digen. Diese Botschaft wurde auch anderswo auf der Welt gehört.

Die Unzufrie­denheit mit Trumps innen- und außen­po­li­ti­schen Deals steigt

Trump ist weithin als sehr trans­ak­tio­naler Charakter bekannt. Er betrachtet das Deal-Making als seine Stärke. Wenn diese Deals jedoch allesamt Nullsum­men­spiele sind – einer gewinnt und der andere verliert –, führt dies zu Ressen­ti­ments und einer Abneigung gegen Bezie­hungen, die sich Werten wider­setzen. In den ersten Wochen im Oval Office hat Trump Partner­länder oft als Gegner betrachtet und sie als Länder bezeichnet, die den Verei­nigten Staaten gegenüber unfair waren. So behauptete er, die Europäische Union sei erfunden worden, um „Amerika zu verar­schen“. Das ist charak­te­ris­tisch für seine Taktik. Wenn die Vorstellung, mit anderen Ländern Geschäfte zu machen, in erster Linie auf tiefen Missständen beruht, wie groß ist dann die Chance, eine stabile Grundlage für eine Beziehung zu finden?

Trump wendet seine „Deal Maker“-Methode sowohl im Inland als auch bei der Umsetzung seiner Agenda in inter­na­tio­nalen Bezie­hungen an. Das mag seine MAGA-Anhänger und persön­lichen Inter­es­sen­ver­treter begeistern, da es ihn als harten Verhand­lungs­partner und Präsi­denten erscheinen lässt. Aber dies kann auch zu weitrei­chenden Bedenken in der ameri­ka­ni­schen Öffent­lichkeit führen: Seine radikalen Kürzungen im Regie­rungs­haushalt, die durch Musks DOGE-Abteilung noch verstärkt werden, hinter­lassen allmählich Spuren bei Familien und Freunden, die zu Tausenden ihren Arbeits­platz verlieren, wobei angesichts der großen Haushalts­kür­zungen noch viel mehr zu erwarten ist. Sein nachlas­sendes Interesse an einem Umgang mit der ukrai­ni­schen Führung und seine Präferenz für eine Zusam­men­arbeit mit Wladimir Putin spiegeln nicht die öffent­liche Meinung wider. Dies gilt umso mehr für dieje­nigen im Kongress, die immer noch die Unter­schiede zwischen Angreifer und Opfer im Krieg in der Ukraine erkennen. Die unvor­her­sehbare Handels­po­litik und die Einführung von Zöllen, die sich auf einem ständig Schlin­gerkurs befindet, wird nicht nur von Experten fast überall abgelehnt, sondern kostet auch kurz- und langfristig Arbeits­plätze, ganz zu schweigen von der anhal­tenden Heraus­for­derung durch Inflation und Lebens­mit­tel­preise – genau das hat Trump letztes Jahr die Wiederwahl überhaupt ermöglicht.

Steht eine Verfas­sungs­krise bevor?

Trump hat seine eigene Agenda an Beschwerden, die sowohl persön­licher Natur ist als auch seine Rolle als Präsident betrifft. Ob dies mit den ameri­ka­ni­schen Wählern im Einklang bleibt, hängt davon ab, wie gut seine Versprechen eines „goldenen Zeitalters für Ameri­kaner“ in die Tat umgesetzt werden. Er und seine Anhänger streben einer­seits eine Neuge­staltung des insti­tu­tio­nellen Umfelds der ameri­ka­ni­schen Regierung an und sie wollen zudem neue nationale Narrative, eine neue Staats-Ideologie instal­lieren. Die Schritte, die Trump unter­nommen hat, um die Begna­digung all jener zu recht­fer­tigen, die nach dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar zu Gefäng­nis­strafen verur­teilt wurden, zielen in diese Richtung. Dies gilt auch für die erfolg­reiche Nominierung von Personen, entlang der Frage, ob sie ihm gegenüber loyal sind: Personen, die fest davon überzeugt sind, dass Trump die Wahl 2020 nicht verloren hat. Sie verbreiten seine Narrative und stützen die Ausweitung seiner Macht­be­fug­nisse als Präsident. Infolge nimmt die tiefe Polari­sierung in der ameri­ka­ni­schen Gesell­schaft zu: Eine Spaltung zwischen denje­nigen, die auf radikale Verän­de­rungen in Richtung einer mächti­geren Präsi­dent­schaft unter Trump drängen, und denje­nigen, die vor der Errichtung eines autori­tären Regimes unter dem Banner von „America First“ und „Make America Great Again“ warnen.

Das ameri­ka­nische Regie­rungs­system ist seit über zwei Jahrhun­derten durch das Prinzip der Gewal­ten­teilung geprägt, das in der Verfassung verankert ist. Dieser Prozess basierte auf dem Respekt vor den drei wichtigsten Regie­rungs­zweigen. Es geht von der Annahme aus, dass ein Präsident diesen Respekt teilen würde. Sowohl in seiner ersten Amtszeit als Präsident als auch in seiner jetzigen Amtszeit haben Trump und seine Anhänger angedeutet, dass sie die Haltung vertreten, der Präsident verfüge gemäß Artikel 2 der Verfassung über größere Befug­nisse, die mit denen des Systems der gericht­lichen Überprüfung und der Aufsicht durch den Kongress kolli­dieren können. Es ist wahrscheinlich, dass diese Konflikte in den kommenden Jahren vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt werden. Inwieweit die ameri­ka­nische Demokratie im Allge­meinen auf die Probe gestellt wird, hängt davon ab, wie die Mitglieder der einzelnen Regie­rungs­zweige und die Wähler selbst beurteilen, was im Interesse des Landes ist und nicht im Interesse Einzelner, einschließlich des Präsi­denten der Verei­nigten Staaten, liegt.

Es liegt an den Bürgern: Wie stabil ist die ameri­ka­nische Demokratie?

Trump trium­phierte am 4. März. Er hat deutlich gemacht, dass er seine Agenda mit Exeku­tiv­maß­nahmen und ‑verord­nungen voran­treiben wird. Diese können alle von einem neuen Präsi­denten im Jahr 2028 rückgängig gemacht werden. Inwieweit die Legis­lative ihre Aufsicht über das Weiße Haus ausüben wird, hängt von den Mehrheiten in den einzelnen Kammern ab und von ihrer Fähigkeit, die Exekutive heraus­zu­fordern. Auch das Gerichts­ver­fahren wird durch das Netz von Richtern auf mehreren Ebenen auf die Probe gestellt werden.

Die Gesundheit des ameri­ka­ni­schen Demokra­tie­ex­pe­ri­ments wird somit ein „Work in Progress“ sein – im Guten wie im Schlechten. Die Ameri­kaner haben beide Szenarien durchlebt und zwei Jahrhun­derte lang überlebt und sich weiter­ent­wi­ckelt, trotz eines Bürger­kriegs, zweier Weltkriege und Belas­tungen für das Land, das mit Angst, Unsicherheit und Gefahren im In- und Ausland fertig werden musste. All diesen Bedro­hungen sind wir heute wieder ausge­setzt. In achtzehn Monaten, im Jahr 2026, finden die Kongress­wahlen statt. In der Zwischenzeit werden dieje­nigen, die Trumps Agenda kritisch gegen­über­stehen, zunehmend versuchen, sie in Frage zu stellen und ihren Fortschritt zu stoppen. Diese Bemühungen werden wahrscheinlich von der lokalen und staat­lichen Ebene der ameri­ka­ni­schen Gesell­schaft ausgehen, wo die Auswir­kungen der von der Trump-Regierung umgesetzten Verän­de­rungen am stärksten persönlich zu spüren sein werden. Das ist bereits jetzt sichtbar. Wie kataly­tisch es sein kann, bleibt abzuwarten.

In einem Jahr wird Trump seine nächste Ansprache vor den beiden Kammern des Kongresses halten. Wir werden sehen, wie die Zusam­men­setzung des politi­schen Umfelds in Amerika dann aussehen wird.

Textende

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