Philipp Krohn: Ökoli­beral – Warum Nach­hal­tig­keit die Freiheit braucht

Foto: Imago

Ökologie und Libe­ra­lismus gelten oft als Gegen­satz­paare. Philipp Krohn zeigt in seinem 2023 erschienen Buch „Ökoli­beral“, dass das nicht so sein muss. Liberale Vordenker sind mehr öko, als man denkt, Märkte oft die besseren Klima­schützer. Lukas Daubner, der Leiter unseres Programms Ökolo­gi­sche Moderne, hat das Buch mit großem Interesse gelesen.

Schon der Unter­titel seines Buches „Ökoli­beral“, macht klar, wohin die Reise geht: „Warum die Nach­hal­tig­keit die Freiheit braucht“. Es ist ein Plädoyer für die Synthese aus ökolo­gi­schem Bewusst­sein und Leiden­schaft für die Freiheit. Für eine Freiheit aber, die die biophy­si­ka­li­schen Grenzen unseres Planeten respek­tiert. Nur innerhalb dieser Grenzen ist Wachstum im Krohn‘schen Ökoli­be­ra­lismus erlaubt. Das oberste Ziel: Eine Entkopp­lung von Wohlstand und CO2-Ausstoß. Erreicht werden soll das gestützt auf John Stuart Mills Emphase für die Freiheit, Friedrich August von Hayeks Sympathie für den Wett­be­werb und Amartya Sens alter­na­tives Verständnis von Entwicklung.

Das Buch skizziert einen Libe­ra­lismus des rechten Maßes, der Eigen­ver­ant­wor­tung und des mora­li­schen Handelns: Mündige Bürge­rinnen und Bürger instal­lieren frei­willig Solar­an­lagen, fahren E‑Auto oder schränken ihren Konsum ein. Nicht weil sie es müssen, sondern weil es geboten ist. Die CO2-Fußab­druck-App gehört hier zum Stan­dard­fea­ture der Smart­watch. Wie aber werden dieje­nigen erreicht, die die plane­taren Grenzen nicht im Blick haben? Nicht durch Ökomo­ra­lismus und ideo­lo­gi­sche Posen.

Mehr ökolo­gi­sche Ordnungs­po­litik, weniger ideo­lo­gi­sche Posen

In Philipp Krohns ökoli­be­ralen Welt würde der Kohle­aus­stieg um 2030 erfolgen – und nicht erst 2038, wie es bisher im Kohle­kom­pro­miss definiert ist. Der Grund: Die Kohle­ver­stro­mung wird dann zu teuer. Die sich abzeich­nenden poli­ti­schen Konflikte zwischen Bund und Kohle­län­dern über das finale Ausstiegs­datum sowie die vorherige aufwen­dige Kompro­miss­bil­dung – man hätte sie sich einfach sparen können.

Durch mehr ökolo­gi­sche Ordnungs­po­litik und weniger pola­ri­sie­rende Lager­kämpfe soll Klima­neu­tra­lität rasch erreicht werden. Krohn, Wirt­schafts­re­dak­teur bei der FAZ, richtet sich nicht nur an die üblichen Verdäch­tigen, sondern auch an die, die zwar einen „Fuck you Greta“-Sticker an ihrem SUV kleben haben, die aber rechnen können: Steigt der CO2-Preis lohnt sich etwa die Wärmepumpe.

Märkte mit ökolo­gi­schen Leitplanken

Die lauter werdenden Forde­rungen einer vermeint­li­chen Trans­for­ma­ti­ons­ab­kür­zung durch mehr staat­liche Aufsicht und Verbots­po­litik sind – ange­sichts der sich aus dem fort­schrei­tenden Klima­wandel und dem schnellen Aussterben von Arten ergebenen Dring­lich­keit – verständ­lich. Er ist aber auch wahn­sinnig unkreativ und unrea­lis­tisch, bedenkt man die Komple­xität moderner Gesell­schaften mit ihren Myriaden von sozialen Beziehungen.

Krohn argu­men­tiert nicht für einen Nacht­wäch­ter­staat. Staat­liche Eingriffe zur Abwendung von Umwelt- oder Klima­schäden sind durchaus denkbar und oft auch nötig. Aber in den meisten Fällen sollte der Staat sich auf die Defi­ni­tion von Leit­planken konzen­trieren. Ob Geschäfts­mo­delle zukunfts­taug­lich sind, sollten Märkte entscheiden, die von CO2-Zerti­fi­ka­te­handel, CO2-Preis und ernst­hafter Wett­be­werbs­kon­trolle gerahmt sind – nicht die Politik.

Ökoli­beral ist mehr als SUV auf eFuels

Philipp Krohn vertraut nicht allein auf Tech­no­logie und Markt­mächte. Ökoli­beral ist mehr als SUV auf eFuels. Abwei­chend vom (öko)liberalen Stan­dard­re­per­toire nimmt bei ihm Suffi­zienz einen hohen Stel­len­wert ein. Aus Selbst­be­schrän­kung kann eben auch Frei­heits­ge­winn resul­tieren. Im Übrigen weiß Krohn, was der Rebound-Effekt ist. Er hat zwei Abschluss­ar­beiten über Wachs­tums­kritik geschrieben und lebt selbst CO2-sparsamer als die meisten von uns. Er zeigt, dass Grenzen und mark­wirt­schaft­liche Instru­mente zusammen gedacht werden können.

Das Buch hat vor allem den privaten Konsum im Blick und weniger die Komple­xität der Trans­for­ma­tion ganzer Indus­trie­zweige. In beiden Bereichen muss uns klar werden, dass die euro­päi­sche Klima­lö­sung nicht nur schnell wirken muss, sondern auch attraktiv für die Wachs­tums­öko­no­mien im globalen Süden sein muss. Freiheit und Wohlstand im Rahmen biophy­si­ka­li­scher Grenzen könnte der Export­schlager des 21. Jahr­hun­derts sein. Schrumpft sich Europa zusammen, wird das global niemanden inter­es­sieren und entspre­chend wenig Wirkung aufs Klima entfalten.

Wer sehr skeptisch ist, dass der Libe­ra­lismus mit ökolo­gi­schen Vorzei­chen funk­tio­nieren kann, findet in „Ökoli­beral“ trotzdem spannende Gedanken und erfährt, dass in liberalen Vorden­kern wie Mill, Hayek oder Sen mehr Öko steckt, als es die ober­fläch­liche Lektüre von Verfech­tern und Bekämp­fern vermuten ließe.

Eine frühere Fassung dieser Rezension ist im taz Magazin FUTURZWEI (25/​2023) erschienen.

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